Als vor knapp 40 Jahren die Boker-Sammlung auf den Markt kam, erstarrte die Sammlerschaft vor Ehrfurcht vor den oft sensationell anmutenden Raritäten. Durch die Zuschläge für die "großen Stücke" wurden auch weit weniger bedeutende Lose mitgezogen und erzielten Preise, die in keinem realistischen Verhältnis mehr standen zu Bedeutung und Seltenheit. Kaum jemand wagte es, die Echtheit in Zweifel zu ziehen, obwohl auf aktuelle Prüfungen weitehend verzichtet worden war. Der Name Boker und die oftmals eindrucksvolle "Provenienz" genügte.
Das Modell machte Schule. Nicht nur, aber vor allem das Auktionshaus Köhler wies in seinen Losbeschreibungen auf mehr oder weniger prominente Vorbesitzer hin. Die Provenienz wurde zum Qualitätsmerkmal, das oft genug auch den Verzicht auf aktuelle Prüfungen zu rechtfertigen schien. Selbst Sammler, die üblicherweise nicht unkritisch sind, wurden leichtsinnig. Auch der Verfasser machte, ebenso wie einige Kollegen, kostspielige Erfahrungen bei der Knapp-Sammlung.
Inzwischen hat sich herumgesprochen, daß sowohl frühere Prüfer als auch bedeutende Sammler sich haben täuschen lassen von geschickten (und teilweise sogar von weniger begabten) Fälschern. Entsprechende Beispiele wurden teilweise öffentlich diskutiert, oft jedoch von den Eigentümern stillschweigend als Erfahrung verbucht.
Seriöse Auktionshäuser zogen daraus die Konsequenz, von bestimmten Wertgrenzen an kein Los mehr ohne aktuelle Prüfung anzubieten. Dieses kostspielige Verfahren dient nicht nur der eigenen Sicherheit, sondern ist oftmals Voraussetzung dafür, daß die mehr im Anleger- als Sammlerbereich anzusiedelnden potentiellen Käufer überhaupt kaufbereit sind.
Eine Konsequenz ergibt sich daraus, daß die BPP-Prüfer gehalten sind, Mängel in Attesten und Befunden einzeln aufzuführen. Bei klassischen Briefen beispielsweise führt das dazu, daß vielfach der begehrte Begriff "einwandfrei" lediglich nach der Mängelbeschreibung hinter "ansonsten" erscheint.
Da die Anlegergruppe verinnerlicht hat, daß einwandfreie Qualität Voraussetzung für ein gutes Investment ist, fallen solche Stücke also nicht in deren Interessensbereich. Diese Entwicklung läßt sich an den Zuschlagspreisen für qualitativ nicht völlig "einwandfreie" Stücke ablesen.
Unter Werterhaltungsgesichtspunkten mag diese Abwertung zu beklagen sein. Vor allem für postgeschichtlich interessierte Sammler, die ohnehin daran gewöhnt sind, Qualitätsgesichtspunkten weniger Aufmerksamkeit zu widmen als Bedeutung und Seltenheit, bietet diese Entwicklung die Chance, ohne die Bietkonkurrenz der Geldanleger zu Stücken zu kommen, die andernfalls unerschwinglich geworden wären.