Die Entstehungsgeschichte der Markenausgabe von 1849

  • Zur Entstehungsgeschichte der ersten bayrischen Markenausgabe liegen mir lediglich die Abhandlungen von Brunner (Bayerns Postwertzeichen 1849 - 1920) und Doberer (Rauten und gekrönte Löwen) vor.

    Da selbst das jüngere von beiden Büchern vor immerhin vierzig Jahren erschienen ist, gehe ich davon aus, daß sich die Kenntnisse über diese Markenausgebe inzwischen in einigen Punkten erweitert haben.

    Mich interessiert insbesondere die Phase von der Motivauswahl über den zeichnerichen Entwurf bis zur Druckstöckelherstellung. Dabei geht es vor allem um folgende Fragen:

    a) Existieren irgendwelche Originalentwürfe oder wenigestens Abbildungen davon?
    b) Gibt es konkrete Hinweise auf den Grund für die andere Gestaltung der Wertstufen zu 3 und 6 Kr gegenüber derjenigen der 1 Kr Marke?
    c) Doberer beschreibt ausführlich den Herstellvorgang der Druckstöckel (ursprünglich Abprägung einer Matrize und anschließend Anfertigung von Abgüssen in Schriftmetall, später Prägung von Messingplättchen), jedoch ohne Quellenangabe. Was davon läßt sich durch Quellen belegen und was ist Vermutung?

    Ich hoffe, daß die Kenner der Materie etwas zur Klärung beitragen können.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo Altsax,

    da empfehle ich dir "Der Schwarze Einser" von Joseph de Heselle.
    Dort steht alles über die Entstehung der Bayerischen Briefmarken, insbesondere des Schwarzen Einsers.
    Die gut 90 Seiten starke Broschüre von 1949 ist auch im Nachdruck bei Peter Sem erschienen.

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo zusammen,

    hallo Altsax,

    schön zu sehen, dass Du Interesse an den bayerischen Quadraten hast.

    Im Jahre 1949 wurde am 01. November das 100. Jubiläum der bayerischen Erstausgabe gefeiert. Mit bescheidenen Mittel haben zwei Experten hierzu beigetragen. Da ist zunächst unsere Altmeister Franz Pfenninger, der in einem Aufsatz seine Theorie der Entstehung der Marken darlegt. Der zweite ist Joseph de Hessele, der zur Entstehung eine etwas abweichende Theorie entwickelt hat.
    Beide Werke sind noch zu bekommen.
    Im Jahr 1999 wurde das 150. Jubiläum der ersten Bayaernmarken gefeiert. Diesmal aber ganz groß. Aus Anlass der IBRA 99 wurde einiges geboten. So brachte die Museumsstiftung Post und Telekommunikation eine lesenswerte Schrift "Der Schwarze Einser" heraus gleichzeitig mit einer einmaligen Austellung im Museum Nürnberg und bei der IBRA.
    Dr. Joachim Helbig hat zusammen mit Jürgen Vogel ein Grundsatzwerk veröfentlich. Hier wurden die widerspüchlichen Theorien von Pfenninger und de Hessele zusammengefaßt und ein für den Bayernsammler tragbares Ergebnis vorgelegt. Das der Handel hier das Ergebnis ignoriert, ist für den erfahrenen Sammler ja nichts Neues. Auf jeden Fall ist das Werk Helbig/Vogel derzeit der Stand der Dinge.
    Zum Schluß gibt es zum Geburtstag "150 Jahre Bayerische Briefmarken" ein hübsches lesenswertes Werk des Münchener Briefmarken-Clubs, der im renovierten Jugendstil- Hauptzollamt München eine 4 Tage dauernde "MBC Sonderschau 99" präsentierte, die jedem Besucher (zumindest aber mir) ob der gezeigten Oberrosinen, Obergranaten, Weltraritäten die Tränen in die Augen trieb.

    Ich muß mich wieder mäsigen.

    Grüße aus Frankfurt
    hasselbert

  • Hallo Altsax,

    die genannte Literatur könnte man noch um die Sonderausgabe der Zeitschrift "Post- und Telekommunikationsgeschichte" zur IBRA ’99 erweitern, in der mehrere Aufsätze zur Entstehungsgeschichte der bayerischen Briefmarken aus dem "Archiv für Postgeschichte in Bayern" der Jahre 1949 bis 1957 gebündelt sind. Der interessanteste stammt von Julius Sesar ("Haseney oder Seitz?"), der auf anschauliche Weise zeigt, wie Johann Brunner zunächst den Banknotenentwerfer Haseney als Schöpfer der ersten deutschen Freimarken favorisierte, bevor er diese Haltung Mitte der 1930er-Jahre radikal revidierte und Max Joseph Seitz als Entwerfer ins Spiel brachte. Auch die Koryphäe Brunner (er hatte nach eigener Aussage noch Zugang zu Originalakten, macht aber kaum genaue Quellenangaben) konnte also wenig mehr als Vermutungen über die Ursprünge anstellen.

