• Hallo ihr Beiden,

    vielen Dank für die Beiträge. Damit sollte klar sein, daß auch mein Brief portofrei aus St. Gallen kam und Lindau die Zwischenstation war, ab der die 2 xr Botenlohn zu zahlen waren.

    viele Grüße

    Dieter

  • Hier ein Charge-Portobrief aus dem württembergischen Altshausen "gegen Postschein" "an das königliche hochlöbliche Oberamt" in ??? Könnte der Ort Saulgau sein?

    Der Stempel "d' althausen" ist laut Feuser ab 1810 nachgewiesen, seine aptierte Form aber erst ab 1835. Von daher könnte der Brief in die Periode 1810 bis 1834 fallen. Der Verkäufer hat den Brief allerdings auf 1840 datiert. Vielleicht wegen des kursiven Charge-Stempels? Weiss jemand vielleicht, wo man so etwas nachschlagen kann?

    Und weiss jemand vielleicht, was es mit der roten 7 links oben auf sich hat?

    Vielen Dank!

  • Danke Erwin!

    Das passt, denn dort gab es seit 1806 ein Oberamt.

    Da die rote 6 durchgestrichen ist, war die rote 7 links oben wohl als neues Porto gedacht, das vom Empfänger erhoben wurde? Ich habe dabei zunächst an den Hohenzollerischen Bestellkreuzer gedacht, kenne diesen aber nur aus der Zeit nach Württembergs Beitritt zum DÖPV. Ausserdem scheint Saulgau gerade noch ausserhalb der Hohenzollerischen Gebiete gelegen zu haben.

  • Hallo Papiertieger,

    ein schöner Brief. Altshausen und Saulgau lagen unter 2 Meilen auseinander. Lt. württ. Briefposttarif vom 2.6.1814, in Kraft am 1.7.1814, war das Porto oder Franko 2 Kreuzer bis 1/2 Loth bei 1 bis 3 Meilen Entfernung. Der Brief war daher zwischen 2 - und 2 1/2 Loth schwer und kostete deswegen 6 Kreuzer Porto. In Saulgau kam das in Württemberg anfallende Ortsbestellgeld hinzu, so daß der Empfänger 7 Kreuzer bezahlte.

    Beste Grüße,

    Hermann

  • Vielen Dank für die Bestätigung, Herrmann!

    Leider handelt es sich nur um eine Briefhülle. Aber auch ich dachte mir, dass es der Brief aufgrund der kurzen Distanz (1.5 Meilen) in die 3. Gewichtsstufe gefallen sein musste.

    Dass ein Ortsbestellgeld erhoben wurde erstaunt mich: keiner meiner anderen Charge-Briefe aus dieser Zeit scheint ein zusätzliches Bestellgeld erfordert zu haben. Und Saulgau war damals vielleicht nicht mehr als ein kleines Städtchen, aber doch immerhin Oberamt!

    Die Verordnung von 1814 erlaubt allerdings die Erhebung eines "Brief-Kreuzers" für die Zustellung; aber mich überrascht die anscheinend sehr uneinheitliche Anwendung:

  • Hallo Papiertiger,

    6 Kreuzer Porto war bei diesen Brief die fünfte Gewichtsstufe. Siehe Briefposttarif Württ. von 1814. Das Orts - Bestellgeld wurde von "Sammler" öfters wegradiert. Auch wurde, wenn der Empfänger z.B. mehrere Briefe gleichzeitig bekam, nur auf einen Brief die gesamten Porti und die gesamten Bestellgelder notiert, die kassiert wurden. Habe z.B. einen Brief aus Hall in Tirol (bayerische Zeit), bei dem das gesamte Porti und Bestellgeld für 9 Briefe, die der Empfänger bekam, notiert und kassiert wurden.

    Beste Grüße,

    Hermann

  • Danke, Herrmann!

