Der Deutsche Krieg 1866

  • Hallo,

    dieser Brief aus Buenos Aires vom 12.6.66 wurde adressiert an "August Wepfer, Lieut. im königl. württemb. 1ten Garde-Jäger-Bataillon" in Asperg, Königreich Württemberg.

    Er enthält gleich mehrere Fehler - Wepfer war bereits zum Oberleutnant befördert (veröffentlicht im Verordnungsblatt des K. Württembergischen Kriegsministeriums, Zweiter Teil "Personalangelegenheiten" No. 23 vom 13.6.1866 (S. 78). Außerdem gab es in Württemberg kein Garde-Jäger-Bataillon, sondern nur Jäger-Bataillone. Und last not least - und das macht den Brief so besonders - befand sich der Adressat nicht (mehr) in Asperg, sondern im Zeitraum 20-24.7.66 mit der mobilen württemb. Division im Raum Großrinderfeld/Tauberbischofsheim. Aber all dies konnte der Absender der Fa. Stock & Co. in Buenos Aires am 12.6.66, als er den Brief absandte, nicht wissen.

    Der Brief wurde als Schiffsbrief aufgegeben und per französischer Schiffspost (Stempel Buenos Ayres PAQ FR K No. 1") nach Frankreich befördert, wo er fünf Wochen später mit der Eisenbahn über Bordeaux und Paris nach Straßburg gelangte (Stempel vom 18.7.66). Über Kehl und die badische und württemb. Eisenbahn (Stempel "Frankreich über Baden" sowie verschiedene Streckenstempel der württ. Bahnpost vom 19.7.66) erreichte er am selben Tag Asperg (Stempel 19.7.66).

    Die Festung Hohenasperg diente dem 1. Jäger-Bataillon als Garnison. Festungskommandant und Bataillonschef war Major Rampacher, von dem eine umfangreiche Korrespondenz aus dem 66er Krieg erhalten geblieben ist (danach kann man in diesem thread auch suchen...).

    Das 1. Jäger-Bataillon mit OLt. Wepfer war am 19.7. bereits seit Wochen ausmarschiert und befand sich in den Tagen nach dem 19.7. im Raum Großrinderfeld und Tauberbischofsheim, wo es am 24.7. ins Gefecht kommen und Verluste erleiden sollte.

    Man hat auf dem Brief nach seiner Ankunft also "Asperg" gestrichen und "Feldpost" angeschrieben, und ihn mit anderer Militärpost von Hohenasperg aus an die württemb. Division geschickt. Da es dafür weder weiterführende Vermerke noch Stempel auf dem Brief gibt, bleiben Leitweg und Auslieferungsort und -datum unbekannt.

    Vorderseitig hat man - wohl in Buenos Aires - "1f15" angeschrieben. Ist das das vom Empfänger zu erhebende Porto für die Briefbeförderung? Erscheint mir sehr viel, selbst für einen Schiffsbrief...

    Rätselhaft ist mir auch noch der Distributionsstempel "D3 19/7" auf der Briefrückseite. Wo wurde dieser am 19.7. angebracht? Asperg war doch wohl zu klein, um einen solchen zu führen?

  • Hallo 66er,

    mal so zum Vergleich; eine PCM im Doppelbrief von WüBerg nach den USA hat 1 Fl 30 x = 90 x ausgemacht, da sind 1 Fl 15 x = 75 Kreuzers für einen Überseebrief aus Südamerkika doch fast ein Schnäppchen. Für Feldpost ins Feld wurden ja in der Regel Sammelstellen eingerichtet. Bin mir fast sicher, dass das zentral bei einem Postamt in Stuttgart war, das nur wenig weit entfernt von Asperg liegt. Evtl. hat man dort den Rundstempel als Bestätigung der Ankunft des von dort weitergeleiteten Auslandsbriefs abgeschlagen. So ein Ding wollt` ich auch mal für meine Spezi-Sammlung haben, echt Klasse :P

    + Gruß :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Sammlerfreunde,

    am nächsten zu Asperg liegt Ludwigsburg (Durchmesser des Distributionsstempel, ist 19 mm). Die Stuttgarter Distributionsstempel hatten Durchmesser von 20 mm, 14,5 mm und 18 mm, lt. Stempelkatalog der Kreuzerzeit Königreich Württemberg 1851 - 1875 von Thomas Heinrich.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Hallo ihr beiden,

    vielen Dank für die Stellungnahmen.

