Freimarkenstempler oder "Hindenburg mit Ohrring"

  • hallo zusammen,

    die durch einen Freimarkenstempler vorausentwertete Briefmarke sieht idealerweise so aus,

    womit sich die Bezeichnung "Hindenburg mit Ohrring" erklärt.

    Erich Komusin entwickelte ein Handgerät, das von der Nationalen Telephon- und Telegrafenwerke GmbH in Frankfurt vertrieben wurde und mit Verfügung Nr. 249/1935 vom 19.7.1935 zugelassen wurde.

    Anders als beim Absenderfreistempel wurde eine normale Freimarke zur Frankierung verwendet. Das Anwendung dieses handlichen Geräts wurde bei geringem bis mittlerem Postaufkommen empfohlen.


    Das Handgerät kostete 235 RM und konnte Wechselkasetten für die unterschiedlichen Briefmarkenwertstufen - Rollen mit 200 oder 500 Marken - aufnehmen. Diese Rollen wurden extra für den Freimarkenstempler konfektioniert und hatten im Gegensatz zu den Schalterrollen eine dickere Gummierung.

    Zur Funktionsweise: der Freimarkenstempler fixierte mit Nadeln eine Briefmarke (die vier kleinen schwarze Punkte um den Ohrring), trennte diese von der Rolle, drehte sie um 90 Grad, befeuchtete das Gummi, platzierte und entwertete auf dem Umschlag und setzte den Tages- und Absenderwerbestempel daneben

    Am oberen Rand der Freimarke wurde die Geräte-Kennnummer der etwa 1600 verkauften Freimarkenstempler, deren Einsatz bis 1955 belegt ist, angegeben. Es konnten auf einem Umschlag auch mehrere Freimarken platziert werden oder das Gerät auch nur zum Entwerten einer zuvor aufgeklebten Freimarke verwendet werden. Die Einlieferung der vorausentwerteten Briefe erfolgte beim Postamt.

    Zum Einsatz kamen die Freimarken der Hindenburg- und Hitler-Ausgabe, wovon die Hindenburgmarken über 90% ausmachten.


    Literatur:

    ArGe Vorausentwertungen: Vorausentwertungen des Deutschen Reiches und der Bundesrepublik Deutschland

    Postmuseum Hamburg: Hindenburg mit Ohrring ?


    besten Gruß

    Michael

    5 Mal editiert, zuletzt von stampmix (15. Juli 2022 um 17:34)

  • hallo zusammen,

    eine Firmendrucksache von August Hennig Nürnberg wurde am 12.10.1937 mit dem Freimarkenstempler vorausentwertet eingeliefert.

    mit bestem Gruß

    Michael

  • stampmix

    Sehr schönes Thema, aber handelt es sich eigentlich um Vorausentwertungen? Die Marke wird doch nach der Aplikation entwertet, also nicht "im Voraus"...

    Ich würde es als Absenderentwertung betiteln.

    LG

    Andreas

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Lenin nachgesagt)

  • Hier eine Abbldung der saarländischen Stempel, diese Abbildung stammt aus einer Veröffentlichung über Postautomation

    im Saarland.

    Der gezeigte Brief lief am 29.12.38 von Ottweiler nach Saarbrücken.

    viele Grüße von woodcraft

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für die Beiträge. Ich habe in früheren Jahren lange nach Informationen gesucht und außer einem Beitrag im Lexikon von Häger nichts gefunden. Durch das Internet sind jetzt endlich verschiedene Artikel verfügbar. Jetzt kann ich meine beiden Nachkriegsbelege besser einordnen. Bei denen weisen die Marken allerdings keine Löcher auf, was darauf schließen läßt, daß die Marken von Hand aufgeklebt wurden.