    Es war gerade der Briefposttarif von 1814, der mich zu meinem Schluss verleitet hat: "Die Taxe für einen mehr als einen einfachen, ein halbes Loth wiegenden Brief, steigt nach der Progressions-Tabelle, von halb Loth zu halb Loth, bis auf 8 Loth". Und 3 Schritte bringen einen halt von 2 Kreuzer zu den 6 gezeigten Kreuzern.

    Aber sicherlich wird Deine Lesart die richtige sein. Ich hoffe nur, dass die Bayern dass damals klarer formuliert haben...

  • ... ist doch ganz einfach: Je halbes Loth 50% Steigerung vom einfachen Satz.

    Halbes Loth 2x,

    ganzes Loth 3x,

    1,5 Loth 4x,

    2 Loth 5x,

    2,5 Loth 6x.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Tja, das muss man wohl einfach wissen! Denn dem oben gezeigten Verordnungstext kann ich das wahrlich nicht entnehmen. Und eine andere Progressionstabelle als die oben gezeigte habe ich in der Verordnung auch nicht gefunden.

    Erstaunlich übrigens, wie wenig dieses Thema in meinen gefühlt ein Dutzend Büchern zur Württemberger Kreuzermarken-Zeit behandelt wird.

  • Danke für die tolle Tabelle, Hermann!

    Ich mache dann mal weiter, wenn ich darf ;). Hier ein Charge-Brief vom 19. Juni 1800 nach "Alftorf" (vermutlich?) bei Schwäbisch Gemünd. Ich nehme an, dass es sich dabei um Alfdorf handelt, welches nur eine Meile von Schwäbisch Gmünd liegt (und nicht "Altdorf", wie der Verkäufer schrieb).

    Leider trägt der Brief keine Stempel oder Absendervermerke. Dafür aber ein Siegel mit einem Anker, zu dem ich leider noch nicht finden konnte. Da das Porto nur 2 Kreuzer betrug, nehme ich an, der Brief kommt aus der Ecke Schwäbisch Gmünd, Göppingen, oder Schorndorf. Kann vielleicht jemand am Siegel oder an dem letzten Absatz des Briefes (links) erkennen, woher der Brief herstammt?

    Vielen Dank!


    Einmal editiert, zuletzt von Papiertiger (20. Dezember 2022 um 21:11)

  • ... dein Brief ist aus Cannstadt. Ob es damals dort schon Stempel oder eine Post gab, kann ich mit 20 Pfund Kater auf der Wampe nicht sagen, aber Stempel waren nicht notwendig, wenn ein Brief nur von Post zu Post lief in direkter Kartierung.

    Was die Reichspost für Reco gefordert hat, weiß ich nicht. 4x, 6x, oder doch mehr/weniger? Leider nicht meine Zeit ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Danke an Deinen Kater, Ralph, dass er Dich uns wieder für ein paar Stunden ausgeliehen hat! Ist ja nicht selbstverständlich, sowas! ;)

    Cannstadt also. Das grosse "C" erkenne ich immer noch nicht recht, ich muss noch viel üben. Aber wenigstens habe ich heute Dank VorphilaBayern die Anhänge zur Postverordnung von 1814 gefunden. Ich hatte fälschlicherweise angenommen, dass sie sich auch in F. F. Mayers Verordnungssammlung befinden würden - da waren sie aber nicht. Aber Gott sei Dank ist auf die Postverträge-Webseite verlass:

    Deutscher Altbriefsammler Verein e.V.

  • Hallo zusammen,

    nach Feuser gab es in Cannstatt bereits 1494 eine Posthalterei als kaiserliche Postanstalt. ab 1618 als Postamt erwähnt, ab 19.12.1805 PE als Landespostanstalt.

    Die Vorphila-Stempel 555-1, -2 und -2A gab es demnach seit 1739, 1793 und 1796.