    Laut Literatur sind keine Entwurfszeichnungen zur Quadratausgabe überliefert, lediglich in den zitierten Akten wurde auf Entwürfe verwiesen. Es gibt das "Laubblattessay", das nur mit viel gutem Willen als Entwurf zur Quadratserie durchgehen kann, und von dem man auch nicht genau weiß, wo es herkommt.

    Dass sich die Ein-Kreuzer-Marke auffällig von den anderen beiden Erstausgaben unterscheidet, könnte damit zusammenhängen, dass sie für den "Stadtverkehr" gedacht war (im offiziellen Auftrag des Handelsministeriums an die Generalverwaltung vom 11.8.1849 wird eigens darauf verwiesen).

    Es ist ein wenig frustrierend, wenn man ein ganzes Bücherregal durcharbeitet und letztendlich genauso klug ist wie vorher, weil die Originalquellen nicht benannt sind, einiges davon im Krieg zu Verlust gegangen ist und die einschlägigen Autoren fleißig voneinander abgeschrieben haben oder sich auf unsicherer Quellenbasis aufgrund von Indizien lebhaft widersprechen. Da haben es die Württemberger etwas besser.

    Viele Grüße aus Erding!

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für die zahlreichen Hinweise. Ich hoffe, daß ich in den genannten Abhandlungen fündig werde.

    Es ist ein wenig frustrierend, wenn man ein ganzes Bücherregal durcharbeitet und letztendlich genauso klug ist wie vorher, weil die Originalquellen nicht benannt sind, einiges davon im Krieg zu Verlust gegangen ist und die einschlägigen Autoren fleißig voneinander abgeschrieben haben oder sich auf unsicherer Quellenbasis aufgrund von Indizien lebhaft widersprechen.

    Wie wahr! Das Problem bei den meisten (zumindest den älteren) philatelistischen Werken ist die fehlende Trennung zwischen auf Originalquellen basierenden Erkenntnissen, "geguttenbergten" Abschnitten und solchen, die einer lebhaften Phantasie entsprungen sind. Es ist nichts einzuwenden gegen Theorien, sofern sie gut begründet und als solche gekennzeichnet sind. Ohne sie wären viele Erkenntnisse nicht gewonnen worden. Die journalistische Seuche, Meldung und Meinung zu vermischen, hat aber leider in der philatelistischen Literatur weite Verbreitung gefunden.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo zusammen,

    durch hasselberts freundliche Unterstützung bin ich schneller als erwartet an die empfohlene Literatur gelangt.

    Nach allem, was ich daraus entnehmen konnte, existieren weder Originalentwürfe noch Abbildungen davon, sodaß über deren Umsetzung in Druckmaterial nur Vermutungen angestellt werden können.

    Auch über die Herstellung der Druckstöckel liegen keine Originaldokumente vor, sodaß notgedrungen von den Besonderheiten des Drucks auf sie rückgeschlossen werden muß.

    Ich hoffe, daß es nicht als Anmaßung empfunden wird, wenn ich als "Sachse" zur Druckstöckelherstellung der 1 Kr. schwarz eine Theorie aufstelle, die sich von Kennern dieser Marke möglcherweise verifizieren oder widerlegen läßt:

    Das Druckbild der Wertstufen zu 3 und 6 Kr. unterscheidet sich bekanntlich von dem der 1 Kr. schwarz dadurch, daß das große innere Quadrat bei ersteren mit Eckornamenten versehen, während es bei der früher produzierten Marke mit ungeordnet erscheinenden Schlangenlinien gefüllt worden ist. Zudem fällt auf, daß die Nachfolgemarke der 1 Kr. schwarz im Druckbild den beiden anderen angeglichen wurde, ohne daß es (lt. Helbig/Vogel) zuvor Druckstöckel gegeben hätte, die als Oberfläche geprägte Messingbleche enthielten.

    Geht man davon aus, daß zum Prägen der Messingbleche der (gehärtete) stählerne Urstempel verwendet worden ist, wäre denkbar, daß ein solcher von der 1 Kr. schwarz gar nicht existierte. Da jedoch lt. Brunner der "Graveur" vereidigt worden ist, kann man davon ausgehen, daß nicht etwa, wie bei Buchdruckklischees damals durchaus üblich, ein Holzstich verwendet worden ist.

