Briefe, nach - und aus dem Bayerischen Wald vor Eröffnung der Postexpeditionen und Briefsammlungen am 1. Juli 1816

  • Lieber Hermann,

    Hier ein kleiner Quellenauszug, aus dem die Situation deutlich wird.

    OPD München Verz 7, 1796-1805

    München 19. Oktober 1814

    An der nordöstlichen Grenze des Königreichs dehnt sich auf eine Länge von 30 und einer Breite von 15 Stunden zwischen der Donau und der Grenze von Österreich und Böhmen der sog. Bayrische Wald. Von Passau bis an die ehemalige Grafschaft Cham aus. Auf dieser weiten Strecke besteht bis zur Stunde noch keine Postanstalt und der Verkehr wird mittels Boten auf eine ebenso unregelmäßige als unsichere, ja man kann sagen, nur auf eine notdürftige Art unterhalten.

    Diese Gegend wird von Osten nach westen von einer Strasse durchschnitten, auf welcher sich 5 Landgerichte nämlich Wolfstein, Grafenau, Schönberg, Regen und Viechtach und neben diesen 56 andere k. Behörden befinden. Man zählt in denselben allein 10 Märkte, wovon mehrere über 1000 Einwohner haben.

    Diese ganze Gegend ist abwechselnd mit Dörfern, Äckern, Wiesen und kleinem Gehölz besetzt, obschon dieselbe gebirgig ist, und die Berge ziemlich hoch, so sind doch nirgends nackte Felsen zu sehen. …

    Schon lange genug ist diese Waldgegend von aller Welt abgeschnitten und es ist unbegreiflich, wie diese großen Strecken ohne Poststrasse und ohne alle Verbindung so langen bleiben konnte, ohne dass es dahin gediehen sei, diesen ganzen Anteil Bayerns in eine Postverbindung zu bringen.

    OPM Baligand zu Regensburg wurde beauftragt, diese Gegend zu bereisen und Vorschläge für einen Postenlauf von Cham nach Passau einzureichen.

  • Lieber Achim,

    herzlichen Dank für den Quellenauszug bei der Oberpostdirektion München. Am 1. Juli 1816 wurden dann die ersten Postexpeditionen und Briefsammlungen im bayerischen Wald installiert.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Beleg: Teilfrankobrief aus Triest (Österreich) vom 3. Dezember 1798 an Benedikt Poschinger in Frauenau bei Zwiesel im "Bayerischen Wald„ über Villach (Österreich) und Salzburg (Herzogtum Salzburg) nach Straubing (handschriftlich V.Triest). Der Absender bezahlte bei der Briefaufgabe 14 Kreuzer Conventionsmünze bis zur österr. / Salzburger Grenze hinter Spittal an der Traun, in Rennweg am Katschberg, das bereits zum Herzogtum Salzburg gehörte (Österreichische Auslandstaxe bis ½ Loth). Von Rennweg über Salzburg bis Tittmoning (Tittmoning gehörte noch zum Herzogtum Salzburg) fielen 12 Kreuzer rheinisch Porto an, die dem Empfänger in Rechnung gestellt wurden. Von da über Burghausen war man dann im Kurfürstentum Bayern und bis Straubing fielen dann 8 Kreuzer rheinisch Porto an. Von Straubing bis Frauenau erfolgte die Beförderung mit privaten Boten (70 km einfache Wegstrecke). Botenlohn nicht vermerkt. Der Empfänger bezahlte dann die 12 – und die 8 Kreuzer Porto, also gesamt 20 Kreuzer Porto. Am 21. Dezember 1798 war der Brief beim Empfänger in Frauenau. In Bayern und im Herzogtum Salzburg war die Währung Kreuzer rheinisch. In Österreich Kreuzer Conventionsmünze. Die Umrechnung war: 10 Kreuzer rh. entsprachen 12 Kreuzer C.M..

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief aus Wolfersdorf in Böhmen (jetzt Volfartice in Tschechien) vom 21. Februar 1798, mit handschriftlich "V. Wolfersdorff", über Prag und Straubing nach Frauenau im "Bayerischen Wald". Der Absender bezahlte 8 Kreuzer C.M. bis zur Grenze "Klentsch (Österreich) / Waldmünchen (Bayern)". Von da lief der Brief über Cham und Stallwang nach Straubing. Bis dahin fielen 6 Kreuzer rheinisch Porto an. Von Straubing bis Frauenau erfolgte die Beförderung mit einen Boten (einfache Wegstrecke 70 km). Am 9. März 1798 war der Brief beim Empfänger. Botengebühr von Straubing nach Frauenau nicht angeschrieben.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Franz,

    herzlichen Dank.

    Einen weiteren Brief möchte ich zeigen: Brief aus Straßburg (Frankreich) vom 26. Juni 1788. Aufgabestempel siegelseitig. Vermerk "Augsburg", dann kommt ein Ort den ich nicht lesen kann. Evtl. "Deggendorf", sowie Zwiesel, nach Frauenau im "Bayerischen Wald". Der Absender bezahlte 4 Decimes. Bis zu welchen Ort kann ich nicht sagen. Wahrscheinlich bis zur französischen Grenze. Dann wurden in rot 14 Kreuzer rh. vermerkt und in schwarzer Tinte 8 Kreuzer rh. Wie diese Taxierungen zustande kamen, kann ich nicht sagen. Sicherlich wird der Brief aber ab Straubing mit einen Boten bis Zwiesel, bzw. bis Frauenau befördert worden sein (70 km einfache Wegstrecke). Am 7. Juli 1788 war der Brief beim Empfänger. Botenlohn von Straubing bis Zwiesel nicht vermerkt.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Hermann,

    der Absender zahlte 4 Sou (oder Sols, wie man will) bis zur Grenze am Rhein.

