Dokumente jüdischen Lebens aus unseren Briefsammlungen

  • "1700 Jahre jüdisches Lebens in Deutschland" - Gedenkfeierlichkeiten im Jahre 2021 - ein Anlass, die in Sammlungen befindlichen Briefe jüdischer Absender oder Empfänger hier vorzustellen? Ich möchte dies tun, weil sie Geschichten/Begebenheiten von jüdischen Bürger/innen orginal erzählen.

    Es gibt zahlreiche Informationen, Websites, Bücher u.a. zum Thema Judentum in Deutschland. Ein relativ aktuelles Buch liegt mir vor und hat über 600 Seiten, auf denen die "Jüdische Geschichte in Bayern - Von den Anfängen bis zur Gegenwart" aufgezeigt wird. https://www.perlentaucher.de/buch/rolf-kies…-in-bayern.html

    Deshalb wird es doch nicht verkehrt sein, sich diesem Thema gesondert anzunehmen und hier Briefe von der Vormarkenzeit (-philatelie) bis zur Gegenwart gezeigt werden sollen.

    Luitpold

    Aktualisiert: 13.02.2021

    Einmal editiert, zuletzt von Luitpold (13. Februar 2021 um 14:33)

  • Briefhülle - 3 Kr. rot 9a - Entwerter: 189 gMR - Aufgabestempel 12a: Heidingsfeld 18/5 (1863) - AK: Königshofen 18/5

    Absender: Gebrüder Rosenheim Heidingsfeld - Weinhandel und Cigarrenfabrik

    Empfänger: Salomon Elias Friedmann Höchheim b. Königshofen im Grabfeld (Specerei, Schnittwaren u. Eisenhandlung)

    Auch ohne Inhalt sind Informationen in Google (books) zu finden. So scheinen die Gebr. Rosenheim auch in New York eine Firma gehabt zu haben (Rosenheim brothers). Zum Namen Rosenheim (in Heidingsfeld ein Name von 4 Firmen, ob verwandt oder verschwägert ist unbekannt).

    Weiterhin findet sich auf dem Heidingsfelder jüdischen Friedhof das Grab von Salomon Rosenthal, der durchaus also Absender des Briefes gewesen sein dürfte (1819 - 1893).

    http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%…edhof%20206.jpg

    Luitpold

  • Hallo Luitpold

    hier der komplette Brief der Amschel Mayer von Rothschild Armenstiftung

    an den Vorstand der israelitischen Gemeinde in Bamberg.

    Ich hoffe der Brief lässt sich trotz der Faltung entziffern.

    Die Schrift ist der absolute Wahnsinn, ein Buchstabe wie der andere.

    Gruß Klaus

    70771-9044-jpg

    Wer später bremst,
    ist länger schnell !

    Einmal editiert, zuletzt von oisch (28. Januar 2021 um 18:37)

  • Liebe Sammlerfreunde,

    diesen Brief ich vor knapp 9 Jahren hier in einen anderen Thread eingestellt:

    Zwei Absender aus Ellerstadt (einer in jüdisch) schrieben am 28. Februar 1864 nach New-Orleans in Nord-Amerika und legten den Portobrief in den Landbriefkasten, der sich sicherlich in Ellerstadt befand. Der Landbriefträger stempelte auf den Brief den Landbriefkastenstempel der sich im Landbriefkasten befand, brachte den Brief nach Dürkheim in der Pfalz und dort stempelte man ihn am 29. Februar. Über Aachen ging er dann über das große Meer. Viele Briefe mit solchen Stempel wird es sicherlich nicht nach Übersee geben. Auf der Siegelseite befinden sich keine Stempel und Vermerke.

    Beste Grüße,

    Hermann

  • Die Schrift ist der absolute Wahnsinn, ein Buchstabe wie der andere.

    ... weil lithographiert, also 1x geschrieben und viele Male gedruckt. Trotzdem sehr schön. :)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo VorphilaBayern,


    dass viele jüdische Familien damals ausgewandert sind, wissen wir.

    Trotzdem ist es ein besonderer Glücksfall, einen solchen Brief zu finden und zu erkennen.


    Zufall oder nicht, aber mir fällt auf, dass auch hier Ort, Datum und Unterschrift nicht hebräisch geschrieben sind.


    Beste Grüße

    Will

  • Hallo zusammen

    Ich möchte euch einen Dreierstreifen auf kompletten Brief von 1865 zeigen.

    Leider sind die Marken angeschnitten.

    Gruß Michael


    Zitat von Bayern klassisch

    Lieber Michael,

    dafür ist er vom Traunsteiner Expeditor schön gestempelt worden und wenn wir schon bei Empfängern sind, sollte der auch in das große Buch 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland passen, wie ich meine. :thumbup:

  • Ich hoffe der Brief lässt sich trotz der Faltung entziffern.

