Blauer Chargé-Stempel während Quadratkreuzerzeit

  • Hallo Sammlerfreunde,

    heute möchte ich einen blauen Chargé-Stempel zeigen. Viele werden denken, blaue Farbe "na und", gibt es doch in Bayern schon immer. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht.
    Nach einer Verordnung vom 16.3.1861 sollte der Chargé-Stempel nur noch in roter Farbe angebracht werden, was erst wieder im Jahr 1872 geändert wurde.
    Der Brief aus Gankofen fällt in diese Zeit. Leider hat er kein Datum (Jahr), was aber hier nicht unbedingt von Bedeutung ist, da die Verwendungszeit aufgrund der beiden roten 3 xr-Marken nur im oben genannten Zeitraum sein kann.

    Rote Chargé-Stempel sind in dieser Zeit also normal. Ab und zu sieht man insbesondere in der ersten Zeit nach der neuen Verordnung noch schwarze Stempel, die Farbe Blau ist aber kaum anzutreffen. In Verbindung mit Quadratkreuzermarken kenne ich so gut wie keine.

    Offensichtlich hatte der Postler in Gangkofen eine ganz besondere Beziehung zu blauen Farbe. Nicht nur Chargé-Stempel auch Orts- und Mühlradstempel sind von dort in dieser Farbe bekannt.

    Vielleicht kann noch jemand blaue Chargé-Stempel aus der Quadratkreuzerzeit zeigen, damit evtl. ein Schluss auf deren Seltenheit oder Nicht-Seltenheit gezogen werden kann.

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,

    m. E. sind blaue Chargéstempel äußerst selten - ich kenne nur noch von Neustadt an der Aisch welche (auch da handverlesen). Noch seltener sind nur die grünen (von Kürn) ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (9. Februar 2014 um 09:07)

  • Hallo liebe Sammlerfreunde,

    ebenfalls aus Gangkofen Ob ist der wunderschöne, handgeschriebene Bischofsbrief mit blauem Charge-Stempel vom 16.2.1866.

    Der Brief ist aus der Walter Husnätter Sammlung, die Abbildung aus dem online-Katalog der Firma Köhler.

    Gruss kilke

  • Hallo kilke, bayernjäger und bayern klassisch,
    auf Eure Informationen hin habe ich mal den Bestand durchgesehen und bin auf einen schwarzen Chargéstempel von 1862 (Ansbach) und auf einen in lila von 1865 (Augsburg) gestoßen. Vermutlich handelt es sich um Verfärbungen, was nach ca. 150 Jahren ja auch nicht verwunderlich ist. Oder gibt es tatsächlich noch andere Stempelfarben?
    Schönes Wochenende wünscht noch
    Mangfalltaler

    P.S.: Weil´s so gut passt, habe ich den Avataren mit den Nummern 1 und 2 noch einen mit der Nummer 4 hinzugefügt aus meinem Wohnort Bad Aibling :thumbup: !

    Einmal editiert, zuletzt von Mangfalltaler (8. Februar 2014 um 17:35)

  • Hallo Mangfalltaler,

    Chargéstempel der Vormarkenzeit kenne ich in grün, blaugrün, blau, schwarz, orange, rot und mauve (nur von einem Ort).

    Ab der Markenzeit sollte immer schwarz gestempelt werden (Aufgabe- und Zusatzstempel, worunter auch Chargéstempel, nach Postabgang usw. gehörten).

    Mit dem neuen Postvereinsvertrag zum 1.1.1861 wurde rote Stempelfarbe ausgegeben (die zwingend von der Materialverwaltung zu beziehen war und der Expeditor, der sie nicht anforderte, durfte kurze Zeit später seinem Oberpostamt erklären, warum es ausgerechnet bei ihm keine Einschreiben geben sollte ...).

