Kongress zur Geschichtlichkeit des Briefs

  • Hallo,

    Vom 27. - 28. Februar 2020 findet in Marburg der Kongress "Die Geschichtlichkeit des Briefs. Kontinuität und Wandel einer Kommunikationsform" statt.

    Das Programm kann man sich im Internet anschauen. Um es gleich vorweg zu sagen: Wieder eine große Chance vertan.

    In den zwei Tagen wird nicht eine Minute über die Beförderung von Briefen oder gar über praktische Postgeschichte geredet.

    Ich für meinen Teil habe es aufgegeben von Historikern und in diesem Fall Germanisten etwas zu erwarten.

    Dagegen werde ich am 7 März (Tag der Archive) im Stadtarchiv Nürnberg einen Vortrag über den dortigen Briefbestand Förster & Günter halten.

    Die Archivare scheinen mir aufgeschlossener, zumal das Archiv die Mühe und finanzielle Belastung auf sich genommen hat, alle Briefe aus dieser umfangreichen Korrespondenz und ebenso der Langröter Korrespondenz zu stempeln und zu registrieren. Die wichtigen Briefe daraus sind mittlerweile in einer Datenbank verzeichnet.

    Einen schönen Tag Achim

  • Lieber Achim,

    vielen Dank für diese Infos - kannst du die Datenbank hier verlinken?

    Ich habe bzw. hatte auch einige Förster & Günther Briefe, oft aus Spanien, von daher wäre das für mich auch interessant.

    Nürnberg ist bei meiner derzeitigen Konstitution leider ein bisserl weit - sehr schade, wäre gerne dorthin gekommen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    wenn man »anhand signifikanter Beispiele und kultureller Kontexte nach den Invarianzen, den Universalien der Briefkommunikation unter je präzise zu fassenden historisch differenten Bedingungen« fragt, braucht man sich um so banale Dinge wie praktische Aspekte nicht wirklich zu kümmern. Dass schon »altbabylonische Briefe … mit ihren typischen Anrede- und Grußformeln wie auch ihrer Materialität als Briefe bis heute erkennbar« sind, ist eine Erkenntnis, auf die ich kaum noch zu hoffen gewagt hätte.

    Vor 30 Jahren sprach ich einen Assistenten an unserem Institut auf einen nahezu unlesbar formulierten Beitrag in einem Ausstellungskatalog an. Er mache keine populären Kompromisse, antwortete er kurz und bündig. Ob er sich nicht vorstellen könne, irgendwann einmal den »populären« Lesern seine Existenzberechtigung als Vertreter des öffentlichen Dienstes erklären zu müssen, wenn er lange genug über ihre Köpfe hinweg geschrieben hätte? Na ja, keine Antwort war auch eine Antwort.

    Deshalb lese ich historische Darstellungen überwiegend in englischer Sprache. Im angelsächsischen Sprachraum hat man mit »populären Kompromissen« weniger Schwierigkeiten und lernt das professionelle Schreiben als Teil des Studiums, abgesehen vom gänzlich undeutschen Pragmatismus und Common Sense. Beim 50. Deutschen Historikertag stieß Christopher Clark auf weitgehendes Unverständnis. Sein Buch über den Ersten Weltkrieg war da bereits ein internationaler Bestseller. Allein diese Tatsache dürfte ihn verdächtig gemacht haben, abgesehen von der Nebensächlichkeit, dass er Zweifel an der von deutschen Wissenschaftlern vertretenen These von der vorwiegenden Schuld Deutschlands und Österreichs am Kriegsbeginn angemeldet hatte.

    Natürlich ist auch im englischen Sprachraum nicht alles Gold, was glänzt. Als Pflichtlektüre für angehende Wissenschaftler würde ich dennoch das Buch von Francis Wheen, »How Mumbo-Jumbo Conquered the World« von 2004 empfehlen. Wenn ich mir die Kongresseinladung durchlese, scheint Mumbojumbo (»Hokuspokus«) nämlich schon ziemlich weit vorgedrungen zu sein. Schade eigentlich.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Ralph,

    Die Nürnberger Datenbank ist zum internen Gebrauch und für Archivbenutzer. Meine Datenbank ist noch nicht auf MSQL umgestellt (kostenfrage) daher nur kopierbar, wenn ein E-Laufwerk eingerichtet wird.