    Gruß Klaus

    Hallo Klaus,

    das werde ich noch tun. Doch es braucht doch nur eine Suchanfrage in google, um in die Geschichte des uns wohl allen bekannten Bankhauses "Rothschild" bzw. dessen Familienmitglieder eintauchen zu lassen. Ein großartiges Dokument, das wohl in großer Auflage gefertigt wurde. Denn dieser Amschel Meyer von Rothschild hat von seinem Vermögen eine Armenstiftung gegründet. Man stelle sich vor, heute würde z. B. der Lidl-Gründer Dieter Schwarz in seinen Filialen Bargeld an Bedürftige verteilen, wie es von Amschel Meyer berichtet wird. Aber bitte lest selbst, es macht traurig, dass diese Großzügigkeit (die auch christlichen Armen zuteil wurde) leider vergessen wurde.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Amschel_Mayer_von_Rothschild

    Luitpold

  • Hallo Klaus,

    das werde ich noch tun.

    Also es geht darum, dass die Armenstiftung diesmal nicht nur den Frankfurtern Unterstützung geben wollte, sondern eben den Armen aus der israelitischen Gemeinde von Bamberg (eingangs wird auf die Zeiten verwiesen, wann die Geldverteilung erfolgt (z.B. lese ich auch Ostern!). Wichtig war, dass man auf die Statuten der Stiftung berücksichtigen musste auf die extra verwiesen wurde, was insbesondere galt war, dass nur Verheiratete und ganzen Familien Unterstützung gewährt wurde, nicht ledigen und Einzelpersonen (die Zuwendung würde nur dem "Familienvater" gegeben werden). Man bat "zur Vermeidung unnötigen Porto-Aufwandes um gefällige Einsendung eines Verzeichnisses unverheiratheter israelitischer Armen" ...

    Das Verzeichnis sollte Anschrift und Adresse der zu unterstützenden Familien enthalten:

    Angabe des Wohnortes mittelst Bezeichnung der nächsten Post-

    Station oder des Bezirkes und Landes, in welchem der Wohn-Ort liegt.

    Wie gesagt, ein Zeit-Dokument, zu dem ich herzlich gratuliere!

    Luitpold

    Einmal editiert, zuletzt von Luitpold (29. Januar 2021 um 09:14)

  • Wie gesagt, ein Zeit-Dokument, zu dem ich herzlich gratuliere!

    Luitpold

    Gibt es hier doch einen "Frankfurter"?! Denn dieser Brief lässt uns auch Frankfurter-Geschichte aufleuchten. Und bevor sich jemand aufregt, ich will nur zeigen, wie tief und breit man eine Recherche treiben und neue Erkenntnisse (oftmals heimatgeschichliche) erlangen kann.

    Frankfurt (aus einem Buch von 1924 über die Bankiersfamilie Rothschild):

    Da die Börnestraße in Frankfurt nicht mehr existiert, sondern ein Börneplatz, gibt es auch das Rothschildhaus nicht mehr. Aber es gibt ein weiteres "Rothschildhaus": https://www.juedischesmuseum.de/erkunden/rothschildpalais/

    Luitpold

  • Lieber Werner,

    klasse Links hier zu sehen, die zeigen, dass es nicht nur eine christliche Barmherzigkeit gab, sondern eine (mindestens ebenso große) Jüdische, wie man überhaupt feststellen muss, dass in der Thora geradezu aufgefordert wird, denen zu geben, die nichts haben. Da merkt man halt wieder, dass 3 Weltreligionen aus der jüdischen Religion abstammen und sich näher sind, als man es (vor allem früher) wahrhaben mochte. Es wäre eh besser, sich auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren, als hinter der fünfhundertsten Stelle nach dem Komma nach Unterschieden zu suchen, die eh nur einem leidlichen Zweck dienen können ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Es wäre eh besser, sich auf Gemeinsamkeiten zu konzentrieren

    Hallo Ralph,

    das versuchen die beiden Kirchen in der Ökumene, aber es wird noch viel Main-Wasser in die Rhein und die Nordsee fließen, bis die studierten Theologen einen gemeinsamen Nenner finden werden. Zur Zeit beschäftigen sich die Katholiken mal wieder mehr mit sich selbst. Zurück zum jüdischen Thema, wo ich zur Schoah kommen möchte, da ich ein kleines Konvulut habe, das einfache Geschäftspostkarten beinhaltet von einer jüdischen Firma für dessen Inhaber hier in der Stadt ein Stolperstein gelegt wurde.

