Der Deutsche Krieg 1866

  • Ja, das könnte der Absender sein, der wohl als Großhändler fungierte.

    Dann war wohl dem Ermetzhofener (Einzel-)Händler der Vorrat an gewissen Kolonial- oder Rauchwaren ausgegangen (evtl. kriegsbedingt ?).

    Vielleicht gab es auch aufgrund durchziehender Truppen eine erhöhte Nachfrage. In der Gegend waren doch damals irgendwelche württembergischen Einheiten. Gab es da eine zeitliche Überschneidung?

    Viele Grüße

    Gerd

  • Nein, in der Gegend von Ermetzhofen war Ende Juli kriegsmäßig (noch) nix los. Keine Württemberger. Die kamen erst auf dem Rückmarsch in die Heimat, nach dem 1.8.66.

    Hier ein Brief aus Ermetzhofen vom 2.8.66 (post #89) :

    mikrokern
    4. Juni 2011 um 18:35

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Guten Abend zusammen,

    also in meinen bescheidenen Augen ist dieser Beleg sensationell, natürlich nicht wegen dem schwelenden Kaufmannszwist, sondern aufgrund:

    • des Tatbestandes der - wenn auch nur kurzen - aber offenbar einzigsten Belagerungsoperation des gesamten Krieges 1866,
    • der politisch veranlassten, aber militärisch zum Scheitern verurteilten Gegenoffensive, welche von bayer. Bundestruppen kurz zuvor nicht unweit westlich Würzburg unternommen wurde,
    • der deswegen drohenden Katastrophe, welche die Zivilbevölkerung nur durch den vorläufig eingetretenen Waffenstillstand zwischen Preußen und Österreich entgangen ist.

    Eigentlich war die aus dem Tal der Tauber heranziehende preussische Main-Armee (rd. 50.000 Mann + rd. 120 Geschütze) unter dem Kommando von General von Manteuffel den Bundestruppen (VII. Korps / VIII. Korps = rd. 100.000 Mann + rd. 280 Geschütze) deutlich unterlegen. Sie hätten westlich von Würzburg eine gute Verteidigungsposition beziehen können. Oberbefehlshaber Prinz Karl von Bayern wollte jedoch mit einer Offensive das Plateau bei Hettstadt und damit Würzburg halten, um dadurch die Verhandlungsposition Bayerns in den anstehenden Friedensverhandlungen zu begünstigen.

    Das zu den Bundestruppen zählende VIII. Korps, einem aus 6 souveränen Staaten (u.a. Österreich) zusammengewürfelten Großverband war jedoch wegen innerer Zerrissenheit seiner Kommandostruktur nicht wirklich kampfbereit, zudem demoralisiert von der Niederlage bei Königsgrätz (3. Juli) , so dass die Vorgefechte der Bayern bei Uettingen und Roßdorf ca. 15-20 km westlich Würzburg am 25./26 Juli verloren gingen. Auch der Erfolg der Bayern im Reitergefecht von Hettstadt (26. Juli) konnte den Rückzug der gesamten Bundestruppe über den Main nicht mehr aufhalten.

    Als am frühen Morgen des 27. Juli die Preußen aus dem Guttenberger Wald heraus gegen Würzburg zogen, fanden sie zu ihrer äußersten Verwunderung alle westlichen und südlichen Höhen unbesetzt. Das angeschlagene Bundesheer stand jetzt am Ostufer des Mains. Damit lag nicht nur die Festung Marienburg im direkten Einwirkungsbereich der preußischen Artillerie, sondern auch die Stadt selbst. Von dort wird in der Gartenlaube (Hft. 45, 1866) berichtet:

    In der Stadt hatte man keine Ahnung von der ihr selbst drohenden Gefahr, man hielt die ersten hereinfliegenden Kugeln für verirrte Geschosse, bis das zunehmende Pfeifen und Sausen in der Luft, das Platzen der Projectile, welche die Straßen mit ihren Splittern und herabfallenden Ziegeln und Steinbrocken bedeckten, sie eines Andern belehrte. Als sich nun noch von der Festung her eine ungeheure schwarze Rauchwolke, haushoch von rothen Flammen durchzüngelt, heranwalzte, als die Sturmglocken ertönten, da kam der ganze Ernst der Lage über die geängstigte Einwohnerschaft.