    Da es noch eine Access Datenbank ist, braucht es auch das Programm und viel Platz für die verlinkten Bilder. Aber ich bin guter Dinge, dass die fortschreitende Entwicklung auch hier technische Erleichterungen schafft. Es gäbe aber auch Zwischenschritte über Exel.

    Hallo Erdinger,

    Soweit es meine mittlerweile verkümmerten Einsichten in den Historiker Jargon zulassen, sind wir in unseren Einschätzungen nicht weit voneinander entfernt.

    Ich bin zwar genötigt es schlicht zu sagen, aber nichts destoweniger ärgerlich ist die gänzlich unberechtigte Hochrossmentalität der "Histls".

    Ich sehe aber deutlich bei meinen Kontakten zur akademischen Jugend, dass sich zunehmend Widerstand formiert, den ich natürlich nach Kräften unterstütze. Denn selbst in den hochsubventionierten Themenbereichen (die man nicht exakt benennen darf, ohne beschimpft zu werden) hört deren Geschwafel kaum mehr jemand zu, Aber für irgendwas muss die DFG ja das Geld ausgeben.

    Wie sinnlos dieses Geld im Bereich Postgeschichte vertan wird, habe ich schon einmal am Beispiel der Habilschrift von Rainer Liedtke: "N M Rothschild & Sons, Kommunikationswege im europäischen Bankenwesen im 19. Jahrhundert" dargestellt.

    Danke für deinen sehr treffenden Beitrag. Achim

  • Lieber Achim,

    vielen Dank - schön, dass es weitergeht!

    Zu der anderen Sache - sehe ich auch so.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Zitat

    Soweit es meine mittlerweile verkümmerten Einsichten in den Historiker Jargon zulassen, sind wir in unseren Einschätzungen nicht weit voneinander entfernt.

    :D Der erste Chef meines früheren Geschäftspartners war ein Berliner namens Bolle. Mein Kollege kam damals frisch von der Uni in den Verlag. Bolle betrachtete die germanistischen Krämpfe seines Schützlings eine Weile, nahm ihn dann zur Seite und fragte: »Würdeste so reden?« »Äh, nö.« »Warum schreibste denn so?« Aus der gleichen Gedankenwerkstatt stammt wohl die Maxime »Es gibt keinen Text, den man durch Kürzen nicht besser machen könnte«.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Erdinger,

    meine Deutschlehrerin hat sich vor +/- 50 Jahren darüber aufgeregt, wenn ich Fremdworte benutzte. Die waren aber für mich normaler Wortschatz, da ich zu der Zeit fast jeden Tag eine regionale, eine überregionale Tageszeitung und mitunter das Handelsblatt gelesen habe. Allerdings verstehe ich den ersten Satz deines Zitates trotzdem nur teilweise. Werde mal Google anwerfen. Aber was will man von Germanisten erwarten? Ich habe seitdem einige kennengelernt und diese Germanisten warfen nur so mit Fremdworten um sich.

    Für mich liegt im deutschen Schul-/Universitäts-System sowieso einiges im Argen.

    beste Grüße

    Dieter

  • Hallo Dieter,

    auf die Gefahr hin, mich einer unwissenschaftlichen Simplifizierung (kann man mit zwei Buchstaben weniger auch als »Vereinfachung« schreiben) schuldig zu machen, würde ich den ersten Satz folgendermaßen verständlich fassen:

    Das Ziel lautet, anhand aussagekräftiger Briefe unter Beachtung kultureller Zusammenhänge unveränderliche, allgemein gültige Prinzipien beim Briefschreiben im Wandel der Zeit herauszuarbeiten.

    Viele Grüße,

    Dietmar

    P.S.

