• Besonders für den Spezialisten der bayerischen Vormarkenzeit möchte ich hier einen frühen Würzburg-Brief vorstellen.

    Es geht jedoch nicht so sehr um Philatelie, sondern um Geschichte. Gerade Briefe aus Würzburg an der Grenze zu Baden/Württemberg und in der Zeit um 1800 sind geschichtlich interessant.

    An ihnen kann die Kleinteiligkeit des Landes, der Herrschaftsverhältnisse sehr gut nachvollzogen werden.

    Im Jahre 1787, am 7. August, einem Dienstag, schrieb Philipp Joseph Martin, hochfürstl. würzburischer geheimer und geistlicher Rath, Dechandt zu Stift Haug, einen Brief adressiert

    - wie lautet die Anschrift exakt?

    "Pfarrer zu Oberwittstadt zu zustellen". Leider kann ich nicht alles entziffern, doch es ging da wohl auch um eine Sache des Pfarrers zu Oberwittstadt und den Freiherren von Berlichingen. Wer nun dieser Freiherr war ist nicht einfach festzulegen, da das Geschlecht der von Berlichingen eine Vielzahl von Herren in dieser Zeit aufweist. Die Standesherrschaft, ja auch ob evangelisch oder katholisch (Würzburger Besitz Oberwittstadt) ist verworren und ohne durchgängige Quellen nicht festzulegen (ich habe dazu nur lückenhafte Informationen).

    Soweit lese ich folgendes:

    Nachdem der Freyherr von Berchlichingen

    in dem unserm erlassenen Schreiben auf

    seine Praesentation in ? des Priesters ?

    besteht dermalen

    aber keine Seßion gehalten wrid

    als ? gedachten Herrn von Berlichingen

    so hat Pfarrer zu Oberwittstadt

    an die Behörde Nachricht ? zu erteilen.

    Warum der Name des Pfarrers fehlt (überlesen)? Dort war eigentlich Nikolaus Paul Pfarrer, zumindest finde ich immer nur diesen Namen.

    Der Postlauf ist auch "länderübergreifend", Würzburg (Fürstbischof, Hochstift - eigene Regierung) nach Oberwittstadt (Baden) über Mergentheim (Württemberg). Sicherlich hat das alles Thurn&Taxis erledigt, nehme ich mal an. Vermerk links unten fr. Mergentheim et Krautheim. Als Dienstbrief sicherlich frei. Gestempelt mit (in rot) "WURCEBOURG".

    Briefrückseite; keine Postvermerke, nur Trockensiegel "Hochfürstl. Würzburgische Cantzley".

    Nach alten Aufzeichnungen war die Entfernung von Mergentheim nach Krautheim 1 3/8 Post (oftmals werden auch Stationen oder Stunden angegeben, eine Post gleich 2 Meilen?).

    Im ganz linken Kringel müsste Oberwittstadt liegen.

    Ich nutze gerne zeitgenössische Karten, wie hier von 1877, um den "Postlauf" des Briefes bildlich nachzuvollziehen. Nach den Vermerken auf dem Brief sollte der Postlauf über Krautheim nach Oberwittstadt erfolgen, nach der Karte nachvollziehbar. Leider habe ich dazu nichts gefunden.

    In Krautheim wurde erst 1839 eine Posthalterei und Postexpedition errichtet. Die bayerische Post errichtete erst 1824 eine direkte Postverbindung von Würzburg nach Mergentheim mit täglich einem Postwagen hin und zurück (Württembergischer Postwagen).

    Was ich so nebenbei erfuhr ist, dass es auch ein späteres Fürstentum Krautheim gab (1803-1806).

    Noch habe ich meine Recherche nicht ganz abgeschlossen, vielleicht flüstert mir das Briefchen * noch mehr, wie z.B. das damals Franz Ludwig von Erthal Fürstbischof von Würzburg und Bamberg war. Er war der 77. und vorletzte Fürstbischof von Würtzburg und musste die Auflösung des Hochstiftes nicht mehr erleben (gestorben 1795).

    Beste Grüße von Luitpold

    * wie heißt es auch so schön "für sachdienliche Hinweise ...", kann ich hier mich nur mal schon bedanken :)

  • Lieber Werner,

    als Adresse lese ich:

    Hochfürstlich Wirzburgischen Verordneten Pfarrern zu Oberwittstadt zuzustellen, Oberwittstadt

    per Mergentheim und Krautheim.

