Der Deutsche Krieg 1866

  • Lieber Wilfried,

    Beweise gibt es weder für noch gegen - aber bei deiner Argumentation muss man auch berücksichtigen, dass das Postaufkommen in Kriegen dramatisch zurück ging, oder sich andere Kanäle suchte.

    Wenn also nur 50% des Personals andernorts eingesetzt worden wäre, aber das Postaufkommen um eben diesen Prozentsatz sich reduziert hätte (bei der Fahrpost war das ja noch dramatischer, bei Einschreiben auch, weil diese Sendungen mühevoll zu bearbeiten waren und nicht mehr versichert auf ihre Reise gingen, weswegen es kaum Fahrpost und Einschreiben in der Kriegszeit gibt), dann wäre ein Patt entstanden, bei dem es letztlich darauf hinaus gelaufen wäre, dass auch im Krieg für alles genauso viel Zeit zur Verfügung gestanden hätte, wie vorher auch.

    Schön wäre es, die Briefe von München nach Oldenburg zu finden, von denen im Inhalt die Rede war, bzw. die letzten Oldenburg-Briefe nach München im Juni 66 und wieder im August 66 zu vergleichen. Vlt. wüssten wir dann mehr ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Beweise gibt es weder für noch gegen

    Hallo Ralph,

    Du verfällst immer wieder in die Überzeugung, dass wenn Du irgendwas nicht aus Deinen Kenntnissen der PO heraus erklären kannst, es sich durch nichts mehr anderes erklären lässt. Auch wenn Wilfried offenbar nicht alles recherchiert hat, was sich recherchieren lässt ist: Das schlicht ein Trugschluss.

    Fakt ist, dass auf der Bahnstrecke BI-MZ am 20. Juli 1866 garantiert rein gar nichts ging. Fakt ist, dass auch auf der Bahnlinie HD-DA (Main-Neckar-Bahn) am 20. Juli rein gar nichts ging:


    Fakt ist ferner, dass schon am 20. Juli nach der Besetzung von FFM durch die Preußen der Weg in den Norden von dort aus wieder frei war, auch für den Privatverkehr:

    Damit focussiert sich eine strukturierte Problemanalytik auf jenen Teil der Main-Neckar-Bahn zwischen DA und HD. Es gab - nur der Vollständigkeit halber erwähnt - damals keine andere rechtsrheinische Bahnverbindung als diese Richtung FFM. DA stand schon seit Tagen ohne Postzugang vollkommen im Ungewissen:

    Und auf der Verbindung nach HD wurde noch am 22. Juli die Bahnbrücke bei Weinheim gesprengt:

    Es mag ja so sein wie Wilfried mit seiner Quelle angibt, dass es danach so eine Art provisorischen Postkutschen/Omnibusverbindung gegeben hat, aber wenn Darmstadt noch am 31. Juli berichtet:

    ...dann hat man - "nicht üblicherweise nicht angebrachte Durchgangsstempel" hin oder her - über den Abschnitt FFM-DA et vice versa mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um den 20. Juli keine Post von Oldenburg nach Bayern geleitet.

    Schließlich steht am Schluss der von Wilfried aus der Heidelberger Zeitung zitierten Pressemitteilung vom 25. Juli, dass der Postverkehr zwischen HD und DA wieder eröffnet war.

    So ergibt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kriegsbedingte Umleitung über die von Wilfried schon dargelegte Leitung via LU-NK-BI.

    Die linksrheinische Bahnverbindung LU-WO-MZ war zwar zwar zeitweise offen, aber in MZ war - wie schon eingangs geschrieben - definitiv Schluss.

    @Wilfried: So ein paar Absätze im Fließtext wären dann doch mal recht bequem = augenschonend, man dankt im Vorab.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (20. Juli 2023 um 23:07)

  • Hallo Tim,

    weder erschließt sich mir, wo ich "nicht alles recherchiert habe, was sich recherchieren läßt", noch sehe ich einen neuen Erkenntnisgewinn in deinen Aussagen zu den Eisenbahnverbindungen in der relevanten Zeit um den 20.7.66, was die Beförderung des Briefes vom Norden nach Bayern betrifft.