    An diesem Punkt kommt wieder der abweichende Hintergrund im Mittelquadrat ins Spiel. Üblicherweise wird beim Stahlstich die Entwurfszeichnung auf das material gepaust und anschließend das Druckbild gestochen. Bei Buchdruckklischees bleiben die Druckflächen erhaben stehen. Die Schlangenlinien des Hintergrundes freizustechen wäre dabei wesentlich mühsamer, als sie tief zu gravieren. Hier setzt meine Theorie an:

    Denkbar ist, daß der stählerne Urstempel ohne diese Schlangenlinien angefertigt worden ist, sei es, weil sie im ursprünglichen Entwurf gar nicht enthalten waren, sei es, daß der Stecher sich die Arbeit vreinfachen wollte. Da ohnehin vom Urstempel eine Matrize abgeformt werden mußte, um davon wiederum die Druckstöckel gießen zu können, lag es nahe, die ohne Vorzeichnung darstellbaren Schlangenlinien direkt in diese Matrize zu gravieren.

    Somit hätte es keinen vollständigen stählernen Urstempel gegeben, mit dem man hätte Messingbleche prägen können.

    Was haltet Ihr von dieser Theorie?

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo zusammen,

    hallo Altsachs,

    es war ein sehr angenehmer Abend zusammen in Frankfurt. Man sieht, der Verein für Briefmarkenkunde Frankfurt hat immer was zu bieten.

    Über Deine Theorie habe ich erst einmal geschlafen. Bisher hat sich wohl niemend darüber Gedanken gemacht. Ich finde das sehr begrüßenswert, dass Du Dich damit auseinander setzt. Ich kann mich durchaus mit Deiner Theorie anfreunden, zumal ich (vielleicht auch andere) nichts dagegen halten kann. Es ist alles sehr plausibel.

    Grüße aus Frankfurt
    hasselbert, der sich für 5 Tage nach Hamburg absetzt

    Einmal editiert, zuletzt von hasselbert (18. Dezember 2012 um 15:21)

  • Hallo Altsax,

    dass für die drei ersten bayerischen Markenausgaben nur für die 3 Kreuzer blau und die 6 Kreuzer braun ein Stahlurstempel geschnitten

    wurde, und für die 1 Kreuzer schwarz aus "Einfachheitsgründen" die Schlangenlinien direkt in die Matrize geschnitten wurden, halte ich für

    unwahrscheinlich. Obwohl ich keine Fachkenntnisse davon habe, wie ein Stahlstempel gestochen wird, kann ich keinen Unterschied der

    Schwierigkeit sehen, ob bei den 3 Kr.- und 6 Kr.Marken Eckornamente im grossen Ziffernquadrat, oder bei der 1 Kr.-Marke Schlangenlinien

    zu stechen waren. Eine grosse Kunst war es in jedem Fall.

    Lt. der Biographie vom Markenstecher Max Seitz in "de Hesselle", war Max Seitz ein berühmter Kunstgraveur, der alle bayerischen Ziffernmarken

    von Mi.1-13 stach.

    Sicher gab es einen Stahlurstempel von der 3 Kreuzer blau. Von diesem wurden mehrere Prägestempel abgeformt, mit denen die Klischees von

    mehreren Platten geprägt wurden. Der Stahlurstempel der 6 Kreuzer braun war nach heutigem Kentnisstand zerbrochen. Hier wurde in leicht veränderter

    Zeichnung ein neuer Stahlstempel, Mi.4II angefertigt.

    Mit dem Farbwechsel zu rosa, wurde für die 1 Kreuzer-Marke ein Stempel in veränderter Zeichnung, jetzt in gleicher Zeichnung wie der 3 Kr.- und 6 Kr. Stempel,

    gestochen. Das dies geschah, weil kein Stahlstempel in alter Zeichnung vorhanden war, kann ich nicht glauben. Wollte man die alte Zeichnung der 1 Kr. schwarz

    beibehalten, dann wäre es doch möglich gewesen, diese Zeichnung zu stechen. Meiner Ansicht nach sollten alle Quadratmarken in einheitlicher Ziffernzeichnung

    sein. Deshalb wurde die Zeichnung der 1 Kreuzer-Marke den anderen Markenausgaben angepasst.

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

  • Hallo Altsax und alle,

    an das "Bearbeiten" der Matrize (nachträgliches Stechen der Schlangenlinien) mag ich auch nicht glauben, da der Urstempel aufgrund seiner Beschaffenheit eben gerade geeignet war, ihn zu gravieren. Nach der Härtung und Erzeugung einer für die Messingklischeeprägung geeignet harten Matrize hätte man ungleich mehr Mühe gehabt, hier weitere Gravuren vorzunehmen.