    Der Distributionsstempel auf meinem Brief hat 15 mm (gemessen), womit es dann wohl Stuttgart (mit den angegebenen 14.5) wäre. Welchen Durchmesser hatte übrigens der D-Stempel aus Heilbronn?

    Aber ist das wirklich plausibel? Wenn der Brief von Asperg zu einer Sammelstelle für Feldpost - möglicherweise in Stuttgart - weitergesandt würde, hätte man dort doch keinen D-Stempel angebracht. Der gehörte zur zivilen Post und dokumentierte die Ausgabe an einen Briefträger. In meinem Fall ging es aber doch um Weiterleitung per Feldpost. Da hätte ich eher einen Ankunfts- bzw. Durchgangsstempel aus Stuttgart erwartet zur Dokumentation einer Umkartierung. Der Prozess der Briefbeförderung endete ja nicht in Stuttgart mit der Ausgabe.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Vielen Dank, Hermann!

    Dann handelt es sich hier wohl wirklich um einen D-Stempel aus Stuttgart.

    Habe übrigens hier die Vorstellung eines Pendant zu meinem Brief gefunden:

    Altensteiger
    15. Dezember 2022 um 17:51

    Selber Absender, selber Empfänger, allerdings über England ("via Sothampton"), vom 28.2.1866.

    Interessant das Porto von "nur" 27 Kreuzern, also ungefähr ein Drittel (!) der 75 Kr. bei Leitung mittels französischem Schiff und Frankreich.

    Eventuell war mein Brief schwerer? Eine Erklärung der Taxierung würde mich jetzt schon interessieren...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Nochmals zum Distributionsstempel. Hat Mergentheim einen gehabt? Und: aus welchen Orten sind solche mit ca. 15 mm Durchmesser belegt?

    Ich könnte mir den Abschlag eines solchen Ausgabe-Stempels allenfalls für den Ort der Ausgabe der Post an die Feldpost-Organisation vorstellen. In Stuttgart war es aber nur die Weiterleitung der dort gesammelten Feldpost-Säcke, für die zunächst zivile Transportwege (Eisenbahn falls möglich) genutzt wurden und erst "am Ende", vor Erreichen des Kampfgebietes, übergeben wurden.

    Mergentheim diente als Relais-Ort für Nachschub und Lazarett; möglicherweise fand (im hier relevanten Zeitraum) dort die Übergabe der Feldpostsendungen an die Feldpöstler statt.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Hermann,

    das ist sehr gut! Da der Brief sicher nicht so weit nach Süden lief, muss es also der Stuttgarter D-Stempel sein.

    Dann scheint mir als Erklärung am plausibelsten, dass man den Brief in Asperg mit der Destination "Endstation Stuttgart" abgesandt hat, in der Überzeugung, dass dort der angebrachte "Feldpost"-Vermerk die entsprechende Behandlung bewirken würde.

    In Stuttgart hat man alle Briefe aus dem Beutel, dessen Inhalt nicht zur Weiterleitung an andere Orte mit der zivilen Post bestimmt war, mit dem Distributionsstempel versehen, ungeachtet ob Feldpost oder lokal verbleibend. Erst danach hat man die für die Feldpost bestimmten Briefe ausgesondert und an den zur Übergabe festgelegten Relais-Ort (Mergentheim?) geschickt.

    Wenn das so stimmt, müsste man noch andere für die Feldpost bestimmte Briefe aus dem Stuttgarter Raum mit dessen D-Stempel finden.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • ...von 70/71 weiss ich präzise, dass in Stuttgart nach der Kriegeserklärung Frankreichs extra ein Umspeditions-Postamt (Sammelbureau) eingerichtet worden ist, das täglich tausende an Feldpostbriefen an die Mobile Truppe weitergeleitet hat. Das noch zur Info, ob es auch 66 so war, weiss ich nicht, dürfte aber nicht vollkommen unwahrscheinlich sein.

    Schönen Gruß

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Vielen Dank für den Hinweis, Tim!

    Das werde ich mal recherchieren. Zumindest scheinen wir uns einig, was die plausibelste Erklärung für den Stuttgarter D-Stempel vor dem Hintergrund der Weiterleitung aus Asperg an die Feldpost ist.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Wilfried,

    da hast du ein Oberrosinchen an Land gezogen - Glückwunsch dazu.