    »Gemietete Wohnmobile können sehr groß sein.«

    (Bildunterschrift in einem aus dem Englischen übersetzten Buch)

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Dietmar,

    vielen Dank für die Erklärung. Ich habe in der Tat Google bemüht und bin bei Wikipedia gelandet. Ich habe mich allerdings auch meiner 7 Jahre Latein erinnert und invariant mit unveränderlich, unveränderbar übersetzbar angesehen.

    beste Grüße

    Dieter

  • "Ziel ist es, Bausteine zu einer Kulturgeschichte des Briefs zu erarbeiten bei gleichzeitiger Reflexion auf die Kontinuitäten,die sich im historischen Wandel abzeichnen".

    Also von Postgeschichte lese ich nichts, wozu die Aufregung? Mich würde vor allem dieser Vortrag interessieren:

    Eva Lia Wyss (Koblenz) Liebesbriefe in sozialen Netzen des 19. und 21.JH

    Nur weil ich da gerade einen Beitrag schreibe für den Rundbrief. Was sie allerdings im 19. JH unter einem sozialen Netz versteht? Das konnte ohne Postbeförderung nur schwerlich geknüpft werden.

    Was aber soll für die Wissenschaft an der Post so interessant sein? Man kann aus den Inhalten für die Geschichte wesentlich mehr erfahren, als was wir Sammler für wichtig empfinden (äußere Merkmale auf den Briefen incl. Frankatur). Uns steht es auch frei die uns zugänglichen Briefe (Inhalte) zu lesen und unsere "Forschung" anzustellen, also das zu tun, was die Wissenschaft (bis auf Ausnahmen) nicht macht. Brauchen wir hier die akademische Anerkennung?

    Ein Manko in der Forschung ist auch, dass zum Ende des 19. JH Briefumschläge vermehrt aufkamen. So hat man nur den Inhalt aufgehoben und die Umschläge in den Sammlerkreis abgegeben. Das zumindest habe ich einem Archivband entnehmen können, den ich einmal einsehen konnte.

    Dann hoffe ich mal, dass wir noch was vom Tag der Archive im Stadtarchiv Nürnberg und dem Vortrag über den dortigen Briefbestand Förster & Günter von Herrn Helbig lesen werden.

    Übrigens zurück zum Kongress, weil ich das Nürnberger-Programm

    https://www.nuernberg.de/internet/stadt…uell_64092.html

    gelesen habe. Stünde der Kogress unter dem Motto Post und Kommunikation, dann würde wie bei der Rückgabe einer Arbeit in der Schule lauten: Thema verfehlt. Aber so ist es ja nicht.Schade, dass am 7.3. schon in München eine Veranstaltung läuft und Nürnberg daher nicht besucht werden kann. :(

    Luitpold


    PS

    Wenn sich die "Wissenschaft" mit Briefen beschäftigt, dann sieht das woh so aus (leider ist der Band von Stadtarchiv Nürnberg vergriffen): Tucherbriefe. Eine Nürnberger Patrizierfamilie im 16. Jahrhundert

    Zumindest am Inhalt sieht man, wie "nebensächlich" der uns interessierende Posttransport war, aber welche Informationen zur Familie selbst aus den Briefen zu entnehmen waren:

  • Mal sehen, den Vortrag kann ich ja auch noch einmal in München halten. Im MBC ist das Programm im ersten Halbjahr schon voll. Vielleicht in der zweiten Jahreshälfte.

    Beste Grüße Achim

    PS im August erscheint von dem Veranstalter in Marburg ein dickes Lexikon zum Thema Brief. Dort habe ich auch einen Beitrag zu Postvermerken und Postgeschichte geschrieben. Aus diesem Grund war ich auch ein bisserl angefressen, dass auf dem Kongress dann nicht davon die Rede sein sollte. Aber egal, seis drum.

