Der besondere Brief - Das besondere Poststück

  • Lieber Will,

    ein toller Brief mit einer schicken Contravention. :thumbup::)

    Ich vermute mal, daß die Strafen in Bayern nicht so hoch ausfielen wie in Preußen, da es meinem Eindruck nach in Bayern viel mehr Vertöße gab.

    liebe Grüße

    Dieter

  • Lieber Dieter,

    in Bayern gibt es halt ein geflügeltes Wort, das alles letztendlich richtet: „paßt schon“. Und alles ist gut.

    Grüße aus Frankfurt mit heute am Nachmittag erstaunlichen 26 Grad

    Heribert

    Einmal editiert, zuletzt von hasselbert (18. Oktober 2022 um 04:03)

  • Lieber Will,

    hat der Brief Inhalt? Wenn ja, bitte abbilden.

    Wenn nein, denke ich, es war ein Brief eines Advokaten, der selbst Scheine hatte für sich herstellen lassen, denn die Schrift und Tinte der Adresse stimmt mit der der Nummer oben überein. Das ist immer ein sicheres Zeichen dafür, dass der Absender Anwalt/Advocat war mit eigenen Scheinen (also keine Postscheine).

    Einige Expeditoren, so steht es in der Primärliteratur, fanden diese legalen Scheine nicht so toll, weil sie dann nichts verdienten (4x, 6x und am Ende 7x pro Einschreiben), aber haften mussten im Rahmen ihrer Dienstvorschriften, wenn dem Einschreiben etwas passierte - daher weigerten sich einige, diese Scheine anzuerkennen und drängten auf die Verwendung eigener, postalischer Scheine.

    Wenn es hier so war, was ich stark vermute, dann hat man auch deshalb keinen Chargé-Stempel abgeschlagen, wiewohl man es hätte tun sollen und nur schäbigerweise gerötelt, nach dem Motto: Wer nix zahlt, soll auch nix Gescheites bekommen.

    Versichert waren aber alle Einschreiben mit 24,5 Gulden in der Markenzeit, ob so, oder so chargiert.

    Viele Briefe dieser Art gibt es tatsächlich nicht - in meiner Contra - Sammlung befinden sich ein paar; dass der Chargé-Stempel mal vergessen wurde, ohne diesen besonderen Hintergrund, kam aber auch vor, genau wie die Fälle, bei denen der Absender "gegen Schein" vermerkte und die Post es übersah. Sind halt alles nur Menschen und die Fehlerquote heute liegt m. E. deutlich über der von vor 170 Jahren ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Erwin,

    die bayer. Beamten hatten auch kaum einmal Fehler begangen - die Expeditoren und deren Handlanger schon eher ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Freunde,

    den folgenden Brief müsste ich schon mal gezeigt haben, ich weiss aber nicht mehr wo. Er passt gut zum dem Brief, den Bayern-WB hier im Beitrag 619 gezeigt hat. Deshalb zeige ich ihn nochmal.

    Es handelt sic h um ein Kuvert der 1. Entfernungszone und der 3. Gewichtsstufe , das im September 1859 von Bamberg nach Würzburg lief. Unten links ist vermerkt: "Gegen Schein" und "frey".

    Der Brief erhielt auch den Chargé-Stempel. Was fehlt, ist hier die Chargé-Nummer. Sie wurde wohl schlicht vergessen.

    Viele Grüße

    Bayern-Kreuzer

  • Lieber Wolfgang,

    gibt es einen Inhalt, oder hinten ein Siegel, aus dem der Absender hervorgehen könnte?

    Jedenfalls ein tolles Stück - klasse! :P:P

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    danke für Deine ausführliche Antwort und die interessanten Informationen.

    Inhalt hat der Brief nicht mehr, aber innen findet sich ein Präsentationsvermerk von Götz (13.2.60).

    Vielleicht gibt aber der Vermerk daneben Aufschluss. Da Götz eine sehr eigenwillige Handschrift mit recht kryptischen Kürzeln hatte, kann ich nicht alles lesen.

    "Couvert zur ???.

    Porto(?) (9 x) ???"

    Wer kann hier mehr entziffern?

    Vielleicht musste Götz 9 Kreuzer Nachporto zahlen, was bedeuten würde, dass die Post den Brief keineswegs kostenfrei befördert hat?

    Ich kann nicht recht glauben, dass die Post private Postscheine akzeptieren musste und die Versicherung für einen rekommandierten Brief übernahm, ohne Gebühren zu verlangen.