    Ob der Brief tatsächlich so spediert wurde, ist immer so eine Sache. Es war eher als Hilfe für die Post gedacht, als als Nachhilfe in Sachen Geographie.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Luitpold,

    zum Fürstbischof von Würzburg und Bamberg, Herrn Franz Ludwig von Erthal,

    kann ich folgenden Brief aus meiner Heimatsammlung zeigen. Ebenfalls aus dem Jahr 1787.

    Barfrankierter Wertbrief (handschriftlich rechts unten: "mit einen Ducaten beschwert")

    vom Pfarrer in Thurndorf (bei Kirchenthumbach in der Oberpfalz) an Fürstbischof Franz

    Ludwig von Erthal, der von 1779 bis 1795 Fürstbischof in Bamberg war. Handschriftlicher

    Aufgabevermerk "De Thumbach", der kaiserlichen Reichspostanstalt Kirchenthumbach.

    Der Brief ist vom 27. März 1787. Thurndorf gehörte - und gehört auch heute noch zum

    Bistum Bamberg.

    Beste Grüße,

    Hermann

  • Ob der Brief tatsächlich so spediert wurde, ist immer so eine Sache. Es war eher als Hilfe für die Post gedacht, als als Nachhilfe in Sachen Geographie.

    Hallo Ralph,

    die Post hat damals schon gewußt wie das zu zustellen war. Aber nicht ich :( daher ... wozu über Krautheim, da gab es keine Posthalterei (wegen Pferdewechsel u.a.?). Und leider ist auch unter google nicht alles rechercherbar :cursing:

    Beste Grüße, Werner

  • Lieber Werner,

    ich habe dazu, da lange vor "meiner Zeit", auch keine Kenntnisse. Statt zustellen, würde ich eher leiten schreiben an deiner Stelle.

    Die Postkurse waren eher strikt und Änderungen selten (man war nicht sooo flexibel).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Werner,

    ich gehe davon aus, daß der am 7. August 1787 geschriebene Brief mit der kaiserlichen Reichspost bis Mergentheim befördert wurde. Dort wurde er abgelegt, bis jemand aus Krautheim, oder Oberwittstadt einen Brief oder Briefe nach Mergentheim brachte und dort aufgab. Dieser nahm dann auf seinen Rückweg den Brief mit. Auf dem Brief ist ja vermerkt "..."Pfarrer zu Oberwittstadt zuzustellen ...". Es gab keine Post zwischen Mergentheim, Krautheim und Oberwittstadt. Also mußte man mit einen Amtsboten oder einen privaten Boten, seine Post nach Mergentheim bringen und dort abholen. Präsentiertvermerk in Oberwittstadt ist der 17. August 1787.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Werner,

    hier noch der Text, soweit ich ihn entziffern kann:

    Nachdem der Freyherr von Berchlichingen

    in dem anhero erlassenen Schreiben auf seiner

    Praesentation in hinsicht des Priesters Kaufmann

    bestehet dermalen wegen noch fürdaurenden Regier-

    ungs ferien aber keine Seßion gehalten wird;

    als kann gedachten Herrn von Berlichingen dieser

    halben auch einige Antwort dermalen nicht ertheilet

    werden; es hat demnach Pfarrer zu Oberwittstadt

    an die Behörde Nachricht hievon zu ertheilen, sobey

    auch von der ihnen zugesandten formula praesen-

    tationis gebrauch zu machen, und demnächst zu

    vernehmen, ob und was gedachten Herr von

    Berlichingen hieran allenfalls auszustellen haben

    möge, welches unsero nöthigen falls wiederum

    zu berichten ist. Decretum Wirzburg den

    7 ten Aug. 1787. P.J Martin dechant zu Haug

    Ad. Sahrmann (?)

    Viele Grüße

    Gerd

  • Hallo Gerd,

    Dir, Ralph und Hermann herzlichen Dank für die hilfreichen Antworten.

    Dank Deiner Mühe vermute ich, dass es hier um die Pfarrstelle in Oberwittstadt ging, evtl. Neubesetzung, wie auch immer. Es ist einfach interessant, dass die Grundherren, hier von Berlichingen sich mit anderen Grundrechtlern (der Zehnt gehörte dem Hochstift) sich in Kirchenfragen abstimmen mussten.