    Die Technik besteht ja gerade darin, zunächst in ein genügend weiches Metall zu gravieren, und DANACH mittels Härtung Werkzeuge zu schaffen, die starken Belastungen (Prägung) ausgesetzt werden können.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo kilke

    Zitat


    Obwohl ich keine Fachkenntnisse davon habe, wie ein Stahlstempel gestochen wird, kann ich keinen Unterschied der Schwierigkeit sehen, ob bei den 3 Kr.- und 6 Kr.Marken Eckornamente im grossen Ziffernquadrat, oder bei der 1 Kr.-Marke Schlangenlinien zu stechen waren. Eine grosse Kunst war es in jedem Fall.

    selbstverständlich ist ein guter Graveur in der Lage, die "Schlangenlinien" freizustechen. Allerdings wird es Schwierigkeiten bereiten, das ohne Vorzeichnung durchzuführen, was bei einer Tiefgravur eine leichte Übung darstellt.

    Da bei einem Druckauftrag immer auch Arbeitszeit und somit Kosten eine Rolle spielen, ist davon auszugehen, daß die am wenigsten aufwendige Variante gewählt worden ist, und das ist bei diesem Druckbild eindeutig die Tiefgravur.

    Zitat

    Sichergab es einen Stahlurstempel von der 3 Kreuzer blau. Von diesem wurden mehrere Prägestempel abgeformt, mit denen die Klischees von mehreren Platten geprägt wurden. Der Stahlurstempel der 6 Kreuzer braun war nach heutigem Kentnisstand zerbrochen. Hier wurde in leicht veränderter Zeichnung ein neuer Stahlstempel, Mi.4II angefertigt.

    In welcher Form die stählernen Urstempel, die als existent vorauszusetzen, aber nicht durch Originalquellen belegt sind, vervielfältigt worden sind, ist nicht überliefert. Lt. de Hesselle, dessen Darstellung m.W. bisher noch nicht angezweifelt worden ist, wurden davon "Kupferstücke gepreßt", die "Negative hinterließen,
    sogenannte Matrizen". Von diesen wiederum seien die Klischees als Abgüsse aus Schriftmetall gewonnen worden.

    Betrachtet man das erhalten gebliebene Klischee der Mi 2 genauer, kann diese Darstellung nicht stimmen. Auch meine Theorie muß modifiziert werden:

    Das Klischee besteht aus einem hintergossenen Messingblech. Augenscheinlich ist es ohne Matrize geprägt worden, d.h., es ist auf der Rückseite plan. Die vertiefte Prägung ist durch Materialverdichting entstanden, nicht durch Verformung in einer Matrize. Das bedeutet, daß mit sehr hohem Druck gearbeitet worden ist, was wiederum hartes und zähes Stempelmaterial erforderte. Zur damaligen Zeit erfüllte ausschließlich gehärteter und angelassener Stahl diese Anforderung. Da das Druckbild der mit den "Messingklischees" gedruckten Marken mit dem der Erstausgabe bis in die Einzelheiten identisch ist, läßt sich die Verwendung eines neu geschnittenen (gravierten) Stahlstempels
    ausschließen. Ein Abguß wiederum von der als existent unterstellten "Matrize" war zur damaligen Zeit nicht aus härtbarem Material (Stahl) möglich. Die Annahme, daß der stählerne "Urstempel" selbst zur Prägung verwendet worden ist, ist somit verifiziert.

    Aus diesen Überlegungen folgt zwingend, daß die "Urstempel" als Matrize geschnitten worden sind, also mit den später druckenden Elementen negativ bzw. vertieft. Die Abgüsse aus Schriftmetall sind direkt und nicht über eine Zwischenmatrize genommen worden. Somit sind auch die "Schlangenlinien" zwangsläufig tief graviert worden.

    Rein technisch läßt sich auch begründen, warum vom Urstempel der Mi 1 keine Messingbleche geprägt worden sind:

    In die dünnen und teils sehr kurzen bzw. punktförmigen Vertiefungen würde selbst unter hohem Druck kein Material fließen, das "Füllmaterial" im inneren Quadrat würde im Druck also so gut wie nicht erscheinen.

    Ich denke, daß meine - modifizierte - Theorie unter Einbeziehung technischer Zwangsläufigkeiten einen hohen Grad von Wahrscheinlichkeit gewonnen hat und bin gespannt auf die entsprechende Diskussion.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo Altsax,

    für die Herstellung der Klischees zum Druck der MiNr 2 kann Deine Hypothese "daß der stählerne "Urstempel" selbst zur Prägung [der Klischees] verwendet worden ist..." definitiv nicht stimmen, da über den Druckzeitraum von 12 Jahren mehrere Druckbilder, die sich nur in kleinen Details, jedoch nicht in der Ausführung der Zeichnung unterscheiden, zu erkennen sind. Es sind dies die Plattierungsmerkmale, die ja bereits intensiv im 3 Kr blau-thread diskutiert wurden.