    Dennoch finden wir, siehe auch in meiner Contraventionssamlmung, Stücke, bei denen weiter schwarz gestempelt wurde. Evtl. war die rote Stempelfarbe auch teurer, so dass hier eine Motivation gelegen haben könnte, aber ich habe die Preise hierfür leider nicht mehr im Kopf.

    Der Grund der Umstellung war ein postvereinstechnischer: Es gab immer mehr Recobriefe und wenn sie von gewissen Postvereinsländern kamen, in denen regelmässig schwarz gestempelt wurde, während ja auch die Adresse i. d. R. mit schwarzer Tusche geschrieben wurde, dann fiel die Besonderheit der Recommandation hin und wieder nicht auf (dunkle Diensträume, dunkle Bahnpostwaggons bei der Kartierung), so dass es häufiger mal passierte, dass die Transit- bzw. Abgabeposten Einschreiben als solche übersahen und die Briefe einfach so auslieferten.

    Die Folge konnte aber sein, dass bei unangenehmem Inhalt der Empfänger behaupten konnte, ein Einschreiben nie erhalten zu haben und die Post logischerweise keinen Nachweis hatte, dass es ihm doch zugegangen war. Bei Nachforschungsaufträgen per Laufzettel oder Postlieferschein hatte dann der Postler Pech, der als letzter den Eingang des Einschreibens quittiert hatte. In diesem Fall war die Postverwaltung im Postverein dem Absender des Briefes / Inhaber des Postscheins den Versicherungsbetrag von 24,5 Gulden rheinisch schuldig.

    War der Ort der Zuwiderhandlung nicht in Bayern festgestellt worden, forderte die bayer. Postverwaltung unter Vorlage des Laufzettels von der Postverwaltung die 24,5 Gulden zurück, die sie dem Absender ausgelegt hatte. Diese Postverwaltung hatte dann Bayern den Schaden zu ersetzen und versuchte nun ihrerseits sich diesen Betrag von dem Individuum zurück zu holen, der als Letzter das Einschreiben erhalten hatte.

    So kam es, dass ein (eher armer) Postbediensteter im Falle nur eines Briefes einen ganzen Monatsgehalt = 24,5 Gulden verlor, gleichzeitig disziplinar bestraft wurde (Degradierung = noch weniger Geld oder eine Geldstrafe erhielt, die er zu zahlen hatte, andernfalls er entlassen worden wäre unter Kassierung seiner Kaution).

    Es lag also auf der Hand, Einschreiben so mit Stempeln zu kennzeichnen, dass diese großen Unglücke leicht zu vermeiden waren und dafür war die rote = auffällige Stempelfarbe geeignet.

    Um zum Farbenspiel zurück zu kommen: Neben dem verbotenen schwarz und dem vorgeschriebenen rot kenne ich in den 1860er Jahren noch blau (sehr selten), grün (mir nur von Kürn bekannt), orange (vor allem von München, aber auch anderen Orten bekannt), violett (München und Nürnberg) sowie Mischfarben aus den o. g. Farbtönungen. Erst 1871 gesellten sich noch blau, violett und lila häufiger dazu, weil dann auch die Ortsstempel in diesen Farben häufig bis regelmässig vorkommen und ein separates Stempelkissen nur noch selten zum Einsatz kam.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    2 Mal editiert, zuletzt von bayern klassisch (9. Februar 2014 um 11:49)

  • Lieber bayern klassisch,

    Für diese Ausführungen ein ganz großes Dankeschön von mir :!: :thumbup: :thumbup: :thumbup:

    Liebe Grüße von maunzerle :thumbup:

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Lieber Bayern klassisch,

    ich schließe mich maunzerle gerne an. - Einfach Klasse.

    So schön aufbereitet habe ich das Thema "Chargéstempel in der Kreuzerzeit" noch nirgendwo anders gesehen. Vielen Dank hierfür.
    Ein Abdruck ist schon in meinem Literaturordner abgeheftet.

    Viele Grüße
    bayern-kreuzer