• Hallo Sammlerfreunde,

    im Rundbrief 53 ist der hier eingestellte Ortsbrief von Wemding, mit MR "576" von Wemding auf der Siegelseite, von mir schon einmal gezeigt worden.

    Bei dem mit Siegellack verschlossenen Brief, wurde die Verschlussstelle zusätzlich mit dem MR "576" überstempelt und damit quasi "amtlich versiegelt".

    Der Grund für diese aussergewöhnliche Abstempelung kann im Briefinhalt zu finden sein. An den Hochwürden in Wemding steht u.a. folgendes geschrieben:


    " Gott weiss alles. Richtet nicht, so werdet auch Ihr nicht gerichtet werden. Verdamet nicht, so werdet auch Ihr nicht verdamet werden.

    Schon viele Jahre werde ich von meinem braven Weib geärgert. Sie macht Schande wo sie kann und jetzt ist die Stunde wo das verhandelt

    werden soll und muss. Ich fürchte mich nicht. Gott weiss alles."


    Der Briefinhalt war ausschliesslich für Hochwürden bestimmt. Niemand sonst sollte ihn lesen. Der Postler "versiegelte" zusätzlich mit seinem Mühlradstempel.

    Möglicherweise hatte er selbst grösstes Interesse an der Wahrung des Postgeheimnisses. War vielleicht der Briefträger als neugierig und geschwätzig bekannt ?

    Gruss kilke

  • Lieber kilke,

    endlich ein Stück mit Inhalt - wunderbar und deine Interpretation ist für mich sehr naheliegend!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Sammlerfreunde,

    jetzt habe ich mich doch erbarmt und diesen Brief als Auktionsrücklos erworben.

    Leider weder mit Inhalt noch mit Datum. Vielleicht können mir hinsichtlich des Verwendungsjahres die Pfalzsammler weiterhelfen.

    Irgendwie scheint auf der Briefvorderseite zu wenig Platz gewesen zu sein, so dass die Franco-Marke auf der Rückseite angebracht wurde.
    Nach eingehender Begutachtung gehe ich davon aus, dass die Franco-Marke ursprünglich auf der Rückseite haftet. Einzelne Mühlradschaufeln drücken sich durch das Briefpapier.

    Mit 6 xr wäre der Brief in die 2. Entfernungszone im DÖPV zumindest ordnungsgemäß frankiert.

    Insgesamt scheinen hier aber die einschlägigen Vorschriften missachtet worden zu sein.

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo Sammlerfreunde,

    jetzt habe ich schon zwei Tage die einschlägigen Vorschriften gewälzt, habe aber noch immer keine Eklärung für diesen Brief gefunden. Rückseitig angebrachte Franco-Marken sollten eigentlich ungültig sein und hätten ein Nachporto erforderlich gemacht. Hier aber wurde die Franco-Marke anerkannt. Gibt es dafür eine schlüssige Erklärung oder habe ich etwas übersehen.
    Den Stempel 148 kann ich wegen kaum vorhandenen Vergleichsmaterials leider ebenfalls nicht in ein Verwednungsjahr einordnen.

    Hatten wir nicht schon ähnliche Briefe im Forum gesehen?

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,

    alle Briefe mit Quadratmarken, die siegelseitig frankiert sind (eigentlich eini Widerspruch in sich), wurden als Frankobrief letztendlich akzeptiert. Man war halt rücksichtsvoll in Bayern ...

    In meiner Contra - Slg. habe ich einen mit der 4II aus München, der zuerst taxiert worden war und den ich aus der Husnätter - Slg. gekauft habe.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... das hatte ich ja geschrieben. Ich kenne keinen Brief, bei dem man die Marke NICHT anerkannt hätte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo bayernjäger,

    vom geschlossenen MR "148" Kaiserslautern kenne ich zwei Typen.

    Zu sehen ist der MR-Typ mit hochstehenden Querstrich und geraden Aufstrich der "4".

    Dieser MR-Typ wurde in Kaiserslautern von Anfang der MR-Zeit bis mindestens Mitte 1855 (Brief vom 24.5.1855) verwendet.

    Auch eine Verwendung bis zur Umtauschzeit kann nicht ausgeschlossen werden. Deshalb gibt der MR keinen Hinweis auf das Briefdatum.

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Liebe Freunde,

    die Einführung der Nummernstempel (heute: Mühlradstempel) zum 1.8.1850 fußte auf 2 Anforderungen:

    1. Die Entwertung der jungen Bayernmarken war mit den althergebrachten Ortsstempeln oft nicht so gut gelungen, wie man sich das, um eine Wiederverwendung auszuschließen, vorstellte. Daher entwickelte man im Frühjahr 1850 eine Stempeltyp (heute: Geschlossener Mühlradstempel), der im Innenraum genug Platz für eine Kontrollziffer ließ. Schon dieser Terminus deutete an, dass es hier nicht nur um die reine Form der Entwertung ging (Killerstempel heute genannt), sondern auch um eine Art der Kontrolle damit verbunden sein sollte. Wäre das nicht so gewesen, hätte es Hunderttausende Sammler in der Geschichte der bayer. Philatelie weniger gegeben, denn die Mühlradstempelsammler haben Bayern zu dem gemacht, was es später philatelistisch wurde.

    Bei all den Betrachtungen kommt natürlich der 2. Punkt zu kurz bzw. ist völlig unbekannt: Mit dem Nummernstempel sollte auch im internen Verkehr (als dem, was der Postkunde nie zu Gesicht bekam) eine Kontrolle stattfinden und zwar durch den vorgeschriebenen Abschlag auf den Brief - Karten. Was war eine Brief - Karte nun wieder? Eine Brief - Karte (abgekürzt BK :D ) lief mit den Poststücken jedweger Art von der Poststelle der Aufgabe an die Poststelle, die von ihr nominiert wurde und zwar auf der Beutelfahne des Briefbeutels, in dem eben diese Poststücke sicher verwahrt waren.