    Wäre hier der gehärtete Urstempel direkt zur Prägung der Messingplättchen, die das "Gesicht" des Druckstöckels darstellen, verwendet worden, gäbe es nach Erscheinen der unten unterbrochenen kleinen 3 im linken oberen Wertkästchen (Pl. 2b und 2c) keine Nachfolger, die dort wieder unversehrt sind (ab Pl. 3). Der Mangel ist durch das Ausbrechen der kleinen Schlinge in der Matrize entstanden, sodass dort in den (negativen) Klischees eine druckende Stelle entstanden ist. Erst nach Neuanfertigung einer Matrize im Sommer/Herbst 1856 vom Urstempel zeigen auch die davon erzeugten Klischees wieder eine unversehrte kleine 3 links oben.

    Und im Rückschluss auf die Herstellung von Urstempel und Matrize im Jahr 1849 kann ich mir nicht vorstellen, dass man dort komplett anders (also direkte Abnahme der Klischees vom Urstempel, wie von Dir angenommen) gearbeitet hat, da Zeichnung und Urstempel für die blaue 3 Kreuzer-Marke von Anfang an (1849) unverändert blieben, womit Deine Hypothese einen Alleingang in der Herstellung der Druckwerkzeuge für die schwarzen Ein-Kreuzer-Marken bedeuten würde...

    Beste Grüsse vom
    µkern

    Einmal editiert, zuletzt von mikrokern (11. August 2012 um 15:49)

  • Hallo mikrokern,

    ob tatsächlich der stählerne Urstempel zur Prägung der Messingbleche verwendet worden ist, bedarf sicherlich einer detaillierten Untersuchung. Aus technischen Gründen nicht zu bestreiten ist die Feststellung, daß die Prägung nicht mit einem Stempel aus gegossenem Material erfolgt sein kann. Wurde nicht mit dem Urstempel geprägt, so müßte ein völlig neuer Stempel graviert worden sein. Ausgeschlossen ist das selbstverständlich nicht, wohl aber einigermaßen unwahrscheinlich, weil es äußerst schwierig ist, von Hand wirklich alle Details identisch zu stechen. Außerdem bestand kein Grund, sich darum zu bemühen, auch kleinste Unterschiede im Druckbild zu vermeiden.

    Ehe man die Ursache für die kleinen Abarten an Marken aus der "Messingstöckelzeit" in Veränderungen am Prägestempel sucht, sollte man Nachbearbeitungen, Abnutzungen und Ausbrüche an den Stöckeln selbst in Betracht ziehen.

    Um es noch einmal zu betonen: Ich bilde mir nicht ein, mit meiner These den Stein der Weisen gefunden zu haben. Die technischen Zwangsläufigkeiten darf man aber bei ihrer Infragestellung nicht ausblenden.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Ehe man die Ursache für die kleinen Abarten an Marken aus der "Messingstöckelzeit" in Veränderungen am Prägestempel sucht, sollte man Nachbearbeitungen, Abnutzungen und Ausbrüche an den Stöckeln selbst in Betracht ziehen.


    Lieber Altsax,

    es geht hier aber eben nicht um "kleine Abarten", die nur für einzelne Klischees nachweisbar wären, sondern um Phänomene, die ALLE Druckstöckel der Serie (also Platte) betreffen. Platte 2b und 2c zeichnen sich aus durch die unten offene Schlinge der linken oberen 3; das gabs vorher (Pl. 2a) nicht, und auch bei Pl. 3 ist die 3 wieder komplett geschlossen.

    Das ganze ähnelt den Typen I bis III bei MiNr 5, wo ja auch zunächst ein und dann einweiteres erhabenes Stückchen aus der Matrize ausgebrochen ist, was sich in den beschriebenen Typen mit einer bzw. 2 Unterbrechungen des linken oberen Wertkästchens manifestiert.

    Ganz sicher muss man davon ausgehen, dass zum Druck der MiNr 2 ein einziger gravierter Urstempel (von Anfang an derselbe) benutzt wurde, von dem im Laufe der Zeit (12 Jahre) mehrere Matrizen abgenommen wurden, die wiederum zur Prägung der Messingplättchen (Klischees) herangezogen wurden. Das ist empirisch sehr gut belegt (s. "3 Kr. blau"-thread).

    Was spricht dagegen, dass vom gehärteten (!) Urstempel die Matrize abgeprägt wurde, mit der wiederum dann die Messingklischees geprägt wurden? Von "Abgiessen" muss doch nicht zwangsläufig ausgegangen werden!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Altsax,

    eben gerade den post von mikrokern gelesen. Ich bin genau auf dieselben Widersprüche in Deiner Theorie gestossen.

