Social Philately, kurz Sophy


  • Sosehr ich als studierter Historiker gerne öfter mit der Sophie flirten würde, sosehr habe ich doch Zweifel, ob man wirklich etwas Neues schaffen muss

    Viele Grüße aus Erding!

    Hallo Forumsleser,

    diese wohl nicht mehr aktuelle Aussage hole ich aus der Versenkung weil mir die Bezeichnung einfach nicht gefällt und wenn man die Begriffe nachschaut auch nicht alles behinhaltet.

    Die Sozialwissenschaften (oft auch als Gesellschaftswissenschaften bezeichnet) umfassen jene Wissenschaften, die Phänomene des gesellschaftlichen Zusammenlebens der Menschen theoriegeleitet und/oder empirisch untersuchen.

    Die Geschichtswissenschaft ist die methodisch gesicherte Erforschung von Aspekten der menschlichen Vergangenheit bzw. Geschichte auf der Basis einer kritisch analysierten und interpretierten Überlieferung (Quellen) unter einer spezifischen Fragestellung.

    Die Inhalte unserer Belege beinhalten einfach "das alltägliche Leben" der Schreiber und über die Person/Behörde/Unternehmen erschließen sich weitere Gesichtspunkte, die in allen möglichen Themen führen können.

    Kurzum: Ich bin demnach auf den deutschen Begriff "Geschichten-Philatelie" gekommen, wer's englisch will "Storie-Philatelie". Selbstverständlich weiß ich, dass dieser Begriff auch nicht passt, aber er ließe einen weiteren Spielraum zu, als Social.

    Für mich jedenfalls bleibt es immer bei "Geschichten", die mir die Briefe mehr oder weniger großzügig erzählen.

    Mit einem föhlichen "Grüß Gott"
    Luitpold

  • ihr errinnert euch vielleicht noch an meine beiden Neipperg Briefe? Hier der dritte im Bunde -- Enkel von Wilhelm Reinhard, Sohn von Leopold Johann Nepomuk

    den Brief (der Inhalt ist erhalten geblieben) habe ich nun vor fast einem Jahr gekauft. Philatelistisch nicht von Belang, aber durch seinen Inhalt echt interessant. Wo ansetzen? Mit der Beschreibung tue ich mich schwer, brüte seit längerem. Deshalb sehr sehr vereinfacht, denn die politischen Hintergründe sind weitaus komplizierter.

    Der Feldzug gegen Murat und die Besetzung des Département du Gard

    Als 1815 die Nachricht von der Flucht Napoleons aus Elba in Neapel ankommt, reagiert Murat sofort. Er macht sich neuerliche Hoffnungen auf den Thron Italiens. Er wiegelt die Italiener auf und es kommt zur Aufruhr. Murat erklärt Österreich den Krieg. Letztere entsenden Truppen u.a die Divisionen des Grafen von Neipperg (Adam Adalbert). In der Schlacht um Tolentino vom 2-4 Mai unterliegt Murat und flieht. Neapel wird besetzt, es folgen noch einige Scharmützel gegen die rebellischen Italiener, bis diese schließlich aufgeben.

    In dessen setzt Murat sich nach Frankreich ab, erreicht am 29 Mai Cannes. Er versteckt sich in der Provence und hofft auf Nachricht von Napoleon. Die hier stationierten östereichischen Truppen versuchen ihn am 13.8 zu stellen. Er kann sich aber dank der Hilfe einer Einheimischen absetzen. Die Ordnungskräfte kommen zu spät. Die restlichen in Italien stationnierten Truppen (Neipperg und Co) erreichen das Hauptquartier in Coni am 11.8 und überqueren den Pass von Tende am 12.8. Sie heften sich auf die Fersen von Murat. Ab Nizza in Richtung Rhone marschieren sie über Nimes bis Avignon hoch. Aber auch ihnen gelingt es nicht Murat zu stellen, er flüchtet am 24 August nach Koriska.

    Neippergs Truppen besetzen das Département du Gard, ähnlich wie in Italien war es hier zu Unruhen gekommen, wenn auch die Hintergründe nicht dieselben waren wie mir scheint und ob dies sich wirklich auf Murat bezogen hat (?). Dieser Teil ist eine Grauzone für mich. Am 30.8 etabliert er sein Hauptquartier im Hôtel de Merles in Nimes. Er verlässt Nimes dann wieder am 19 September, macht auf dem Rückweg ins Hauptqurtier von Coni irgendwann Station in Aix und überquert wieder einmal den Pass von Tende. Diesmal allerdings unter viel schwierigeren Bedingungen wie aus dem Schreiben hervor geht. In seinem Dankesschreiben an den Bürgermeister Bourquet von Aix (en Provence) für die erhaltene Hilfe erwähnt er 6 Fuß Schnee. Er schreibt dass er und seine Männer ähnlich viel gelitten hätten wie Hannibal.

