Isle of Man - internierte deutsche Juden

  • Hallo in die Runde,

    nachfolgenden Brief möchte ich zeigen, dessen schreckliche Geheimnisse sich erst beim genaueren Hinsehen und weiteren Recherchen offenbaren.

    "Internierten-Sendung" (leider ohne Inhalt) von Hamburg am 22.10.41 adressiert an Jacob Heilbut im "Internment Camp Douglas" auf Isle of Man. (Ankunft lt. Zensurstempel 27. NOV 1941)
    Der Brief durchlief sowohl die deutsche als auch die englische Zensur. In beiden Fällen wurde der Brief geöffnet und mit entsprechenden Verschlussstreifen wieder verschlossen. So weit - so gut.

    Zum militärischen Hintergrund:
    Camp Douglas auf der Insel Man wurde sowohl im 1. als auch im 2. Weltkrieg als Internierungslager für sogenannte (zivile) "Feindstaatenausländer" genutzt, die man als Risiko für die militärische Sicherheit sah. Ab Beginn des Westfeldzuges (Mai 1940) wurde das Lager verstärkt belegt, darunter auch jüdische Emigranten aus Deutschland.

    Zum Schicksal von Absender und Empfänger:
    Über weitere Recherchen fand ich nun heraus, dass es sich bei Jacob Heilbut um eben einen solchen jüdischen Emigranten handelt. Geboren wurde er am 24. Januar 1896 in Hamburg.
    Erstmalig im August 1935 von der Gestapo wegen Sabotage (er hatte ein NSDAP-Plakat von seiner Hauswand entfernt) verhaftet und verurteilt, musste er nach seiner Entlassung im Straßenbau arbeiten. Im Juni 1938 wurde er erneut verhaftet und im Januar 1939 aus dem KZ Sachsenhausen u.a. mit der Auflage entlassen, dass er bis Ende März 1939 Deutschland zu verlassen habe.
    Leider fand Jacob Heilbut kurzfristig kein Land, in welches er umgehend einreisen hätte können. Letztendlich gelang es ihm ein Visum für England zu erhalten. Er verlies Deutschland im April 1939 und sah seine Familie nie wieder...

    ...seine Familie, d.h. seine Frau Minna und die beiden Töchter (Rosa Heilbut *1925, Julie Heilbut *1934).

    Der Absender des Briefes ist die Frau von Jacob Heilbut, Minna (hier bereits mit dem jüdischen Zwangsnamen "Sara" ), welche zu diesem Zeitpunkt bereits zusammen mit den beiden Töchtern in einer Teilwohnung im sogenannten "Judenhaus" in der Bornstraße 20 (bei Behrend) einquartiert war.
    Minna und die beiden Töchter wurden am 6. Dezember 1941 nach Riga-Jungfernhof deportiert - wann genau und im Rahmen welcher Aktion sie ermordet wurden (vermutlich 1942/43), ist nicht bekannt.
    Der Brief vom 22. Oktober 1941 (gerade also mal 6 Wochen vor der Deportation) dürfte einer der letzten gewesen sein, den Jacob von seiner Frau und den beiden Kindern erhalten hat.

    Nach dem Kriege siedelte Jacob Heilbut zu seinem Bruder nach USA über, kehrte jedoch 1952 nach Hamburg zurück. Er verstarb am 19. September 1979.

    Was für ein Schicksal hinter ein paar Quadratzentimetern altem Papier...

    Gruß
    Postgeschichte-Kemser


  • Lieber Schorsch,

    das was hinter einem Beleg stehen kann, wie repräsentativ ein Schicksal für andere stehen kann, das, was man daraus verdammt nochmal lernen muss, das kann man nicht besser rausarbeiten, wie Du es hier gerade getan hast.

    Ich danke Dir für diesen außerordentlich beeindruckenden Beitrag.

    Viele Grüße

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Wer die ganze Familientragödie (Verwandte in den USA konnten nicht helfen, Kindertransport scheiterte) wissen möchte, der kann sie hier nachlesen:

    Stolpersteine in Hamburg | Namen, Orte und Biografien suchen

    Ich vermutete, dass die Aktion "Stolpersteine" doch auch in Hamburg an diese Opfer erinnern würde.

    PS Durch einen Briefumschlag adressiert an einen jüdischen Bankbesitzer in Würzburg fand ich einen "Stolperstein" in Mannheim, der zur Erinnerung an seine ermordete Tochter (die allerdings einen anderen Nachnamen, den ihres Ehemannes führte) verlegt wurde. So fürchterlich der Anlass auch ist, ohne die Arbeit der Aktion "Stolpersteine" würden viele Schicksale der damals im "Tausendjährigen Reich" Verfolgten und ermordeten Menschen nicht bekannt werden. Es liegt an uns, ob wir sie wissen möchten oder nicht, wenn wir solche Briefumschläge haben. Postgeschichte Kemser sei Dank für seine Nachforschungen und dass er sie uns gezeigt hat.

    Luitpold