    Für mich als Sammler der klassischen Marken sind Deine Ausführungen und Theorien sehr interessant. Wenn ich alles richtig

    verstanden habe, dann wurden nach Deiner Ansicht die Urstempel aller Quadratmarken negativ geschnitten. Eine Zwischenform gab es nicht

    und war technisch auch nicht realisierbar.

    Die Urstempel waren die Gussformen für die Marken der Erstausgabe. Die druckenden Elemente waren vertieft. Der Guss zeigte die

    druckenden Elemente erhöht (Hochdruck). Die Urstempel waren auch die Prägestempel für die 2.Markenausgabe. Die druckende Elemente

    waren vertieft, dass geprägte Klischee zeigte die druckenden Elemente erhöht.

    So weit, so gut. Es war keine Zwischenform notwendig, warum hätte man eine hergestellen sollen?

    Die Frage ist: Konnte man mit einem einzigen Prägestempel, der gleich dem Urstempel war, die 3 Kr. blau und rot von insgesamt etwa 10 Platten

    d.h. 10 mal 90 Klischees prägen, ohne dass die Feinheiten des Duckbildes verloren gingen? So zeigen z.B. die Marken von der 3 Kr. blau, Platte 6

    ein Druckbild mit allen Feinheiten der Ornamente, das dem sehr klarem und sauberem Druckbild von Marken der Platte 1 nicht nachsteht.

    In der Literatur (Michel-Handbuch-Vogel) ist zu lesen, dass vom Urstempel Stereotypen angefertigt wurden, um den Urstempel zu schonen.

    Es gibt kleine Plattenmerkmale, die kommen auf allen Marken von einer einzigen Platte vor. Bei Marken von Platte 2b und Platte 2c ist die

    linke obere "3" mit offenem Kopf und offener unterer Schleife. Bei den späteren Platten ist die "3" wieder einwandfrei.

    Man könnte hier argumentieren, dass ein Fremdkörper sich festgesetzt hat, der später entfernt wurde. Warum hat man diesen Fremdkörper

    aber nicht gleich entfernt? Hier hört sich die altbekannte Theorie, dass für jede Platte ein neuer Prägestempel aus dem Urstempel gewonnen

    wurde, besser an. Der Prägestempel für die Platten 2b und 2c hatte an der linken oberen "3" einen Prägefehler.

    Eine Marke von Platte 2b und von Platte 4 habe ich eingestellt.

    Gruss kilke

  • Was spricht dagegen, dass vom gehärteten (!) Urstempel die Matrize abgeprägt wurde, mit der wiederum dann die Messingklischees geprägt wurden? Von "Abgiessen" muss doch nicht zwangsläufig ausgegangen werden!

    Lieber mikrokern,

    dagegen spricht aus technischer Sicht nichts, weil man die Matrize, im Gegensatz zum Abguß, aus weichem Stahl fertigen und wiederum härten konnte. Verifizieren ließe sich diese Vorgehensweise durch Vermessung der rechtwinkligen Konturen von Marken der div. Plattenzusammenstellungen, weil beim zweimaligen Härten (zuerst der Matrize und anschließend des Prägestempels) unterschiedlicher Verzug eingetreten sein dürfte.

    Auch die Nichtberücksichtigung der Mi 1 bei der Anfertigung von Messingklischees würde zu dieser Variante passen. Die "Schlangenlinien" lassen sich zwar, wenn im Urstempel erhaben (meine Zweifel daran bestehen fort), in eine Matrize pressen, erhabene dünne Linien und Punkte in den Stempel aber nicht.

    Liebe Grüße

    Altsax

    PS: Inzwischen habe ich mich einmal nach den Standzeiten von Prägestempeln bei der Kombination Stahl/Messing unter der Voraussetzung bei Medaillen üblicher Verformungsgrade, die im vorliegenden Falle nicht überschritten sind, erkundigt. Die Auskunft lautet: Mit Sicherheit nicht unter 5.000 Prägungen. Daraus ergibt sich unweigerlich die Frage, warum pro Plattenzusammenstellung ein neuer Prägestempel angefertigt worden sein sollte. Der Urstempel wäre für die benötigte Klischeeanzahl völlig ausreichend gewesen. Selbst wenn man ihn schonen wollte, hätte eine Kopie ausgereicht.

    4 Mal editiert, zuletzt von Altsax (11. August 2012 um 21:03)

  • Hallo Altsax,

    zu Deinem Nachsatz im vorherigen post: Ich will mich in der Hinsicht korrigieren, dass wahrscheinlich nicht für jede neue Platte auch ein neuer Prägestempel

    angefertigt worden ist. So sind Marken von Platte 5 mit klarem Druckbild mit allen Feinheiten, wie wir das von den Frühdrucken aller anderen Platten kennen,

    nicht bekannt. Es kann vermutet werden, dass hier kein neuer Prägestempel zum Einsatz gekommen ist. Evtl. wurde der Prägestempel genommen, mit dem

    schon die Klischees von Platte 4 geprägt wurden.

