Hallo zusammen,
ich bin ein Mensch, der nicht nur so vor sich hin sammelt, sondern der sich auch um die Zukunft der Philatelie im Allgemeinen und im Besonderen um die Zukunft seiner philatelistischen Vereine und ARGEn Sorgen macht. Ich bin jetzt seit zehn Jahren Mitglied im DASV und in der Zeit hat sich um den Verein herum Vieles verändert.
Wenn ich mir die Mitgliederlisten im Verein anschaue und dazu die unregelmäßig veröffentlichten Geburtstagslisten, in denen das Alter der jeweiligen Personen genannt wird, dann ist aus rein logischen Gründen abzusehen, dass in nicht zu ferner Zukunft der DASV massiv Mitglieder verlieren und entsprechend schrumpfen wird. Es gibt seit vielen Jahren auch aus vielen anderen Vereinen oder philatelistischen Organisationen immer wieder Überlegungen oder Vorschläge dazu, wie man möglicherweise neue Mitglieder akquirieren oder überhaupt erst einmal für die Philatelie interessieren könnte. Leider gibt es viele Hemmnisse, die nur teilweise überwunden werden können.
Da ist zunächst erst einmal das große Desinteresse oder auch Phlegma der absoluten Mehrheit der Vereinsmitglieder zu nennen, sich persönlich und selbstlos so für den Verein einzubringen, dass ein zuvor definiertes Ziel für die Zukunft des Vereins angestrebt werden kann. Sicherlich werden bei fortgeschrittenem Alter auch Krankheit und Behinderung für Viele ein Hemmnis sein, das alleine ist es aber mit Sicherheit nicht.
Ich will da einmal ein Beispiel zu bringen. Vor wenigen Jahren ging es um die Existenz der ARGE Österreich. Ich hatte dazu im Vorfeld alle Mitglieder einzeln angeschrieben und um Angaben dazu gebeten, was sie sammeln, ob sie bereit sind, Verantwortung für die Arge zu übernehmen und ob sie überhaupt am Fortbestand der ARGE interessiert sind. Zusätzlich hatte ich eine Beitragserhöhung auf das Niveau des DASV vorgeschlagen.
Von allen Mitgliedern hatte nur die Hälfte geantwortet, einige waren sogar unauffindbar. Alleine der Vorschlag der Beitragserhöhung auf monatlich 5 Euro war bereits auf teils heftigen Widerstand gestoßen, was ja schon eine Menge darüber aussagt, wie sehr man sich seinem Verein verbunden fühlt. Die meisten wollten nur Briefmarken sammeln, einige wenige hatten aber auch Interesse an Anderem wie Flugpost, Ganzsachen, Fiskalischem usw. Irgendwelche Vorstandsämter aber wollte oder konnte überhaupt niemand übernehmen. Damit schien die Zukunft der ARGE besiegelt. Bei der abschließenden Sitzung fanden sich dann überraschend doch Sammler für alle zu besetzenden Positionen, so dass die ARGE auch heute noch besteht und mit geeigneten Aktionen auf ihre Arbeit aufmerksam macht.
Während es bei der ARGE Österreich aber unproblematisch erscheint, welche Art von Sammler sich dort beheimatet fühlen könnte, ist das beim DASV schon problematischer. Wie jeder Verein hatte sich auch der Deutsche Altbriefsammlerverein eine Satzung gegeben. Nach dem mir gerade vorliegenden Exemplar vom 4.5.1985 heißt es in § 2 Abs. 1 Satz 1 der Satzung:
Zweck des Vereins ist die Erforschung der Postgeschichte und Verbreitung der Kenntnisse über die Postgeschichte.
Auf der aktuellen Website des Vereins heißt es dagegen:
Das Ziel unserer Vereinigung ist die Erforschung der klassischen und modernen Postgeschichte und die Verbreitung der Kenntnisse über diese Postgeschichte.
