Der Deutsche Krieg 1866

  • Ich befürchte nur, dass sich Briefe aus dem späten Juli aus SH nach Baden nicht wirklich massenhaft werden finden lassen


    Lieber Ralph,

    für die Bestätigung dieser Hypothese ist nicht Ursprung SH, sondern der ganze Norden (inkl. Kurhessen, Hannover, Nassau) geeignet. Das machts doch viel einfacher, gell?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hier ein Brieflein, welches auf der Rückseite einige Durchgangsstempel trägt. Am 2.7. abends mit der Kutsche von Windecken nach Hanau, in Hanau am 3.7 morgens per Eisenbahn nach Frankfurt, von dort wurde er wieder über Hanau nach Fulda mit der Bahn befördert und dann durch den Vogelsberg nach Lauterbach, 4.7. 9-10 VM. Schon erstaunlich, wie die Kutsche dies schaffte an ca. 50.000 kampfhungrigen marodierenden Soldaten vorbeizukommen. Von Lauterbch ging er dann per Landpostboten nach Frischborn. Gruß Taxis 107

  • Und hier ein weiterer Brief aus der gesuchten Zeit, er ging am 5.8. abends in Nieder-Wöllstadt in den Zug, der nach Gießen fuhr. Dort kam er irgendwann an und wurde weitergeleitet zum Zielort, aber der Stempel aus Gießen ist vom 7.8 NM. Vermutlich war der Zugverkehr noch unterbrochen oder eingeschränkt, denn eigentlich benötigte er nur eine knappe Stunde bis Gießen. (Vielleicht mußten die Geleise repariert werden). Leider ist von Emmerich kein Ankunftsstempel zu sehen. Zum Glück gibt es eine handschriftliche Datumsangabe des schreibenden Absenders von 1866. Die Taxisstempel tragen nur selten eine Jahresangabe. Gruß Taxis 107

  • Hallo Taxis107,

    zum Brief aus Windecken nach Frischborn: m.E. lief der Brief ab Hanau (3.7.) per Eisenbahn nach Frankfurt (auch 3.7.) und von da über Bebra nach Fulda, von wo er per Postkutsche nach Lauterbach (4.7.) gebracht wurde. Von Hanau existierte keine Eisenbahnverbindung nach Fulda, und warum sollte er von da auch zurück nach Frankfurt gehen, wenn Lauterbach ja quasi "vor der Tür" lag.

    Schöner Brief (bitte noch die scans vertauschen, so dass es passt)!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • nun ists geändert. Aber warum soll er erst durch Fulda durch nach Bebra und vor dort zurück nach Lauterbach gehen. Da gibt es bestimmt keinen Postkurs. Er ging bestimmt von Fulda nach Lauterbach. Gruß Taxis 107

    Mitglied im DASV

  • Hallo,
    gezeigt ist ein unter der „Militaria“-Franchise an den „königlich preußischen Regierungs-Rath, Johanniter-Ritter Herrn Freiherrn von Spiegel, in Hannover“ gesandter Brief vom preußischen Kriegsministerium (Abtheilung der Invaliden). Er verließ Berlin am 17. Juli 1866 und konnte nach Ankunft in Hannover am 18.7. (Stempel des Königl. Preuss. Feldpost-Relais No. 16 aus Hannover) dort nicht zugestellt werden, worauf er den rückseitigen Vermerk „Freiherr von Spiegel ist nach dem Kriegsschauplatz in Baiern abgereist. Aufenthalt unbekannt“ sowie den Blaustiftvermerk „19/ Ret[our]“ erhielt und am 20.7. wieder zurück nach Berlin ging. Die Bedeutung des Adressaten und seiner Mission in Hannover ist nicht militärisch oder politisch, wie man möglicherweise aus dem Zusatz „preußischer Regierungs-Rath“ entnehmen könnte, und wie die Tage nach der Invasion des Königreichs Hannover und dessen Niederlage und Kapitulation vom 29.6. vielleicht vermuten lassen. Der Schlüssel zum gebührenden historischen Kontext liegt im Attribut „Johanniter-Ritter“, weshalb nach der Transkription des Briefinhalts eine kurze Abhandlung über die Bedeutung des Johanniter-Ordens und seiner Mission im Sommer 1866 hier unerlässlich scheint.