    Das ab ca. Mitte 1860 Marken von einer neuen Platte 5 gedruckt wurden, das ist erwiesen. Die Marken haben durchweg spitze Ecken. Die Marken der vorherigen

    Platte 4 zeigen in der Regel abgerundete Ecken.

    Von Marken der Platte 6, ab ca. April 1862, sind dann wieder glasklare Erstdrucke mit allen Feinheiten der Ornamente bekannt. Hier wurde die Klischees

    wieder mit einem aus dem Urstempel neu gewonnenen Prägestempel geprägt.

    Diese Abfolge: Platte 4 mit klaren Erstdrucken, von Platte 5 keine klaren Erstdrucken bekannt und Platte 6 wieder mit klaren Erstdrucken, ist meiner Ansicht

    nach ein starker Hinweis, dass nicht nur von einem Urstempel geprägt worden sein kann.

    Gruss kilke

    Wer um Einzelmarken einen Bogen macht hat sich verlaufen.

    2 Mal editiert, zuletzt von kilke (13. August 2012 um 01:04)

  • Hallo kilke,

    als Sammler, der sich mit den klassischen Drucktechniken zu Mitte des 19. Jahrhunderts intensiv, mit den spezifischen Besonderheiten der bayrischen Erstausgabe jedoch nur unzureichend beschäftigt hat, sei mir ein "neutraler" Blick auf die div. Theorien gestattet. Mit "neutral" in diesem Sinne ist gemeint, daß Offenheit gegenüber Abweichungen vom aktuellen Erklärungsstand gewahrt bleibt. Vielleicht ergeben sich auch hier aus "abwegigen" Arbeitshypothesen neue Erkenntnisse.

    Die Urstempel von Buchdruckklischees wurden zur damaligen Zeit überwiegend aus Holz geschnitten bzw. gestochen. Deren Vervielfältigung erfolgte über Abdrücke aus Gips, Guttapercha und anderen Materialien. Teilweise wurden bereits neuere Verfahren wie Galvanoplastik und Glypographie eingesetzt.

    Eine Abweichung von der Urstempelausführung in Holz ergibt sich im Falle der bayrischen Erstausgabe lediglich aus der bei Brunner beschriebenen Vereidigung eines Graveurs. "Graviert" wird üblicherweise Metall, allerdings findet sich die Bezeichnung "Graveur" in der zeitgenössischen Literatur auch bei Handwerkern, die Holz schneiden.

    Im Hinblick auf die fein ausgearbeitete Zeichnung und die zu erwartende hohe Druckauflage der Briefmarken erscheint jedoch die Anfertigung eines Stahlstempels sinnvoll, sodaß in diesem Punkt eine Alternative nicht betrachtet werden soll.

    Weniger eindeutig zu beantworten ist allerdings die Frage, wie die Übertragung der Druckstöckel erfolgte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind folgende Varianten denkbar:

    A Urstempel ist negativ geschnitten, mit der Abformung kann direkt gedruckt werden
    1) Auf dem Urstempel wird galvanoplastisch eine dünne Kupferschicht abgeschieden, die mit Schriftmetall hintergossen ein Druckstöckel ergibt. Die druckende Fläche kann durch Verstählung zur Erhöhung der Standzeit gehärtet werden.
    2) Der Urstempel wird direkt in weicheres Material (Kupfer, Messing) geprägt, das ggf. durch Hintergießen auf Stöckelhöhe gebracht wird.
    3) Der Urstempel wird in Weicheisen geprägt und anschließend gehärtet.

    B Urstempel ist positiv geschnitten, von ihm kann direkt probeweise gedruckt werden, Abformungen müssen zweimal erfolgen
    1) Galvanoplastische Abformung wie oben beschrieben, die Druckseite der Kupferschicht ist jedoch die vom Urstempel abgewandte. Die Kanten sind etwas verrundet, was ein weniger scharfes Druckbild ergibt.
    2) Vom Urstempel wird eine Matrize in weiches Material (Gips, Guttapercha, Kupfer) geprägt. Von dieser Matrize werden Abgüsse (i.d.R. Schriftmetall) genommen, mit denen gedruckt wird.
    3) Galvanoplastische Abformung wie oben beschrieben, die Innenseite der Kupferschicht wird als Matrize verwendet, aus der dann Stöckelabgüsse gewonnen werden.