    Ich würde diese Art der Frankatur mit den Automaten vergleichen, die große Firmen in den vergangenen Jahrzehnten benutzten um ihren Massenaussendungen anstelle von Freistemplern ein persönlicheres Gesicht zu geben. Vereinzelt sind diese Geräte heute noch im Einsatz.

    viele Grüße

    Dieter

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für die Beiträge. Ich habe in früheren Jahren lange nach Informationen gesucht und außer einem Beitrag im Lexikon von Häger nichts gefunden. Durch das Internet sind jetzt endlich verschiedene Artikel verfügbar. Jetzt kann ich meine beiden Nachkriegsbelege besser einordnen. Bei denen weisen die Marken allerdings keine Löcher auf, was darauf schließen läßt, daß die Marken von Hand aufgeklebt wurden.

    Ich würde diese Art der Frankatur mit den Automaten vergleichen, die große Firmen in den vergangenen Jahrzehnten benutzten um ihren Massenaussendungen anstelle von Freistemplern ein persönlicheres Gesicht zu geben. Vereinzelt sind diese Geräte heute noch im Einsatz.

    viele Grüße

    Dieter

    Lieber Dieter.

    mit Deiner Vermutung im letzten Satz befindest Du Dich leider im Irrtum. Ich war selber über 30 Jahre lang der "Herr" über eine solche Stempelmaschine. Die Verwendung dieser Geräte wurde zum 31.12.2020 von der Post verboten. Es stimmt aber, dass der Freimarkenstempler im Prinzip genau das Gleiche war wie die von 1979 bis 2020 verwendeten Geräte, nur ohne Ohrring.

    Viele Grüße von maunzerle

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

    Einmal editiert, zuletzt von maunzerle (15. Juli 2022 um 12:03)

  • Es kann durchaus sein, daß das Verbot seit 31.12.2020 gilt. Die letzte Werbung müßte im dem Jahr bei mir angekommen sein. Ich kann mich daran erinnern, weil ich über diese Art der Frankatur erstaunt war und angenommen hatte. die Geräte seien längst im Ruhestand.

    liebe Grüße

    Dieter

  • ... Ich war selber über 30 Jahre lang der "Herr" über eine solche Stempelmaschine.

    hallo Peter,

    das könntest du aktuell wieder haben. Bei Klüttermann wird ein Freistempler für schmales Geld ausgerufen:


    Wo du allerdings die Rollenmarken für die Wechselkassetten herbekommst verrät er vorsichtshalber nicht :/

    besten Gruß

    Michael

  • hallo zusammen,

    natürlich nutzte auch Hermann Sieger die Möglichkeiten der attraktiven Firmenwerbung durch Einsatz eines Freimarkenstemplers.

    Briefe nach Österreich waren zum Inlandtarif freizumachen.

    mit bestem Gruß

    Michael

  • Hallo Michael.

    ich hoffe jetzt, Du nimmst nicht an, dass ich schon in den 30er-Jahren mit diesem Freistempler hantiert habe. Unserer, d.h. der des Philatelisten-Clubs Straubing, schaut anders aus, war bzw. ist, denn er wäre ja noch voll einsatzfähig, nur händisch zu betreiben und war eigentlich nur ein Baustein für eine gesamte Apparatur zur maschinellen Bearbeitung.

    Bei der Gelegenheit bilde ich aus dem entsprechenden Buch der ArGe Vorausentwertungen einen Stempel ab, den ich auf einem sauberen Beleg seit Jahrzehnten suche. Vielleicht kann jemand helfen.

    Viele Grüße von maunzerle

  • hallo Peter,

    gerne halte ich Ausschau nach der Auer-Bräu :) , wobei die Kennnummer schon extrem hilfreich wäre 8)

    Andererseits: wüsstest du die Kennnummer, bräuchtest die einen Beleg auch nicht mehr suchen :/. Weißt du, was aus der ArGe Vorausentwertungen geworden ist und wer sich aktuell um Freimarkenstempler kümmert?

    besten Gruß

    Michael

  • Hallo Michael,

    die Krux bei dem Stempel ist, dass er in dem Handbuch in der Rubrik der unbekannten Kennnummern angeführt ist. Anscheinend hatte man da nur einen undeutlichen Abschlag vorliegen. Ich sammle ja diese Stempel gar nicht, aber in den habe ich mich auf den ersten Blick verschaut. Deswegen hätte ich ihn gerne.