    Bei der Schrift kann ich fast gar nichts lesen - ein Wunder, dass die Franzosen wussten, wohin er gehören sollte ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Hermann,

    oder 8x bis Augsburg und 6x bis Straubing? So kämen auch 14x heraus. Das Endporto ist üblicherweise immer ein bisserl größer notiert worden, als Zwischenporti. Aber wissen tue ich es nicht ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Hermann,

    ein klasse Brief. Das Papiersiegel mit der 4 oben kommt mir bekannt vor. Muß mir deinen Brief genauer ansehen.

    Die damaligen Zeitgenossen hatten vermutlich weniger Probleme mit der Schrift als wir heute, weil man mit der Art zu schreiben vertraut war.

    liebe Grüße

    Dieter

  • Liebe Sammlerfreunde,

    hierzu folgender Brief:

    Eingeschriebener Teilfrankobrief aus Frankfurt am Main (Kaiserliche Reichspostanstalt in der freien Reichsstadt Frankfurt) vom 6. Mai 1788, an Benedikt Poschinger in Frauenau bei Zwiesel im "Bayerischen Wald". Aufgabestempel "DE FRANCFORT". Der Absender bezahlte bei der Briefaufgabe 3 Batzen (entspricht 12 Kreuzer) bis Regensburg (Kaiserliche Reichspostanstalt in der freien Reichsstadt Regensburg). Von da bis Straubing (Kaiserliche Reichspostanstalt im Kurfürstentum Bayern) fielen 4 Kreuzer Porto an. Von Straubing bis Frauenau erfolgte die Beförderung mit privaten Boten (70 km einfache Wegstrecke). Botenlohn wurde nicht angeschrieben. Am 17. Mai 1788 war der Brief beim Empfänger in Frauenau.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Hermann,

    70 km einfach - wow, das waren 14 Stunden einfach, also einen Tag hin und den anderen Tag retour (wenn er sich auf der Tour nicht mal den Knöchel verstaucht hat, umgeknickt ist, oder eine Entzündung geholt hatte). Als Nordic-Walker war ich mit 7 km/h 2 Stunden lang unterwegs und danach schon etwas "geschafft", allerdings ohne einen Brief dabei zu haben. 8)

    Es ist schon senstaionell, was diese Fußboten damals leisteten (oder ritt dieser hier? Wenn ja, wäre es eher die Leistung seines Pferdes). Vor Sonnenaufgang los und nach Sonnenuntergang den Brief abgeben. Übernachten (vermutlich bei Herrn Poschinger) und am nächsten Tag zurück (evtl. hat ihm Poschinger Briefe für die Post in Straubing mitgegeben, ist da etwas bekannt?).

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    das waren Fußboten. Außerdem hatten diese Boten neben Briefe auch Fahrpostsendungen dabei. Wie in Abschnitt 59 geschrieben und im Bild gezeigt, hatte als Beispiel der Vinschgauer Bote eine einfache Wegstrecke von Finstermünz bis Meran von 89 km, also Hin - und Zurück 178 km und er ging diese Strecke zweimal in der Woche. Lt. Vertrag wurde folgendes festgelegt:

    Am 24. Dezember 1810 wurde ein Dienstvertrag zwischen der bayerischen Generaldirektion und dem Boten Johannes Poli aus Nauders abgeschlossen:

    1. Gang Mittwoch früh zwischen 7 – 8 Uhr von Finstermünz über Mals nach Meran. An Donnerstag. Donnerstag abends ab über Nauders (Freitag). Finstermünz Samstag 6 Uhr früh an.
    2. Gang Samstag früh Finstermünz ab. Sonntag Meran an. Sonntag abends Meran ab. Nauders Montag abends an. Dienstag Ruhetag. Finstermünz Mittwoch früh an.

    Also diese Wegstrecken waren für die Boten kein Problem und der Vertrag galt bis 24. Juni 1814.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Lieber Hermann,

    vielen Dank für diese präzise und kaum zu glaubenden Angaben. Heute würde das Arbeitsrecht da gewaltig einschreiten und unterwegs musste man ja auch noch etwas zu sich nehmen. Vor diesen Leuten kann man nur seinen Hut ziehen (von der Mitnahme von Fahrpoststücken reden wir da besser erst gar nicht, unglaublich, was diese Leute geleistet haben).

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Hermann, lieber Ralph,

    Poschinger musste seine Glasprodukte ja auch ausliefern. Dies geschah durch Fuhrwerke oder Glasträger, die die Fabrikate nach Regensburg und/oder Straubing brachten.

    Da kein Botenlohn von Straubing nach Frauenau angegeben ist, könnte es auch sein, dass diese Fuhrleute/Glasträger die Post für Poschinger auf dem Heimweg mitnahmen.?

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Will,

    daran habe ich auch schon gedacht, aber man müsste wissen, auf welchem Vertriebswege er seine Waren hat befördern lassen - das musste ja nicht mit der Post-, oder eventuellen Botengängen korrespondieren.

    Üblicherweise wurden dafür Güterbestättereien herangezogen, die mit schwerem Gerät die Waren beförderten (und bei Spiegeln und Glasprodukten dürfte die Tara das Nettogewicht deutlich überschritten haben).

    Liebe Grüsse vom Ralph

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