Schlechtstempler

  • Liebe Freunde,

    natürlich will jeder nach Möglichkeit gerade aufgesetzte, zentrische, bestens abgeschlagene Mühlrad- und Aufgabestempel sein Eigen nennen.
    Beispiele für solche Fälle bekommen wir hier glücklicherweise regelmäßig zu sehen.

    In diesem Thread soll einmal die andere Seite zu ihrem Recht kommen: die Schlechtstempler, und, wenn es geht, vor allem die gewohnheitsmäßigen.

    Die "Verkanter" und "Kopfsteher", deren Leistungen für sich sprechen.
    Die "Exzentriker", die garantiert immer fast oder voll daneben lagen.
    (Ich stelle sie mir ein bisschen so vor wie den Arbeiter in dem Jacques-Tati-Film "Schützenfest", der einen Pflock einschlagen soll ...)
    Oder jene Helden des Postwesens, die solch verdorrte Stempelkissen benutzten, dass im Vergleich dazu das Tal des Todes wie eine blühende Landschaft wirken muss.

    Zur letzteren Spezies gehörte der Expeditor von Taufkirchen/Vils, und das über Jahre hinweg (ca. 1854 bis 1870).
    Er prägte mehr, als dass er stempelte. Und wenn selbst ihm das Ergebnis irgendwann als unbefriedigend in die Augen stach, streckte er das bisschen Stempelfarbe, die sein Kissen noch hergab, mit etwas Öl.

    Ein Meisterstück ist der hier gezeigte Brief, der vor allem unseren Nr.-2-Plattenexperten mikrokern erfreuen dürfte - weil die Marke so schön zu bestimmen ist.

    Viele Grüße aus Erding!

  • Lieber Erdinger,

    könntest Du bitte einen höher auflösenden scan der Marke allein einstellen (600 dpi)? Dann gibts eine Aussage von mir (eine fast sichere Zuordnung hab ich schon...).

    Und bittschön gleich auch eine eigene Meinung zur Plattenzugehörigkeit mitliefern - solch ein interessanter Beleg muss doch zunächst vom Besitzer kommentiert (plattiert) werden...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Verehrte Freunde,

    nachdem der hier gezeigte (und einsam gebliebene) Brief mittlerweile die Sammlung gewechselt hat, musste ein neues Beispiel in die Heimatsammlung, dass den Schlechtstempler aus Taufkirchen an der Vils an den Pranger stellt. Etwas mehr Stempelfarbe war diesmal im Kissen, aber der MR ist so gut wie gar nicht zu entziffern (mit viel Fantasie lässt sich die zweite Verteilung "513" herauslesen). Sofern mich meine Augen nicht trügen, ist das eine 4 II 1 auf dem Brief. Ist die Sem-Angabe "bis ca. 1857" noch aktuell?

    Viele Grüße aus Erding!

  • Hallo zusammen,

    hallo Erdinger,

    auch ich möchte einmal Schlechtstempler anprangern. Hier der Stempel "417" Regen wurde wohl nie einer Reinigung unterzogen. So kann man raten, ob es ei offener oder geschlossener Mühlradstempel ist.

    Grüße aus Frankfurt
    hasselbert

    PS. Es ist übrigens eine 3 II über die schon in einem früheren Rundbrief der Arge Bayern klassisch geschrieben worden ist.

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Dietmar

    Ich kann auch einen Brief von Vilstal zeigen. Der Vilsbiburger war ursprünglich kein Schlechtstempler, wenn es um Abschlage geht - nur hat er wohl auch vergessen den Stempel zu reinigen, wie auch hasselbert so "schön" zeigt.

    Viele Grüsse
    Nils

  • Liebe Sammlerfreunde,

    anhängend ein besonders schönes Beispiel einer "Schlechtstempelei".

    Mein Brief wurde in Kaiserslautern am 2.6.52 aufgegeben und Entwertungs-, bzw. Aufgabestempel wurden undeutlich abgeschlagen.

    Bei der Umspedition, bzw. bei der Ankunft der Briefpakete bei der Abgabepost war jeder einzelne Brief zu kontrollieren. Mangelhaft oder unentwertet gebliebene Freimarken waren per Federzug zu annullieren.

