Briefaufgabe an Postkutschen

  • Die Möglichkeit, an einer Postkutsche Briefe aufzugeben, wurde offiziell erst eingeführt, als die Postkutschen mit Briefkästen ausgestattet worden waren. Deren Leerung und die postalische Bearbeitung der Briefe oblag der nächsten an der Route gelegenen Postanstalt. Gleichwohl wurden auch zuvor schon Briefe gefälligen Kutschern mitgegeben:

    Dieser Brief wurde am 2.10.1851 in Zwickau geschrieben und wohl auch an diesem oder folgenden Tag dort der Schnellkutsche nach Carlsbad mitgegeben. Am Zielort Carlsbad lieferte der Kutscher den Brief beim dortigen Postamt ab, das ihn siegelseitig mit dem Tagesstempel versah und die tarifgerechte Markenfrankatur unentwertet ließ.

    Der Adressat Christian Fischer betrieb in Pirkenhammer erfolgreich eine Porzellanfabrik.

    Einmal editiert, zuletzt von Altsax (27. April 2024 um 09:34)

  • Lieber Jürgen,

    wundervoll - nie gesehen. :love::love::love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Jürgen,

    sehr interessanter Brief! War die rückseitige Stempelung in diesen Fällen vorgeschrieben?
    Hier ein vergleichbarer Brief aus Preußen.

    Viele Grüße
    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

  • sehr interessanter Brief! War die rückseitige Stempelung in diesen Fällen vorgeschrieben?

    Lieber Michael,

    "solche Fälle" waren ja nicht vorgesehen, als gab es dafür auch keine spezielle Vorschrift. Für die österreichische Post handelte es sich um einen noch nicht erkennbar postalisch behandelten frankierten Brief, der nach den zu vermutenden Angaben des kutschers aus Zwickau stammte und folglich vollständig frankiert war. Wenn der Carlsbader Ortssstempel nicht generell auf Eingangspost abzuschlagen war, wofür der Abklatsch auf der Vorderseite spricht, dann könnte er auch als eine Art von Aufgabestempel für den Weitertransport nach Pirkenhammer gedient haben.

    Einen weiteren "irregulären" Postkutschenbrief hänge ich noch an:

    Im Mai 1863 wurde zwischen Sachsen und Preußen vereinbart, die grenzüberschreitenden Postkutschen mit Briefkästen zu versehen. Der obige Brief nach Dresden wurde in den Briefkasten der von Zittau nach Görlitz fahrenden Diligence eingeworfen und in Görlitz entsprechend gekennzeichnet. Dort ist er dem Fahrenden Postamt der Sächsisch-Schlesischen Eisenbahn nach Dresden mitgegeben und der Wertstempel mit dem NG 185 entwertet worden.

    Die Aufgabe des Briefes am Postamt Zittau hätte in jedem Falle zu einer schnellern Beförderung über die Bahncourse Zittau - Löbau und Löbau-Dresden geführt.

    Liebe Grüße

    Jürgen

  • Liebe Sammlerfreunde,

    sehr schöne und sehr seltene Belege. Dies gab es auch schon früher: Hier ein Portobrief aus Rotthalmünster (Kgr. Bayern) mit Vermerk "per Braunau" vom 16. April 1814, der ins 5 km entfernte Malching (Kgr. Bayern) gebracht wurde. Seit 1739 bestand dort eine Kaiserliche Reichsposthalterei. Ab 1. Juli 1808 eine königlich bayerische Relaisstation (Poststall). Ab Januar 1814 fand eine wöchentliche Diligencefahrt "Salzburg - Schärding" über Malching statt. Ab 1816 wurde die Relaisstation ersatzlos aufgelassen (Der Grund wird sicherlich gewesen sein, daß u.a. Salzburg, Braunau und Schärding ab 1. Mai 1816 wieder zu Österreich kamen). In Malching wurde der Brief der Diligence (Postwagen) mitgegeben. In Braunau dann bei der kgl. bayer. Postverwaltung abgegeben, die dann den Brief mit dem Aufgabestempel "R.4.BRAUNAU" (Innviertel - Kgr. Bayern) stempelte. Der Brief ging nach Tittmoning (Herzogtum Salzburg - Kgr. Bayern). Anton Poschacher schrieb an seinen Bruder Franz Poschacher. Der Empfänger bezahlte 3 Kreuzer Porto. Erst 1832 bekam Malching eine kgl. bayer. Postexpedition. (Quellen: Vorphilahandbuch Bayern von Friedrich Pietz).

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • ... Traumbriefe werden hier gezeigt, super! :love::love::love::love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Hermann,

    ein Sammlerkollege aus Simbach/Inn hat einen Zwillingsbrief der Poschacher-Brüder (ich glaube von 1813?) erst letztes Jahr bei einer österr. Auktion (classikphil) ersteigert. Poststation Simbach wurde zu dieser Zeit zugunsten Braunau (da auch bayerisch) vorübergehend aufgelassen.


    Viele Grüße

    Rottaler

  • Ein weiterer, allerdings nicht schönheitspreisverdächtiger Postkutschenbrief fand sich unbeachtet in einem 5 € Ebaylos:

    Der aus einer bekannten Korrespondenz stammende Brief wurde in Roda in den Briefkasten der nach Gera fahrenden Postkutsche eingeworfen. Bestimmungsgemäß ist nach Öfnung des Briefkastens im Postamt Gera der Wertstempel handschriftlich entwertet und siegelseitig der Geraer Ortsaufgabestempel abgeschlagen worden. Der Ausgabestempel vom Folgetag stammt von Plauen.

    Aus gleicher Korrespondenz existiert eine Ganzsache, deren Wertstempel mit dem Geraer Nummernstempel 291 entwertet worden ist. Die Preußen nahmen es offenbar mit den Vorschriften genauer.