    Empfehlen möchte ich die Gedenkstunde im Bundestag, wo Frau Knobloch und Frau Weisband sehr eindringliche und persönliche Reden gehalten haben (falls nicht live gesehen).

    https://www.bundestag.de/dokumente/text…hbericht-818592

    Luitpold

  • Rechnungsbrief aus Heidingsfeld, 3 Kr. Nr. 15, Entwerter gMR 189, HK 12a an D. Rothschild Söhne in Mosbach, 10. Oktober 1868

    Aus Heidingsfeld finden sich aus vielen Jahren Rechnungsbriefe der Firma J. Hellmann & Co. Es handelte sich um eine Weingroßhandlung. Sie befand sich ab 1883 in Würzburg. Ein Familienangehöriger und späterer Teilhaber der Firma findet sich sogar mit Bild unter:

    https://www.historisches-unterfranken.uni-wuerzburg.de/juf/Datenbank/…l=;search;24348;

    Hier wurden immerhin ca. 30 Liter (30 Maas - 1 Maas ca. 1 l) im Fass per Bahn in das ca. 13 Bahn-Meilen (c. 100 Km) entfernte Mosbach (ca. 3000 EW, mit Bahnstation) im Großherzogtum Baden speditiert (auf der seit Ende 1866 fertiggestellten Eisenbahnlinie Würzburg - Heidelberg). Auf das Angebot von Rothschild in Sachen "Kirschgeist", wollte Hellmann bei Bedarf gerne zurück kommen.

    Die Fa. Rothschild findet sich 1879 als "Hopfen u. Spirutuosen en groß u. Destillerie als Rothschild & Söhne verzeichnet. Aus einer Annonce geht auch hervor, dass - so wie ich das vermute - koscheres Zwetschgenwasser anbot, da als Beglaubigung ein Zeugnis des Mosbacher Rabbiners mit abgedruckt wurde.

    http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%…%2030121868.jpg

    Für die Links kann icht nicht bürgen und sind hoffentlich erlaubt.

    Luitpold

  • Lieber Werner,

    danke für das Eröffnen dieses durchaus zeitgemäßen Themas, wie die Gedenkstunde im Bundestag uns gezeigt hat.

    Einen meiner Belege zu diesem Thema habe ich hier gezeigt.

    Die wenigen jüdischen Mitbürger, die in Erding lebten, waren vorwiegend Viehhändler. Der Großviehhändler Josua Man(n)asse – ältere Mitbürger erinnern sich noch an das Manassehaus am Kleinen Platz – starb mit 41 Jahren im Jahr 1928. Er erlebte das Dritte Reich nicht mehr. Seine Ehefrau Rosa Manasse stammte aus Erding und war keine Jüdin. Während sie leidlich unbeschadet das Dutzendjährige Reich überstand, musste die gemeinsame Tochter Lotte emigrieren.

    Quelle: Hans Niedermayer, Der Landkreis Erding im Zeichen des Hakenkreuzes. Zeitgeschichtliche Untersuchungen (Erdinger Land 22 [2010], S. 119ff.)

  • Liebe Freunde,

    wie erstaunt war ich, als mir im Jahr 2000 bei meinem ersten Besuch der Münchner Messe am Stand von Tyrol Phila dieser innerhalb des Landkreises Erding gelaufene Brief in die Hände fiel, mit dem rückseitigen Absenderaufdruck »Jewish Committee in Dorfen Markt«. Davon hatte ich auch als langjähriger Heimathistoriker noch nie gehört. Warum 90 Pfennige verklebt sind, wo es doch auch 84 für einen eingeschriebenen Brief getan hätten, weiß ich immer noch nicht (ein Brief der zweiten Gewichtsstufe hätte 108 Pfennige gekostet), aber zumindest über das jüdische Leben im Dorfen der unmittelbaren Nachkriegszeit sind wir inzwischen besser informiert.

  • Liebe Sammlerfreunde,

    eine anderes Dokument jüdischen Lebens in Deutschland:

    Auslandsausgabe der hebräischen Zeitung Hamagid, die erste hebräischsprachige Wochenzeitung. Sie enthielt hauptsächlich aktuelle Ereignisse, Feuilletonartikel, eine Sektion über Judaistik und in ihrer Blütezeit Diskussionen über soziale Themen. Sie wurde zwischen 1856 und 1903 in Lyck (Ostpreußen) verlegt und richtete sich zunächst an russische Juden, wurde aber bald in ganz Europa und der jüdischen Welt weiterverbreitet. Obwohl sie nur eine Spitzenauflage von 1.800 Exemplaren hatte, wird sie in erster Linie als Beginn der modernen hebräischsprachigen Presse angesehen. Weitere Details finden sich in Wikipedia unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Hamagid

    Eliezer Lipman Zilbermann

    war der erste Herausgeber.

    Die am 13/12/1871 verschickte Zeitung wurde korrekt mit 1/3 Groschen (Drucksache - Streifband) frankiert und erhielt in Lemberg (Österreich) die obligatorische Zeitungsstempelmarke zu 1 Kr.

    Schönen Abend

    Martin

  • klasse Links hier zu sehen, die zeigen, dass es nicht nur eine christliche Barmherzigkeit gab, sondern eine (mindestens ebenso große) Jüdische

    Hier fand ich ein Anekdote aus dem Jahre 1869 zu Rothschild aus Paris, die hier durchaus passend scheint:

    Lieber Dietmar und Martin, herzlichen Dank für Eure Beteiligung an diesem Thema und die schönen Zeugnisse jüdischen Lebens.

    Luitpold