Nachzeichnen von Stempeln

  • Lieber Kilian,

    ich habe für den damaligen Beitrag lange gesucht. Es gibt fachspezifische Bücher, die sich mit der Metallbearbeitung befassen, aber sie gehen praktisch ausschließlich auf die Herstellung von Prägestempeln für Münzen und Medaillen ein. Das war die hohe Kunst – was uns interessiert, wurde offenbar vor allem vom Meister zum Lehrling weitergegeben.

    Liebe Grüße

    Dietmar

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Kilke,

    d'accord, Originalabschläge sind natürlich immer vorzuziehen, haben aber häufig den Nachteil, daß Details durch die darunter klebenden Marken, farbiges Papier oder Schrift oft nicht gut erkennbar sind.

    Von daher habe ich die von Erwin Friese beschriebene Methode zur Freistellung von Stempelabschlägen sehr gerne aufgegriffen möchte sie als Methode zur Dokumentation nicht mehr missen.

    Was den HK-Stempel "NEUSTADT a / H." betrifft kann ich zumindestens die Veränderung des "kleinen "a" anhand von 3 datierbaren Originalabschlägen zeigen.

    17.07.1868


    28.07.1870

    15.07.1872

    Wie man unschwer am Ortsnamen "Neustadt" erkennt, der mit einem etwas größerem Abstand zwischen "S" und "T" in 2 Buchstabengruppen "NEUS" und TADT" zerfällt, dürfte es sich um jeweils den gleichen Stempel handeln.

    Da der Vertreter mit dem "größerem a" dieses Merkmal nicht aufweist, glaube ich mittlerweile trotz der hohen Deckungsgleichheit beim freigestellten Beispiel nicht an eine Reparatur sondern an eine Neuanfertigung

    1(1).01.1875


    Zudem kann ich mir nicht vorstellen, wie in einem Stempel ein deformierter kleiner Buchstabe durch einen "intakten größeren" ersetzt werden kann. Aber zur Beurteilung fehlt halt die genaue Kenntniss

    des Herstellungsverfahrens.

    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

    3 Mal editiert, zuletzt von oisch (26. August 2021 um 14:13)

  • Lieber oisch,

    meiner Ansicht nach sind alle vier Abdrucke von ein und demselben Stempel.

    Die Abdrucke von 1872 und von 1875 mit breiten Buchstaben vom schon abgenutzen Stempel.

    Beide Abdrucke auch mit eckigem "S" von "NEUSTADT", das characteristisch für den Stempel ist.

    Der Abdruck aus dem Jahr 1875 zeigt einen nach tausenden Abschlägen breitgedrückten

    und deshalb grösseren Buchstaben "a".

    Ein neu angefertigter Stempel irgendwann zwischen 1872 und 1875 mit praktisch

    identischem Abdruck wie der Vorgänger macht keinen Sinn, und konnte meiner Ansicht nach,

    wenn mir von handwerklicher Arbeit ausgehen, auch nicht hergestellt werden.

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Lieber Kilke,

    daß die ersten 3 Abschläge bis 1872 vom gleichen Stempelgerät stammen, dürfte ziemlich sicher sein.

    Mit der Zuordnung des 4. Abschlags kann ich mich dagegen nicht anfreunden und habe daher in meinen Beständen nochmals etwa tiefer gegraben. Heraus gekommen ist eine Postkarte von 1878 aus NW nach Mannheim, wiederum mit dem charakteristischen "großen a" (den Expeditor hatte zwischenzeitlich wohl die Kraft verlassen und er hat nicht mehr so fest zugeschlagen, auch die Farbe wurde etwas sparsamer dosiert)

    Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie es möglich sein soll, aus dem verhunzten Buchstaben des 3. Abschlags vom 15.07.1872 durch "Breitdrücken" ein so sauberes und klares "a" zu generieren (irgenwo muß ja auch das Material herkommen).

    Daher favorisiere ich nach wie vor eine Neuanfertigung oder doch eine Reparatur, auch wenn letztere mit unserem heutigen Kenntnissstand nicht zu erklären ist.

    Ich denke, damit haben wir diesem merkwürdigen Stempel mehr als genügend Aufmerksamkeit gewidmet.

    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

    Einmal editiert, zuletzt von oisch (27. August 2021 um 22:14)

  • Lieber Klaus,

    das ist ein Mini-Scan ... leider.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ...an dem man trotzdem unschwer erkennen kann, dass das von Schriftart und Größe her völlig anderes "a" ist, als bei den zuvor gezeigten 3 Abschlägen bis 1872...was ziemlich für sich spricht. Da bin ich ganz beim Klaus.

    + Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... der "Punkt" am Ende ist praktisch ein Karee.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Der erste Stempel aus 1868 ist auch ein anderes Gerät. Die markantesten Stellen: Das U ist unten sehr eckig und der Strich zwischen a und H. ist stärker geneigt.

    beste Grüße

    Dieter

  • Liebe Kollegen,

    irgendwann sollten wir "die Kirche im Dorf lassen".

    Stempel nutzen sich nunmal im Lauf ihrer Verwendungszeit ab (besser werden sie dadurch in aller Regel nicht) und je nach Intensität der Einfärbung und Tremor des Expeditors fällt jeder Abschlag etwas anders aus. Das lässt sich sicherlich bis zur Individualisierung jedes einzelnen Abdrucks "perfektionieren".