    Insofern ist davon auszugehen, dass der am Vormittag in Würzburg eingetroffene Brief tatsächlich noch "arglos" zur hiesigen Postexepedition verbracht worden ist.

    Das ist schon hammermäßig, Gratulation zum Erwerb !

    Zu erwähnen wäre schließlich, dass Preußen noch am 31. Juli mit der Wiederaufnahme des Beschusses, speziell der Stadt gedroht hatte, weil es mit den Verhandlungen über die Verlängerung der zunächst 24-stündigen Waffenruhe "nicht so richtig voranging". Am 2. August erfolgt dann aber ihre kampflose Übergabe.

    Schönen Gruß

    vom Pälzer

    verwendete Quellen:

    Die Bischofstadt im Kugelregen – Wikisource

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    3 Mal editiert, zuletzt von Pälzer (28. September 2023 um 23:29)

  • Hallo Tim,

    vielen Dank für die ausführliche Beschreibung der militärischen und politischen Situation zu Kriegsende. Schön, dass dir der Beleg gefällt!

    Ich möchte noch ergänzen, dass "lediglich" 4 Batterien (24 Geschütze) der 13. Infanterie-Division Goeben aktiv an der Beschießung der Festung Marienberg beteiligt waren. Deren Ziel war immer die Festung; eine absichtliche Beschießung der Stadt kann ausgeschlossen werden, sodass es sich bei den Einschlägen in der Altstadt tatsächlich um "verirrte Geschosse" handelte.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Ist es wohl nur Zufall, dass der Adressat des Briefes (Joseph Leinecker) und der Ersteller des Berichtes "Die Bischofsstadt im Kugelregen" und des Bildes in der Gartenlaube (Franz Leinecker) den gleichen Familiennamen tragen ?

    Oder bestand da ein Verwandschaftsverhältnis ?

    Viele Grüße

    Gerd

  • Am 31. Juli 1866 stand u.a. folgende Nachricht im "Würzburger Anzeiger":

    Auf der Festung wurde ein Kanonier getödtet, mehrere burch Granatsplitter, unter ihnen Hauptmann Böheim vom 9. Inf. Reg. (am Kopfe) leicht verwundet. Eine Granate, welche am Dachfenster der Mainmühle einschlug und plazte, verwundete 2 Mann. In der Stadt selbst wurden viele Häuser, insbesondere in der Blattnersgasse, ziemlich start beschädigt. In den oberen Stock des Buchbindermeisters Gresser schlug eine 12pfündige Granate ein, glitt am Schrank ab, stieg dann durch den Fehlboden in die Höhe und wurde von den Herbeleitenden in der Dachstube gefunden. Dieselbe war jedoch krepirt, sonst hätte sie großen Schaden angerichtet. Bei dem sogenanten Palais-Georg in der Büttnersgasse wurden Fenstergewände zerschmettert, im Anker schlug eine Kugel in die Fensterbrüstung ein, zerschmetterte dieselbe sowie das davorstehende Sopha, flog diagonal durch die Stube die gegenüberstehende Fensterbrüstung durchbrechend und zerplazte alsdann auf der Straße, die in der Nähe befindlichen Fenster zertrümmernd. In der Nähe der Seminariumskirche plazten mehr denn 30 Granaten in der Luft, viele schlugen in der Juliuspromenade und im Hofgarten ein, meistens in der Richtung zum Reidenzschlosse, im Ganzen haben sie jedoch wenig Schaden gethan und hoffen wir, daß wir von weiteren Schrecken verschont bleiben."

    In einem anderen Werk zu 1866 steht zur Beschießung lapidar "militärischer Erfolg gleich Null".

    Anderseits hat der bekannte Dr. Anton Ruland im Landtag als er als Einziger gegen den Friedensvertrag mit Preußen stimmte, ein Stück Granate aus Würzburg mitgebracht und sagte: "Die Bruderhand und mein Herr Völk sehen Sie her die Bruderhand, die über den Main gereicht wird, das sind die Kugeln! da hören die Sympathien auf."

