Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Lieber Tim,

    dein Brief stammt - wie gestern Abend bereits angedeutet - aus dem Jahr 1872.

    Der verwendete Feldpoststempel wurde in Frankreich nur während der Besatzungszeit vom 27. Oktober 1871 bis 2. August 1873 eingesetzt.

    Das Stempelwerkzeug befindet sich im Besitz des Postmuseums Nürnberg. Anlässlich der IBRA 1999 konnte ich ihn damals bewundern.

    Besten Gruß

    Rudolf

  • Guten Tag Rudolf,

    das wäre natürlich noch weitaus besser, aber von 1872 kann es nicht sein, da das Aufnahms-Feldspital VI während der Besatzungszeit noch von Juli bis November 1871 zur Hälfte in Charleville und zur anderen Häfte in Rethel gelegen hat und dann am 26. Dezember 1871 über Strasbourg zurück nach Augsburg gekehrt ist.

    Viele Grüße

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    den 20b-/20a-Stempel von Zweibrücken habe ich mit Jahreszahl ausschließlich im Oktober und Dezember 1871 und ohne Jahreszahl ab Januar 1872 registriert. Der Stempel ist mir in beiden Formen bisher eher selten begegnet. Es gab auch nur dieses eine Gerät, typisch ist die Form des »K«. oisch hat hier einen Abschlag vom 1. Oktober 1871 gezeigt. Möglicherweise ist das sogar der (oder nahe am) Ersttag.

    Parallel wurde noch ein Halbkreiser eingesetzt:

    Für die Post- und Stempelgeschichte von Zweibrücken gibt es sicher Berufenere als mich, daher dies nur als zusätzliches Indiz.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Dietmar,

    soll das dann in etwa heißen, dass es vor dem Oktober 1871 gar keinen 20a/b von ZW gegeben hat ? :/

    Lieben Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    so ist es – meine Angabe basiert allerdings auf den wenigen Abschlägen, die ich bisher registrieren konnte. Aber der Stempel sieht am 1.10.71 noch so neu aus, dass der Schluss naheliegt. Vielleicht kannst du das mal im Pfalzkreis ansprechen.

    Der Feldpoststempel müsste übrigens ein Typenradstempel mit Jahreszahl sein, einer der ersten bei der bayerischen Post (siehe RB 76). Warum die Jahreszahl nicht mit abgeschlagen hat – keine Ahnung.

    Viele Grüße aus Erding!

    Achter Kontich wonen er ook mensen!

  • Hallo Dietmar und Rudolf,

    oou jeeminee, auch wenn mich das natürlich freut, dass der Beleg dann wohl aus der Occupationsphase stammt, heißt das wieder Arbeit, d.h. den Bericht zuvor vom Aufnahms-Feldspital VI dann abzuändern und bis zum Ende seiner Tätigkeit in Frankreich zu führen. Mach`ich dann wenn wieder Zeit ist, da muss auch noch ein bischen weiter recherchiert werden.

    Mit Dank + Gruß für die Hinweise !

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (24. Oktober 2023 um 21:10)

  • da bin ich ja mal gespannt, wie ein mobiles Feld-Aufnahms-Spital + Feldpost-Expedition noch 1872 aktiv gewesen sein sollen...

     

    Offenbar war die Feldpost noch aktiv, zumindest laut einer Notiz einer Meldung aus Sedan vom 29. Juli 1872:

    "... bayerische Feldpostexpedition in Charleville, kaiserlich deutsche Feldpost-Relais bestehen in Sedan, Montmédy, Longwy und Rothel, wovon beide erstere bayerische Beamte zu Vorstehern haben."

    Luitpold

  • ...das war mir schon klar, aber nicht in der Kombination mit einem Feld-Aufnahmsspital. Das ist mittlerweile mit dem Auszug aus dem bayer. Feldpostcircular No. 45 vom 1. Juli 1871 anbei bzgl. der II. Infanteriedivision geklärt. In der Occupationszeit wurden auch die Felpostrelais Zug um Zug zurückgenommen / aufgelöst. Wann das in Rede stehende Aufnahms-Spital endgültig aus Frankreich abgezogen ist, muss ich anscheinend aber noch genauer recherchieren.