    Wenn aber tatsächlich ein Advokat aus Dorfen diese Praxis ausübte, sollten doch mehrere solcher Briefe existieren. Hat noch jemand einen derartigen "Dorfen-Brief"?

    Weil die Stempel so schön sind, hänge ich auch die Rückseite noch mit an. Übrigens fehlt im Landshut-Stempel die 6 von 1860.

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Will,

    Ich kann nicht recht glauben, dass die Post private Postscheine akzeptieren musste und die Versicherung für einen rekommandierten Brief übernahm, ohne Gebühren zu verlangen.

    Wenn du weißt, dass alle Briefe der kgl. Familie portofrei und recommandirt zu befördern waren, hätte der Verlust eines solchen Briefes seiner Majestät niemals einem Postler angelastet werden können, oder?

    "Die Post" ist hier ein unzutreffender Terminus - schreiben wir lieber der Postexpeditor. Aber der musste die Postscheine ja von der Postverwaltung selbst kaufen, ehe er sie für Geld an seine Kunden verkaufen konnte. Gebühren konnte er also nicht verlangen, weil er ja keinen seiner von ihm bezahlten Postscheine ausgestellt hatte. Im Gegenteil - die Advocaten hatten ja ihre eigenen Scheine herstellen lassen und bezahlen müssen, wenn sie auf Postscheine verzichten wollten (das taten einige, aber nicht alle).

    Ich lese hinten Couvert zur Vollmacht 9x Porto. Wie man das genau ohne Inhalt zuordnen könnte, weiß ich nicht, aber dein Brief zog sicher kein Nachporto von 9x nach sich, das steht fest.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    man muss halt miteinander reden.

    Jetzt habe ich kapiert, dass der Absender seinen Postschein nicht selbst drucken ließ, sondern bei der Bayerischen Post gekauft hat. Er hat also die Reco-Gebühr tatsächlich bezahlt, aber eben nicht beim Postexpeditor.

    Ich muss halt noch viel lernen.

    Allerdings glaube ich nicht, dass der Absender die Reco-Nummer selbst auf den Brief geschrieben hat. Das musste doch eine fortlaufende Nummer der Postexpedition sein, die der Expeditor in sein "Reco-Buch" eintragen musste, oder?

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Will,

    ich fange nochmals von vorne an:

    1. Regelfall

    Absender gibt den Brief mit Vermerk "frei gegen Schein" zum PE (Post-Expeditor). Dieser frankiert, zieht einen Postschein, den er vorher von der Postverwaltung gekauft hatte, trägt Anschrift usw. in den Schein ein, gibt diesem und dem Brief dieselbe Nummer, kassiert vom Absender den entsprechenden Betrag und schiebt den Postschein über die Theke.

    2. Ausnahmefall bei kgl. Advocaten/Rechtsanwälten

    Absender ist jetzt ein Adv./RA und hat seinen Brief mit "frei gegen Schein" versehen. Er bezahlt die Marke und legt jetzt einen eigenen Schein (kein Postschein!) dem PE vor mit der Bitte um Ausfertigung (Stempel, Datum, Unterschrift). Der Adv./RA kann seinen Schein zuvor nummeriert haben, wie bei deinem Brief, oder er läßt sich eine Nummer vom PE ziehen für seinen Schein und seinen Brief, letztlich spielt das keine Rolle (es ist nur eine Sache der Nachvollziehbarkeit).

    Hier hat der PE Arbeit mit dem Brief, aber für die Recommandation bekommt er nichts, weil es den RA/Adv. gestattet wurde von allerhöchster Seite, eigene Scheine zu benutzen. DAS ärgerte etliche PE, die ihre eigenen Scheine gerne verwendet hätten, um damit Geld zu verdienen und es gab welche, die sich weigerten, diese für sie postfremden Scheine auszufertigen/anzuerkennen. Dafür gab es dann später eine VO im VO- und Anzeigeblatt, die klar sagte, dass die RA/Adv. dieses Recht hatten und sie, die PE, diesem Ansuchen zu folgen hatten (bei Strafandrohung).