    Der Oberbibliothekar der Universität Würzburg pflegte u.a. eine Korrespondenz mit Dr. Wiedemann in Wien. Aus einem Schreiben, das im Archiv der Uni-Bibliothek Würzburg liegt, geht hervor, dass selbst aus Wien Briefe noch Ende Juli nach Würzburg gelangten, wenn auch mit Verzögerung (Österreich war ja im Krieg). Zitat aus einem Schreiben von Dr. Ruland (leider habe ich das Datum nicht notiert):

    "Verehrter Herr Doktor! Ihre liebe Sendung vom 13. Juli traf dahier am Vorabende vor der muthwilligen Beschießung unserer Stadt durch die Preußen ein" (= 26. Juli).

    Mit dem Ankunftstempel 27.7.66 ist also in der Sammlung von mikrokern jetzt nachweisbar, dass die Post alles tat, um den Korrespondenz-Austausch aufrechtzuerhalten, was ich in einem Beitrag im ARGE Rundbrief "bayern klassisch e.V" von 2016 so formulierte:

    Vor allem die Verbindung nach "Süden", also da wo keine preußischen Truppen waren, konnte die Post die Verbindungen (auch Telegrapen-Leitungen) halten. Dagegen war in Richtung Süd-Westen (Baden/Württemberg/Untermain/Hessen) immer wieder keine Postverbindungen gegeben.

    In der Sophie-Sammlung, die vor einiger Zeit versteigert wurde, war ein Brief aus Würzburg vom 24.7.66 nach Wurzach, der erst am 18.8.66 zugestellt wurde.

    Auch ein Brief aus Würzburg vom 7.8.66 gibt Auskunft über die Beschießung und die Ereignisse damals:

    Aus dem Brief ist ersichtlich, dass vor allem der Güterverkehr mit der Bahn unterbrochen war, was aus dem Ermetzhauser-Brief ersichtlich ist. So finden sich Anzeigen vom Oberpostamt Würzburg mit Hinweis auf die Einstellung von Güterzügen, die aber nur sporadisch erschienen und keine exakte Aussage zulassen, ob und wann Güterzüge noch fuhren.

    Vielleicht noch nebenbei interessant, dass der Abzug der Preußen aus Würzbur wieder zu einer Unterbrechung der Güterzüge führte. Dazu folgende Anzeigen:

    Luitpold

  • Hallo Wilfried,

    bin ja deswegen so - wirklich - begeistert von dem Beleg, da er - wie man sieht - als relativ einfaches Zeitdokument wie kaum etwas anderes dazu einläd, sich (überhaupt einmal) mit dem Hergang der Dinge zu beschäftigen. Natürlich kann man das alles aus Geschichtbüchern, wikipedia etc. entnehmen und vielleicht irgendwann mal von KI vorgeplappert bekommen. Aber ein Anlass (überhaupt) dafür, sind die von uns unter dem schon oft diskutierten Stichwort socail philately herausgearbeiteten Belege. Das nach meiner Überzeugung Salz in der Supp unserer Sammelei.

    Natürlich hatte das noch ziemlich kleine preussische Detachment von Goeben leichtes Spiel, denn dessen Gegenpart, das besagte VIII. Korps der Bundestruppe war ja schon am 26. Juli aus z.T. schwer verständlichen Gründen auf den Weg ab über den Main. Auch wenn die Wirkung der Artillerie des Detachments von Goeben mit Ausnahme des Zeughausbrandes auf der Marienburg bescheiden bleiben musste, so war die psychologische Wirkung auf die Bevölkerung doch eine andere.

    Die Gartenlaube mag danach über eigentlich "belanglose Details" berichten, was in Würzburg so alles "zu Bruch" gegagen ist. Ganz anderes wird es aber noch am 31. Juli gewirkt haben, als der preussiche Kommandeur die Waffenruhe wieder drohte auflösen zu wollen und Würzburg praktisch zwischen die Fronten geraten wäre. Und da hat ja dann nicht mehr nur das Detachment von Goeben, sondern die gesamte Mainarmee vor den Toren im Westen und Süden der Stadt gestanden. Aber es ist ja nochmal gut gegangen, wie man aus dem Bericht der bayerischen Armee erfährt:



    Und lieber Gerd, die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen, da scheint eine Verwandschaft sehr wahrscheinlich zu sein, zumindest wenn man sich das Adressbuch von Würzbug aus 1865 betrachtet:



    Schönen Gruß

    Tim :thumbup:

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    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (29. September 2023 um 14:16)

  • Hallo Tim,

    das ist sicher alles richtig, was du schreibst.