    Die genauen Abläufe der militärischen Einsätze gegen Murat von 1815 findet man bei Google Books, allerdings auf Französisch, ihr braucht nur "la campagne des autrichiens contre Murat" einzugeben und schwups gibt es jede Menge Literatur. Erwähnenswert ist noch dass Neipperg beim Wiener Kongress die Interessen von Marie-Louise von Österreich vertrat, der Gattin Napoleons. Sie werden ein Paar und heiraten nach dem Tode Napoleons. Wo die Liebe hinfällt .....

    Portofreies Schreiben von Neipperg an den Bürgermeister von Aix datiert auf den 3 November 1815. Das Siegel auf der Rückseite ist sehr gut erhalten, im Anhang noch ein Bildnis des Grafen und einige Links


    https://de.wikipedia.org/wiki/Joachim_Murat
    https://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Albert_von_Neipperg
    https://de.wikipedia.org/wiki/Marie-Lou…%C3%96sterreich

    Phila-Gruß

    Lulu

  • Liebe Lulu,

    taufrischer Brief mit unglaublichem Sophy - Hintergrund. Wenn ich einen Neipperg - Brief sehen sollte, geht umgehend Meldung an dich ab. :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Lulu,

    mein Interessensgebiet ist Sophy wirklich nicht, aber ich finde es immer wieder toll, wie du deine Funde beschreibst und die Hintergründe erforschst. Da lese selbst ich alles von der ersten bis zur letzten Zeile. Daher nur ein Wort: Chapeau!!

    liebe Grüße vom Niederrhein

    Dieter

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    hier ein Brief, der unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant ist (Postvertrag Preußen-Belgien, Contravention durch eine unvollständige Adresse), den ich aber hier einstelle, weil seine Sophy-Aspekte meines Erachtens recht interessant sind.

    Aufgabe als Herrsch. Justiz-Dienstsache portofrei in Berlin, adressiert nach Enghien in Belgien.
    Nach der Aufgabestempelung beim Hofpostamt am 23.10.1852 stellte der preußische Postbeamte fest, dass er mit der alleinigen Zielangabe Enghien nichts anfangen konnte. (Wenn man die Schriften vergleicht, stand dort zunächst nur "Enghien", die darunter stehenden Angaben wurden von anderer Hand hinzugefügt.) Mit einem blauen Fragezeichen versehen ging es zurück an den Absender, der daraufhin ergänzte Belgien.
    Im Hofpostamt wurde der alte Aufgabestempel mit Rötel durchkreuzt und ein aktueller Stempel vom 25.10. danebengesetzt. Mit der Bahnpost ging es dann Richtung Westen, belegt durch die Kursstempel BERLIN 25 10 I HALBERST: (ein relativ seltener Kursstpl.) und MINDEN 26 10 I DEUTZ.
    Am 27.10. übernahm die belgische Bahnpost (ALLEMAGNE CHEMIN DE FER) und es ging über ?AL (27.10.) nach Enghien (28.10.) in der belgischen Provinz Hennegau. Dort war der Adressat nicht zugegen, aber man vermutete, dass er in Louvain wäre. Also entlastete sich die Post in Enghien mit dem Stempel DÉBOURSÉ ENGHIEN und sandte den Brief nach Louvain (29.10.), wo er dann auch zugestellt wurde. Gemäß Inhalt, war der Adressat auch nicht in Louvain, der Brief wurde ihm laut Präsentationsvermerk am 30.10. in Brüssel vorgelegt.

    In Preußen war der Brief portofrei gelaufen, in Belgien wurde dies allerdings nicht anerkannt. Laut dem frisch abgeschlossenen preußisch-belgischen Postvertrag war nach Art. 16 die Korrespondenz zwischen staatlichen Behörden portofrei zu befördern. Da der Adressat kein belgischer Beamter war, fiel dieser Brief nicht hierunter. Nun taxierte ihn die belgische Post als normalen Portobrief und setzte 6 Déc. an. Dies beinhaltete 40 C. preußischen Portoanteil (!) und 20 C. belgischen.


    Der Adressat war der Herzog von Arenberg, der Wohnsitze in Deutschland und Belgien hatte.
    Der ehemalige Regent des Herzogtums Arenberg-Meppen wurde 1785 in Enghien geboren und starb 1861 in Brüssel. Nach den politischen Veränderungen der napoleonischen Zeit war er zwar kein regierender Fürst mehr, aber immer noch Standesherr und mit umfangreichen Besitztümern in den deutschen Gebieten ausgestattet.
    Der Brief weist rückseitig das Siegel KÖNIGL: GEHEIME CANZLEY DES JUSTIZ-MINISTERS auf und wurde vom preußischen Justizminister Ludwig Simons unterzeichnet.
    Auszugsweise ein paar Passagen des Inhalts:

