Die Zirkelpunkte von Oldenburg

  • In meinem Beitrag heute geht es um ein Rätsel, das schon vor mehr als einem Jahrhundert gelöst wurde, und zwar - wie sollte es auch anders sein - vom Altmeister Paul Ohrt. Dabei geht es um die dritte (und auch die zweite) Briefmarken-Ausgabe von Oldenburg, die in meinen Augen aufgrund ihrer schlichten Eleganz, der Farben, und des verwendeten Steindrucks zu den schönsten altdeutschen Ausgaben gehört.

    Ein Besonderheit der Marken dieser Marken ist, dass sie einen ‘Schönheitsfleck” haben - meist sogar zwei, manchmal aber auch gar keinen. Dabei spreche ich natürlich nicht von den oft vorkommenden Druckzufälligkeiten, die bei diesen Marken fast jede Marke zum Unikat machen, wenn man nur lange genug sucht. Nein, mir geht es heute um die Punkte, die man in den beiden Ovalen findet, in denen die Wertziffern platziert sind. Als neuem Sammler fielen mir diese zuerst bei der "moosgrünen" MiNr 10b auf, wo diese Punkte fast immer und auch sehr ausgeprägt vorkommen (Bild 1). Wie ich schon in einem anderem Beitrag vorschlug, sind sie fast schon ein Erkennungszeichen der 10b (es gibt geprüfte Stücke ohne diese Punkte, aber eher selten).

    Bild 1: Eine MiNr 10b mit den typischen Punkten in den Wertziffer-Ovalen


    Paul Ohrt vermutete schon vor langer Zeit, woher diese Punkte stammen - nämlich von Zirkeln, die eingesetzt wurden, um die linke und rechte Seite des Wappenovals zu zeichnen. Ich habe mir daher mal die Mühe gemacht, diese These digital nachzuprüfen, wie es sicherlich auch schon Paul Ohrt tat. Obwohl ich das Ergebnis erwartet hatte, verblüffte mich dann doch, wie genau die Punkte dort platziert sind, wo man das Standbein eines Zirkels erwarten würde (Mittelpunkt der “Fadenkreuze”, siehe Bild 2).

    Bild 2: Punkte in Wertziffer-Ovalen stimmen mit Zirkelkreis links und rechts überein!


    Vom Ergebnis ermutigt, versuchte ich dann, denselben Ansatz auf den oberen und unteren Bogen des Wappen-Ovals anzuwenden. Aber leider konnte ich keine weiteren Zirkelpunkte identifizieren (siehe Bild 3). Ich vermutete zunächst, dass der Zeichner des Markenbildes solche Punkte geschickt als Teil der Wappenzeichnung verborgen hatte; aber visuell gibt es dafür keine Anzeichen. Obwohl es möglich ist, dass die Wappenzeichnung über diese hypothetischen, “vertikalen” Zirkelpunkte hinwegging und diese “auslöschte”, glaube ich eher daran, dass der Zeichner den oberen und unteren Bogen von Hand zeichnete, nachdem er per Zirkel den linken und rechten Wappenbogen gezeichnet hatte. Dafür spricht im Fall der MiNr. 10b die linke, krumme Seite des oberen Bogens des Wappen-Ovals.

    Bild 3: Keine Zirkelpunkte für den oberen und unteren Bogen des Wappen-Ovals erkennbar


    Da ja bekanntlich die 3. Ausgabe Oldenburgs mit Hilfe der Druckplatten der 2. Ausgabe hergestellt worden sein soll - natürlich mit Ausnahme der neuen Wertsstufen zu 1/4 und 1/2 Groschen - versuchte ich als Nächstes, diese Überlieferung zu verifizieren. Und tatsächlich wurde ich schnell fündig: hier zwei Marken aus dem berühmten 12er-Block der MiNr. 5, der 1/3 Groschen Wertstufe der 2. Ausgabe. Ganz erstaunlich aber ist, dass nur eine der beiden Marken die beiden Punkte zeigt, die andere aber gar keine (siehe Bild 4)!!!

    Bild 4: Zwei Marken aus dem berühmten 12er-Block der MiNr. 5 (6. Boker-Auktion)


    Insgesamt enthalten nur 4 Marken des 12er-Blocks (siehe Bild 5) beide Zirkelpunkte; 2 Marken einen Zirkelpunkt; 2 Marken einen sehr schwachen Zirkelpunkt; und 4 Marken keinen Zirkelpunkt. Damit scheint klar, dass die Ausprägung der Zirkelpunkte entweder beim Drucken der Umdrucke entstanden sein muss, oder aber bei der Erstellung der Druckplatte aus der Umdruckplatte (vermutlich weil die Plattenunterlage leicht unterschiedlich hoch war).

    Bild 5: Der berühmte 12er-Block der MiNr. 5 (6. Boker-Auktion)

    Auf jeden Fall können die Zirkelpunkte bei der MiNr 5. als Feldmerkmale gelten, auch wenn sie bei MiNr. 10b fast auf dem Feld vorgekommen zu sein scheinen.


    Warum aber dieser Unterschied zwischen beiden Ausgaben? Ein Vergleich des Drucks der MiNr. 5 und MiNr. 10b zeigt, dass der Druck der ersteren Marke meist feiner war. Meine Vermutung hierzu ist, dass dies vor allem and der verwendeten Farbe lag - bei der 10b ist der Druck “satt” und voll und brachte wegen der stärkeren Farbaufnahme der Steindruckplatte die Zirkelpunkte eher zum Vorschein. Dies würde gleichzeitig erklären, warum bei der helleren, blass Farbe der 10a diese Punkte nur selten, und oft nur einzeln, sichtbar sind - die Farbe der (blass-)blaugrünen 10a hatte vermutlich Eigenschaften, die der schwarzen Farbe der ersten Ausgabe ähnlicher war.

    Dies könnte auch erklären, warum die 10b trotz ihrer klar sichtbaren “Punkte” an den Schalter kam - denn die Zeichner der MiNr. 5 hatten ihre Arbeit ja schon von Jahren getan, die MiNr. 10a war ohne Auffälligkeiten gedruckt worden, und die Drucker der 10b nahmen zurecht an, dass ihre Druckplatte völlig einwandfrei war. Mit dem Effekt der neuen Druckfarbe hatte also wahrscheinlich keiner gerechnet. Und an einer Nachbearbeitung der Platte hatte allein aus Kostengründen vermutlich niemand Interesse.


    Nach diesen ersten Ergebnissen war ich natürlich neugierig, ob diese auch für die anderen Wertstufen der 2. und 3. Ausgabe gelten würden. Mehr dazu in meinem nächsten Beitrag...

  • Hallo Papiertiger,

    Toll um zu lesen und das es mehr Sammler gibt die diese schone Marken weiter untersuchen.

    Die Punkten hatten bei mir auch schon fragen gegeben. Was eigentlich auch auffalt ist das, das Wappen und Krone bei diese Marken pro Wert anders ist. Statt fur alle Marken einfach dasselbe Bild am innenseite zu benutzen.

    Grusse,

    Jean-Paul

  • Ich danke Euch beiden für den Zuspruch!

    Heute geht es weiter mit dem 1 Groschen Wert der 3. Ausgabe. Ähnlich wie bei der MiNr 10b (aber nicht 10a!) scheinen beide Zirkelpunkte bei der MiNr 12 immer präsent zu sein, und zwar in allen Farbnuancen. Ich zeige hier zunächst 6 Beispiele von Einzelmarken, deren Farben alle BPP-geprüft sind (siehe Bild 1; die Farben sind erste Reihe: a, b, a; zweite Reihe: a, a, c); alle haben beide Zirkelpunkte.


    Bild 1: Eine Auswahl der verschiedene Farbnuancen der MiNr 12

    Wie eine Prüfung der linken und rechten Ausbuchtung des Wappen-Ovals zeigt (siehe Bild 2), sind auch hier die Punkte vermutlich auf den Einsatz eines Zirkels zurückzuführen. Der Radius des Zirkels ist identisch zu dem der oben bei der MiNr. 10 gezeigten; der Zeichner war also um Konsistenz bemüht! Erstaunlich ist daher, dass die Zirkelpunkte nicht identisch sind, obwohl die Breite des Ovals vergleichbar ist; dies liegt daran, dass das linke Wertziffer-Oval der MiNr. 10 etwas zu nahe an dem Wappen-Oval gezeichnet wurde. Daher liegen zwar die rechten Zirkelpunkte bei beiden Marken ähnlich, aber der linke ist bei der MiNr. 10 weiter links. Hier erkennt man denn auch 170 Jahre später eine vertane Chance: denn der Zeichner hätte sicherlich das Markenbild auch so entwerfen können, dass die Zirkelpunkte genau zwischen Wappen- und Wertziffer-Ovalen gelegen hätten. Und damit wären sie so gut wie immer unsichtbar gewesen!

    Bild 2: Waagrechtes Paar der MiNr. 12a mit Zirkeln für die seitlichen Bögen des Wappen-Ovals

    Aber jetzt weiter zu dem oberen und unteren Bogen des Wappen-Ovals. Wie bei der MiNr 10 stellt man fest, dass keine Zirkelpunkte vorhanden zu sein scheinen (siehe Bild 3), wofür die schon bei der Analyse der MiNr. 10 angeführten Gründe verantwortlich sein können. Die unregelmäßige Zeichnungen der oberen Bögen sprechen meines Ermessens nach aber klar für eine Zeichnung von Hand bei beiden Marken. Der direkte Vergleich zeigt auch, wie unterschiedlich gezeichnet beide Marken sind (siehe Bild 4)!

    Bild 3: Keine Zirkelpunkte für den oberen und unteren Bogen des Wappen-Ovals erkennbar

    Bild 4: Vergleich der linken Marke des 12a-Paares mit einer MiNr. 10b

    Es stellt sich jetzt noch die Frage, wie es um die Zirkelpunkte bei der 1 Grosche-Marke der 2. Ausgabe (MiNr. 6) bestellt ist. Da zwei Zirkelpunkte auf jedem Feld der Druckplatte der MiNr. 12 gewesen zu sein scheinen, und da diese unabhängig von der verwendeten Druckfarbe immer sichtbar sind, darf man mutmassen, dass die Zirkelpunkte auch immer bei der MiNr. 6 sichtbar sein sein sollten, deren Urstempel ja für die Herstellung der MiNr. 12 verwendet wurde.

    Eine empirische Überprüfung scheint diese Hypothese tatsächlich zu bestätigen; denn ich konnte bisher kein neueres, hochauflösendes Bild einer MiNr 6a oder 6c finden, die keine Zirkelpunkte hat. Nur als ein Beispiel sei hier ein Pendant zum Paar der 12a angeführt (siehe Bild 5).

    Bild 5: Waagrechtes Paar der MiNr. 6a mit jeweils zwei Zirkelpunkten

    Man soll aber bekanntlich niemals "nie" sagen; in einigen alten Katalogen z.B. scheinen die Zirkelpunkte bei der MiNr. 6 nicht immer erkennbar. Von daher, falls jemand Marken der MiNr 6 oder 12 ohne Zirkelpunkte haben sollte, würde ich diese gerne hier sehen!

  • Moin,

    interessante Beiträge hier. Chapeau!

    Und hier eine Oldenburg Nr. 12b in hellblau ohne deutlich erkennbare Nadelpunkte. (aus meiner Slg.)

    Aus meiner Sicht kann man aber nicht darauf schließen, dass es Marken ohne und mit Nadelpunkten gibt. Bei der Betrachtung muss man ansetzen, wie diese Marken im Steindruckverfahren in der Druckerei Gerhard Stalling in Oldenburg entstanden sind.

    Der Druck der Marken erfolgte auf solchen Steindruckmaschinen, die damals handbetrieben wurden. Für den Druck wurden Steinplatten aus Kalkstein verwendet. Eine solche Steinplatte liegt hier auf der Maschine.

    Und hier wurde dann zunächst ein einzelnes Klischee entworfen, welches auf die Kalksteinplatte als "NEGATIV" übertragen und vervielfältigt wurde. Daher haben eigentlich alle übertragenen Marken diese Aufnadelungspunkte. Wenn diese manchmal nicht so gut sichtbar sind, liegt dies entweder an einem Fehler, der bei Übertragung des einzelnen Klischees auf die Platte eingetreten oder am fehlenden Farbauftrag beim Druck.

    Nun gibt es mitunter auch noch verschiedene Druckplatten bei den einzelnen Marken, die hier erstellt wurden, sondern auch auch noch mehrere Ursprungsklischees, die zur Erstellung der Druckplatten verwendet wurden. Anhaltspunkte für verschiedene Klischees sind die unterschiedlichen Größen der Marken, z.B. bei der OLdenburg Nr. 11a und 11b, aber auch bei Oldenburg Nr. 10a und 10b.

    Anhaltspunkte für die gleichen Druckplatten, die zum Druck verschiedener Marken verwendet wurden, sind wiederum die gleichen Plattenfehler, die auf verschiedenen Marken auftauchen. Z.B. gibt es den Plattenfehler II "unterbrochene Randlinie unten" der Oldenburg Nr. 6a auch auf der Oldenburg Nr. 12c -indigo-. Diese Marken sind daher ganz offensichtlich mit der gleichen Druckplatte gedruckt worden. Diesen Plattenfehler gibt es aber wiederum nicht auf der Oldenburg Nr. 12a und 12b. Daher erfolgte der Druck der Nr. 12c und der Nr. 12a augenscheinlich nicht mit der gleichen Druckplatte. Den Plattenfehler "spitze 1" gibt es wiederum auf der Oldenburg Nr. 12a und auf der Nr. 12b.

    Und über verschiedene Farben und Farbauftrag sowie den "verschwommenen Druck" ist darüber hinaus thematisch bisher nahezu 0 geschrieben worden. Aber auch hier muß man die Besonderheiten von Steindruckmarken (Lithographien) immer beachten. Dieses Flachdruckverfahren unterscheidet sich wesentlich von vielen anderen Druckverfahren. Insbesondere gibt es hier vielfach Farbübersättigungen und "Verschmierungen" sowie im anderem Extrem Farb- und Druckausfälle, die später aussehen als wären es Plattenfehler. Was aber ganz oft gar nicht der Fall ist.

    Das ist nur meine Sicht.

    Grüße Bernd

  • Ich stimme Dir zu Bernd - hier gibt es noch sehr viel zu analysieren und zu entdecken! Wir haben zwar Fortschritte gemacht, was die Kenntnis der Variationen in Farben, Papier, und Druckbild angeht - auch Dank Deiner Arbeit zu dem Thema! - aber wie diese zusammenhängen und entsprechend Auflagen und Druckplatten zugeordnet werden können, scheint zumindest mir noch recht unklar.

    Ich persönlich bin aber überzeugt davon, dass die Punkte in den Wertziffer-Ovalen von Zirkeln und damit vom Zeichner stammen, und nicht vom Aufnadeln kommen. Denn dazu passen die Kreise und Ovalbogen einfach zu perfekt zueinander. Aber natürlich nicht ausgeschlossen werden kann, dass beim Aufnadeln - wenn denn Nadeln zum Befestigen verwendet wurden - die Nadeln durch eben diese Zirkelpunkte gesteckt wurden, da sie ja schon da waren!

    In Deiner 12b sieht man übrigens die beiden Nadelpunkte, wenn auch der rechte nur sehr schwach gedruckt wurde. Der linke dagegen sieht fast so aus wie bei der MiNr. 6a und auch den anderen Exemplaren der MiNr 12 (finde ich).

  • Heute geht es weiter mit der MiNr. 13, dem 2 Groschen-Wert der 3. Ausgabe Oldenburgs. Auch hier findet man die Zirkelpunkte in den Wertziffer-Ovalen, aber diese treten mit unterschiedlicher Häufigkeit auf. Nach einer Auswertung von ca. 100 Exemplaren scheinen mehr als 50% der Marken nur den linken Zirkelpunkt zu zeigen (Bild 1), etwa 40% beide Zirkelpunkte (Bild 2), und weniger als 5% keinen Zirkelpunkt (Bild 3).

    Bild 1: Exemplare der MiNr. 13 nur mit dem linken Zirkelpunkt


    Bild 2: Exemplare der MiNr. 13 mit beiden Zirkelpunkten

    Bild 3: Exemplar der MiNr. 13 ohne Zirkelpunkte (selten)

    Dieses uneinheitliche Ergebnis überrascht doch sehr, da beim 2 Groschen-Wert der 2. Ausgabe, der MiNr. 7, deren Urstempel ja auch für die MiNr. 13 verwendet wurde, immer beide Zirkelpunkte klar sichtbar sind (siehe Beispiele in Bild 4).

    Bild 4: Exemplare der MiNr. 7, immer mit beiden Zirkelpunkten

    Die Erklärung dafür könnte sein, dass es laut Paul Ohrt zwei unterschiedliche Auflagen der 3. Ausgabe (und somit auch der MiNr. 13) gab, wobei man bei der ersten noch Probleme mit der richtigen Mischung der Farben hatte (zur Erinnerung: in der 2. Ausgabe hatte man noch mit schwarzer Farbe auf buntes Papier gedruckt). Möglicherweise kamen dabei die Zirkelpunkte weniger zum Vorschein, während später bei der 2. Auflage der MiNr. 13 das Druckbild wieder dem der 2. Ausgabe entsprach (d.h., mit beiden Zirkelpunkten sichtbar). Sollte diese Hypothese stimmen, wären beide Auflagen ungefähr gleich hoch gewesen (siehe Häufigkeitsanalyse oben).


    Leider gibt meine "digitale Sammlung” zu diesem Thema keinen weiteren Aufschluss, da die Scans der Marken zu unterschiedlich sind, als dass man eindeutige Schlussfolgerungen aus den Farbnuancen oder dem Druckbild ziehen könnte. Interessant ist aber in dieser Hinsicht, dass bei der einzigen grösseren Einheit der MiNr. 13, dem 6er-Block aus den kürzlich wieder einmal versteigerten “Super-Einheiten” Oldenburgs (7. Boker-Auktion, 8. ERIVAN-Auktion), alle Marken klar und einheitlich beide Zirkelpunkte zeigen (Bild 5). Also vielleicht stammt die Einheit aus der 2. Auflage der MiNr. 13?

    Bild 5: Ungebrauchter 6er-Block der MiNr. 13 (8. ERIVAN-Auktion, Heinrich Köhler)

    Eine weitere Eigenart der MiNr. 13 ist übrigens ein dritter, oft schwacher Punkt rechts unten neben dem Schweif der “2” im rechten Wertziffer-Oval. Da er mehr oder weniger bei jedem Exemplar der MiNr. 13 vorzukommen scheint, ist er möglicherweise durch Beschädigung des Urstempels der MiNr. 7 (nach deren Druck) entstanden.


    Zum Abschluss nun noch die Analyse der Zirkelpunkte der MiNr. 13 (und damit der MiNr. 7). Das Urteil zur MiNr 10 und MiNr 12 gilt auch hier: die Punkte in den Wertziffern-Ovalen sind konsistent mit einer Konstruktion der Wappen mit Hilfe von Zirkeln (Bild 6); dies gilt aber wieder nur für die linke und rechte Seite des Wappen-Ovals. Der obere und untere Wappen-Ovalbogen scheinen dagegen handgezeichnet, im übrigen wesentlich präziser als bei der MiNr. 10 und 12 (Bild 7)!

    Bild 6: MiNr. 12a mit Zirkelkonstruktion für die seitlichen Bögen des Wappen-Ovals

    Bild 7: Keine Zirkelpunkte für den oberen und unteren Bogen des Wappen-Ovals erkennbar

    Und hier noch ein kleiner Nachtrag: Jean de Sperati hat insgesamt 3 Fälschungen der MiNr. 13 hergestellt, aber alle zeigen immer nur den linken Zirkelpunkt. Ich zeige hier nur die Type C, erkennbar unter anderem an dem Strich über dem "G" von "Groschen", dem Punkt über dem "L" ausserhalb des oberen Bildrahmens , und der "klecksigen" linken oberen Ecke (Bild 8).

    Bild 8: Sperati-Fälschung Type C der MiNr. 13

    Einmal editiert, zuletzt von Papiertiger (3. September 2023 um 07:13)

  • Leider gibt meine "digitale Sammlung” zu diesem Thema keinen weiteren Aufschluss, da die Scans der Marken zu unterschiedlich sind, als dass man eindeutige Schlussfolgerungen aus den Farbnuancen oder dem Druckbild ziehen könnte.

    Ob man mit den Zirkelpunkten so sehr viele Erkenntnisse ziehen kann, weiß ich nicht.

    Aus meiner Sicht ist bei Oldenburg Nr. 7 und der Nr. 13 das gleiche "Urklischee" verwendet worden, welches man dann wahrscheinlich 100fach jeweils zu Bögen vervielfältigt hat. Dabei sind die "Zirkelpunkte" mal besser und mal schlechter abgebildet worden. Dass man hier eine Systematik oder eine bewußte Handlung zugrunde legen kann bzw. dass jemand auf die Zirkelpunkte geachtet hat, glaube ich nicht.

    Und da keine einzige dieser Druckplatten und auch kein einziger vollständiger Bogen erhalten geblieben sind, kann man auch keine Vergleiche anstellen.

    Was willst DU herausfinden? Was ist das Ziel Deiner Untersuchung?

    Willst Du herausfinden, ob für den Druck unterschiedliche Druckplatten verwendet wurden?

    Dies lässt sich m.E. mit Farben und Plattenfehlern bewerkstelligen. Und Florian Berger hat hier bereits zu den gleichen Plattenfehlern zwischen Marken der Nrn. 6 und 12 einiges geschrieben.

    Anders als bei der Oldenburg Nr. 6 und der Nr. 12 denke ich aber nicht, dass man die Druckplatte der Oldenburg Nr. 7 für den späteren Druck der Oldenburg Nr. 13 verwendet hat. So steht das mitunter bei Ohrt. Wenn dies so wäre, würde man die Plattenfehler der Nr. 7 auch auf Marken der Nr. 13 finden. Das ist nicht der Fall. Man wird für die Nr. 13 eine neue Druckplatte erstellt haben.

    Bei der Oldenburg Nr. 13 habe ich 3 Farben unterschieden: 1. ein blasses Ziegelrot (1. Auflage),

    2. das leuchtende Zinnoberrot (2. Auflage) und 3. ein dunkleres Rot (Auflage unbekannt)

    Der Michel-Katalog differenziert hier überhaupt nicht.

    Nun ist natürlich die Frage, ob die Plattenfehler der 1. Auflage auch auf Marken (und Farben) späterer Auflagen vorkommen. Dann wäre die Druckplatte durchgängig verwendet worden. Wenn es aber andererseits bei den verschiedenen Farben und Auflagen unterschiedliche Plattenfehler gibt, deutet dies darauf hin, dass man bei der Nr. 13 auch mit verschiedenen Platten gedruckt hat.

    Beim Ziegelrot der 1. Auflage kommt der Plattenfehler "deformierte rechte obere Ecke" (Michel-Nr. Oldenburg Nr. 13 III" vor. Dies kann ich bestätigen, denn ich habe ein Exemplar in meiner Sammlung, welches von der Farbe eindeutig der 1. Auflage zuzuordnen ist.

    Michel Oldenburg Nr. 13 PF III (aus meiner Slg.)

    Wenn man die Marken nicht selbst besitzt und den verwendeten Scanner der Abbildungen aus Auktionskatalogen nicht kennt, ist ein Farbvergleich schwierig. Ist das nun eine Marke der 1. oder der 2. Auflage?

    Oldenburg Nr. 13 III, Abb. aus Auktionshaus Mohrmann & Co., 210. Auktion v. 2.6.2018, Los-Nr. 462, vom Bild ist die Marke weder der 1. Auflage noch der 2. Auflage eindeutig zuordbar.

    Farblich noch schwerer zu beurteilen sind Scans dieser Art. (aus einem aktuellen Auktionsangebot)

    Oldenburg Nr. 13 PF IV "Bruch der unteren Randlinie unter dem „o“ von Groschen". (aus meiner Slg.)

    Diesen Plattenfehler habe ich bisher nur auf Marken in leuchtendem Zinnoberrot der 2. Auflage festgestellt.

    Und den Plattenfehler Nr. 13 II kenne ich nur auf einer roten Marke. (aus meiner Slg.) Und diesen PF habe ich bisher auch nur ein einziges Mal gesehen.

    Letztlich wird man für Farbvergleiche immer eine ganze Anzahl von Marken miteinander vergleichen müssen. Ob man ausreichend Vergleichsmaterial zusammenbekommt, ist die Frage. Denn die Plattenfehler sind allesamt ziemlich selten. Und mit der "Qualität" der Abbildungen in Auktionskatalogen (s.o.) ist auch im Jahr 2023 nicht allzu viel anzufangen. Die Qualität der Farbabbildungen ist ein ganz wesentlicher Faktor, wenn man Marken vergleichen will.

    Und mit den Farbbezeichnungen aus Attesten von Prüfern kann man nur dann etwas anfangen, wenn der Prüfer mit "zinnoberrot" die Farbe der 2. Auflage bezeichnet und nicht einheitlich die Farbe der Oldenburg Nr. 13.

  • Lieber Bernd, ich stimme Deinen Beobachtungen zu, bin aber etwas optimistischer in Bezug auf die zukünftige Verwendung der Zirkelpunkt-Ausprägungen als sekundäres, (soll heissen: alleine nicht 100% ausreichendes) Erkennungsmerkmal von Druckplatten oder zumindest Auflagen (in denen z.B. die verwendete Farbe Einfluss auf das Druckbild hatte). Ein gutes Beispiel ist die MiNr. 10b, wo zwei stark ausgeprägte Zirkelpunkte in geschätzt 95% der Fälle auf eine 10b (statt 10a) hinweisen.

    Und ja, der Fall der MiNr. 13 ist schwieriger. Meine Hypothese ist, dass es zwei Druckplatten gab, aber ich kann sie nicht alleine mit den Zirkelpunkten beweisen. Da ist der Weg über die Plattenfehler und Farbnuancen vielversprechender - aber auch schwer, da die Marke relativ selten ist, es so gut wie keine Einheiten der Marke gibt gibt, und die Farbnuancen sehr vielfältig sind. Man bräuchte hier wahrscheinlich 50-100 Exemplare, um alleine bei den Farben echte Fortschritte zu machen.

    Ziel meiner Analyse der Zirkelpunkte war einfach nur, die Behauptung von Paul Ohrt zu überprüfen - und er scheint recht gehabt zu haben! Damit is auch klar, dass die Punkte auf den Urstempeln gewesen sein müssen, aber beim Umdrucken (Erstellen der Druckplatte) oder beim Drucken unterschiedlich stark gedruckt wurden. Interessant war für mich auch die Erkenntnis, dass der Zeichner der Marken wohl die gleiche Zirkeleinstellungen für die Wertstufen der 2. Ausgabe verwendet hat, aber die oberen und unteren Bogen von Hand zeichnete. Und etwas verwunderlich war, dass damals wohl niemand die Zirkelpunkte störten - man aber sehr wohl die Wappen-Einbuchtungen bei der MiNr 2II korrigierte.

    Einmal editiert, zuletzt von Papiertiger (5. September 2023 um 21:30)