    Ich würde aber die Bedeutung des Briefes - gerade in "social philately"-Hinsicht - nicht überbewerten wollen, da der Inhalt keinen Kriegsbezug hat und man daher keine Einblicke in Meinungen und möglichen Sorgen des Schreibers hat.

    Er ist "lediglich" faktisch interessant, da er belegt, dass das Postamt Würzburg am Morgen des ominösen 27.7. noch funktioniert hat.

    By the way: gibt es frühere römische Stundenangaben als VII-VIII? Wenn ja, hätte ich eine frühere Bearbeitung des bereits am Vortag aus Ermetzhofen eingetroffenen Briefes erwartet. Aber vielleicht war ja 7 Uhr morgens der Arbeitsbeginn beim Oberpostamt. Oder der Transport der in der Nacht angekommenen Post vom Neuen zum Ludwigsbahnhof ist nicht eher eingetroffen...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Auch wenn die Wirkung der Artillerie des Detachments von Goeben mit Ausnahme des Zeughausbrandes auf der Marienburg bescheiden bleiben musste, so war die psychologische Wirkung auf die Bevölkerung doch eine andere.

    Die Geschichte der Kriege Bismarcks beginnt für mich mit 1864 Preußisch-Dänischer Krieg. Die psychologische Wirkung einer Kanonade wurde im Spielfilm "1864 – Liebe und Verrat in Zeiten des Krieges" eindrücklich gezeigt. Ob das so war, eindrucksvoll auf alle Fälle.

    Zu Würzburg: eine zeitgenössische Meinung:

    Scandalös war auch, daß die Preußen mit ihren Feldgeschützen meist geringen Kalibers im Angesicht mehrerer ihnen gegenüber aufgepflanzten feindlichen Batterien und zweier Heere eine Festung, mit dem schwersten Geschütz armirt, Stunden lang bombardiren ja zum Theil in Brand schießen konnten.


    Und das muss auch gesagt werden in Bezug auf die Bevölkerung Würzburgs und Unterfrankens.

    Wer hätte gedacht, dass die bayerische Armee so versagen würde und der Krieg bis vor die Tore der unterfränkischen Regierungsstadt kommen würde?

    Aus einem Brief von Dr. Ruland vom 31. Juli 1866: "Das unsrige ((Unglück)) hängt mit seinem ((Österreichs Unglück)) zusammen, doch war unsere Kriegsführung eine solche, dass ein vernünftiger Mensch an Verrath, oder totale Unthätigkeit der Führung denken muss. Was wird nun?"

    Eine heutíge Einschätzung des Krieges 1866 findet sich anlässlich der Sonderausstellung des Bayerischen Armeemuseums 2016 "Der deutsche Krieg 1866" steht im Ausstellungsbuch auf S. 36 (Autor Dieter Störz"): " ... die Ursache der Niederlage in Böhmen und Westdeutschland nicht vorrangig in der Bewaffnung zu suchen war, sondern in der preußischen Überlegenheit in Ausbildung, Taktik und Führung...".

    Das führte 1867 zur Reorganisation des bayerischen Heeres und mündete in den siegreichen Schlachten von 1870/71.

    Übrigens - Feldgeschütze 6 -Pfünder: Info https://de.wikipedia.org/wiki/6-Pf%C3%BCnder-Feldkanone_C/61

    Dort finden sich technische Angaben, wie zur Reichweite.

    Übrigens auch ohne eigene Briefe ist eine Recherche jederzeit möglich und auf KI muss nicht gewartet werden - oder können wir schon nicht mehr schreiben und lesen? ;)

    Luitpold

    Zu Leinecker, Verwandschaft - Sohn - wahrscheinlich, da in Schuljahresberichten zwei Söhne, Franz und Philipp Leinecker genannt werden, deren Vater als Kaufmann unter "Stand der Eltern" aufgeführt ist.