  • Hallo Luitpold,

    Was aber soll für die Wissenschaft an der Post so interessant sein? Man kann aus den Inhalten für die Geschichte wesentlich mehr erfahren, als was wir Sammler für wichtig empfinden (äußere Merkmale auf den Briefen incl. Frankatur). Uns steht es auch frei die uns zugänglichen Briefe (Inhalte) zu lesen und unsere "Forschung" anzustellen, also das zu tun, was die Wissenschaft (bis auf Ausnahmen) nicht macht. Brauchen wir hier die akademische Anerkennung?

    es wundert mich jetzt schon ein klein wenig, das von Dir zu lesen.

    Wenn ich mir bpsw. vorstelle, dass jemand einen Vortrag am Lehrstuhl für Geschichte über die Papillons de Metz und die Pariser Ballonpost während des Krieges 1870/71 machen würde, dann mag richtig sein, dass man dort - genauso wie damals die ganze Welt - wissen will, was in den damit beförderten Briefen der in Metz und Paris Eingeschlossenen gestanden hat. Denn das waren absolut weltbewegende Ereignisse.

    Abgesehen davon allerdings, dass rein von den Briefinhalten her lange nicht jeder von weltbewegender Tragweite / historischer Aussagekraft daherkommt, ist der rein postgeschichtliche Aspekt der ersten Luftpost der Welt keine geringere Sensation und ein m.E. mittlerweile selbstständiges Forschungsgebiet geworden, von dem ich wage zu behaupten, dass da bei den historischen Fakultäten noch nicht so arg viel von aufgeschlagen ist...

    Das was alleine dazu in der postgeschichtlichen Fachliteratur geleistet worden ist und in unzähligen anderen Bereichen - z.T. unter dem erst seit geraumer Zeit gängigen Oberbegriff der social philately - gedeihlich an wissenschaftlichen Aufarbeitungen / Hintergrundrecherchen eines postgeschichtlich relevanten Themas geforscht wurde und wird, braucht auch keine akademische Anerkennung. Denn das ist vielfach längst akademisch.

    Und was Jo Helbig mit wieder mal verpasster großer Chance meint, ist sicherlich nicht (übertrieben gesagt), sich mit Postgeschichte über Geschichte zu stellen, sondern sich wenigstens einmal in so eine Vortragsreihe von Historikern wie gerade einreihen zu dürfen. Denn beides ergänzt sich gegenseitig und gleichberechtigt. Das ist mehr Tatsache als Überzeugung.

    Und zu der köstlichen Debatte zur akademischen Sprache sei nebenbei erwähnt, dass ich jedenfalls keinen Vortrag eines Postgeschichtlers kenne, den man aufgrund eines (künstlich) verwissenschaftlichen Fachjargons nicht verstanden hat.

    Meint und grüßt

    der Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (22. Februar 2020 um 12:50)

  • Hallo Pälzer,

    nichts gegen Postgeschichte!

    Aber ich denke, der Posttransport an sich erfolgte mittels technischer Einrichtungen. Die Ballone z.B. gab es schon. Und die Entwicklung der Ballon- und Luftfahrt sind selbsverständlich Forschungsgebiete.

    Gleichfalls kann ja "erforscht" werden, wann und wieviel Briefe befördert wurden. Aber welche Erkenntnisse bringt das für die "Allgemeinheit"? Schon von Stephan hat ja eine "Postgeschichte" geschrieben, die uns ja Aufschlüsse für unsere Arbeit liefert.

    Wenn ein berühmter Zeitgenosse an einen noch berühmteren Zeitgenossen Briefe geschrieben hat, dann können wir äußerlich die Anzahl feststellen, wo und wann er sie geschrieben hat. Aber was sagt uns das? Nur durch Inhalte können wir die Beziehung der beiden zueinander usw. erfahren. Und hier sind ja die Akademiker dann am diskutieren - siehe berühmte "Briefwechsel".

    Die Leistung der Post im Laufe der Geschichte ist leider in der Öffentlichkeit nicht erkannt worden, weil eben die Entwicklung eines Kontinents, Landes oder Stadt hier im Fordergrund steht (in unserer Ortschronik findet man so gut wie nichts zur Post!). Das war schon früher so - wenn auch da die Post noch berücksichtigt wurde. Auch in der Berichterstattung in den Zeitungen fand dies seinen Niederschlag. Über die Eröffnung eines Postamtes sucht man oft vergebens eine Meldung, dagegen die Eröffnung eines Bahnhofes oder Bahnstrecke fördert mehr Ergebnisse zu tage, weil dies oftmals ein Staatsereignis und somit von öffentlichen Interesse war.