    Gäbe es Einzelabzüge als Proben, wäre die Frage der Urstempelausführung eindeutig beantwortet. Aus deren Nichtvorhandensein läßt sich allerdings kein logischer Schluß ableiten. Aus technischer Sicht konsequent wäre es allerdings gewesen, wenn man schon den Aufwand treibt, einen Urstempel aus Stahl anzufertigen, ihn gleich so auszulegen, daß dich damit unmittelbar Stöckel prägen lassen. Jede andere Version wäre halbherzig, aber dennoch denkbar, weil mutmaßlich die entsprechende Erfahrung fehlte und die Druckerei gewohnte und erprobte Verfahren vorzog.

    Ein bekanntes Phänomen ist die ungleichmäßige Höhe der Druckstöckel, also das Tieferliegen der Ornamentik in der großen 3. Hätte der Graveur einen "positiven" Urstempel gestochen, also mit erhabenen Druckflächen, wäre die Einhaltung der Druckebene leicht gewesen. Er hätte nur die geschliffene Fläche des Rohlings beibehalten müssen. Anders sieht es aus, wenn der Urstempel negativ angelegt worden ist. Dann bestimmt die Gravurtiefe bei späterer Stöckelabformung die Druckebene. Sie konstant zu halten, ist wesentlich schwieriger. Auftretende Unterschiede können zwar durch Abschleifen der Stöckelabformungen reduzert werden, jedoch nur in den Grenzen, die ohne Beeinträchtigung der Zeichnung möglich sind. Die Höhenunterschiede der Druckstöckel sprechen folglich für eine Tiefgravur des Druckbildes im Urstempel.

    Die Möglichkeit der Typisierung von Druckplatten (-zusammenstellungen), also die nahezu vollständige Übereinstimmung der Druckbilder aller Marken einer Platte, wird als Argument für die Verwendung unterschiedlicher Stempel bei der Herstellung der jeweiligen Druckstöckel verwendet. Dabei wird von der Ausführung der Stöckel in der Art des einzig erhalten gebliebenen ausgegangen. Das ist zwar denkbar, aber keineswegs zwingend. Die Unterschiede können auch aus unterschiedlichen Abformverfahren (s.o.) sowie unterschiedlichen Stöckelmaterialien resultieren. Nicht zuletzt ist denkbar, daß, sofern die Stöckel geprägt worden sind, auch der Prägedruck variiert worden ist, was ebenfalls zu Veränderungen im Druckbild führen konnte.

    Ob jemals alle Details aufklärbar sein werden, erscheint fraglich. Mit diesem Beitrag möchte ich lediglich erreichen, daß unterschieden wird zwischen den (wenigen) unumstößlichen Wahrheiten und dem, was im Laufe der Jahrzehnte an Schlüssen daraus gezogen worden ist. Letztere müssen sich immer wieder gegenteiligen Überlegungen gegenüber behaupten.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Hallo Altsax,

    vielen Dank für Deine sowohl umfangreiche wie auch im Detail erschöpfende Zusammenfassung deiner Sicht der Dinge.

    Wie von mir in post #13 dargelegt, muss allein das über einen relativ klar begrenzten Zeitraum von gut 3.5 Jahren (Winter 1853 bis Herbst 1856) massiert auftretende Phänomen von Marken mit der unten ausgebrochenen Schlinge der linken oberen 3 (Platten 2b und 2c) die Annahme eines einzigen Urstempels, der über 12 Jahre zur Prägung von Messingklischees (Druckstöckeln) verwendet worden sein soll, ausschliessen.

    Wie beschrieben und empirisch massenhaft belegbar, handelt es sich bei diesen Klischees nicht um Plattenfehler bei einem oder einigen wenigen Klischees, sondern um Eigenarten, die die kompletten Serien der Druckstöckel der Pl. 2b/2c betreffen. Weder vorher noch später gab es dies jemals wieder. Damit kommt man zwangsläufig zum Postulat einer Zwischenstufe (Matrize), die für den Prägezeitraum der Klischees für Pl. 2b/2c den erwähnten Fehler (ausgebrochene Schlinge der 3) aufwies. Hätte ein prägender Urstempel diese Eingenart gehabt, würden ALLE weiteren Platten bis 1862 die unten unterbrochene Schlinge zeigen.

    Damit folgere ich, dass es mindestens zwei Matrizen gegeben haben muss, und aufgrund der auch von kilke beschriebenen Druckbildunterschiede innerhalb der verschiedenen Plattenserien macht dann die Annahme mehrerer Matrizen am meisten Sinn.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    könntest Du bitte die Details der Plattenzustände, auf die sich Deine Argumentation stützt, stark vergrößert hier einstellen. Ich konnte sie auf die Schnelle im 3 Kr thread nicht finden.

    Liebe Grüße

    Altsax