    Die Taxierung hat die bad. Bahnpost ab Kehl vorgenommen - in Argentinien kannte man die deutschen Währungen gar nicht und Frankreich durfte nicht in Fremdwährungen taxieren.

    Wie man auf 1 Gulden 15x kommt, kann ich aus dem Kopf nicht sagen, aber ich habe Literatur dazu.

    Leider habe ich in Ulm soviele zeitaufwändige Aufträge bekommen, dass ich nicht mehr weiß, wo mir der Kopf steht. Ich bitte um Nachsicht, wenn mein Taxierungsergebnis daher noch einige Zeit auf sich warten lässt ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Vielen Dank, Ralph!

    Hat man der bad. Bahnpost dann Karten/Listen mitgegeben, auf denen der Reiseverlauf jedes einzelnen Überseebriefes mit den zugehörigen Portoforderungen standen? Wie sonst hätte der badische Pöstler das in Württemberg zu erhebende Porto berechnen sollen?

    Das muss im Einzelfall viel Arbeit für "komplizierte" Briefe, die durch mehrere Länder mit Schiff/Eisenbahn/Kutsche transportiert worden waren, gewesen sein. War der badische Postbeamte dazu in der Lage?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Wilfried,

    wenn ich mich nicht täusche, dann befindet sich auf dem Brief links neben der Anschrift noch ein handschriftlicher Vermerk. Ich lese eine 2 und eine 9, also 29?

    Was hat es damit auf sich?

    Beste Grüße

    Will

  • Lieber Wilfried,

    bei Auslandbriefen (also NICHT-DÖPV-Briefen) fungierte Kehl als Aufgabepost für den DÖPV-Bezirk. Somit hatte allein Baden Anspruch auf das von der badischen Bahnpost anzusetzende Gesamtporto, stand jedoch auch in der Schuldigkeit der Erstattung der ausländischen Gebühren. Hier belastete Kehl die Abgabe- bzw. Kartierungspost in Württemberg mit 1 Gulden 15 Kreuzern auf dem Brief und in der Briefkarte summarisch unter eingehenden, ausländischen Portobriefen.

    Kehl selbst war intern von Frankreich entsprechend der Postverträge bei dergleichen Briefen belastet worden. Kehl brauchte also nur den fremden Portoanspruch in rheinische Kreuzer entsprechend der Reduktionstabellen vorzumerken und das DÖPV-Porto, das nach Gewicht und Entfernung dazu kam, in einem Betrag auf dem Brief und der Briefkarte zu notieren.

    Bei der Abgabe des Briefes kassierte dann Württemberg den Gesamtbetrag und überwies diesen ohne Abzüge an Baden. Baden behielt den DÖPV-Anteil und vergütete den Rest an Frankreich. Damit war der Fall erledigt.

    Ja, das war recht aufwändig, aber die badische Bahnpost, die ab Kehl täglich mehrfach solche Kartierungen vorzunehmen hatte, war sehr gut geschult, denn es ging ja pro Tag oft und Tausende von Gulden "Umsatz" und wenn da eine Pfeife gesessen hätte, wäre das sehr bald stark ins großherzogliche Portemonnaie eingeschlagen.

    Das mit der Gebühr von 1fl. 15x schaue ich mir gleich an und melde mich, wenn ich dazu etwas finde.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Sammlerfreunde,

    Auch wenn ich mich wiederhole, ihr seid phantastisch. Es macht mir stets Freude euren Forschungen zuzuschauen. Wir ihr euch die Bälle hin und zurück spielt, jeder fügt etwas hinzu, bis am Ende der Kuchen fertig auf dem Tisch bzw Bildschirm steht und ich staunend ihn betrachten kann. Ich bedauere dass ich nichts hierzu beitragen kann, aber als Mitleser macht es auch viel Spaß.

    Liebe Grüße von der Pappnase Andreas

  • Liebe Freunde,

    das Buch, in den ich fündig geworden wäre, habe ich dem lieben Altensteiger am Wochenende überlassen, so dass ich mich mit meiner Sekundärliteratur begnügen musste. Leider bin ich ad hoc nicht fündig geworden.