    Was aus der ArGe geworden ist, weiß ich nicht. Ich habe gerade auf der ArGen-Liste des BDPh nachgeschaut und war sehr überrascht, dass sie nicht mehr drauf ist.

    Beste Grüße von maunzerle

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • hallo zusammen,

    nach Anschluss Österreichs waren die Freimarkenstepler vom 1.7.1938 an auch in der Ostmark zugelassen


    Eine Nachricht des Standesamtes von Markt Felixdorf im Landkreis Wiener Neustadt an das Pfarramt des benachbarten Theresienfeld wurde mit dem Freimarkenstempler 1013 frankiert und vorausentwertet

    Interessant ist die Portostufe von 5 Rpf., der Tarif für eine Postkarte im Ortsverkehr. Das DIN A5 Blatt war gefaltet und unverschlossen versandt worden. Da der Postweg gerade mal 2km betrug, wundert ein taggleicher Ankunftstempel nicht.

    mit bestem Gruß

    Michael

  • hallo zusammen,

    die Stadt Wels - Stadt des Soldatentreffens "Schulter an Schulter" - frankierte am 21.5.1942 mit dem Gerät 953 einen Ortsbrief

    Der Jahrespachtzinsbescheid war ein ordentlich zusammengefaltetes DIN A4 Formular, das keine Briefhülle erforderte

    mit bestem Gruß

    Michael

    Einmal editiert, zuletzt von stampmix (18. Juli 2022 um 10:50)

  • Sehr schönes Thema, aber handelt es sich eigentlich um Vorausentwertungen? Die Marke wird doch nach der Aplikation entwertet, also nicht "im Voraus"...

    hallo Andreas,

    dank dir für die Blumen. Vorausentwertet ist hier in dem Sinn zu verstehen, dass die Briefmarke vor Einlieferung bei der Reichspost entwertet war, in diesem Fall von Absender durch den Freimarkenstempler.

    Ein Thema beim Freimarkenstempler ist die Suche danach. Wenn du einen unbeschriebenen Beleg in den Händen hältst, erkennst du zwar den merkwürdig aussehenden Entwerter - aber wie findest du zu dem Thema - allein dieser Begriff ist schon eine Suche wert - "Freimarkenstempler" ?

    besten Gruß

    Michael

  • Zwei weitere Beispiele, das 2. sogar als Irrläufer mit Poststellen II-Stempel bei der Weiterleitung:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • ... das 2. sogar als Irrläufer mit Poststellen II-Stempel bei der Weiterleitung

    das muss man erstmal finden :thumbup: - danke fürs zeigen.

    Dass der Postler nach Ulbersdorf gesandt hat muss man nicht verstehen, liegt doch Ulberndorf deutlich näher und kleine Ortschaften sind beide.

  • hallo zusammen,

    die ArGe Vorausentwertungen aktualisierte 1993 mit einem Nachtrag das Geräteverzeichnis und wertete 2.745 Belege nach der Häufigkeit der verwendeten Freimarke aus. Die Hindenburg 3-12 Rpf. waren mit 2.540 Belegen (92,5%) vertreten, allein die Hindenburg 12 Rpf. mit 925 Belegen (33,7%). Von den nachgewiesen verwendeten 34 Freimarken sind die Hitler 3 Rpf. und 12 Rpf. mit zusammen 138 Belegen (5,0%) vertreten, die restlichen 2,5% verteilen sich auf 25 verschiedene Freimarken. Wenn man nach einem Freimarkenstempler Beleg sucht, sollte man bedenken, dass von den 1.600 Geräten in 1993 nur 2.745 Belege erfasst waren - im Schnitt ca. 2 Belege pro Maschine.

    Vielfach in kleineren Betrieben verwendet sehen die Belege oftmals wenig attraktiv aus

    Da muss dann schon der Werbeeinsatz im Freimarkenstempler punkten :)

    mit bestem Gruß

    Michael