    Zu dem Namen "Kaufmann" fand ich, dass dieser Pfarrer in Hüngheim war (gehörte ebenfalls von Berlichingen und lag in der Nähe von Krautheim).

    Etwas Postgeschichte zum 1. Würzburger Poststempel

    Wie man sieht, der Stempelabdruck ist nicht immer komplett (DE?). Es war ein sogenannter Wiegestempel der abgerollt wurde und kommt in unterschiedlicher "Biegung" (auch gerade) und Größe, in schwarzer und roter Farbe vor, auch als "Blindstempel" (ohne Farbe nur Einprägung).

    Aus der "Würzburger Postgeschichte" von H. Scheurer geht hervor, dass zwischen Thurn & Taxis und dem Fürstbischof für Briefe Portofreiheit vereinbart wurde und zwar auch für die "Sekretary und Canzley".

    H. Scheurer schreibt auch, dass um 1744 gab es einen Postkurs (Postreiter) der von Würzburg über Grünsfeld, Lauda, Königshofen/Tauber, Gerlachsheim, Nagelberg, Mergentheim nach Krautheim ging (vielleicht bestand dieser Postkurs 1778 noch und daher die Briefvermerke). Es gab damals ein reges Botenwesen, auch Amtsboten, von daher wird das am Ende von einem Boten - wie von Hermann geschrieben - nach Oberwittstadt befördert worden sein.

    So das wars für's Erste.

    Es grüßt in alle Lande, Luitpold

  • Lieber Werner,

    sehr guter Job - so wird es gewesen sein (und Hermann weiß sowieso alles über diese Zeit). :) :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Werner,

    sehr guter Job -

    Nein, Nein, ohne Hilfe ging es gar nicht und noch offen ist

    wer war das?

    Zufällig mal unter "Fahrmann" gegoogelt und da gab es tatsächlich einen Andreas Joseph Fahrmann der 1780 auch geistlicher Rath Stift Haug in Würzburg war.

    Ob er es war, was meint ihr?

    Luitpold

  • ... sieht für mich schon seeehr passend aus!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Briefe ohne inhaltliche Datierung sind nicht einfach auszuwerten, sowohl postalisch, wie geschichtlich.

    Der Faltbrief an Monsieur le Baron Künsberg de Nagel a Bamberg trägt den roten Stempel "R3 Würzburg".

    Dieser ist bekannt in der Zeit von 1803 - 1810.

    Zum Inhalt hat mir dankenswerterweise Vals59/Emmanuel Auskunft gegeben

    vals59
    8. Dezember 2023 um 19:47

    Auch wenn zur Person daher nichts bekannt ist, damals gab es diesen Herrn der in Bamberg wohnte:

    Die Briefrückseite zeigt ein undeutliches Lacksiegel, sonst nichts.

    Zwei Fragen:

    1. Die handschriftliche rote Ziffer - 5 ?- wäre als Porto ungewöhnlich, da 4 Kr. üblich waren.

    2. Straßenvermerk links unten?

    Beste Grüße von Luitpold

  • Lieber Werner,

    "In die Langas" sollte wohl heißen: In der Langgasse, oder so ähnlich.

    Die Reichsposttarife kann man nur sicher per Meilenzeiler eruieren, könnte auch ein 2. Gewicht sein.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,

    ja, so habe ich das auch gelesen, war mir aber nicht sicher. Eine Langgasse gab es in Bamberg. Danke!

    Zum Porto, bei dem kleinen Briefchen schließe ich Mehrgewicht aus und dann wäre die nächste Stufe nicht 1 Kr. mehr, sondern das doppelte - oder? Auch ein Bestellkreuzer kenne ich auf anderen Briefen nicht. Einfach mal verschrieben???

    Schönen Sonntag, Werner

  • Hallo Werner,

    nein, daran glaube ich nicht. Die Gewichtsprogression war auch nicht einfach 100% Aufschlag. Das war alles vorgegeben (1x mehr, 2x mehr, 3x mehr usw.).