    Aber abschließend, uns Sammler steht es doch frei selbst Postgeschichte zu recherchieren und diese oftmals interessanten Geschichten hier oder in Rundbriefen zu veröffentlichen.

    Beste Grüße von Luitpold

  • Spoiler anzeigen

    Aber abschließend, uns Sammler steht es doch frei selbst Postgeschichte zu recherchieren und diese oftmals interessanten Geschichten hier oder in Rundbriefen zu veröffentlichen.

    Was ja auch hier im Forum zu GenÜge gemacht wird

    viele Grüße
    Erwin W.
    preussen_fan

  • Hallo Luitpold,

    ich verstehe nicht, warum Du so scharfe Grenzen ziehst:

    Ja, den Inhalt eines Ballonpostbriefs von Gambetta, den der selbige an die notdürftig in Tours gebildete Regierung der nationalen Verteidigung gerichtet hat, kann ein Historiker vom historischen Gehalt her (u.U. weitaus) besser bewerten, als ein Postgeschichtler. Eine solche Bewertung muss den Postgeschichtler nicht zwingend interessieren, wenn er aber Eigentümer des Briefs und der Inhalt grandiose Geschichte ist, wäre es in aller Bescheidenheit gesagt "anzuraten".


    Umgekehrt ist es für den Historiker, der mit dem Hergang der Dinge der Ballonpost nicht so arg bewandert ist anzuraten, den Postgeschichtler dazu zu hören, wenn bspw. aus seinem Publikum gefragt wird, wie ein solcher Brief und unter welchen Bedigungen überhaupt aus der von den Preussen eingeschlossenen Hauptstadt Frankreichs nach Tours gekommen ist. Dies nicht zuletzt, da Gambetta bekanntlich selbst einen Postballon benutzt hat, um Paris zu verlassen und die Leitung der später nach Bordeaux verlagerten Exilregierung zu übernehmen.

    Und ich rede da jetzt ausdrücklich nicht nur, sondern lediglich exemplarisch von derartigen Schnittmengen im Zusammenhang mit berühmten Persönlichkeiten. Was, wieviel und überhaupt der Historiker vom Postgeschichtler an Informationen übernimmt und umgekehrt, ist jedem vollkommen freigestellt. Aber dass wir nach dem zuvor Geschriebenen offensichtlich eine Situation vorliegen haben, wo z.T. der eine vom anderen kaum / nichts weiss oder gar hält, sollte von hier aus im konstruktiven Sinne kritisiert sein dürfen.

    Viele Grüße !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (22. Februar 2020 um 15:30)

  • Lieber Luitpold,

    es geht hier nicht um einen Sturm im Wasserglas, entfacht von einer gesellschaftlich eher unbedeutenden Gruppe der Briefsammler.

    Bei uns in der Region erlebt man, wie ein Dialog zwischen akademischer Welt und interessierten Laien aufgebaut und fruchtbar gemacht werden kann. Hier gibt es seit jeher ein großes Interesse an Archäologie, seit vielen Jahren einen sehr aktiven Verein und seit Langem gute Kontakte zur entsprechenden Abteilung im Landesamt für Denkmalpflege.

    Seit die Stadt Erding sich hinter ein großes Forschungsprojekt gestellt hat, findet jährlich ein öffentliches Symposium im Museum statt, das auch von Nichtwissenschaftlern gerne besucht wird. Die Akademiker kommen ebenfalls sehr gerne, nicht zuletzt deshalb, weil man ihnen nicht aus Pflichtbewusstsein, sondern mit ungeheucheltem Interesse zuhört. Die universitäre Welt bekommt hier eine goldene Gelegenheit, in die Breite zu wirken, sie kann Akzeptanz in der Bevölkerung erzeugen.