  • Guten Abend Wilfried,

    angesichts des nur sehr kurzen Ereignisses halte ich den Beleg in dessen Kontext schon für durchaus bemerkenswert. Vielleicht hat der Leidecker dem Ermetzhofener nichts liefern lassen können, weil er kriegsbedingt selbst nichts mehr über die Bahn von Frankfurt geliefert bekommen hat. Das wär`s 8o...lässt sich natürlich aber nicht nachvollziehen. Luitpold, weder habe ich dargelegt, dass ich ein fan von KI bin, noch halte ich Leute, die sich ohne Belege mit Geschichte beschäftigen wollen damit auf. Es kann einer ja bekanntlich machen oder lassen was er will.

    + Gruß

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  • Zeige hier eine Württembergische Ganzsache aus Wildbad an den General von Hartmann in Würzburg.

    Der Brief dürfte im Todesjahr des Generals geschrieben worden sein, da rückseitig der Würzburg-Stempel höchstwahrscheinlich aus 1873 stammt (Wü-Bahnh. ohne Jahreszahl).

    Über diesen General gab es nach dem Krieg 1866 heftigste Diskussionen, wie hier nachzulesen ist, aus einem Nachruf:

    Anläßlich des Ablebens des Generals v. Hartmann schreibt die „Südd. Post" u. A. Folgendes: Nach dem Feldzuge von 1866 wurde General Hartmann wegen seines Nichteintreffens bei der Schlacht von Kissingen, die dadurch verloren ging, heftig angegriffen. Gegen den „Nürnb. Anzeiger" und den „Voltsboten" fanden deßwegen Schwurgerichtsverhandlungen statt, ohne daß dadurch die Angelegenheit zu besserer Klärung kam, da der General, vom Kriegsministerium nicht entbunden, schweigen mußte. Später wurde die Angelegenheit von der Südd. Post wieder aufgegriffen und kam dieselbe in die Lage, aus authentischer Quelle constatiren zu können, daß Hartmann am Nichteintreffen ganz schuldlos war. Gegen ausdrücklichen Befehl war er sogar zweimal vorgerückt und erst das drittemal blieb er stehen, warf aber seinen Säbel weg mit den Worten: "Da möchte der Teufel General sein." In dem von ihm selbst herrührenden Angaben erklärte er, er möchte den Soldaten kennen, der es wagte, einem dreimaligen Befehl ungehorsam zu sein. Hartmann hatte es satt, in der öffentlichen Meinung immer als der schuldige Theil zu gelten. Es wurden die Aufsehen erregenden Enthüllungen der „Südd. Post“ von keiner Seite dementirt, und wenn es zu einem neuerlichen Processe gekommen wäre, was merkwürdiger Weise nicht der Fall war, hätte Hartmann unter allen Umständen sein Schweigen gebrochen, wie uns bestimmt versichert wurde. Da kam eine Wendung durch Gottes Fügung, französische Krieg, und damit war der Sache ein Ende gemacht."


    Die Geschichte ist bekannt und vielfach niedergeschrieben, wie hier: "Im Kriege 1866 erhielt v. Hartmann den Befehl, über die 4. Inf. Division des mobilisirten bayer. Bundescontingents. Bekanntlich gab damals Oberst Aldoffer durch Ueberfallen einer preußischen Feldwache das Signal für die Bayern zum Angriffe. Sofort machte die preußische Division Göben einen Vorstoß gegen Bayern. Es kam zu den nichts entscheidenden, aber blutigen Gefechten von Zella, Wiesenthal, Dernbach, wo die Bayern tapfer aber vereinzelt kämpften und den Westphalen weichen mußten. Bei Roßdorf, wo auch Generalmajor von Faust an der Spitze des 5. Regiments gefallen, führte General von Hartmann seine Truppen persönlich in das Gefecht, und suchte durch Tapferkeit, sowie durch Herbeiziehen einer Batterie gezogener Geschütze dem Kampfe eine günstigere Wendung zu geben. Höherer Befehl rief ihn damals zurück, doch hatte sich Hartmann durch seinen Muth sehr populär gemacht. Diese Volksgunst war indeß von kurzer Dauer."

    Ich stelle den Briefumschlag auch unter 1871 ein* (weil es über diesen General, der mit 78 Jahren ein hohes Alter erreichte viele Informationen gibt), denn dort gehört er eigentlich hin, denn "als Oberbefehlshaber des 2. Armeecorps führte er dasselbe im Jahre 1870 und 1871 im Feldzuge gegen Frankreich, an dessen glücklichen Ausgang er bekanntlich als erprobter Feldherr, trotz seines hohen Alters alle Strapagen muthig ertragend, den rühmlichsten Antheil hat."