    Gruß

    1870/71

  • Hallo Bayernfreunde,

    schon Winkler schreibt zur Qualität der Nummernstempel in seinem Handbuch der bay. Poststempel auf Seite 20:
    " ......... umgekehrt beschwört zum Beispiel der Neumarkter Postbeamte, der ab etwa Mitte der sechziger Jahre die Stempelgewalt über den Nummernstempel 343 ausübte, unseren Philatelistischen Zorn"

    Bei meiner 2II5 trifft die Behauptung von Winkler in vollem Umfang zu.

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Hallo liebe Freunde,

    Nils hat mich darauf hingewiesen, dass mein im 9-Kreuzer-thread gezeigter Brief von Frontenhausen auch schlecht gestempelt ist, deshalb gehört er dann wohl auch noch hier hin. ;)

    Schöne Grüße
    Bayern-Nerv Volker

  • Hallo Sammlerfreunde,

    hier waren ja wirklich schon lausige Stempel zu sehen. Es stellt sich allerdings die Frage, warum die Stempel so schlecht sind?

    Es gibt verschiedene Möglichkeiten:

    -zu wenig Stempelfarbe
    -zu viel Stempelfarbe
    -verkantete Abschläge
    -ungereinigte Stempel
    -abgenutzte Stempel

    Die Liste lässt sich sicherlich noch ergänzen.

    Ich gehe davon aus, dass die Hauptursache abgenutzte Stempel sein dürfte. Gute Beispiele sehen wir in den posts 4,10 und 11.

    So werden die Postexpeditoren von uns als Schlechtstempler verteufelt, sie waren aber nur einfach sparsame Leute. Die Stempelgeräte und die Farbe mussten von Ihnen bei Anschaffung selbst gezahlt werden. Da ist es doch klar, dass an Farbe gespart und der Stempel solange verwendet wurde, bis es wirklich nicht mehr anders ging. Insbesondere große Orte mit hohem Postaufkommen haben am Ende der Stempellebensdauer immer schlecht gestempelt, da die Stempelgeräte abgenutzt waren.

    Auch Schweinfurt wird gerne als Schlechtstempler bezeichnet, aber auch hier ist dies lediglich eine Folge der Abnutzung.

    Nachfolgend einige Beispielbilder:

    1. MR 317 auf Erstausgabe
    2. MR 317 auf Brief vom 9.11.1856 stark abgenutzt
    3. MR 317 Beispiele mit schleichender Abnutzung
    4. MR 479 Beispiele mit schleichender Abnutzung

    Gruß
    bayernjäger


  • Bei den Haupt-Postexpeditionen am Sitze der Oberpostämter gab es extra Briefstempler. Eigentlich dürften dann keine schlechten Stempelabdrucke vorkommen. Bisher waren nur die Postexpeditionen "auf dem Lande" hier zu bewundern. Sollten nicht auch die Hauptpostexpeditionen unter dem Gesichtspunkt "mangelnde Arbeitsfreude bzw. Überlastung" gesehen werden?

    Welchen Stellenwert in der Post-Beamten-Hierarchie ein Briefstempler hatte zeigt diese Notiz aus einer Zeitung von 1865: "

    Dienstes-Nachrichten der k. Verkehrsanstalten: Ernannt wurden zum Postkonducteur in Würzburg der Briefträger Sebastian Spahn; zum Briefträger der Briefstempler Franz Kreller in Würzburg. Degradiert wurde der Postkonducteur Franz Becker in Würzburg zum Briefstempler.

    Luitpold

  • Hallo Sammlerfreunde, hallo Luitpold,

    sicherlich gelten meine vorangegangenen Ausführungen nicht für jeden schlechten Stempel und die von dir angeführte Überlastung ist definitiv auch ein Grund.
    Die Stempelbeschaffung an einer großen Expedition war fianziell wohl auch leichter zu stemmen, als "auf dem Lande".

    Aber lieber Luitpold, dass du anführst "Bisher waren nur die Postexpeditionen "auf dem Lande" hier zu bewundern.", trifft mich hart.
    Schweinfurt ist zwar keine Großstadt, hatte aber bereits 1840 fast 8000 Einwohner und eine Industrie, die wohl auch die meisten bayerischen Großstädte in den Schatten stellte. Ob man dort auch einen Briefstempler hatte, kann ich im Moment nicht sagen, ich gehe aber davon aus, denn das Postaufkommen war gewaltig.

    Anbei noch ein Extrembeispiel aus der "Landexpedition" Schweinfurt.

    Gruß
    bayernjäger