    Ist wie in der modernen Analytik. Früher war man mit einer Prozentgenauigkeit hoch zufrieden, heute gehts um ppm, ppb ..... und soviel Stellen hinterm Komma, wie der Rechner hergibt.

    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
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  • Lieber oisch,

    ein letzter post noch.

    Ein klarer Abdruck des Halbkreiser "NEUSTADT.H." vom 27. Mai 1867 habe ich gefunden

    in der Sammlung Berger (Jahresgabe 2019 der Bayern Arge, Seite 89).

    Zum Vergleich daneben eingestellt die Halbkreiser aus dem Jahr 1875 und 1878.

    Gehen die Buchstaben beim fetten Abschlag von 1875 fast bis zum Aussenkreis,

    ist bei den feinen Abdrucken von 1867 und 1878 Abstand zum Aussenkreis.

    Der Abdruck des "a" fiel im Jahr 1867 im Vergleich zu den Abdrucken 8 bzw. 11 Jahre später

    vom schon etwas abgenutzten Stempel etwas kleiner aus, die Zeichnung ist aber dieselbe.

    Meiner Ansicht nach drei Abschläge von ein- und demselben Stempel.

    Gruss kilke

  • Lieber Kilke,

    schlage vor, wir einigen uns frei nach den "Rittern von der Kokosnuss" auf ein unentschieden. :)

    Schönes Wochenende

    Klaus

    Wer später bremst,
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  • Liebe Kollegen,

    nachdem ich mich mit dem "Stempelmalen" etwas angefreundet habe, bin ich auf der Suche nach Anwendungsmöglichkeiten dieser "Technik".

    Von 1877-1883 war laut Stempelhandbuch Helbig Band 3 (Seite 350 Nr. 5/19a) der folgende Einkreisstempel mit Inschrift NEUSTADT A / H ohne Jahreszahl im Einsatz


    Ab 1883 taucht nun ein verblüffend ähnlicher Stempel, nunmehr mit Jahreszahl vom Typ Helbig 19b (im Handbuch nicht aufgeführt) auf, den ich auf verschiedenen Belegen bis 1888 nachweisen kann.


    Die Überlagerung beider Stempel zeigt eine sehr hohe Übereinstimmung der Ortsinschrift.

    Dies legt die Vermutung nahe, dass man bei Einführung der Jahreszahlen nicht immer komplett neue Stempel anfertigte.

    Vielmehr ließ sich bei geeigneten Modellen durch Überarbeitung des variablen Teils Platz für die austauschbaren Ziffern gewinnen.

    Gruß Klaus

    Wer später bremst,
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    Einmal editiert, zuletzt von oisch (9. September 2021 um 18:31)

  • Lieber Erwin, ich danke Dir!

    Ich habe den Thread zum Nachzeichnen gefunden und gelesen. Beeindruckend, wie gut die Methode funktioniert! Ich werde es demnächst mal selbst ausprobieren, auch wenn ich nicht die Idee aufgeben werde, aus mehren Stempeln einen unvollständigen auf "Pixelebene" zu rekonstruieren. Hat natürlich den Nachteil, dass man jede Menge Belege braucht...

    Übrigens, diese Albumseite ist der Hammer:


    Papiertiger

    Einmal editiert, zuletzt von Papiertiger (4. Februar 2022 um 19:19)

  • Lieber Papiertiger,

    die Anleitungen sind nun schon etwas älter. Mittlerweile habe ich dazugelernt und mache einige Dinge anders. Zum Beispiel benötige ich in keinem Fall mehr ein Grafiktablett. Ich mache alles mit der Maus. Ich setze jedoch ganz häufig das Pfad-Werkzeug ein.

    Schön, dass die meine Albumseiten gefallen. :)

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Wie schon gesagt, Erwin's Methode ist genial um die ursprünglichen Stempel zu rekonstruieren. Besser wäre nur noch, den originalen Stempel zu finden! Aber selbst dann wäre der wahrscheinlich durch Alter und Gebrauch nur noch eingeschränkt aussagefähig...

    Ein ähnliches, aber etwas anderes Thema scheinen mir die Stempelabschläge zu sein. Wie man weiss, ist hier vieles möglich, und der Abschlag hing wahrscheinlich vom Gemütszustand des Postbeamten ab, der Erhaltung des Stempels, aber auch davon, ob der Beamte Rechtshänder oder Linkshänder war. Die resultierende Variabilität der Abschläge ist natürlich von Interesse für uns Sammler, aber spielt sicherlich eine wichtigere Rolle bei der Prüfung der Echtheit von Stempeln.

    Ich zeige daher hier mal ein Beispiel für einen alternativen Weg, relativ saubere Kopien von Stempelabschlägen zu erstellen. Dazu habe ich eines meiner wenigen Preussenstücke herausgesucht. Ganz absichtlich habe ich nicht fehlende Stellen ergänzt oder ein Übermass von Stempelfarbe wegretuschiert. Und auch diese Arte der Stempeldarstellung hat doch seinen Reiz, oder?

    Liebe Sammlergrüsse,

    Papiertiger