    Luitpold


    * weil "einer ja bekanntlich machen oder lassen was er will." :)


    Einmal editiert, zuletzt von Luitpold (29. September 2023 um 18:53)

  • Hallo,

    hier noch einige Ergänzungen zu dem in post #1617 gezeigten Einquartierungs-Billett, die ich aufgrund der sachdienlichen Hinweise (Bavarikon) unseres @Pälzers jetzt vornehmen konnte.

    Nach der Mobilmachungsproklamation von König Ludwig II. am 11.5.1866 fand in den ersten Juniwochen die Zusammenführung der Einheiten zur aus 4 Divisionen bestehenden mobilen Armee statt, u.a. im Lager Lechfeld (südlich von Augsburg) und bei Schweinfurt. Nicht alle Soldaten wurden in den einfachen Lagern untergebracht, sondern - vor allem - Offiziere bei Privatpersonen, und unter besseren Bedingungen. Der Quartierschein mit Datum 12.6.1866 könnte also durchaus in diesen Zeitrahmen passen; eine genaue örtliche Lokalisierung ist leider nicht möglich.

    Im "Regierungs-Blatt für das Königreich Bayern" No. 21 vom 30. April 1858 wurde eine "Bekanntmachung zur Übereinkunft zwischen Bayern und Österreich über die Einquartierung und Verpflegung kaiserlich österreichischer Truppen in Bayern" veröffentlicht (S. 496 ff.), deren Wortlaut dem gedruckten Text auf der Billett-Rückseite sehr ähnlich ist. Ich gehe davon aus, dass man 1866 solche Scheine aus früheren Jahren verwendet hat, als österreichische Truppen - z.B. als Besatzung von Bundesfestungen - nach und durch Bayern befördert und in Bayern einquartiert wurden, womit die Scheine einen Gültigkeitsbereich sowohl für bayerische wie auch für österreichische Soldaten hatten.

    Schließlich detailliert die Annonce im Schweinfurter Tagblatt vom 12.1.1867 die "Einlösung" der Quartierscheine einige Monate nach Kriegsende - ein Vorgang, der in ähnlicher Weise an allen Orten, wo Soldaten einquartiert und verpflegt worden waren, stattgefunden haben wird.

  • Guten Abend Wilfried,

    mit dem 23. Juni sind wir ja noch relativ früh in der Aufmarschphase. Wenn man sich da so ein paar Regimentsgeschichten betrachtet, dann da sind ja viele Einheiten vom bayerischen Wald her über die Gegend um Bayreuth Richtung Main auf Lichtenfels / Oberhaid gezogen. Du hattest in dem post zuvor die Häufkeit des Namens Hammon im Raum Bayreuth und Nürnberg erwähnt. Im Distikt-Hausnummer-Verzeichnis von Bayreuth 1866...

    ...findet man zwar öfters den Namen Hammon, aber keinen mit der Hausnummer 23.

    Von Nürnberg habe ich nur das Adressbuch von 1876 finden können, da sind auch ein paar Hammons zu finden, aber auch nicht in einer Hausnummer 23. Was ich mich auch ein frage ist, ob Nürnberg am 23. Juni von Relevanz für den Aufmarsch war. Es wundert mich sowieso, dass der Hausnummer gar kein Straßenname zugeordnet ist ...es sei, denn, das war irgend ein kleineres Örtchen, in dem es halt nur 1 x die Hausnummer 23 gegeben hat.

    Jetzt gibt es zu dieser etwas abgefahrenen Möglichkeit diese Quelle:

    Findmitteldatenbank - Generaldirektion der Staatlichen Archive Bayerns

    ...d.h. von dem Weiler Birk, ca 15 km südöstlich von Bayreuth.

    Birk · 95517 Emtmannsberg
    95517 Emtmannsberg
    www.google.com

    Der Hausbesitzer der baugeschädigten No. 25 war evtl. auch Besitzer der daneben stehenden 23 ? Welche Einheit da aber durchgezogen sein sollte, ich habe bisher dazu nur annährend die 3. Cheveauleger gefunden, aber da wirst Du sicher bessere Quellen für haben.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Klasse Recherche, Tim, vielen Dank!