    Heute zeige ich eine BK von Weissenhorn, die am 16.4.1858 an die Bahnpost Ulm - Augsburg abgefertigt wurde. Wie man unschwer erkennen kann, befanden sich an diesem Tag zum Zeitpunkt des Postabgangs weder Portobriefe ("Unfrankirte Briefe"), noch Auslandsbriefe ("Baar frankirte Briefe") im Postbeutel - portofreie Dienstsachen auch nicht, wiewohl das noch am ehesten zu erwarten gewesen wäre.

    Jedoch gab es an besagtem Tag 3 Einschreiben (und bei dem im Schnitt wohl eher geringen Postaufkommen von Weissenhorn war das wohl gar nicht so wenig), die einzeln in der BK zu notieren waren:

    1) Mit der Reco - Nummer 283 ein Einschreibebrief an Jacob Wirth in Monheim,
    2) mit der Reco - Nummer 284 an Dr. Heinrich in Weiler und
    3) mit der Reco - Nummer 285 an A. Geiger in Buchloe.

    Der geneigte Leser wundert sich vlt., warum unter "Ort" steht "der Aufgabe", statt nur "der Bestimmung". Nun, in diesen BK waren auch Recobriefe aufzulisten, die von weiter her über die eigene Poststelle zu einer anderen liefen, so dass man in diesen Fällen den Ort der Aufgabe (Achtung: Nicht den Ort der Zukartierung!) vermerken musste.

    Beispiel: Recobrief aus Aalen (Württemberg) nach München. Aalen fertigte eine BK nach Nördlingen in Bayern, welches das Paketschlußamt zu Württemberg war. Nördlingen erhielt den Brief, quittierte die württembergische Briefkarte gut und fertigte mit eigenen, anderen Recobriefen seine BK nach Augsburg. In der BK stand demzufolge unter der Rubrik "Ort der Aufgabe" des Briefes "Aalen". In Augsburg wurde die Briefkarte mit dem avisierten Inhalt (Briefe) verglichen und im Falle der Übereinstimmung eine neue BK Richtung München aufgemacht. In der Augsburger Briefkarte stand das Einschreiben aber immer noch in der Rubrik "Ort der Aufgabe" mit "Aalen".

    Im Falle, dass München dieses Einschreiben nicht erhalten hätte, wäre die BK von Augsburg negativ quittiert worden und man hätte Augsburg gebeten, den Brief zu suchen.

    Einige Tage später wäre wohl parallel dazu vom Absender aus Aalen ein Laufzettel auf die Reise geschickt worden, mit Hilfe dessen die Posten in Nördlingen, Augsburg und München hätten den Brief lokalisieren müssen.

    Wer wissen will, wie es dann weiter ging, darf sich auf eine Mini - Sammlung von mir stürzen, die im Laufe des nächsten Jahres hier gezeigt werden wird und die den Tenor "Laufzettel" haben wird.

  • Lieber Ralph,

    Vielen herzlichen Dank für das Zeigen dieses Schmankerls, das, wenn ich mich nicht irre, bei Deider liegen geblieben ist, worüber ich mich schon gewundert habe. Deine interessanten Ausführungen vollenden das Gesamtwerk.

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Peter,

    danke für den netten Kommentar. Ja, bekam ich zum Untergebot beim Siggi - unglaublich, welche Raritäten der bayerischen Postgeschichte man heute noch schnappen kann.

    Man muss es halt nur erkennen können, was da angeboten wurde. ;)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    das ist ja ein tolles Stück, das du bei der Deider-Auktion schnappen konntest. Und dann zum Untergebot. Es ist nicht zu fassen.

    Da haben große Teile der Bayernfraktion geschlafen und sich lieber auf eine Marke oder einen Markenbrief gestürzt.
    Zu dem Stück, dass nicht nur postgeschichtlich einiges hergibt, sondern auch noch gut aussieht, kann man dir nur gratulieren.

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer

  • Liebe Freunde,

    vielen Dank für die lieben Kommentare - aus der Zeit 1850-1867 kenne ich keine 5 gebrauchte BK. In meiner Contra - Sammlung ist sogar die authentische Kopie einer BK ... das war strikt verboten, denn es waren ja Urkunden, die man nicht einfach so "copiren" konnte.

    Wer einen Reco - Brief von Weissenhorn aus dieser Zeit hat, darf ihn mir/hier gerne zeigen. :thumbup:

    P.S. Peter Sem hatte mal vor ca. 15 Jahren 3 oder 4 dieser BK mit Mühlradstempeln von einem Ort - die waren aber nicht postalisch gelaufen, sondern als Schmierpapier zu späterer Zeit verwendet worden.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    weil ich unbedingt noch zu Lebzeiten einen halbwegs passenden Reco - Brief aus Weissenhorn an Land ziehen wollte, war mir die Auktion von PF gerade recht, diesen zu schnappen.

    Er hat zwar die Nr. 461 und war - natürlich - nicht Teil der Versendung mit obiger Briefkarte, aber auch solch einen Brief muss man erst einmal finden.

    Da ich jetzt die Briefkarte, einen recommandirten Brief und einen gewöhnlich frankierten Brief von Weissenhorn habe, steht der Erstellung einer A3 - Seite nichts mehr im Wege.

    Wer aber noch einen Dienstbrief oder einen unfrankierten hat, darf ihn mir gerne anbieten. Da zahle ich glatt Katalogpreise! :D

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.