  • Hallo,

    ich bin fasziniert, dass es so was gab, aber verstehe nicht ganz an was man das ablesen kann. Nur an der Tatsache dass der rueckseitige Stempel von Gotha ein Ortsstempel ist? Handschriftliche Entwertung des Werteindruckes kann es ja nicht sein...


    LG Andreas

  • ... aber verstehe nicht ganz an was man das ablesen kann. Nur an der Tatsache dass der rueckseitige Stempel von Gotha ein Ortsstempel ist?

    Lieber Andreas,

    reguläre Federzugentwertung von Marken und Wertstempeln war in folgenden Fällen vorgeschrieben:

    a) Auflieferung an Bahncoursen bei Zügen, die nicht über Coursstempel verfügten.

    b) Übergabe an Landbriefträger, die Briefe ohne Berührung der Postanstalt direkt zustellten.

    c) Frankaturen mit Marken/Wertstempeln fremder Postverwaltungen auf Briefen, die auf grenzüberschreitenden Coursen (Bahnposten oder Postkutschen) eingingen.

    Da Roda an keiner Bahnlinie lag, aber an mehreren Postkutschcoursen, kam die für Postkutschaufgabe zwischen der sächsischen und der taxisschen Post vereinbarte Regelung in Anwendung:

    An den Kutschen befestigte Briefkästen waren zugänglich an allen Haltestationen. Sie waren von der ersten am Cours liegenden Postanstalt zu öffnen. Als Aufgabeort und Basis für die Taxberechnung war die letzte vor Öffnung liegende Postanstalt zu betrachten. Der Brief war mit deren Ortsnamen zu kennzeichnen ausländische Postwertzeichen waren mit Federzug zu entwerten, inländische mit dem Poststempel.

    Nachfolgend ein weiterer Beleg dieser Art:

    Der Brief wurde in Roda gekennzeichnet mit "Neustädter Wagenbriefkasten". Ausweislich des taxisschen Wertstempels war er im taxisschen Postgebiet aufgegeben worden. Die als Aufgabeort zu betrachtende letzte taxissche Postanstalt auf diesem Postkutschcours war Neustadt. Der taxissche Wertstempel war mittels Federzugs zu entwerten.

    Beste Grüße

    Jürgen

  • Lieber Jürgen,

    ich möchte aus meiner Registratur auch noch einen Brief zeigen.

    Habe leider nur diesen Scan.

    Liebe Grüße Matthias

    Suche immer Belege von Roda / Stadtroda.

  • Lieber Matthias,

    wer Postkutschbriefe sucht, kommt über kurz oder lang zu Roda. Ich kenne keinen Postort, von dem auch nur annähernd so viele existieren wie solche mit dem Ortsvermerk Roda.

    Eine Erklärung dafür könnte die relativ lange Strecke bis Gera darstellen. Es existierten mehrere Haltepunkte, die aber keine Postanstalt aufwiesen. Dort war ein Einwurf in den Wagenbriefkasten sinnvoll. Leider lassen sich Briefe, die an Zwischenstationen aufgegeben worden sind, nur am Inhalt erkennen, der bei Ganzsachenumschlägen so gut wie nie erhalten geblieben ist.

    Liebe Grüße

    Jürgen

  • Hallo Jürgen,

    jetzt ziehe ich meinen Hut... soviel Kenntnis im Detail eines Postverfahrens von vor ueber 150 Jahren laesst mir den Mund offen. Alles klar. Ein Traum! Ob es so was noch in der BS Zeit gab, oder wurde da schon eine Poststelle / Bahnstrecke errichtet?

    LG Andreas

  • Hallo Jürgen,

    jetzt ziehe ich meinen Hut... soviel Kenntnis im Detail eines Postverfahrens von vor ueber 150 Jahren laesst mir den Mund offen. Alles klar. Ein Traum! Ob es so was noch in der BS Zeit gab, oder wurde da schon eine Poststelle / Bahnstrecke errichtet?

    LG Andreas

    Lieber Andreas,

    Ich denke das ist so ähnlich wie die Stationsstempel die nebengesetzt wurden, und die Marke mit dem Streckenstempel entwertet wurden. Nur gab es in "unserer" Zeit wohl keine Postkutschen mehr...finde auf die Schnelle keinen handschriftlichen....

    Liebe Grüße von der Pappnase Andreas

  • Hallo Jürgen,

    jetzt ziehe ich meinen Hut... soviel Kenntnis im Detail eines Postverfahrens von vor ueber 150 Jahren laesst mir den Mund offen. Alles klar. Ein Traum! Ob es so was noch in der BS Zeit gab, oder wurde da schon eine Poststelle / Bahnstrecke errichtet?

    LG Andreas

    Da möchte ich noch einen Brief zeigen.

    Geschrieben am 26.10.1972 in Sankt Gangloff. Der Inhalt ist noch vorhanden.

    Liebe Grüße Matthias

    Suche immer Belege von Roda / Stadtroda.

  • Geschrieben am 26.10.1972 in Sankt Gangloff. Der Inhalt ist noch vorhanden.

    Lieber Matthias,

    die Beförderung erfolgte durch die Postkutsche des Courses Roda - Gera. Sie lief über St. Gangloff und dürfte dort auch gehalten haben. Roda war die letzte (und einzige) Postanstalt vor Gera und wurde deshalb als Aufgabepostanstalt betrachtet und notiert.

    Das ist der einzige Beleg, den ich bisher registrieren konnte, bei dem sich die Aufgabe an einem Haltepunkt ohne Postanstalt belegen läßt. Wie ich Dich kenne, findest Du auch noch einen sächsischen.

    Liebe Grüße

    Jürgen