    Denke, es wird sich vorerst nicht herausfinden lass, welchem Ort der Einquartierungsschein zuzuordnen ist.

    Kleine Korrektur: Datum des Scheins ist der 12.Juni (nicht 23.6.). Das ist sogar noch früher, evtl müsste man daher den Suchbereich weiter ausdehnen, da die aufgebotenen Soldaten aus ganz Bayern herangezogen wurden...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,

    der hier gezeigte Laufzettel stellt mich vor mehr Fragen als ich Antworten habe. Zumindest ist aber ein weiterer Hinweis auf die Existenz des bayerischen Feldpostamts nach dessen kolportierter Aufhebung am 2.9.66 (s. post #1671) gefunden!

    Aber der Reihe nach.

    Am 13.8.1866 wurde in Speyer ein Geldbrief mittels Fahrpost an den Soldaten Michael Benl im 15. Infanterie-Regiment "derzeit im Spital zu Neustadt a.d. Saale" gesandt, der offenbar nicht ankam, weshalb man am 13.9. den Verbleib der Sendung per Laufzettel unter "Charge" aufzuklären suchte und "nach Neustadt a.S. per Würzburg adressierte.

    Der nächste nachvollziehbare Datum ist der handschriftliche Vermerk "da sich Adressat nicht hier ?? [befindet?] nach Würzburg zur Übergabe an die Feldpost. 18/9".

    Ausweislich des Stempels vom 20.9.66 ging dieser nach Würzburg, wo ein weiterer Stempel den Eingang am 22.9. bestätigt... Danach ging der Laufzettel offensichtlich wieder zurück nach Neustadt, wo man unter dem früheren Vermerk "Neustadt d. 24/9. 66" lesen kann.

    Und weiter gings - wieder zurück nach Würzburg, jetzt mit Datum 26.9.66 Ankunft gestempelt und zusätzlichem Vermerk "findet sich ??? Brief v. 18/9.66 nicht Würzbg 26/9 66"

    Der letzte handschriftliche Eintrag stammt dann vom Feldpostamt in München (Ankunftsstempel München 27.9.66), wo man "Am 20. August ?? zur Artillerie-Reserve nach Pöttmes u. von Oblieut. u. Adjutant Hörhammer bescheinigt. München ?? 66, kgl Feldpostamt"

    Die Logik des Hin-und Her erschließt sich mir nicht. Wer kann hier helfen?

    Auch die Recherche zum Soldaten Michael Benl liefert ein unbefriedigendes Ergebnis: für das Jahr 1866 konnte ich nichts finden: jedoch stößt man für den 70/71er Krieg auf den Corporal Michael Benl aus Wiefelsdorf (bei Schwandorf), der am 1.12.1870 im Gefecht von Orleans verwundet wurde und später - mit 21 Jahren! - seinen Verletzungen erlag. Ob das derselbe Benl aus 1866 sein kann?

    Aber vielleicht war er's ja doch, und das Problem mit der Zustellung des Geldbriefs lag an der falschen Angabe seiner Einheit: 15. statt 11. Infanterie-Regiment. Aber haben 16-Jährige bereits als reguläre Soldaten an den Kämpfen 1866 teilgenommen?

    Soldaten beider Regimenter haben an den Gefechten in Kissingen und Nüdlingen am 10.7.66 teilgenommen, weshalb der Aufenthalt im Spital zu Neustadt a.d.Saale für den Fall einer Verwundung nachvollziehbar wäre.

    Oberleutnant und Adjutant Hörhammer gehörte dem 15. IR an; den Bezug zur "Artillerie-Reserve in Pöttmes" kann ich nicht nachvollziehen, da es sich weder beim 11. noch beim 15.IR um Artillerieeinheiten handelte.

    Interessanterweise ist auch nirgendwo ein Ankunftsstempel von Neustadt a.d. Saale zu sehen

    Für jede Unterstützung in der Aufklärung dieses Laufzettels bin ich dankbar, gerade auch was die "???" in den Vermerken betrifft.

  • Lieber Wilfried,

    erstmals großen Glückwunsch zu dieser Oberrosine - viel seltener geht es nicht bei dem Krieg von 1866.

    Zuerst sollte man festhalten, dass es ein sog. "Dienstlicher Laufzettel" war, also ein Grund vorgelegen haben muss, dass die Aufgabepost in Speyer diesen kostenlos für den Absender abschickte.

    Der Grund dafür kann folgender gewesen sein:

    1. Es lag ein Schreiben des Empfängers vor, in dem dieser dem Absender bestätigt hatte, nichts erhalten zu haben.

    2. Alternativ war der Geldbrief mit einem Rückschein versehen versendet worden und der Rückschein

    a) ging leer zurück, also nicht vollzogen, oder

    b) ging gar nicht zurück.

    Laufzettel waren, wenn Rückscheine gewünscht worden waren, nach Ablauf einer Frist (1 Monat wie hier) von seiten der Aufgabepost selbst abzuschicken, wozu es nicht des Absenders bedurfte, weil das eine der Dienstesaufgabe der Aufgabepost war.

    Auf der anderen Seite weiß ich nicht, ob ein Wertbrief an Militärs im Dienst wie hier, überhaupt für den Absender kostenpflichtig war. Das müsstest du mal nachlesen.

    Das Folgende lese ich so:

    "da sich Adressat nicht hier befand nach Würzburg zur Übergabe an die Feldpost. 18/9 zuk(artirt) B".

    Das Folgende lese ich so:

    "findet sich umbenannter Brief v. 18/9.66 in Karte (= Briefkarte) vom 18/9 1866 nicht. Würzbg 26/9 66"

    Das bedeutet im Klartext, dass bei der Nachsuche der Sendung kein Eintrag über den Brief gefunden hatte.

    Das Folgende lese ich so:

    "Am 20. August sub Numero 2 (das war die Manualnummer im Fahrpostmanual) zur Artillerie-Reserve nach Pöttmes u. von Oblieut. u. Adjutant Hörhammer bescheinigt. München 4/12 66, kgl Feldpostamt"

    Bei der Datumsangabe von München bin ich nicht sicher, es könnte auch der 4/11 gewesen sein, wobei mir das alles sehr spät vorkommt.

    Sendungen an im Felde stehende Militärs wurden oft an Offiziere abgegeben und galten damit rechtlich als zugestellt, weil die Post an einem Tag im Krieg bei vlt. 100 verschiedenen Empfängern nicht jeden in den Kasernen und Spitälern aufsuchen konnte und somit "Zustellbevöllmächtigte" brauchte, um das alles im Bausch und Bogen zu bewältigen. Ich denke, hier lag das Problem, dass man bei den evlt. desolaten Verhältnissen nicht mehr seitens des Militärs wusste, wer für wen was angenommen hatte.

    Auch könnte ich mir vorstellen, dass in dem ganzen Tohuwabohu vlt. mal ein Soldat lange Finger gemacht hatte und sich fremdes Eigentum aneignete (was im Falle einer Aufdeckung dann auch militärintern geklärt worden wäre, evtl. ohne Inanspruchnahme der Post).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Winzer,

    schau mal hier:

    ...steht in der Regimentsgeschichte der 15er.

    'Geschichte des königlich bayerischen 15. Infanterie-Regiments König Johann von Sachsen im Feldzuge 1866 gegen Preußen' - Viewer | MDZ

    ...und hier:

    Suchergebnisse Verlustlisten der königlichen bayerischen mobilen Armee 1866

    Das Gefecht fand ca. 50 km nördlich vom zuerst adressierten Lazarethstandort in Neustadt an der Saale statt.

    Sollte eher passen, oder ?

    + Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Tim,

    vielen Dank!!

    Deine Suche führt also nicht zu dem bezeichneten "Michael Benl", sondern zu "Berne". Immerhin 15. IR.

    Die Frage ist, ob ein Geldbrief derart falsch adressiert worden sein kann - Benl statt Berne -, weshalb er dann nicht zugestellt werden konnte. Wer schickt wohl Geld ins Feld? Doch nur nahe Verwandte oder Freunde, und die sollten eigentlich den Zunamen korrekt angeben können.

    Was war der Vorgang, wenn eine Fahrpostsendung nicht zugestellt werden konnte, weil der Empfänger - unter dem angegebenen Namen - unbekannt war? Doch wohl Rücksendung, die es hier nicht gab.

    Und der Bezug zur Artillerie-Reserve in Pöttmes bleibt auch unklar.

    Beste Grüsse vom
    µkern