- Offizieller Beitrag
Liebe Freunde,
der folgende Brief weist meiner Meinung nach Besonderheiten bezüglich der Transitbehandlung auf, die es rechtfertigen, ihn nicht in dem üblichen Russland-Thread zu zeigen, sondern hier separat vorzustellen.
Die Daten: Der Brief stammt aus Kamenets-Podolsk, der Hauptstadt des russischen Gouvernements Podolien. Podolien grenzte direkt an das österreichische Galizien.
Adressiert ist er an die Herzogliche Kreisgerichtscommission Coswig. Aufgrund des herzoglichen Status der Behörde gehe ich von dem Coswig in Anhalt-Bernburg (mit preussischer Post) und nicht dem in Sachsen aus.
Die Datierung ist etwas spekulativ, da es keinen Briefinhalt gibt. Der rückseitige russische K2 zeigt im Zentralfeld in der obersten Reihe die ersten drei Zahlen einer Jahresangabe 186x auf.
Das Gewicht des Briefes wurde mit 1 Loth 15gr.(?) ermittelt, lag also in der 2. Gewichtsstufe.
Der Brief wurde eingeschrieben aufgegeben, was nach den damaligen Verträgen nur voll franko möglich war.
Der Leitweg ergibt aus den Stempeln folgendes Bild: Vom russischen Kamenets-Podolsk(K2 vom 18.12., oder einem anderen russischen Postamt, man sieht noch das Fragment eines anderen russischen Stempels) im direkten Kartenschluß nach Lemberg (K1 vom 22.12.), weiter durch Galizien nach Krakau (K1 vom 23.12.) und hier im Kartenschluß nach Myslowitz, dem preußischen Grenzpostamt. Ab hier Beförderung auf der Strecke Myslowitz-Breslau nach Coswig (Ausgabestempel vom 25.12.). Hier kam auch irgendwo der preußische Zackenstempel Recomandirt hinzu.
Die österreichischen Stempel von Lemberg und Krakau zeigen wie auch der vorderseitige Eingangsstempel RUSSIE und der Zusatzstempel RECOM: , dass der Brief im Einzeltransit durch Österreich gelaufen ist. Bei einem Einschreibebrief ist dies wohl auch so zu erwarten.
Die Taxierung 8 passt nur zu der preußischen Taxe von 2x 3 Sgr. Briefporto + 2 Sgr. Einschreibegebühr.
Wo ist die österreichische Taxe ?
Daher interpretiere ich den Brief so, dass er nach dem Art. XI des russisch-österreichischen Postvertrags von 1854 behandelt wurde, obwohl dort nur von Briefpaketen die Rede ist:
Transit russisch-preußischer Packete durch Oesterreich
Art. XI Für den Fall, dass die Eisenbahnroute über Maczki, Szozakowa und Mislowitz oder eine andere Route auf österreichischem Gebiet zwischen Russland und Preussen zur Beförderung gegenseitiger Brief- und Fahrpostsendungen benütztz werden wollte, ist die österreichische Postanstalt zu dem bezüglichen Transitporto mit der Zusicherung erbötig, dass hierfür keine höhere Gebühr in Anspruch genommen werden wird, als durch den Vertrag des österreichisch-deutschen Postvereines für die Vereins-Postverwaltungen selbst festgelegt ist.
D.b. Österreich erhielt trotz der aufwändigen Behandlung nur das innerhalb des DÖPV-Tarifs festgelegte Transitporto.
Ist diese Interepretation stimmig oder gibt es anderweitige Erklärungen ?
Viele Grüße
Michael