    Dass die Strecke Hannover-Frankfurt ab dem 20.7.66 auch dem regulären zivilen Postverkehr offenstand, hatte ich zuvor schon geschrieben. Es ist halt nicht beweisbar, ob man dieses Datum in Oldenburg bereits kannte und entsprechend instradierte, oder ob noch der sichere Weg über Westdeutschland gewählt wurde.

    Die Verbindungen über Mainz stehen im Zeitraum Ende Juli nicht zur Diskussion; genauso wenig wie die rechts- und linksrheinischen Verbindungen Wiesbaden-Lahnstein bzw. Mainz-Bingen seit Anfang Juli. Auch das wurde, mit Zitaten aus Zeitungen aus der Zeit, früher bereits dargestellt (s. dazu auch post #1583).

    Für die "holprige" Verbindung Frankfurt-Darmstadt-Heidelberg, unter Zuhilfenahme von Postkutschen aufgrund ausgefallener Eisenbahnen, hatte ich mit entsprechenden Belegen bereits früher dokumentiert (zB. post #1111 mit mehreren Quellenangaben zu den ausgefallenen Strecken).

    Da also der Leitweg Hannover-Frankfurt-Darmstadt-Heidelberg und von da nach Bayern ab dem 20.7. zwar theoretisch möglich, aber in praxi halt noch nicht "smooth" bedient wurde, hatte ich in post #1658 meine ursprüngliche Annahme (dass der Brief auf diesem Weg befördert worden wäre) revidiert und als wahrscheinlichere Leitung die Strecke Köln-Bingen-Neunkirchen-Ludwigshafen-Mannheim (mit Quellenangabe) angegeben.

    Also - im Ergebnis sind wir uns einig. Referenzen und Quellenangaben für offene/geschlossene Verbindungen sind in diesem thread bereits in der Vergangenheit an vielen Stellen zu finden.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Wilfried,

    ich habe lediglich für alle on top eine Chronologie von Ausschnitten, insbesondere aus der m.E. relevanten Darmstädter Zeitung gebracht. Ich finde derartige Quellen in Deinem post1658 jedenfalls nicht. Es sind darun m.E. sehr wohl zwei sehr relevante Ausschnitte mit weiterführenden Informationen zu finden. Wenn noch am 21. die Brücke von Weinheim gesprengt worden ist und Darmstadt von FFM noch am 31. keine Post aus FFM bekommen hat, dann ist für mich das Ergebis klar. Da sind wir uns umso mehr einig, um mehr ging es mir Dir gegenüber nicht.

    Tschüss

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo,

    der hier gezeigte Brief von Mönchengladbach (Aufgabe 19.7.66) nach Mannheim (Ankunft 21.7.66) dürfte in der Einschätzung des Leitwegs unstrittig sein.

    Aufgrund der in den vorherigen posts dargestellten Engpässe im Raum Frankfurt wurde er über Köln-Bingen-Neunkirchen-Ludwigshafen nach Mannheim spediert. Die um einen Tag verlängerte Laufzeit gegenüber einer Beförderung zu Friedenszeiten erklärt sich daraus, dass in diesen Tagen die gesamte Post aus Nord- und Westdeutschland diesen einzigen gangbaren Weg nach Süddeutschland nehmen musste.

  • Liebe Sammlerfreunde,


    vor einigen Wochen konnte ich einen Laufzettel aus 1866 erwerben. Mehrere Mitglieder hier im Forum haben mir dabei geholfen, die teils sehr krakeligen Schriften zu entziffern und so Licht ins Dunkel zu bringen. Herzlichen Dank an die Beteiligten dafür.


    Nur 3 Tage vor Beginn des Mainfeldzuges sandte man von Kleinheubach einen Geldbrief mit 10 Gulden an einen Soldaten in Landsberg.

    Dem Absender war anscheinend unklar, ob der Geldbrief auch seinen Empfänger erreicht hatte. Dies war in den Kriegswirren jener Zeit sicherlich nicht ungewöhnlich.