    Die von Euer Hochwohlgeboren unterm 8ten d. Mts. eingesandte, von der Stadt Hagen in Westphalen dargebrachte Summe von Ein Hundert Ein Thaler 15 wird der getroffenen Bestimmung gemäß Verwendung finden, wovon Euer Hochwohlgeboren mit dem Ersuchen ergebenst benachrichtigt wurden, den patriotischen Gaben den wärmsten Dank gefälligst ausdrücken zu wollen.
    Berlin, den 13ten Juli 1866
    Kriegs-Ministerium, Abtheilung für das Invalidenwesen

    Nachfolgend aus http://www.johanniter.de/die-johanniter…19-jahrhundert/:
    „… Eine weitere internationale Aktivität wurde im Sommer 1863 durch den Schweizer Kaufmann Henry Dunant angestoßen. Dieser hatte sich nach seinen Eindrücken vom Elend der Verwundeten in der Schlacht von Solferino auf eine Reise durch Europa begeben, um für seine Idee einer supranationalen Organisation zum Schutz von Verwundeten auf den Schlachtfeldern zu werben. In Berlin traf er mit Vertretern des Ordens zusammen, dabei wurde unter anderem vorgeschlagen, Feldlazarette und Sanitätspersonal zu neutralisieren. …
    Der Krieg des Deutschen Bundes 1864 gegen Dänemark kam für das Internationale Rote Kreuz zu früh. Allerdings konnte erstmals auf beiden Seiten jeweils ein Delegierter der Genfer Institution an den Operationen als Beobachter teilnehmen. …
    Das Sanitätswesen der preußischen Armee in den sechziger und siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts war, wie in allen anderen Armeen dieser Zeit, wenig entwickelt, die Versorgungskapazitäten entsprachen daher weder der sich steigernden Waffenwirkung und noch den immer größer werdenden Truppenmassen. Als im Juni 1866 der Krieg zwischen Preußen einerseits und Österreich, Hannover sowie den süddeutschen Staaten andererseits ausbrach, stellte Preußen vier Armeen mit insgesamt etwa 300 000 Mann ins Feld. Für diese wurde eine sanitätsdienstliche Versorgungskapazität theoretisch ausreichend für etwa 20 000 Verwundete mobilisiert. Angesichts des Streitkräfteumfangs und weitgehend unabhängiger Operationen der einzelnen Armeen erwies sich diese Kapazität von Anfang an als völlig unzureichend. Bis Anfang Juli 1866 wurde auf dem Hauptkriegschauplatz Böhmen praktisch jedes größere Dorf zum Sammelplatz für Verwundete. Hier kam die Stunde der freiwilligen Helfer, auf die der preußische Staat sich umfassend abzustützen gezwungen war. Zu diesen gehörte auch der Orden.
    Prinz Karl hatte bereits Mitte Mai 1866, als sich die Möglichkeit eines Krieges abzeichnete, einen Aufruf erlassen, in dem er die Ritter aufforderte, sich für eventuelle Dienstleistungen in einem Kriege zur Verfügung zu stellen. Der Aufruf hatte eine enorme Resonanz. Es meldeten sich 235 Ritter, von denen letztlich 200 zum Einsatz kamen. …
    Graf Stolberg [Kanzler des Ordens] erließ mit Kriegsbeginn Weisungen an die Ritter, die sich zum Dienst gemeldet hatten. Zunächst wurden 60 von ihnen in die Reservelazarette einberufen, die in 47 größeren Städten Preußens errichtet wurden. Ihr Auftrag war, zunächst die Ausstattung der jeweiligen Einrichtung auf Zweckmäßigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen und erforderlichenfalls materielle Defizite aus den Liebesgaben zu beheben. …
    Ritter, die unmittelbar bei den Armeen eingesetzt werden sollten, hatten Mitte Juni die Anweisung erhalten, sich erst dann ins Feld zu begeben, wenn Schlachten definitiv zu erwarten waren. Für jede der drei preußischen Armeen auf dem böhmischen Kriegsschauplatz hatte der Herrenmeister einen Repräsentanten bestimmt. Bei diesem hatten sich die „Frontritter“ zu melden, und dort erhielten sie konkrete Anweisungen für ihre weitere Tätigkeit.
    Nicht vorauszusehen war allerdings die dann tatsächlich eintretende Schnelligkeit der Operationen und die rasche Abfolge zahlreicher, zum Teil sehr verlustreicher Gefechte, die am 3. Juli in der Schlacht von Königgrätz ihren Höhepunkt erreichten. Nicht absehbar gewesen war auch der Umstand, dass Österreich, das die Genfer Konvention noch nicht ratifiziert hatte, seine zahlreichen Verwundeten regelmäßig unversorgt auf dem Gefechtsfeld zurückließ, was die ohnehin unzureichenden preußischen Kapazitäten noch weiter überforderte. …
    Etwas mehr als 100 Ritter erreichten gleichwohl rechtzeitig ihre Wirkungsstätten auf dem Kriegsschauplatz in Böhmen, wo sie sich einer Vielzahl von Problemen gegenüber sahen. …
    Die begrenzte Zahl der Helfer und die überwältigende Zahl der Verwundeten führten dazu, dass es Tage dauerte, bis die letzten von ihnen gefunden wurden. …
    Nach Ende der Kampfhandlungen erwuchsen den Johannitern im Wesentlichen Aufgaben in den Lazaretten auf dem Kriegsschauplatz. Hier stand die „klassische“ Zuwendung zu den „Herren Kranken“ im Vordergrund. Das Austeilen von Essen und Getränken war dabei genauso wichtig wie die Organisation der Unterbringung. Die meist bereits nach kurzer Zeit überbelegten Einrichtungen mussten rasch erweitert werden. Außerdem musste der Weitertransport der versorgten und transportfähigen Verwundeten organisiert werden. …
    Theodor Fontane schreibt in seiner Schilderung des „Deutschen Krieges“ von 1866: „Die Johanniter (und das verdient besonders hervorgehoben zu werden) waren nicht von vorn herein zu Führern der freiwilligen Krankenpflege auf dem Kriegsschauplatz bestimmt; sie wurden es aber, weil sie eben an allen Stätten des Elends als die Ersten der freiwilligen Hilfe Eingang verschafften.“
    Die Verdienste des Ordens wurden durch die preußische Staatsführung entsprechend gewürdigt – so erließ König Wilhelm I. am 10. November 1866 eine Allerhöchste Kabinettsorder, in der die Rolle des Ordens im Kriege ausdrücklich gewürdigt wurde. Sichtbar war die Wertschätzung für den Orden schon bei der Siegesparade am 30. August 1866 in Berlin geworden. Dort war auf dem Schlossplatz unmittelbar neben der Königsloge eine Tribüne aufgebaut, die ausschließlich Johanniterrittern vorbehalten war. …“