    Man muss sich immer vor Augen halten, dass Wissenschaft in Deutschland bisher nur mit öffentlichen Mitteln funktioniert, weswegen es im Eigeninteresse der Wissenschaftler liegen sollte, jenen etwas zurückzugeben, die die Infrastruktur erst möglich machen: den Steuerzahlern. Während bei akademischen Medizinern oder Technikern kaum jemand deren staatlich finanzierte Daseinsberechtigung hinterfragt (obwohl das die Bereiche sind, die am ehesten Drittmittel aus der Wirtschaft einsammeln können), ist das bei Geisteswissenschaftlern anders. Gerade diese Gruppe, die am meisten auf eine Finanzierung aus reinen Staats- und vielleicht noch Stiftungsmitteln angewiesen ist, sollte sich überlegen, ob es hilfreich ist, sich mit einer an Arroganz grenzenden Haltung im Elfenbeinturm einzuigeln und mit einer scheinwissenschaftlichen Pseudosprache nach außen abzuschotten.

    Wenn die Geisteswissenschaften überleben wollen, werden sie eher über kurz als über lang Wege finden müssen, ihre Inhalte und Erkenntnisse in populärer(er) Form zu präsentieren und sich besser in der Bevölkerung zu verankern. Sonst sind irgendwann nämlich die öffentliche Finanzierung und die Infrastruktur futsch, weil man ihre Tätigkeit als Wolkenschieberei und überflüssigen Luxus ansieht. Besonders Populisten und bestimmte Wirtschaftsliberale würden mit Freuden in diese Kerbe hauen (und tun es zum Teil schon). Wer dann keine Fürsprecher mehr hat, kann recht bald einpacken.

    Die Archäologen haben das bereits erkannt. Nichts fürchten Häuslebauer und Unternehmer in Bayern nämlich mehr, als dass beim Auskoffern des Bodens auf ihrem Grundstück Knochen, Tonscherben oder Münzen gefunden werden. Das kann aufgrund des bayerischen Denkmalschutzrechts richtig teuer werden, wenn wissenschaftlich ausgegraben werden muss. Da ist es dann wichtig, dass der Archäologe nicht als Feind aus dem akademischen Wolkenkuckucksheim wahrgenommen wird, sondern als Mensch wie du und ich, der auch ein Partner sein und in kurzer Zeit freiwillige Helfer mobilisieren kann, mit deren Hilfe die archäologischen Maßnahmen schneller abgeschlossen werden.

    Ich würde mir jedenfalls für Philatelie und Postgeschichte eine engere Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern wünschen. Auf unserer Seite könnte man zum Beispiel lernen, wie man mit Quellen umgeht, ihre Aussagekraft einschätzt sowie gewichtet und vor allem ihre Verwendung nachweist ...

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Lieber Dietmar,

    deine Zeilen ab der Hervorhebung kann ich vollinhaltlich übernehmen.

    In unserem Bereich ist der LVR (Landschaftsverband Rheinland) u.a. für die Archäologie zuständig. Auch dort hat man die Bevölkerung stark im Blick und organisiert etliche Veranstaltungen. Manchmal kann man sogar bei Ausgrabungen helfen. Die Römer (und nicht nur die) haben am linken Niederrhein schließlich etliches im Boden hinterlassen. In Köln plant man übrigens im Zentrum beim Tiefbau direkt Verzögerungen ein.

    Über diese Aktivitäten gibt es vom LVR etliche Veröffentlichungen, die man als Normalbürger ohne Probleme versteht. Aber wenn man in universitäre Bereiche kommt, ist das nicht unbedingt so.

    Bin gespannt, was noch an Beiträgen zum o.g. Thema kommt.

    Dieter

  • , sollte sich überlegen, ob es hilfreich ist, sich mit einer an Arroganz grenzenden Haltung im Elfenbeinturm einzuigeln und mit einer scheinwissenschaftlichen Pseudosprache nach außen abzuschotten.