    Ew. Durchlaucht habe ich die Ehre in Gemäßheit Allerhöchster Bestimmung Seiner Majestät des Königs hierdurch ergebenst zu benachrichtigen, daß Seine Majestät die von Hochdenselben und Seiner Durchlaucht vom Herrn Fürsten Alexis zu Bentheim-Steinfurt unterm 20/23 September dJ überreichte Immediat-Vorstellung mir zuzufertigen und zugleich die darin vorgetragene Beschwerde über die Anordnung, welche Seitens der Gerichts-Behörden von der Bestimmung des Artikels 4 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 auf die Funktionen und Befugnisse der den §§ 36 und 60 der Instruktion vom 30. Mai 1820 gemäß constituirten standesherrlichen Hausstaats- und Domanial-Verwaltungs-Behörden gemacht wird, meiner besonderen Aufmerksamkeit zu empfehlen geruht haben.
    ...
    Was den in der erwähnten Immediat-Eingabe dargelegten Wunsch einer baldigen Feststellung der Rechte der vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen anlangt, so werden Allerhöchstem Erlasse zufolge die hierbei in Betracht kommenden Fragen in einer allgemeineren Auslassung bei dem Königlichen Staats-Ministerium zur Erörterung gelangen.
    ...

    Der Graf hatte also zusammen mit dem Fürsten zu Bentheim-Steinfurt ein Immediat-Gesuch an den preußischen König gerichtet, auf dass der Justizminister hier antwortete. Neben der Beschwerde über die Anordnung eines Gerichts wurde hier wohl auch Lobbyarbeit für die reichsunmittelbaren Fürsten geleistet.

    Da in der Gerichtssache vom Justizminister Simon ein Schreiben an das Appellationsgericht in Westfalen ging, was laut weiteren Ausführungen in dem Brief ... wodurch dieser Gegenstand voraussichtlich seine Erledigung finden wird. wurde dieses Schreiben von dem Grafen auch an seinen Domänenverwalter Landschütz abschriftlich weitergeleitet, worüber dieser sich, laut einem weiteren Vermerk zu diesem Brief sehr erleichtert zeigte. Zu diesem Domainenrat Landschütz findet sich ebenfalls interessantes im Internet.

    Gruß
    Michael

  • den ich aber hier einstelle, weil seine Sophy-Aspekte meines Erachtens recht interessant sind.

    Hallo in die Runde,

    danke Dir Michael, ein toller Brief fachlich gewohnt sehr gut von Dir aufgearbeitet :):) Danke fürs Zeigen.... :!:
    Live werden wir ja in Oldenburg im Juli sprechen können, ich freue mich mal wieder darauf :thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo Michael,

    eine Menge Geschichte, die an einem kleinen Stück Papier hängt.

    Der von dir gesuchte Ort mit Stempeldatum vom 27.10. sollte HAL (flämisch Halle) sein.

    Viele Grüße aus Erding, von einem Halb-Belgier!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Liebe Sammlerfreunde,

    Max Reger war eine bekannte Persönlichkeit aus der Oberpfalz.
    Hierzu ein eigenhändig geschriebener Briefumschlag aus seiner Zeit in Leipzig vom 2. März 1909. Weiterhin Zeitungsartikel und ein Bild des Komponisten.

    siehe folgenden Link zu Max Reger:
    https://de.wikipedia.org/wiki/Max_Reger


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Hermann,

    herzlichen Glückwunsch zu diesem tollen Fund - wer Bach kennt, kennt auch Reger. :P:P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Ich zeige hier mal einen Beleg den ich für meine Overland Mail Baghdad-Haifa Sammlung kaufte, man beachte den "Received by Overland" Handstempel. Postgeschichtlich gesehen, der 5 bekannte Brief mit diesem Handstempel, davon nun 4 in meiner Sammlung..., ansonsten, der Brief aus den USA, abgesandt am 1, Mai 1934 nach Jerusalem und weiter geleitet nach Baghdad ist scheinbar geringfügig überfrankiert, aber reiner Bedarf...

    Was interessant ist und was ihn nun in meinen Augen für SoPhy prädestiniert ist der Absender, World Covers Incl.

    Anfangs dachte ich das ist ein Philatelistisch beeinflusster Belege, aber nein...

    Die World Cover Inc. wurde in den 1930er Jahren in USA gegründet. Hintergrund war das reisen damals recht populär wurde, aber nur wenige Leute, insbesondere Jugendliche sich das leisten konnten. Da reisen ja bildet hatte der World Cover INc. mehrere Reisejournalisten engagiert die mehrere "Expedition" durch die Welt machten und welche von World Cover Inc gesponsert wurden. Schule oder auch Privatpersonen konnten sich nun gegen Zahlung dem World Cover Inc anschließen und Briefe an diese senden welche dann dem Reisejournalisten weitergeleitet wurden. Dieser sandte dann im Gegenzug detaillierte Reiseberichte die dann als Kopien in Alben eingefügt und weitergegeben wurden.
    Das in Kürze die Geschichte...

    Habe einen mehrseitigen Artikel über die World Cover Inc welcher 2015 im GeoJournal publiziert wurde bekommen. Wer Interesse daran hat kann sich gerne bei mir melden.

  • Hallo Rainer,

    ein toller Beleg für dieses spezielle Sammelgebiet. 4 von 5 bekannten Briefen mit diesem Stempel in deinem Besitz: Das muß man erst mal hinbekommen!

    beste Grüße

    Dieter