    Wurde alles richtig gemacht unter 2., gab der PE dem Adv./RA den Schein ausgefertigt zurück. Die Haftung für den Brief oblag aber somit noch immer dem PE, in dessen Gewahrsam sich jetzt der eingeschriebene Brief befand. Hätte er ihn verschlampt, hätte die bayer. Post dem Besitzer des Scheins 24 1/2 Gulden Schadensersatz gewähren müssen und danach diesen Betrag plus Gebühren dem PE von seinem Gehalt abgezogen bzw. per Nachnahme von ihm eingezogen.

    Der PE hatte also viel Arbeit mit diesen Einschreiben und bekam dafür gar nichts von niemandem. Er trug das Risiko, er hatte sich im Falle von Ungereimtheiten (späterer Laufzettel) zu exculpieren und konnte froh sein, nicht belangt zu werden. Daher die Versuche, diese Variante zu blocken.

    Auf der anderen Seite konnte eine Schreibkraft bei einem vielbeschäftigten Adv./RA an einem Tag vlt. 5 oder gar 10 Einschreiben im Büro fertig machen und musste nicht eine Stunde lang warten, bis dort ein schläfriger PE 5 oder 10 Postscheine komplett ausgefertigt hätte, was eine Zeitersparnis nach sich zog.

    Bei vorgegebener Nummerierung seitens des Adv./RA war außerdem von Vorteil, dass man Fälle leichter nachvollziehen konnte, während bei den Scheinen der Post nach 999 wieder die 1 kam und die Chronologie nur zu vermuten war. Hatte man selbst die Scheine z. B. Nr. 105-115 angefertigt, wusste man genau, welche Nummer zu welchem Schreiben zu welchem Fall und zu welcher Akte gehörte, ohne Ratespiele veranstalten zu müssen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    danke, dass Du Dir so viel Zeit genommen hast für die ausführliche Erklärung.

    Jetzt ist das "Fünferl" bei mir auch gefallen. Aber vielleicht haben auch noch einige andere Mitleser etwas Neues gelernt.

    Da macht mir der Brief gleich noch mehr Freude! :)

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Dieter,

    doch, die gab es schon, aber deren Erwähnung ändert nichts an der Ausführung bei der Briefannahme.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    ich kehre noch einmal zurück zum Beleg von Will #619. Dass die Reconummer bereits vom Absender geschrieben worden sein soll, erschließt sich mir nicht recht. Ich habe einen Brief aus Dorfen, bei dem die Nummer in der gleichen Schreibweise wie bei Wills Beleg und ebenfalls mit tieffarbiger Tinte ergänzt wurde (auch hier fehlt übrigens der Chargéstempel). Dieser Brief hat Inhalt, er stammt vom Dorfener Kirchenmaler Ludwig Hack, der sicherlich unverdächtig ist, eigene Postscheine zu benutzen und also eine Nummer auf dem Brief zu hinterlassen.

    Es ging übrigens auch umgekehrt in Dorfen, hier aus dem Jahr 1854:

    Chargéstempel vorhanden, Nummer fehlt. (Besseren Scan habe ich leider gerade nicht, aber der Brief ist in meiner Sammlung.)

    Grundsätzlich noch zu der Geschichte mit den eigenen Scheine der Anwälte: Gesehen habe ich bisher keinen einzigen, und wenn Ralph einen besäße, hätte er ihn jetzt sicher gezeigt, um seine Argumentation zu stützen. In der Vergangenheit wurden bereits diverse historische Anwaltskorrespondenzen (vor allem in Franken) geplündert, dennoch ist bisher nach meiner Kenntnis kein einziger eigener Schein eines Anwalts aufgetaucht. Ich lasse mich allerdings liebend gerne widerlegen (nicht theoretisch, sondern praktisch).

    Meines Wissens gibt es genau eine Möglichkeit, wann Anwälte selbst geschriebene Scheine vorlegen durften: bei Korrespondenzen in Armensachen.

    Die Jagd auf solche Postscheine (und sogar Retour-Rezepissen :P) ist eröffnet.

  • Auch modernes kann besonders sein!

    Ziemlich schmuck und harmlos aussehende Postsache vom Hauptpostamt Wien an das Postamt in Reutlingen, vom 08.07.1982.

    Aus dem Inhalt könne wir entnehmen dass in Wien die, wahrscheinlich jährlich stattfindende, Großreinigung stattgefunden hat.

    Bei dieser Großreinigung wurde ein Brief gefunden welcher am 22.08.1981 aus Reutlingen eingegangen ist.

    Das Reutlinger Postamt hatte dann, völlig schuldlos, die Aufgabe den Absender zu informieren.

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig