Postzensur in Russland

  • Hallo Schlacki,

    weißt du etwas über diesen kostenlosen Service der Übermittlung von ziviler Korrespondenz? Diese Adresse ist mir schon an anderer Stelle aufgefallen.

    beste Grüße

    Dieter

  • Ich zeige eine Karte vom 20.11.1914, welche in Minsk aufgegeben wurde. Sie durchlief sowohl die Zensur in Minsk als auch die in Petrograd und ging dann in die USA. Der Zensor war B.F. USCHAKOW. Anders als bei den vorherigen Belegen steht hier in der Randinschrift übersetzt: Hauptquartier der Militärzensur der Minsker Militärbezirksverwaltung.

  • Karte an einen russischen Kriegsgefangenen im Gellelager Hannover, geschrieben am am 2.11.1915 in Minsk. Zensor war der in Minsk arbeitende K.K. Dobrowolskii. Vielleicht kann jemand den Begriff "Gellelager" genauer erklären?

  • Mit 20 Kopeken freigemachter Brief vom 18.11.1915 aus Smolensk nach Lausanne. Rückseitige Stempel 'ZUR ÜBERSETZUNG' sowie 'GEPRÜFT - Militärzensur' sowie der persönliche Stempel vom Zensor N.A. VON LANG. Offensichtlich handelt es sich bei diesem Zensor um einen Deutschstämmigen. Ob die beiden Sterne etwas mit seinem Rang zu tun haben, ist mir nicht bekannt.

  • Wenn ich keinen übersehen habe, war das im vorherigen Beitrag der letzte Beleg mit Namensstempel aus meiner Sammlung aus dem Militärbezirk Minsk. Das sind dann rund 30% der bekannten Stempel. Also noch eine Menge Arbeit und Suche.

    Jedoch zeige ich einen weiteren Beleg. Allermeist lassen sich die namentlich benannten Zensoren bestimmten Orten / Zensurstellen zuordnen. Bei folgender Karte ist der Zensor nur mit den Initialen W.K.B. benannt. Die Karte ist vom 10.7.1915 aus Gorodez und lief nach Moskau. Ob die Prüfung in Minsk stattfand, ist schwer zu sagen. Nach A. Epstein hatte Gorodez keine eigene Zensurstelle. Beide Zensurstempel sind bei Speeckaert nicht notiert.

  • Einen Beleg zeige ich dann doch noch mit einem Namensstempel. Aufgegeben wurde er im März 1915 in Romny und ging nach Lausanne. Der Name des Zensors war ZELNISLESKI. Beide Stempel ähneln den zuvor gezeigten. Wer aber genauer hinschaut, kann in der Umschrift Romnyer Zensor Kiewer Militärbezirk * lesen. Beide Zensurstempel sind auch dieses Mal nicht bei Speeckaert gelistet. Es sind auch keine vergleichbaren Stempel dort gelistet.


  • März / April 1916 wurden offenbar die Namensstempel letztmalig eingesetzt. Schon ab April 1916 sind die ersten Stempel mit Nummer des Zensors im Einsatz. Es sind Nummern bis über '600' bekannt. Speeckaert listet hier fünf verschiedene Typen nach ungefährem Aussehen. Mir ist jedoch keine Nummer zweimal unter den verschiedenen Typen bekannt. Es liegen aber auch nicht alle 600+ Nummern vor.

    Die Zensoren selber dürften wohl nicht (alle) getauscht worden sein. Es sind eher noch welche hinzu gekommen. Welcher von den namentlich bekannten Zensoren dabei welche Nummer erhalten hat, kann ich (noch) nicht sagen. Wer zuvor genau hingeschaut hat, dem dürfte nicht entgangen sein, das vor allem die Briefe neben dem Namensstempel einen zweiten Stempel [GEÖFFNET --- oder GEPRÜFT Militärzensur] zeigen. Ob diese bei jedem Zensor ebenfalls getauscht wurden, kann ich auch nicht sagen. Es fehlen da halt auch die Unterlagen. Somit kann man nur vergleichen. Bei der Menge dieser Stempel eine mühselige Angelegenheit.

    Ich zeige nun drei Beispiele:

    Brief aus Smolensk vom 25.5.1916 und der Zensornummer 229.

    Brief aus Minsk 12.12.1917. Zensornummer 485.

    Brief vom 17.8.1916 vom Feldpostamt in Minsk. Zensornummer 36.

  • Mit dieser Karte (Antwortkarte) bestätigte ein Kriegsgefangener den Empfang von Geld, hier 31,60 Rubel. Das Geld wurde von der Deutschen Bank über die Stockholmer Handelsbank an die Sibirische Handelsbank transferiert. Dieses war zu Kriegszeiten ein durchaus übliches Verfahren.

    Die beiden rechteckigen Stempel sind Zensurstempel aus Petrograd. Beide Stempel kommen sehr häufig vor. Zum runden Stempel kann ich leider nichts sagen, da dieser zu unleserlich ist. Auch der Tagesstempel ist nicht lesbar.

    Ich habe hier selber zwei von diesen Karten. Die erste ist eine Antwortkarte aus Tjumen, die zweite stammt aus Iliskoe, die dann in Wjatkageprüft wurde.

  • Der kleine Stempel - hier die Nr. 120 - ist ein Prüferstempel. Bekannt sind die Nummern von 1 bis 134 meist in violetter Farbe. Er existiert aber auch in anderen Farben wie rot, lila, blau oder schwarz.

    Der größere Rahmenstempel ersetzt ab Januar 1917 einen anderen Rahmenstempel. Beide sind auf unten gezeigtem Brief zu sehen.

    Inschrift: Вскрыто. В.(оенная) ценз.(ура) No. 1601 - П.(ЕТРОГРАДСКИЙ) В.(ОЕННЫЙ) О.(ОКРУГ) = Geöffnet Militärzenur Nr. 1601 - PETROGRADER MILITÄRBEZIRK. Bei der Übersetzung gibt regional bedingt Varianten. Bekannt sind Nummern von 43 bis über 5000. Dieser Stempel wurde auch zum 'Versiegeln' von Verschlussstreifen verwendet. Auf dem hier gezeigten Brief wird hier jedoch noch ein weiterer Stempel verwendet.

    Der Brief wurde am 30. September 1915 als Einschreiben am japanischen Postamt in Peking aufgegeben und war nach Stockholm adressiert. Er lief über die Zensurstelle in Petrograd, wo er geöffnet und gelesen wurde. Anschließend wurde der Brief mit einem Zensurstreifen verschlossen und erhielt einen Zensurstempel zur Versiegelung. Außerdem wurde ein dreizeiliger Stempel Zurück - Weiterleitung wegen Kriegszustandes vorläufig nicht möglich (der Stempel existiert mit 1 bis 4 Sternen). Laut Speeckaert ist dies ein Post- und kein Zensurstempel. Etwas verwundert es aber, das der Brief nicht ungeöffnet direkt zurück gesendet wurde, sondern nach der Öffnung.

    Im Mai 1918 wurde der Brief dann in Peking erneut der Post zum Versand übergeben. Auch dieses Mal ging es über die Petrograder Zensurstelle. Der Brief wurde abermals geöffnet, erhielt dann einen neuen Verschlussstreifen und auch neue Zensurstempel.

  • Heute kann ich hier mal wieder einen Brief beisteuern. Von St. Petersburg an die Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon in Oerlikon in der Schweiz. Recommandiert, mit 20 Kopeken korrekt frankiert. Die Marke stammt aus der Serie zum 300jährigen Bestehen des Herrscherhauses Romanow und zeigt Alexander I.

    Absender ist die Firma Tillmanns & Co, die stark in der Elektrifizierung in Russland engagiert war.

    Der Brief wurde nach der Zensur am rechten Rand nach hinten umgeklappt und dort versiegelt, daher die Siegelspuren auf der (wieder aufgeklappten) Vorderseite.

    Der großformatige Zensurstempel wurde anscheinend nur 2 Monate benutzt.

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte

    Einmal editiert, zuletzt von Michael (2. September 2022 um 10:18)

  • Nach Speeckaert ist es der Typ 1A, welcher hiernach nur im Juli und August 1914 verwendet wurde. Er wertet den Stempel mit '5' = äußerst selten. Ich kenne mehrere Belege mit diesem Stempel und schätze ihn daher nicht ganz so selten. Tatsächlich ist mir die Wertung von 1 - 5 zu knapp. Eine Wertung bis 8 wäre mein Vorschlag. Es gibt etliche Unikate, die also wesentlich seltener sind als dieser Stempel.

    Ich selber habe einen Brief aus Petrograd nach Stockholm. Entwertet wurde er am 16.8.14 am Baltischen Bahnhof. Rückseitig befindet sich der seltene Stempel mit zusätzlichem Namenskürzel des Prüfers. Die Farbe des Stempels ist laut Speeckaert grundsätzlich rot.

    Ein Bild der Vorderseite steht zur Zeit nicht zur Verfügung.

  • Hier ein Brief vom September 1915 aus Petrograd nach Gäfle in Schweden. Der Brief lief wie üblich durch die Militärzensur, hier rückseitig dokumentiert durch den violetten Rahmenstempel - einer der am häufigsten verwendeten Zensurstempel.

    Für mich verwunderlich die lange Verweildauer des Briefes in Petrograd und die mehrmalige Stempelung:
    28.9. (vorderseitig), 29.9. , 30.9. und schließlich der 7.10.

    Viele Grüße

    Michael

    Mitglied im DASV - Internationale Vereinigung für Postgeschichte