    Somit beantragte er eine Nachforschung; ein entsprechender Laufzettel wurde erstellt:





    26.9.1866


    No. Ii

    2ter Laufzettel fahrender Posten

    Von Kleinheubach nach Landsberg


    Am 28ten Juni 1866 wurde sub Nro II per Aschaffenburg ein Geldbrief, angeblich 10 Fl. – baar, Werth – Fl. Kr. - -Pfund 8/10 Loth schwer an Soldaten Seraub, 7tes Jägerbataillon, 7.????? Zu Landsberg von hier abgesendet, welches dem Empfänger nicht zugekommen sein soll


    Man ersucht um Auskunft, wie das besagte Paket weiter befördert, und dem Empfänger zugestellt worden ist, sowie um baldige Zurücksendung des beantworteten und vom Empfänger unterzeichneten Laufzettel, unter Amts-Rekommandation und auf demselben Wege der Hinsendung


    Kleinheubach den 26/9 1866

    Königl. Bayerische Post-Expedition

    <Unterschrift>


    Sollte vielleicht fraglicher Geldbr(ie)f dem Empfänger noch nicht zugestellt sein, so wolle derselbe gefälligst wieder anher zurückgesendet werden


    27.9.1866


    praes: Aschaffenb(ur)g 27/9 66

    196

    Sub Nro 2 am 28/6 nach MünchenB(ahn)h(o)f richtig weiter

    Kgl.FPExped

    <Unterschrift>


    28.9.1866


    … 28/9 No n854

    Am 30. Juni sub No 1 nach Landsberg I

    MünchenB(ahn)hof 28/9 66

    K(önigl.)H(au)ptpostExped.

    <Unterschrift>


    29.9.1866


    pr 29/9 66

    am 1. Juli Karte 1 nach Augsburg sub N 9 ????? weiter spedirt

    Landsberg 29/9 66 K(önigl.)P(ost)Expedition

    <Unterschrift>


    30.9.1866


    Augsb(ur)g 8 11 40

    Feldpost II N da 1/7 n 49

    Augsb(ur)g 30 9 66

    <Unterschrift>


    09.10.1866


    P.P.

    Zur gefaelligen Mitteilung retour ob fragliches Stück noch nicht als unbestellbar zurück geschickt wurde

    <Unterschrift> 9/10 66 Feldpostamt


    12.10.1866


    Fragliches Stück wurde noch nicht als unbestellt zurück geschickt.

    Kl(ein)heubach am 12/10 1866 KPostexpedition


    15.10.1866


    Am 18t Juli lt Br(ie)f….buch I S 209 Abf 4 ten Poofohm (?????) Hechtel richtig übergeben

    ……… 3

    ……… 15/10 66


    Anscheinend hat der Geldbrief doch seinen Empfänger am 18. Juli 1866 erreicht. Die Einschaltung der Feldpost lässt mich vermuten, dass der Soldat halt nicht in der Kaserne des 7.Jägerbataillons in Landsberg war, sondern in irgendeiner Weise in die seinerzeitigen Kriegsgeschehen involviert war.


    Ich freue mich sehr, wenn die Recherchecracks hier im Forum Lust verspüren, Weiteres zu erkunden. Meine eigenen Fähigkeiten diesbezüglich sind eher standard 😉


    Eventuell finden sich auch noch die wenigen fehlenden Worte der letzten Notiz vom 15.10.1866 ??


    Grüße

    Andreas

    es wären nur 3 Stunden gewesen!

  • Lieber Andreas,

    da hast du eine Obergranate geschossen - Laufzettel im 66er Krieg sind schon ultra selten. Aber ein zweiter (und damit immer dienstlicher = kostenloser) Laufzettel ist mir bei 66 noch nicht untergekommen.

    Ich kenne überhaupt nur 2 Laufzettel von Bayern für Laufzettel. Glückwunsch zu diesem Hammerteil.

    Dazu noch wunderschön ... :love: :love: :love: :love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Andreas,

    auch von mir Glückwunsch zu dieser Seltenheit, ein tolles Stück!

    Das ist Postgeschichte und Geschichte in Kombination, vom Feinsten-einfach Klasse!!