  • Guten Morgen Hermann,

    wenn ich das richtig erkenne, dann ist das Siegel auf der Rückseite ja vom Generalarzt des I. Armeekorps (von Manteuffel), das war der Generalarzt Dr. Hasse:

    Dem Assistenzarzt Dr. Arlart seine Stammeinheit war das 2. Ostpreußische Landwehrregiment No. 3:

    Rouen wurde ja um den 25. Januar 1871 besetzt, die gegnerischen Truppen (noch ca. 30.000 Mann) standen im Wesentlichen im Raum Le Havre. Am 29. erfuhr das I. Armeecorps vom Waffenstillstandsabkommen, das am 31. in Kraft treten sollte und versuchte daraufhin noch soviel an Gelände zu besetzen wie möglich, um bei den anstehenden Friedensverhandlungen eine günstige Ausgangspostion zu haben.

    Am 12. März , also 2 Tage nach der Briefaufgabe sollte vom König - jetzt auch Kaiser - eine Parade des I. Armeekorps durch Rouen abgenommen werden. Wegen Unwohlsein seiner Majestät trat dafür jedoch sein Sohn Kronprinz Friedrich Wilhelm ein. Bemerkenswert ist, wie durchziehenden Truppen durch die französiche Bevölkerung "begrüßt" wurden:

    Schönen Gruß

    Tim

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  • Lieber Hermann,

    es ist schon beinahe unglaublich, was du für Oberrosinen an Land ziehst, sei es von Württemberg, von Bayern, oder sonst wo her. Phantastisch!

    Und Tim, der König der Recherche 70/71, bildet natürlich den zweiten Part eines kongenialen Phila-Paares.

    So etwas hätte ich gerne mal nach Bayern gesehen, aber ob es das heute noch gibt?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Tim,

    in # 1.390 schreibst du "Rouen wurde ja um den 25. Januar 1871 besetzt".

    das muß ich korrigieren, denn Gen. v. Manteuffel rückte bereits am 5. und 6. Dezember 1870

    in Rouen ein.

    Beste Grüße

    Rudolf

  • Hallo Rudolf,

    ich hatte mich auf die Angaben der 17. Division bezogen:

    Waren da etwa noch andere Einheiten zuvorgekommen ? In der "Ecke" kenne ich mich zugegebenermaßen auch nicht so gut aus.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (2. Oktober 2023 um 21:52)

  • Hallo nochmal Rudolf,

    jetzt ist es mir auch klar, die Stadt wurde von den französischen Truppen schon am 5. Dezember kampflos geräumt:


    Wie immer zutiefst zu Dank für die Richtigstellung verbunden und

    Schönen Gruß

    Tim :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    gerne studiere ich deine Beiträge zum 1870/71er-Krieg. Auch mir bereitet es Freude, die oft kniffeligen Feldpostbelege zu verstehen und zum Leben zu erwecken.

    Immer wieder bin ich von der Leistungsfähigkeit des Forums überrascht!

    Beste Grüße

    Rudolf

  • Aus der Belagerung von Belfort

    Hallo Rudolf,

    ich danke Dir recht herzlich, so soll es auch gleich weitergehen. Diesmal weitaus ausführlicher als sonst, aber das macht man gerne, wenn sich auch wirklich lohnt. Einen solchen Eindruck hinterläßt der Beleg anbei auf den ersten Blick eigentlich nicht, nur ein Feldpost-Expeditionsstempel der 1. Kgl. Preuss. Landwehr-Infanteriedivision, ein Hauptmann Nagel als Absender an einen J.W. Wolff, seines Zeichens Weinhändler und Essigfabrikant in Landau in der Pfalz.

    Da denkt man, naja, „nice to have“, aber mehr draus wird wohl nichts werden. Von wegen....die dem XIV. Armeekorps („Korps Werder“) angehörige 1. Landwehrdivision, welche dem Kommando des Generals Udo von Tresckow unterstand, lag am Tag der Briefaufgabe, dem 17. Januar 1871 als Belagerungstruppe an der Burgundischen Pforte vor den Toren von Belfort. Der Absender gehörte zu einer Spezialtruppe des kleinen, dazu attachierten bayerischen Kontingents. Häufig ist anders…

    Belfort, es ist neben der Verteidigung von Bitche die wohl spektakulärste Geschichte des Widerstandes einer Vauban-Festung im Krieg 1870/71. Daran erinnert heute das Wahrzeichen der Stadt, die von Frédéric-Auguste Bartholdi unterhalb der Zitadelle aus Pérouser Sandsteinblöcken errichtete Monumentalskulptur des Löwen von Belfort. Eine verkleinerte Replik des Lion Bartholdi (u.a. auch Erschaffer der New Yorker Freiheitsstatue) steht in Paris auf der Place Denfert-Rochereau.