Es hat also zwischenzeitlich eine Neudefinition der Vereinsziele stattgefunden, nicht mehr die Klassik und Altbriefkunde steht damit im Mittelpunkt, sondern theoretisch alles, was von der Frühzeit bis in die heutige Moderne mit der Post, ihren Erzeugnissen und Leistungen zusammenhängt. Davon allerdings bemerke ich nichts, weder hier im Forum noch in regelmäßigen Veröffentlichungen / Rundbriefen des Vereins. Es scheint mir daher erforderlich zu sein, die Satzung zu überarbeiten und dabei insbesondere näher auf einzelne Begriffe einzugehen und allgemeingültige Definitionen mit aufzunehmen.
Wenn ich heute über einen Trödelmarkt gehe, werden mir „uralte“ Bücher angeboten, die sich bei näherem Hinsehen als solche aus den 1960er Jahren entpuppen. Im Internet werden Briefmarken und Briefe oder Postkarten als uralt angeboten, die teils von 1990 stammen. Und die meisten Jugendlichen orientieren sich beim Sammeln heute nicht mehr bei Vater oder Großvater, sondern holen sich ihre Informationen aus dem Internet und insbesondere von den Sammlergruppen bei Facebook.
Um einige dieser Jugendlichen und Jungsammler möglicherweise als Mitglied des DASV gewinnen zu können, halte ich es für zwingend erforderlich, die tatsächlichen Ziele des Vereins eindeutig zu definieren und dabei Zweifelhaftes bei der Wortwahl zukünftig zu vermeiden. Dabei gilt es, einige Fragen zu klären:
1) Was ist ein alter Brief? Welche zeitliche Grenze gibt es dafür? Sind mit dem Namen Altbriefsammlerverein nur bestimmte Altbriefe gemeint oder jeder Brief, den jemand für alt hält? Und was ist mit alten Postkarten, Kartenbriefen, Aufgabs- und Retourrecepissen, Frachtbriefen usw? Werden die von dem Begriff Altbrief mit erfasst?
2) Was ist klassisch, was ist modern? Gibt es dafür zeitliche Grenzen? Für mich beginnt die Moderne etwa 1945 bis 1950, das entspricht dem Datum meiner Geburt, wie aber denkt jemand darüber, der 1990 geboren ist? Schließt die Klassik an die Moderne an oder gibt es noch etwas dazwischen? Wie nennt man das und soll das auch erforscht werden? Und falls ja, warum steht dann nichts darüber in den Zielen des Vereins?
3) Was ist Postgeschichte?
Per definionem müsste das die Geschichte der Post(organisation), ihrer Kontakte zu anderen Post(organisationen), ihrer Regelungen und Festlegungen, ihrer Erzeugnisse und deren Verwendung sein. Damit sollte alles erfasst sein, was jemals zu postalischen Zwecken hergestellt und verwendet worden ist, insbesondere
Edikte, Gesetze und Verordnungen,
Verträge,
Briefmarken,
Ganzsachen,
Stempelmaschinen,
Formen und Mittel des Posttransports
und Anderes mehr.
Briefe mit Marken habe ich nicht gelistet, da diese im Gegensatz zu Ganzsachen nicht von der Post ganz- oder teilweise hergestellt worden, sondern auf die Initiative Dritter zurückzuführen sind. Die Behandlung von Portostufen fällt thematisch unter die Gesetze und Verordnungen. Postwege einzelner Poststücke sind Zufallsprodukte, die zwar ganz überwiegend auf der Grundlage von Gesetzen, Verordnungen oder (Post-)Verträgen realisiert werdern, aber eigentlich mit der Geschichte der Post wenig zu tun haben. Merkwürdigerweise findet man aber fast nur Beiträge und Diskussionen zu Letzterem, während Briefmarken, Ganzsachen oder Stempel nur selten vorkommen.
Wie weit sollte sich also die Postgeschichte tatsächlich erstrecken, damit sie diesen Namen noch verdient?
Das sind erste Gedanken zur Zukunft des DASV. Was denkt ihr darüber?
Viele Grüße
Ingo