    Beste Grüße und viel Freude an dem Laufzettel aus dem 1866er Krieg :thumbup:

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo KlangRausch,

    ein sehr interessanter Laufzettel wird hier gezeigt.

    Der Geldbrief war an den Soldaten Straub bei der 7. Comp[agnie] des 7. Jägerbataillons (Garnisonsstadt Landsberg a. Lech) gerichtet.

    Eine 7. Kompanie des Bataillons hat nicht aktiv am Krieg/Feldzug teilgenommen, weshalb mich das "Durcheinander" bei der Zustellung wundert, zumal die bayerischen Divisionen Ende Juni noch nicht mal in der Rhön waren und keinen Feind gesehen hatten. Evtl. hat man den Empfänger fälschlicherweise bei der mobilen Armee vermutet, was eben nicht der Fall war.

    Seltsam ist auch das Datum 9.10.66 für das Feldpostamt. Dieses wurde laut H. Schröder: Bayerische Feldposten in der Zeit von 1849 bis 1870, Archiv für Postgeschichte in Bayern 1935 (I), S. 164-176 (s. Anhang), bereits am 2.9.66 aufgelöst. Selbst wenn diese Angabe ungenau sein sollte, würde mich dessen Tätigkeit mehr als einen Monat später - im Oktober - sehr wundern. Habe dafür keine Erklärung.

  • Hallo mikrokern,

    vielen Dank für deine Einschätzung.

    Zu dem späten "Feldposteinsatz" hätte ich noch eine Idee. Gerade für solche Irrläufer und Verlustsendungen gab es eventuell noch einen für die Recherche abgestellten Postler, der die Unterlagen und Nachweise der Feldpost verwaltete und mit dem Vermerk "Feldpostamt" bearbeitete? Ich kenne die Interna hierzu nicht, aber wäre das möglich ?

    Grüße

    Andreas

    es wären nur 3 Stunden gewesen!

  • Hallo KlangRausch,

    theoretisch möglich, aber m.E. unwahrscheinlich. Wenn das FPA am 2.9.66 offiziell den Betrieb eingestellt hat, dann war die Bezeichnung danach - und erst recht nicht 5 Wochen später - auch nicht mehr zulässig, da es das FPA nicht mehr gab. Die Abteilung bzw. der Pöstler, der evtl. mit verzögerten Nachläufern beschäftigt war, wäre dem Postamt in München zugehörig gewesen und hätte allfällige Vermerke auch so gekennzeichnet.

    Man müsste einen weiteren Laufzettel aus der Zeit nach dem 2.9. haben mit ähnlichem Vermerk. Danach wird man wohl eine Weile suchen müssen...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,

    hier ein Feldpostbrief eines Premier-Leutnants der Braunschweigischen Artillerie bei der Kombinierten Mecklenburg-Schwerin’schen Division im II. Reserve-Armee-Korps vom 18.8.1866 aus Nürnberg an seine Frau in Braunschweig (20.8.1866).

    Der Schreiber gehörte zu den Besatzungstruppen in Franken nach Ende der Kampfhandlungen.

    Aus Platzgründen habe ich auf die Abbildung aller Briefseiten verzichtet; exemplarisch hier nur die erste Seite. Nachfolgend einige Passagen aus dem Brief mit ansonsten familiär-privatem Inhalt:

    ...Am Donnerstag aßen wir – soweit ging mein letzter Brief – mit den Mecklenburger Artilleristen und waren den ganzen Tag sehr vergnügt in Nürnberg. Freitag morgen habe ich einen längeren Ritt gemacht, gestern (auch Freitag) Nachmittag kamen Dr. Frohwein und Hpt. Ribbentrop, wir aßen bei mir einen Eimer voll Krebse und waren bis abends sehr vergnügt. Heute morgen war ich zu Pferde im Walde und spurte nach Rehen; bleiben wir in der nächsten Woche noch hier, so werde ich jagen. Von Quartierwechsel ist noch nicht Rede gewesen. Heute Nachmittag werde ich weiterschreiben und dann abends nach Nürnberg gehen, wo wir uns Forellen bestellt haben. – Du siehst, ich lebe brillant, gebrauche aber auch dir zu Liebe viel Geld. Die Aussichten auf Abmarsch von hier vergrößern sich; die Baiern rücken schon abtheilungsweise in München ein, der Frieden scheint sicher zu sein. Meiner Meinung nach kann, selbst wenn Baiern seine Kriegscontribution langsam bezahlt, das ganze Fortbleiben von euch nicht länger als 4 – 6 Wochen dauern, davon sind 4 heute verstrichen...