    Le défenseur de Belfort

    Colonel Denfert-Rochereau (1823-1878)

    Als Stadtgouverneur und Festungskommandant verteidigt Colonel Pierre Marie Philippe Aristide Denfert-Rochereau mit nur rd. 17.600 Mann die Garnisonstadt vom 3. November 1870 bis 16. Februar 1871 derart entschieden, dass sie nach dem Sieg Preußens französisch bleibt. Fast alle Angriffe der Belagerer wurden abgewiesen. Erst nach 103 Tagen und weit nach dem Waffenstillstand vom 28. Januar 1871 wurden Festung wie Stadt auf ausdrückliche Weisung des französischen Außenministers Jules Favre den feindlichen Truppen übergeben.

    Der Auszug erfolgt wie aus der Festung von Bitche ehrenvoll unter Waffen, damals die höchste Anerkennung eines Gegners. Die Forts wurden danach teilweise geschliffen. Von Tresckow hatte mit seiner 1. Landwehr-Infanteriedivision zuvor bei der Belagerung von Strasbourg teilgenommen, das am 29. September 1870 gefallen war. Die freiwerdenden Kräfte konnten nun zur Unterstützung des durch das Saônetal Richtung Besançon vorrückenden „Korps Werder“ verwendet werden.

    Dafür war es nötig, den „festen Platz“ Belfort zu bewältigen, denn er beherrscht die Einsattelung zwischen Vogesen (Mont Rudolphe) und Jura (Mont du Salbert), das Tor zur Franche-Comté. Dazu wurde die 1. Landwehr-Infanteriedivision von Teilen der 4. Reservedivision verstärkt. Die bis auf 427 m.ü.NN in den hoch aufragenden Sandsteinfels gebaute Hauptbefestigung des Châteaus liegt auf dem linken Ufer der - unterhalb des Ballon d`Alsace in den Vogesen entspringenden - Savoureuse und beherrscht das Bild der sternförmig mit Lünetten befestigten Stadt.

    Die Cernierungslinien vom November 1870 und Februar 1870

    mit den Standorten der Batterien der Artillerie

    Als Oberst Denfert-Rochereau am 19. Oktober das Platzkommando übernimmt, legt er nicht nur Wert auf die Verteidigung der Stadtfronten, des Hauptforts (Château) und der Vorwerke Fort Basses-Perches (Süden), Fort Hautes-Perches (Südosten), Fort de la Justice (Osten), Fort la Miotte (Nordosten), Fort des Barres (Nordwesten) und Fort de Bellevue (Südwesten), sondern auch des Vorterrains. Sogar vor Belfort liegende Dörfer wie Danjoutin, Pérouse, Cravanche und La Forge wurden garnisoniert, was sich als außerordentlich effektiv erweisen sollte.

    Auf den vorgezogenen Forts wurden 15 cm Kanonen platziert, die zielgenau auf 7.000 m trafen. Vorposten der Infanterie wurden in Dannemarie, Thann, Plancher-Bas, Châlonvillars, Montbéliard, Héricourt, Doubs-Thales, Giromagny, Auxelles und sogar über die Vogesen hinweg in St. Maurice-sur-Moselle gebildet. Am 29. Oktober erhielt General von Tresckow Befehl, die nach der Kapitulation fertiggewordenen Truppen der 1. Landwehr-Infanteriedivision und Teile der 4. Reservedivision zur „politisch sehr wichtigen Einschließung von Belfort verfügbar zu machen“.

    Auch Bayern hatte schon ein wenig Unterstützung abgestellt, es waren seit dem 23. November 1870 zwei Batterien des 3. Artillerieregiments (München) und vom 20. November 1870 bis 18. Februar 1871 die Einheit des Absenders Hauptmann Friedrich Nagel, dem Chef der 4. Kgl. Bayerische Festungs-Genie-Compagnie. Sie hatte sich bereits ganz am Anfang des Krieges bei der Schlacht von Wissembourg (4. August) bei der Schlacht von Woerth-Foeschwiller (6. August) und im September bei dem Bau der Pontonbrücke über die Seine vor Paris bei Corbeil bewährt.

    Erste Aufgabe in Belfort war um den 25. November ein Wegebau für Geschütztransporte von la Collogne über Fontenelle nach Vézelois, um einen dem Angriff auf die Perches-Forts von Südosten her vorzubereiten. Das scheiterte im Dauerregen. General von Tresckow forderte am 28. über den Chef des Großen Generalstabs von Moltke und das bayerische Kriegsministerium weitere Artillerieunterstützung aus Ingolstadt an, d.h. konkret vier Artillerie-Compagnien mit acht gezogenen 15 cm und vier gezogenen 12 cm Kanonen mit 800 laborierten Schüssen pro Geschütz.

    Das bayerische Belagerungskontigent u.a. mit

    der Pioniercompagnie des Hauptmann Friedrich Nagel

    Am 6. Dezember erhielten drei Genie-Compagnien Befehl, den Angriff vorzubereiten. In der Nacht vom 12. Dezember ging Hauptmann Nagel von Bermont aus mit einer aus Roppe herangeführten bayerischen Fuß-Batterie (Hauptmann Schulte) gegen den Bosmont-Wald vor. Von dort aus sollte das an der Bahnlinie nach Mulhouse liegende Dorf Danjoutin angegriffen werden. Nach Erstürmung des Örtchens Andelnans rechts der Savoureuse erfolgte durch seine Einheit im bis zu 30 cm tief gefrorenen Jurakalkboden der mühsame Bau von Batterie- und Vorpostenstellungen, zudem die Beseitigung von Straßenbarrikaden.

    Inzwischen war der Artilleriepark aus Ingolstadt bei Rechotte 40 km südöstl. Belfort eingetroffen. Das Belagerungskontigent verfügte nun über 30 15er-, 22 12er- 16 9er-Kanonen und 5 Mörser, d.h. 73 von geplanten 120 Geschützen. Auf lehmigen Boden sollte die Fußartillerie dann auf einer Anhöhe des Bosmont-Waldes Stellung beziehen, um eine bessere Schussposition in Richtung Danjoutin zu erlangen. Beim Bau der Stellungen wurde zunächst auf das Fällen großer Bäume verzichtet, um deren Standort zu decken, denn die französische Artillerie erwiderte das Feuer hartnäckig und gezielt, bis zum Ende der Belagerung mit insgesamt rd. 86.000 Geschossen.

    Am 18. begann vom Bosmont-Wald aus der Beschuss der beiden Perches-Forts, der ab dem 28. durch drei weitere bayerische und badische Batterien verstärkt werden sollte. Es fehlte allerdings an Trainpferden, die Verschlüsse und der Kanonen litten unter starken Ausbrennungen, in der nasskalten Witterung kam es zu hohen Krankenständen. Zudem drohte jetzt von Westen her ein Entsatzangriff der nach den Operationen an der Loire bei Bourges gebildeten Armée de l’Est unter dem Kommando von General Charles Denis Bourbaki.

    Die lange erfolglos agierende Belagerungsartillerie auf den Höhen bei Essert westlich von Belfort sollte nach und nach reduziert, dafür im Südwesten bei Bavillers und im Süden am Bosmont-Wald verstärkt werden, um von dort aus nun das Feuer auf die Perches-Forts und das Château zu konzentrieren. Dazu wurde Danjoutin in der Nacht vom 7/8. Januar genommen. Mit dazu 700 Gefangenen ein erster, hart erkämpfter Erfolg, der einen Tag darauf durch den Sieg der französischen Entsatztruppen bei Villersexel ad hoc in den Hintergrund trat.

    Die mittlerweile auf 120.000 - 150.000 Mann und 300 Geschütze geschätzte Bourbaki-Armee marschierte direkt auf Belfort zu, wurde allerdings durch das Gefecht bei Villersexel (ca. 45 km westlich Belfort) aufgehalten. So gelang es General von Werder ab 10. Januar im Talzug der Lisaine mit seinem lediglich rd. 35.000 Mann umfassenden Korps eine, vor allem mit schwerer Artillerie sehr gut ausgebaute Verteidigungsstellung auf der Linie Frahier-Héricourt-Montbéliard-Delle zu beziehen.

    Mit Ausnahme einer Pioniercompagnie wurden alle übrigen des Cernierungskontingents zum Sprengen von Straßen und Brücken an die Lisiane, sämtliche Pionierwagen zum Verwundetentransport abgezogen. Feldpost war auf Delle und Dannemarie zurückgenommen. Um auch einen evtl. Angriff von Norden her über die Vogesen und das Tal der Savoreuse zu vereiteln, erhielt die Pioniercompagnie Nagel in der Nacht vom 11./12. Januar Befehl, mit zwei Compagnien des badischen 6. Infanterieregiments und ¼ Eskadron bei St. Maurice-sur-Moselle die Straße nach Lure zu zerstören, auf dem Rückweg die nach Giromagny ungangbar zu machen.

    Dazu war es nötig, im Tiefschnee bei eisigem Wind unter ständiger Überfallgefahr durch Franctireurs, den glacierartig überdeckten Ballon d`Alsace (1.247 m.ü.NN) zu überqueren, was die Einwohner am Aufstieg bei Maleveaux für vollends unmöglich hielten. Nach unfassbaren Strapazen erreichte das Detachement am 14. Januar St. Maurice. Hauptmann Nagel zögerte nicht lange, mit 4 ½ Zentner Pulver die dort über die Mosel führende Brücke zu sprengen. Bei der Rückkehr nach Lepuix sprengte er am 16. mit weiteren 3 Zentnern die über eine Schlucht am Abhang des Ullyseebergs führende Brücke, um dann zur Belagerungstruppe nach Bermont zurückzukehren.

    Ende Teil 1

  • Teil 2

    Inzwischen war am 15. Januar die Schlacht an der Lisaine eröffnet, die Bourbaki-Armee rückte zwischen Montbéliard und Héricourt auf ganzer Linie vor und stand stellenweise nur noch 6 km entfernt von Belfort, also bereits im Einwirkungsbereich der dortigen Festungsartillerie. Damit gedeckte Ausfallversuche der Belagerten auf die noch westlich der Stadt bei Essert stehenden preußischen Batterien erfolgten jedoch vergebens.

    Am 17. Januar 1871 - dem Tag der Briefaufgabe - zeichnete sich das Scheitern des Entsatzangriffs der durch lange Märsche, Proviantmangel und eisige Kälte extremst geschwächten Angreifer ab, am 18. deren Rückzug. Die Verfolgung durch General von Werder begann am 19. Januar. Bekanntlich endete der Rückzug der Bourbaki-Armee in einer Katastrophe, mit Übergang in die Schweiz bei Pontarlier und dortiger Internierung von rd. 87.000 Mann.


    Die Kämpfe an der Lisaine vom 15.-17. Januar 1871

    General von Manteuffel hatte mit seiner am 12. Januar aus Teilen der I. und II. Armee neu gebildeten Südarmee den Rückweg über Besançon versperrt. Er hatte sich nach Passage der Côte-d'Or nicht dazu verleiten lassen auf das von Werder geräumte, umgehend vom Freikorps Garibaldi besetzte Dijon zu gehen, sondern war Bourbaki nach Belfort gefolgt und ließ dessen Rückzug von der Lisaine durch einen einfachen Rechtsschwenk in die Sackgasse an der Schweizer Grenze laufen.

    Das Schicksal von Belfort war entschieden.

    General von Tresckow griff nun vom östlichen Cernierungsgürtel, d.h. von Bessoncourt und Chèvremont aus, die gut ausgebauten Verteidigungsstellungen um das Dorf Pérouse an, das am 21. Januar erobert werden konnte. Am Morgen hatten weitere vier, vor Danjoutin neu erstellte Batterien das Feuer gegen das Château, die Stadtfronten sowie die Forts la Justice und la Miotte eröffnet. Südlich von Pérouse entstanden noch weitere Batteriestellungen. Am 26. auf den 27. erfolgte der erste Ingenieur-Angriff auf die Perches-Forts.

    Das Château (Zitadelle) und der darunter

    zwischen 1875-1880 errichtete Lion Bartholdi

    Mit 1.000 Spaten und 1.000 Hacken ausgerüstet, hatten drei Pioniercolonnen für die Sturmcolonnen der Infanterie Annäherungswege (sog. Sappen) im teils felsigen Vorterrain ausgehoben, die Brustwehr der Laufgräben musste deswegen z.T. mit Schanzkörben und Sandsäcken geschützt werden. Das ständig von frostig auf nasskalt wechselnde Wetter erschwerte auch deren Entwässerung. Hauptmann Nagel diente der Überwachung der Schanzarbeiten. Für den Pionierangriff wurden Äxte, Brechstangen, Hebebäume, Taue und Pulversäcke mit Zündern herangeschafft.

    Der damit kombinierte Sturmangriff der Infanterie wurde jedoch mit hohem Verlust von rd. 430 Mann abgewiesen. Die Belagerer rückten nun im Schutz der Nacht mit Aushacken weiterer Sappen bis auf 600 m an die Perches-Forts heran. Die Pionier-Compagnie Nagel wurde zum Bau von drei Brustwehrtraversen vor dem Fort la Justice betraut. Zur Verstärkung des Feuers auf La Justice wurde die 4. Bayerische Fußbatterie (Hauptmann Sutner) des 1. Artillerie Regiments (München) herangezogen.

    Der zweite Angriff gegen die Perches-Forts wurde am 8. Februar erfolgreich wiederholt. Von diesen Positionen aus konnten nun das Château und die Forts de la Miotte sowie la Justice effektiv unter Beschuss genommen werden. In einem mehrere Tage andauernden Artilleriegefecht erwiesen sich die deutschen Geschütze als deutlich überlegen. Festung und Stadt konnten sich unter diesen Bedingungen nicht mehr lange halten. Über 410.000 Geschosse aller Art waren auf sie während der Belagerung niedergegangen, was einem Tagesdurchschnitt von über 5.600 entsprach.

    Belagerung und Bombardement von Belfort

    Am 16. Februar 1871, d.h. 10 Tage vor dem Vorfrieden von Versailles, wurde die Übergabekonvention geschlossen. Von den 17.600 französischen Soldaten waren 4.750 gefallen. Auf deutscher Seite betrugen die Verluste rd. 2.100 Mann. Die Stadt war schwer zerstört, die insgesamt 336 Tote beklagende Zivilbevölkerung vollkommen ausgemergelt. Für sie ließ sich erst gegen Ende der Belagerung verantworten, die gut gefüllten Magazine des Militärs zu öffnen, aus denen dann Lebensmittel und Tabak u.a. zur Deckung rückständigen Solds verkauft wurden.

    Interessant ist der Laufweg des Briefbelegs, er ging rechtsrheinisch über Carlsruhe. Die Feldpost wurde von Belfort aus im Wesentlichen über die Bahnstrecke Dannemarie-Mulhouse-Strasbourg geleitet. Die zu Beginn des Krieges gesprengte Rheinbrücke bei Kehl war seit 20. November 1870 wieder mit Zügen befahrbar, so dass die schnellstmögliche Verbindung mit den preußischen Landesteilen gesichert war. So wurde der Brief des Hauptmannes Nagel in Carlsruhe nach Landau umspediert.

    Zu „Briefen aus Belfort“ lässt sich noch sagen, dass es am 25. Dezember 1870 zum Aufstieg von zwei ungelenkten „Luftballons“ gekommen ist, die solche der belagerten Truppe transportierten. Einer fiel im Wald bei Bavilliers nieder und damit in preußische Hände, der andere wurde durch günstige Winde nach Saignelégier im Schweizer Kanton Jura getragen. Alle hier angekommenen Briefe konnten bestellt werden, meist sollen sie Neujahrsgrüße enthalten haben…aus dem Martyrium von Belfort.

    Viele Grüße

    Verwendete Quellen:

    Belin, Léon: Die Belagerung von Belfort (1870 - 1871); Mit dem Portrait von Denfert-Rochereau und einem Plan von Belfort und seinen Umgebungen, Verlag Berger-Levrault, Strasbourg 1871

    Wolff, Paul: Geschichte der Belagerung von Belfort im Jahre 1870/71. Verlag Schneider, Berlin, 1875

    Schlacht an der Lisaine – Wikipedia

    https://badische-heimat.de/wp-content/uploads/2021/01/440_Scherb_Die-Grenze-als-Schicksal.indd_.pdf


    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

    Einmal editiert, zuletzt von Pälzer (7. Oktober 2023 um 14:08)