    Freiherr von Spiegel war als Ritter des Johanniter-Ordens zunächst in Hannover tätig und von dort nach Kissingen und Hammelburg abgereist, wo am 10.7. Gefechte zwischen bayerischen und preußischen Truppen mit vielen Toten und Verwundeten stattgefunden hatten. So ist im „Wochenblatt der Johanniter-Ordens-Balley Brandenburg“ (wöchentliches Journal des Johanniter-Ordens) vom 22.8.1866 zu lesen
    „…Schließlich sei noch bemerkt, daß … und Regierungs-Rath Freiherr von Spiegel vom 3. Juli ab bis zum 13. bei dem Lazarethe in Hannover und vom 15. Juli bis 3. August bei den Lazarethen in Kissingen thätig gewesen sind.“
    Somit sind die Umstände des Laufweges des Briefes aufgrund der Reise und Tätigkeit des Adressaten geklärt.
    Leider unbefriedigend verlief dagegen die Suche nach persönlichen Daten aus der Vita des Freiherrn von Spiegel. Vielleicht kann mir hier jemand aus der geneigten Leserschaft weiterhelfen?

  • Hallo Mikrokern,

    danke für das zeigen dieses geschichtsträchtigen und hervorragend recherchierten Beleges aus der heissen Phase des 1866 Krieges.

    Zu dem Freiherr von Spiegel findet sich ja etwas aber das sind die Vorfahren, denn keiner den ich fand lebte noch bis über 1866 hinaus, sorry.
    Wenn ich mehr Zeit finde sehe ich mal weiter nach, oft geht es mit anderen (weniger/mehr) Suchbegriffen dann doch noch...