    ...Das Gefährlichste sei das Ausladen der Pferde und Wagen bei Abend in Baireuth gewesen und dann ein Nachtmarsch bis 3 Uhr Morgens mit ungeübten Trainsoldaten im Gebrirgsterrain! Mir standen ein paar Mal die Haare zu Berge! Drei Pferde hatte ich vollkommen verloren; sie kamen erst am Morgen wieder zu uns. Ich selbst war nicht in Gefahr; aber die Bespannung, sowie Leute u. Wagen...

    ...Die Zeitungen sind heute interessant gewesen, die Annexion von Hannover, Kurhessen, Nassau und Frankfurt ist im preußischen Landtage ausgesprochen; damit ist wenigstens meiner Ansicht nach für Deutschland viel gewonnen. Württemberg zahlt fast 5 Millionen, Hessen Darmstadt 4 Millionen an Kriegsentschädigung. Baiern soll 20 Millionen Gulden zahlen, doch ist man noch nicht damit zu Ende. Man meint der König, ein junger unpraktischer Romantiker, sei bei Berg, unweit München, bei seiner schönen Revierförsters-Tochter, in welche er colossal verliebt sei und die er ganz anbete. Er soll sich so verkrümelt haben, daß man ihn hat gar nicht auffinden können. Die Botschafter aus Berlin haben förmlich Jagd nach ihm machen müssen. Man ist hier bei Nürnberg sehr preußisch gesinnt; der übrige Theil Baierns wird einsehen, daß man sich fügen muß und 20 Millionen Gulden sind dann bald angeschafft. Dann ist der Moment gekommen, wo ich wieder zu euch komme...

  • Baiern soll 20 Millionen Gulden zahlen, doch ist man noch nicht damit zu Ende. Man meint der König, ein junger unpraktischer Romantiker, sei bei Berg, unweit München, bei seiner schönen Revierförsters-Tochter, in welche er colossal verliebt sei und die er ganz anbete. Er soll sich so verkrümelt haben, daß man ihn hat gar nicht auffinden können.

    ...Großmut eines Siegers ist natürlich anders. Wenn er höchstwahrscheinlich die - später nur bis zur Verlobung geratene - Liasion des seit 1864 amtierenden Königs Ludwig II von Bayern mit Sophie in Bayern meint, die sich vor ihrer Verlobung im Jahre 1867 oft auf Schloss Berg am Starnseee getroffen haben, wenn er Sophies Vater Herzog Max in Bayern (dem Vater von "Sissy") als "Revierförster" bezeichnet, dann ist das natürlich eine heftige Beleidigung. 20 Mio Gulden Kriegscontribution waren es auch nicht, sondern deren 30, aber das hat er wenigstens angedeutet.

    Ein spannender Beleg, der die Ressentiments der Zeit widerspiegelt.

    Schönen Gruß

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (27. September 2023 um 20:53)

  • Hallo Pälzer,

    ja, in dem Passus geht es sicher um König Ludwig II und seine Liaison. Über den "Revierförster" bin ich auch gestolpert, dachte allerdings, das wäre ernst gemeint und hätte sich auf eine (mir unbekannte) Liebschaft zu einer Försterstochter bezogen. Mit dem "gossip" der damaligen Zeit bin ich nicht so vertraut...

    Aber wenn sich die angedeutete Liebschaft wirklich auf die Herzogin Sophie Charlotte bezieht, ist die Bezeichnung "Revierförster" für ihren Vater offensichtlich despektierlich und erschließt sich mir auch nicht.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,

    den hier gezeigten Brief vom 26.7.1866 von Ermetzhofen nach Würzburg habe ich weder aufgrund der Frankatur (3 Kr. mit oMR 813) noch wegen seines Inhalts (Geschäftsbrief eines offensichtlich verärgerten Geschäftspartners) erworben.