    Ob der Brief damals nicht im 2. Gewicht lag, halte ich für möglich. Ohne den Inhalt vollständig vor sich zu haben, bleiben das Spekulationen. Und von Würzburg nach Bamberg dürfte es früher jeden Tag ein paar Briefe gegeben haben, da kann man eine Falschtaxierung fast schon ausschließen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Ist die Vormarkenzeit ein "Mauerblümchen" hier im Forum :?:

    Das könnte auch an den oftmals schwer zu lesenden Handschriften liegen, die ungeklärten Posttarife, die eintönigen Briefe (oftmals Dienstbriefe) - wobei es gilt "Ausnahmen bestätigen die Regel" - zumindest was mir vorliegende Vormarkenzeit-Briefe bestätigen.

    Hier ein weiteres Beispiel:

    Zumindest lese ich Gebsattel und Bamberg. Sonst ... Vicedom ???

    Doch wer war gemeint?

    Wäre das der Empfänger, müsste der Brief vor/um 1804 geschrieben worden sein.

    Aber es gibt noch andere Gebsattel (siehe Gebsattel, Adelsfamilie):

    Quelle: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Gebsat…nigreich_Bayern

    Im 17. und 18. Jahrhundert waren mehrere Gebsattel in den Domkapiteln von Bamberg und Würzburg vertreten. Der Würzburger Domherr und Kanoniker des Ritterstifts St. Burkard, Daniel Johann Anton von Gebsattel (1718-1788), wurde 1748 Weihbischof von Würzburg, welches Amt er bis 1788 ausübte. Er gehört damit zu den adeligen Domkapitularen, die sich besonders in der Seelsorge engagierten.

    Ein berühmter Gebsattel war wohl:


    Der Brief wurde vorausbezahlt, als frei mit 4 in rot rückseitig notiert. Aufgrund des dünnen Papiers (eine 2. Seite fehlt, da das Blatt innen nicht beschriftet ist) gehe ich von einfachen Gewicht aus.

    Wieder ein R3-Stempel, diesmal schwarz.

    Gruß Luitpold

    PS

    Wenn die 4 gedreht wird, könnte man auch 5 lesen.

    Übrigens Ungewöhnlich: 2 Lacksiegel - ?

  • Ist die Vormarkenzeit ein "Mauerblümchen" hier im Forum :?:

    Das würde ich so nicht sagen. Zumindest in meiner Preußen Stempelsammlung gibt es die großen Versuchsstempel und die Nierenstempel (mit geringfügigen Ausnahmen) gar nicht mehr zur Markenzeit.

    preussen_fan
    7. November 2013 um 21:02
    preussen_fan
    9. April 2015 um 23:09

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Werner,

    ich lese bei der Anschrift:

    An

    Sr des Herrn geheimenRaths und Diakon(?)

    ? freih(err)l(ich) von Gebsattel Hochwohl

    gebohrn in

    Bamberg

    Könnte "Sr" vielleicht "Secretarius" bedeuten ?

    (Scheint nachträglich der Adresse angefügt worden zu sein.)

    Viele Grüße

    Gerd

  • @Erwin W. preussen_fan - Danke. Aber, das müßte mal eruiert werden, wie hoch der Anteil Vormarkenzeit (Vorphila) gegen der Markenzeit ist. Hoch kann der Anteil nicht sein - siehe tägliche Beiträge.

    Vielen herzlichen Dank Gerd für Deine Hilfe, statt Diakon könnte es auch Vicedom heißen, es gab in Bamberg so ein Amt. Aber leider wie so oft fehlen da genauere Angabe.

    Ganz unverständlich das nachfolgende Beispiel, dass ich erstmal zur Hilfestellung zeige. Wie auch immer der Laufweg war, 8 Kr. bis Grenze Großherzogtum Würzburg, 6 Kr. Baden bis Offenburg = 14 Gesamt? (Briefe nach Frankfurt, Hanau, wurden mit 8 Kr. angegeben).

    Oder waren das 2 Kr. Grenze, 6 Kr. Baden = Gesamt 8 Kr.?

    Aber an wen ging der Brief, der leider keinen lesbaren Rest-Inhalt hat. Meine bisherigen Versuche brachten nichts zutage. Tja, manche Briefe "schweigen" :(

    Luitpold

  • Lieber Werner,

    der Brief ging an den letzten Fürstbischof von Basel (eigentlich nur bis 1806), Franz Xaver von Neveu. Der Name scheint mir völlig verschrieben zu sein, und anscheinend hatte jemand bereits ein Fragezeichen dahinter gesetzt.

    Gestresste Grüße

    Dietmar

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!