    In einer Woche können wir uns dann bei einem guten Tropfen persönlich austauschen :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    • Offizieller Beitrag

    Hallo mikrokern

    Der einzige der ich als relevant fand ist dieser Mann: Werner Friedrich Julius Stephan von Spiegel

    http://www.uni-magdeburg.de/mbl/Biografien/1722.htm


    Aber da es mehrere Spiegel gibt, ist wohl die Antwort nicht so einfach zu beurteilen ohne zusätzliche Informationen.
    Es gibt sicher einige Links die man folgen kann, die Zeit habe ich leider nicht.

    Viele Grüsse
    Nils

  • ...wieder einmal eine top-recherchierte story, die einem Ex-Sani wie dem Pälzer natürlich ganz besonders nahe geht. :thumbup:

    + Gruß !

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Nils,

    ja, könnte sein - vielen Dank!

    Sicher ists aber nicht, dass es sich dabei um "meinen" Freiherrn handelt, dafür fehlt ein Hinweis auf die Verbindung zum Johanniter-Orden.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Zitat von »Bayern Social«
    Der Brief läuft am 11.Juli 1866, also wenige Tage nach der verlorenen Schlacht von Königgrätz vom 3.Juli 1866

    Bilder sagen mehr als Tausend Worte ... sagt man. So könnte es ausgeshen haben http://fandah.rajce.idnes.cz/Chlum_1866/

    Luitpold


    Lieber Luitpold,

    etwas spät aber nochmals ein herzliches Danke schön für Deine Recherche an der oben genannten und auch vorherigen Stelle!! :thumbup:
    Der Beitrag war mir entgangen und heute habe ich Ihn beim Recherchieren entdeckt :):):)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Liebe Sammlerfreunde,


    am 16. Juni 1866 erklärte Preußen u.a. Sachsen den Krieg.
    Am selben Tag überschritten die sächsischen Truppen die
    böhmisch-österreichische Grenze und steckte die Eisenbahn-
    brücke über die Elbe bei Riesa in Brand. Die preußischen
    Verbände besetzten am 18. Juni 1866 Leipzig, Chemnitz,
    Dresden,Bischofswerda und Bautzen. In der Entscheidungs-
    schlacht am 3. Juli 1866 bei Königgrätz,die zugunsten Preußens
    ausging, gab es enorme Verluste. U.a. vom königlich sächsischen
    Armeekorps starben 15 Offiziere und 120 Mannschaften.
    Zirka 940 Offiziere und Mannschaften wurden verwundet.
    Österreicher starben 330 Offiziere und 5328 Mannschaften,
    ca. 7000 Offiziere und Mannschaften wurden verwundet.
    Drei Belege aus Schkeuditz bei Leipzig kann ich dazu vom 10.–
    14. – und 21. Juli 1866 zeigen, deren Bescheinigungen zu
    verwundeten sächsischen Kriegsteilnehmern hinweisen.
    Bei einen Beleg wird auf einen „Verein für gefallene und
    verwundete Krieger“ hingewiesen. Ich denke, daß alle
    einen Bezug zur sächsischen Armee in der Schlacht
    am 3. Juli 1866 in Königgrätz haben.


    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Lieber Vorphilabayern,
    drei belege "aus einem Guß", die die Notsituation der verwundeten Soldaten im Juli 66 und die getroffenen Maßnahmen zur Linderung dokumentieren (in gleicher/ähnlicher Form auch von den anderen Ländern in Westdeutschland bekannt). Vielen Dank fürs zeigen!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Liebe Sammlerfreunde,

    wieder einmal ein Hinweis zur historischen Korrektheit: Schkeuditz gehörte seit 1815 zu Preußen (Regierungsbezirk und Kreis Merseburg). Daher werden die Zuwendungen sicherlich für verwundete preußische Soldaten bestimmt gewesen sein.

    Beste Grüße

    Jürgen

  • Hallo Italienfreund,

    vielen Dank.
    Nachdem Schkeuditz und Leipzig nur 12 km Luftlinie auseinander liegen,
    habe ich mir gedacht, daß es ein Vorort von Leipzig ist. Hätte in den
    Feuser Katalog nachschauen sollen, dann hätte ich es gemerkt.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • Hallo,
    kann jemand eine VO zitieren, die die Behandlung eingeschriebener Briefe im 66er Krieg (Juli 1866) aus Preußen nach Österreich regelt? Waren derart qualifizierte Briefe (nicht Fahrpost!) im Juli gänzlich von der Beförderung ausgeschlossen?

    Beste Grüsse vom
    µkern