    Herrn Joseph Leinekker i. Würzburg

    Ermitzhofen 26ter July 1866

    [ohne Anrede!]

    Es ist mir unverständlich, was Sie mit mir vorhaben, da ich Ihre Rechnung v. 12.d.M. bereits schon 14 Tage besitze, und mir immer noch keine Waare erfolgte und dieses schon das 3te Schreiben deswegen ist, so weiß ich nicht was ich hierüber sagen soll, ich ersuche Sie daher mir Erläuterung hierüber zu geben, ob Sie die Waare sogleich befördern wollen. Denn ich schrieb Ihnen jüngst wenn Sie Ihr Guthaben bei mir verlangen zugesandt [zu werden], so belieben Sie mir es nun zu melden, was bei mir ungehindert geschehen kann, denn dies wiederfuhr mir noch nie, daß einer meiner Contrahenten mir die Sendung so lange außenblieb, was ich von Ihnen auch gar nicht erwartete, wenn nun genannte Waare mir nicht auch die Tage erfolgt, so erwarte ich von Ihnen für jetzt und weiter gar nichts mehr.

    In Erwartung dieses verbleibt ergebenst

    …Erhart

    Die Besonderheit liegt im Datum der Ankunft in Würzburg. Es ist der 27. Juli 1866, der Tag der Beschießung der Festung Marienberg (und auch Teile der Würzburger Altstadt) durch die Preußen, als eine der letzten kriegerischen Handlungen im Rahmen des Mainfeldzugs vor dem Waffenstillstand am 2.8.1866.

    Interessant ist die Chronologie der Briefbeförderung. Abgesandt am 26.7.66, dürfte er per Eisenbahn (aus Ansbach kommend) transportiert worden sein, da Ermetzhofen damals noch einen Bahnhof hatte.

    Für diese Tage wurde im Würzburger Anzeiger für den Vormittag ein GZ (Güterzug) angezeigt, für den Nachmittag ein KZ(?), und für den späten Abend nochmal ein Personenzug. Der Würzburger Ankunftsstempel zeigt die Uhrzeit VII-VIII (römisch) an, was laut Buch von P. Zollner auf den Morgen des 27.7. schließen lässt (ohne hier absolute Sicherheit zu haben), demzufolge der Brief mit dem nächtlichen Personenzug am 26.7. angekommen wäre.

    In Würzburg wurde er vom Neuen Bahnhof im Norden der Stadt zum Sitz des Oberpostamts (im ehemaligen Bahnhof, dem Ludwigsbahnhof) Ecke Theater-/Ludwigsstraße gebracht, wo er am Morgen des 27.7. den Ankunftsstempel erhielt.

    Die Beschießung der Festung und der Stadt begann dann um die Mittagszeit und endete wenige Stunden später. Wann genau der Geschäftsmann Leinecker den Brief erhalten hat, ist unklar. Jedenfalls hat er die Kanonade gut überstanden.

    Zu den entstandenen Schäden in der Würzburger Altstadt hier noch Ausschnitte aus dem Würzburger Anzeiger vom 28.7.66:

    ... und vom 29.7. bzw. 31.7.66:

  • Hallo mikrokern

    schön dass der Ermetzhofen-Brief aus der Schulz-Auktion bei Dir gelandet ist und vielen Dank für die Veröffentlichung.

    So habe ich jetzt doch noch den Inhalt erfahren, denn mich interessierte einerseits, ob es im Brief Hinweise auf den Krieg gab, und andererseits natürlich, wer der Absender war.

    Ermetzhofen liegt ca. 7 km von meinem Heimatort entfernt, aber leider kenne ich dort niemanden mit dem Familiennamen Erhart, Eckart, o.ä.

    Der Absender, der eventuell auch ein Händler war, könnte vielleicht auch ein Angehöriger der dort im 19. Jhd. ansässigen jüdischen Gemeinde gewesen sein, die in der NS-Zeit mit Ausnahme eines heute noch existierenden jüdischen Friedhofes komplett ausgelöscht wurde (s. Wikipedia).

    Viele Grüße

    Gerd