    Da Baden ja für Württemberg bei Auslandsbriefen nach und über Franrkreich zuständig war, komme ich nur auf die Fremdtaxe von 24x plus den DÖPV-Anteil, womit 1 Gulden 15 Kr., wenn man richtig taxiert hatte, nur dann arithemtisch erreichbar sind, wenn der Brief über 15, aber unter einem Loth gewogen hätte, was schon bei bilateralen Briefen extrem selten war, denn es ging hier um 1g.

    In diesem Fall wäre zu rechnen gewesen: Bis 7,5g = 24x fremdes Porto, über 7,5g bis 15g = 48x fremdes Porto. Über 15g bis 22,5g = 1 Gulden 12 Kreuzer. Die restlichen 3 Kr. hätten dann Baden zugestanden für Briefe unterhalb eines Lothes (15,625g beim Vertrag von 1857 mit Frankreich, da ja noch das alte Loth galt (1 Pfund durch 32 Lothe, nicht das neue Loth mit 1 Pfund durch 30 Lothe).

    Aber ich habe auch eine VO aus 1860 zu den Tarifen von Argentinien nach/via Thurn und Taxis gefunden, laut der der Auslandsanteil 25 Kr. betragen hatte, womit es ein Brief der 3. Gewichtsstufe für die ausländischen Strecken bis Strasbourg gewesen wäre (3 mal 25 Kr. = 1 Gulden 15 Kr.). Demnach wäre dieser Brief dann ab der Grenze als Feldpostbrief portofrei nach Württemberg weiterbefördert worden, womit es ein sog. Teil-Portobrief gewesen wäre - das Seltenste vom Seltenen, wenn ihr mich fragt.

    Ich war so frei und haben die Scans einem lieben Freund zugemailt mit der Bitte um Verifizierung/Rektifizierung und harre nun seiner Antwort. Er könnte das wissen und wenn eine der beiden Möglichkeiten stimmen sollte, was ich nur vermuten kann, wäre der Brief die größte Bombe des 1866er Krieges, die man je gesehen hätte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... Demnach wäre dieser Brief dann ab der Grenze als Feldpostbrief portofrei nach Württemberg weiterbefördert worden, womit es ein sog. Teil-Portobrief gewesen wäre - das Seltenste vom Seltenen, wenn ihr mich fragt.
    ...

    Lieber Ralph,

    nochmals besten Dank für Deine Hilfe in dieser Recherche!

    Möchte nur zu bedenken geben, dass bei der Taxierung in Kehl durch die bad. Bahnpost noch nicht absehbar war, dass der Brief mal als Feldpostbrief enden würde. Das hat man erst in Asperg gesehen, wo sich der Empfänger nicht mehr befand und der Brief später per Feldpost weitergeleitet wurde.

    In Kehl musste man von einer normalen komplett portopflichtigen Zustellung ausgehen, was sich in der 75 Kr.-Taxierung niederschlagen müsste.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Wilfried,

    das wusste ich nicht - für mich sah die eher bläuliche Taxe und die Notation Feldpost aus, als wäre es dieselbe Hand.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Freunde,

    die Antwort kam und sie zeigt, dass es eine von mir genannte Variante auch tatsächlich war: 3. Gewicht von Argentinien bis Strasbourg à 24x = 72x über 15 bis 22,5g.

    1. Gewicht bis 15,625g im DÖPV mit 3x für Baden pauschal abgefunden, daher total 1 Gulden 15 Kr..

    Die Feldpostleitungen hatten keinen Einfluß auf die Taxe - der Feldpostvermerk stammt wohl von späterer Hand, der Empfänger musste also auch tatsächlich den vollen Betrag bezahlen.

    Briefe aus Frankreich nach Baden bzw. Württemberg dieser Art mussten über 15, aber unter 15,625g wiegen, um im Ausland dreifach schwer, im Inland aber noch einfach zu sein. Wie häufig das war, kann sich selbst ein Laie gut vorstellen.

    Briefe aus Übersee, noch dazu aus Südamerika, die praktisch auf ein halbes Gramm genau in diese Tariflücke stießen, sind nicht mal handverlesen - so viele gibt es nämlich davon nicht.

    Ganz, ganz großes Kino und in Verbindung mit der späteren Feldpost und 66er Krieg natürlich ein Unikat. Besser geht es nicht !! :love: :love: :love: :love:

    Liebe Grüsse vom Ralph

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