    Das Fehlen eines Aufgabe-Stempels im Jahr 1800 ist daher etwas verwunderlich. Es kann aber durch die Wirren der napoleonischen Zeit passiert sein.

    viele Grüße

    Dieter

  • Hallo Papiertiger

    hier noch die Transkription des gesamten Textes, soweit es mir bei dieser Schrift möglich war:

    Wohlgelahrter Insonders Hoch zu

    ver Ernter Herr Oberamtman(n)


    Nach abg...(?) Maße, über

    sende Ihnen Ein Dupligat gegen

    Schein, welches gegen Schein schon

    unterm 30 ten Juny 1799 von der

    Hoch Löbl. Kantzley Eslingen

    nach Alfdorff überschickt

    worden ist, Sie beliebe(n) mir

    gegen diesen gegen Schein pro

    92 Tr 25 ?. Mein gelt

    nach ver Sprochenen Maßen zu

    über schicken ? etx a 1 f 10x

    Bettraget 107 f 37 1/2 xr, Nebst

    diesen, Bitte von Bettrag 108 f

    den gehörigen Zinß von einem Jahr

    auch dabey zu übersenden,

    ich Erwarte also nach Ihren ver

    Sprechen Mein Gelt, ich habe

    die Ehre mich Ihnen gehorsamst

    zu Empfehlen und bin Eur

    wohlgebohren

    Gehorsamster

    Diener

    Abraham Herz auß

    Hachberig(?)


    Can(n)stadt den

    19 ? Juny 1800.

    Viele Grüße

    Gerd

  • Ganz vielen Dank für Deine Mühe, Gerd!

    Ich hatte mir das "Übersetzen" des Briefs vorgenommen, fand es aber schwierig. Jetzt weiss ich auch warum: es scheint eine zweite Mahnung zu sein, eine Geldforderung zu begleichen (daher wohl auch als Reco geschickt, weil die erste vielleicht "verloren" ging).

    Der Name "Abraham Herz" weckte bei mir Interesse, da ich erst kürzlich über die Württemberger "Judengesetze" aus dem späten 18. Jahrhundert gestolpert bin (auch im F. F. Mayer!). Und tatsächlich: das Örtchen Hochberg wurde ab 1760 Zufluchtsort für jüdische Familien, die damit dem Schutz des württembergischen Herzogs unterstanden. Und jetzt kommt's - Zitat:

    "Noch im 18. Jahrhundert nahm die Zahl der jüdischen Einwohner in Hochberg relativ rasch zu. 1794 standen den 68 christlichen Familien 15 jüdische Familien gegenüber. 13 der jüdischen Familienväter werden 1799 namentlich genannt: Jacob Hertz, Judas Anschel, Heim Jacob, Moses Singer, Seligmann Jacob, Samuel Kaßman, Gabriel Dreifuß, Seligmann Gideon, Judas Hirsch, Benedict Ostertag, Isaac Kusiel, Natan Jacob und Abraham Herz."

    Nachzulesen hier: Jüdische Gemeinde Hochberg

    Auch wieder ein echtes Stück Geschichte!

  • Das ist ja hochinteressant, und weiter liest man unter obigem Link:

    "... 1845 wurde Abraham Herz in den Gemeinderat gewählt. Es war vermutlich der erste Jude in Württemberg, der ein solches Ehrenamt bekleidete."

    Ich glaube übrigens nicht, dass Abraham Herz den Text selbst geschrieben hat, da die Schreibweise des Textes bis "Diener" und die der Unterschrift - nebst Ort und Datum - recht unterschiedlich ist.

    Viele Grüße

    Gerd

  • Ja, ein tolles Stück Geschichte, dass Du für uns entziffert hast!

    Interessant ist auch, dass die württembergischen Herzöge Hochberg gekauft und dann ihren Hofgütern hinzugefügt haben. Damit lagen die Hochberger Juden ausserhalb der normalen Landesjurisdiktion, was ihnen wohl Schutz vor einigen der späteren antijüdischen Gesetzgebung gab.

    Hier die Veröffentlichung von Abraham Herz's Wahl. Ich hoffe ich habe Unrecht, aber ich vermute, dass der Hinweis auf die Unterstützung durch die königliche Regierung notwendig war...