    Lieber Dietmar,

    da es hier allgemein um die hohe Wissenshaft zu gehen scheint, darf ich doch für meine Heimatstadt anmerken, dass, wenn man als Laie interessiert ist, es durchaus Möglichkeiten der Teilnahme gibt. So z.B. bei Veranstaltungen des Stadtarchivs, der Stadt selbst und letztes Jahr der UNI Bibliothek zum 400.!

    https://www.bibliothek.uni-wuerzburg.de/400/

    Auch über den Photopionier Dauthendey (3 Tage lang kostenlos!),

    http://www.kunstgeschichte.uni-wuerzburg.de/aktuelles/meld…ischen-deutsch/

    auch wenn ich bei einem Vortrag fast nichts begriffen habe (hier staunte ich nur, wie man seine Brötchen mit Kunstgeschicht verdienen kann!).

    Aber wie gesagt, es bleibt jedem selbst überlassen, wie und was er unternimmt. Allein die Möglichkeit die UNI-Bibliothek kostenlos nutzen zu können (auch Archivmaterial einzusehen), das ist doch klasse!

    Noch ein Satz zum Austausch von der Postgeschichte zur Wissenschaft. Das wird man wohl mit abhandeln, aber was soll da groß erforscht werden, was zu der inhaltlichen Auseinandersetzung Aufschluss gäbe. In einem Beitrag über die Rothschilds wurde deren privates Netz von reitenden Boten aufgezeigt. Ist es jetzt wichtig zu wissen, z.B. wieviele Pferde für einen Ritt von London (Schifffahrt Ärmelkanal) und dann wieder bis Paris gebraucht wurden? Wichtig ist viele Tage der Brief unterwegs war und dass so die Rothschilds den anderen Bankiers, die auf die staatliche Post angewiesen waren, mit den Börseninformationen voraus waren. Ich will sagen, allgemeine Informationen ja, aber das was für uns Sammler interessant ist, wie die Stempel, Taxierungen usw. wird wohl wissenschaftlich nicht relevant sein. Und es ist doch seit 2014 interessant, dass durch die Feldpostbriefe man auch Briefe und deren Inhalt ausgewertet hat und so langsam merkte, dass es hier Originalaussagen zu finden waren, da die Zeitzeugen ja nicht mehr da sind. Und zudem gibt es Dissertionen, die als Buch veröffentlicht wurden, die sich auch/mit der Post beschäftigen. Wir müssen sie halt nur suchen und finden, was dank Google möglich ist. Viel Erfolg und

    einen schönen Sonntag wünscht ALLEN

    Luitpold


    PS

    Da ich einen Brief habe in dem steht dass eine Photografie beiliegt (die allerdings entnommen war)

    und der Fernbrief mit 12 Kr. (statt 6 Kr.) frankiert wurde, stellte sich für mich die Frage wann es Photografien gab. So weckte die Philatelie mein Interesse für die Photografie des 19. JH, weil ich eben wissen wollte, wie das Bild ausgesehen haben könnte. Nur ein Beispiel von vielen, welche Fragen uns die Briefe stellen können und deren Beantwortung uns vieles aus vergangen Zeiten aufzeigen.

    Einmal editiert, zuletzt von Luitpold (23. Februar 2020 um 08:59)

  • Ist es jetzt wichtig zu wissen, z.B. wieviele Pferde für einen Ritt von London (Schifffahrt Ärmelkanal) und dann wieder bis Paris gebraucht wurden? Wichtig ist viele Tage der Brief unterwegs war und dass so die Rothschilds den anderen Bankiers, die auf die staatliche Post angewiesen waren, mit den Börseninformationen voraus waren. Ich will sagen, allgemeine Informationen ja, aber das was für uns Sammler interessant ist, wie die Stempel, Taxierungen usw. wird wohl wissenschaftlich nicht relevant sein.

    ...und genau deswegen schlummern / vergammeln in historischen (Privat-)Archiven historisch weniger bedeutsame, aber postgeschichtliche Granaten und in Privatsammlungen postgeschichtlich weniger bedeutsame Belege, wohl aber von historischer Tragweite. Ich kann dazu nichts mehr sagen.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis