Telegramme und Depeschen

  • Liebe Freunde,

    Telegramme und Depeschen von Bayern nach Frankreich gibt es, aber nicht an jeder Ecke. Mit ging eine P.D. (Privat-Depesche) aus München vom 30.06.1869 nach Paris ins Netz, die folgenden Text enthält:

    "Cadore ministre France Munich

    Cedre Glaneur Oise + Satory Mortimer Fligny Comte Delaperronnay"

    Leider habe ich im Internet rein gar nichts Verwertbares dazu gefunden und wäre für eine Richtigstellung des Gelesenen und eine Übersetzung sehr dankbar.

    Bilder

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Ralph,

    ich kann zwar kaum Französisch, kann aber soviel erkennen, dass der Adressat

    "Cadore ministre France Munich" und der Absender der "Comte De la Perronnay" war.

    Der Adressat war Camille de Nompère de Champagny, Duc de Cadore.

    Über ihn habe ich im französischen Wikipedia gefunden, dass er zur fraglichen Zeit (ab 1868)

    "außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Minister in München" war,

    s. Wikipedia-Französisch .

    Über den Absender konnte ich leider nichts finden, außer ein Schloß dieses Namens: Chateau de Perronnay .

    Den Text lese ich als

    "Cedre. Glaneur. Oise, Satory. Mortemer. Fligny."

    Im Übersetzer bekommt man

    "Zeder. Ährenleser. Oise, Satory. Tödlicher. flüchtig."

    Entweder war das ein geheimer Code, oder der Postbeamte hat nicht alle Worte richtig erfasst ???

    Vielleicht kann ein französischer Muttersprachler hier mehr herausfinden ?

    Viele Grüße

    Gerd

  • Lieber Gerd,

    danke für deine Ausführungen - die Personen sind also schon mal klar.

    Allerdings erschließt sich mir der Text nicht. Dass der Münchener Telegraphist Quatsch notiert hat, glaube ich nicht, weil die Prüfungen zu eben diesem Dienst nicht ohne waren und sie mehrere Sprachen fließend schreiben und verstehen können mussten.

    Vlt. kommt noch einer dahinter? Ein codierter Text machte eigentlich wenig Sinn, denn nur Absender und Empfänger bekamen ihn zu sehen und der Beamte war vereidigt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    Deine tolle Depesche hat wohl etwas mit Wetten fuer Pferderennen zun tun :) .

    Die bekanntesten Rennen in Frankreich fanden auf dem Champ de Mars in Paris und in Satory-Versailles statt.

    Bei "Glaneur", "Mortemer", und "Fligny" handelt es sich um die Namen von Rennpferden. (Glaneur gewann den Grand Prix de Paris, Mortimer gewann 9 Rennen auf dem Kontinent).

    Naeheres in:

    Robert Black, Horseracing in France, London 1886

    http://ia800204.us.archive.org/28/items/horseracinginfra00blac/horseracinginfra00blac.pdf

    Liebe Gruesse,

    Bruno

  • Lieber Bruno,

    ich weiß ja nicht, wie du auf die Lösung gekommen bist (ein herzliches DANKE dafür), aber das wäre mir in 100 Jahren nicht eingefallen, dass der Herr von München aus auf Pferde wetten würde. Super, was es nicht alles gibt ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Dieter,

    was man nicht alles tut, wenn man endlich mal in der Lage ist sich bei Ralph fuer die unermuedliche Hilfe hier im Forum zu bedanken. Und nein - das ist nicht meine normale Lektuere - bin nur zufaellig darauf gestossen als Ich Ralphs Depesche durch mehrere Suchmaschinen laufen liess :) .

    Lieber Ralph,

    hier noch ein Nachtrag:

    “Cedre”: Prix du Cedre 1869 auf der Rennbahn in Paris wo er auf die Pferde “Glaneur” und “L’Oise” gesetzt hatte und “Glaneur" auch tatsaechlich Sieger wurde. Das Pferd wurde 1866 als Fohlen von “Buckthorn” und “Alma” geboren und dann an M. A. Lupin verkauft. 1869 gewann es den “Prix de Cars (5425 fr.), “Prix de Cedre” in Paris (1200 fr.), “Grand prix de Paris” (127800 fr.), “Prix de l’Empereur (9100 fr.), und “Prix de principal” in Toulouse (2600 fr.).

    “Satory”: Pferderennbahn bei Paris (Satory-Versailles), wo er auf die Perde “Mortemer” und “Mademoiselle de Fligny” setzte. “Mortemer” gewann in Satory, und ebenfalls den “Grand Prix de Deauville” in 1869 (Besitzer Frederic de Lagrange).

    Ueber die beiden anderen Pferde (“L’Oise” und “Mademoiselle de Fligny”) konnte ich in diesen 2 Rennen nichts herausfinden. Beide waren aber in anderen Rennen sehr erfolgreich.

    Dein lieber Herr Comte De la Perronnay hat also 2mal aufs richtige Pferd gestzt und war hinterher wohl etwas reicher ;) .

    Liebe Gruesse,

    Bruno

    Einmal editiert, zuletzt von Altensteiger (6. Mai 2023 um 13:47) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • Lieber Bruno,

    ganz herzlichen Dank für diese Hilfe - dann waren die ca. 2 Gulden, die er für sein Telegramm bezahlt haben dürfte, wohl gut angelegtes Geld gewesen.

    Sensationell, was man alles heraus finden kann - da spiele ich in der 6. Liga ... ;(

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    vielen Dank - aber dann sitze Ich in der PG in der 5. - 7. Vorhoelle ;( .

    Das gute an diesem Forum ist doch, dass die Teilnehmer unterschiedliche Kompetenzen und Vorlieben haben, aber dennoch bereit sind Ihr Wissen mit anderen zu teilen. Was wuerde Ich ohne Dich in der PG, ohne Gerd fuer Transkripstionen, ohne Ulrich, Ulf und Nils fuer Fahrpost, Wuerttemberger und VorphilaBayern fuer alle Altbriefe Wuerttemberg betreffend wohl tun (sorry an alle Anderen welche Ich jetzt vergessen habe, aber trotzdem einschliessen will)?

    Einer kann mehr PG, einer mehr Lesen/Informatik/Anderes, aber am Ende kommt hier fast immer was gutes raus.

    Von daher, vergiss einfach die 6. Liga und konzentriere auf die PG :P .

    Liebe Gruesse,

    Bruno

    Einmal editiert, zuletzt von Altensteiger (6. Mai 2023 um 17:30) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • Jetzt wäre nur noch festzustellen, in welchem Monat des Jahres 1869 das Telegramm verschickt worden ist, denn dieser Eintrag fehlt rechts oben, bzw. ist nicht mehr lesbar.

    Und neben dem Tag 30 steht zwar eine 6, aber die ist als Uhrzeit "6 Uhr 10 abends" gemeint.

    Eine Hilfe könnte sein, wenn man feststellen könnte, wann der “Prix de Cedre” in 1869 stattgefunden hat?

    Übrigens könnte ich mir vorstellen, dass der Empfänger des Telegramms, der Duc de Cadore, der Pferdewetter war, der sich von seinem Kumpel, dem Comte, der für ihn gewettet hatte, die Ergebnisse telegraphieren liess.

    Jedenfalls interessant, mit was sich ein hoher Diplomat im Jahr vor dem Krieg so beschäftigte.

    Grüße von der Frankenhöhe

    Gerd

  • Guten Abend zusammen,

    Sieger (vainqueur) des Grand prix de Paris des Jahres 1869 war der schon oben erwähnte "Glaneur", siehe Liste anbei ganz unten:

    Wahrscheinlich hat man in dem Telegramm die Aufstellung der Favoriten gesendet, das Journal L'univers illustre meldet den Sieg in seiner Ausgabe vom 6.-7. Juni (siehe Inhaltbeschreibung unten):

    L UNIVERS ILLUSTRE - DOUXIEME ANNEE N° 753 Les quatre députés élus à Paris, dans le scrutin des 6 et 7 Juin 1869 de COLLECTIF | Achat journaux, revues - Ref RO10055753 - le-livre.fr
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    ...so dass das Telegramm wohl vom 30. Mai 1869 stammt. Den Telegraph für derartiges zu nutzen, war damals sicherlich noch ein Privileg der gehobenen Gesellschaft.

    Schönen Gruß


    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Liebe Freunde,

    unglaublich, was ihr alles daher zaubert - also vom 30.5.1869 und Tim hat natürlich Recht - das waren privilegierte Leute (Hoch- und Geldadel), die Telegramme ins Ausland verschicken konnten und die Wettbeträge dürften auch nicht gerade ein paar Decimes gewesen sein, auch wenn das Spekulation bleiben muss.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo zusammen,

    bei dem etwas außergewöhnlichen Beleg anbei hätte man vermuten dürfen, dass er an den Mitbegründer der geographischen Wissenschaften Carl Ritter (1779-1859) gelaufen sein könnte, allerdings ist jener schon sieben Jahre zuvor verstorben. Weitere Recherchen im www sind diesbezüglich leider gescheitert, nur das Deutsche Haus konnte als Hotel in der Ludwigshafener Ludwigstraße identifiziert werden. Wenn man bedenkt, was eine Depesche damals noch so gekostet hat (z.B. einfach bis 10 Meilen 1-20 Worte 42 Kr, Zuschlag von 21 Kr für weitere 10 Worte), so dass da ganz schnell mal weit mehr als 1 Gulden zusammen gekommen ist, dann kann es sich allerdings nur um eine höhergestellte Persönlichkeit oder einen Handlungsreisenden eines bedeutsamen Unternehmens gehandelt haben. Immerhin hat man ein Datum und die Verordnung für das Reglement der telegraphischen Correspondenz im DÖTV des Bayerischen Regierungsblattes 1862 erbringt einige interessante Aspekte:

    So erfolgte in § 7 die Unterscheidung zwischen Staats-, Dienst- und Privatdepeschen. Letztere konnten gem § 12 am Empfangsort per Estafette (Zahlung im Voraus) oder per Post oder Bote (Zahlung Franco wie Porto) ausgeliefert werden. Für den Fall, dass der Adressat die Beförderungsgebühr entrichten sollte, konnte er am Aufgabeort ein Depositum anlegen. Nach § 15 zählte ein Wort bis 7 "Sylben" als 1 zu zahlendes, jedes längere Wort galt als weiteres. Zahlen mit Ziffern galten nur bis deren 5 als ein Wort, Ziffern wie "%" galten ebenfalls als ein Wort. Der Auftraggeber konnte gem. § 20 zugleich die Gebühr für eine Rückantwort entrichten, nach § 24 konnte bei verändertem Aufenthaltsort des Adressaten nachtelegraphiert werden, allerdings auch hier gegen Gebühr. Unbestellbare Depeschen wurden nach § 26 dem Absender als solche vom Abgabe-Telegraphenamt mitgeteilt und bei der Adressstation 6 Wochen lang ausgehängt, danach vernichtet.

    Schönen Gruß

    vom Pälzer

  • Morsche Tim,

    da hast du ein feines Stück geangelt - P.D. = Privat - Depesche und "Franco", also hat der Absender alles bezahlt und wie du richtig geschrieben hast, war das sicher nicht wenig.

    Aus der Pfalz sind mir nur sehr wenige Depschen-Umschläge bekannt, sowohl im dienstlichen, wie auch im privaten Bereich. Das Kuvert hier ist ganz frisch und mit einem Innendienststempel der Telegraphenstation Ludwigshafen versehen, den man sonst auch sicher nirgendwo würde nachweisen können. Klasse! :P :P :P

    Liebe Grüsse vom Ralph

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