Hallo Tim,
es wird nicht zu unterstellen sein, dass sich ein Angestellter einer Firma 50 oder 100 km mit einem Dutzend Briefen auf den Weg macht, um eine Grenze zu überschreiten, weil er damit 3, 6 oder 9 Kreuzer pro Brief spart. Sicher wird es das hier und da mal gegeben haben, aber das können wir als Coinzidenzen abhaken, weil dieses Konzept, ohne dass es eines wäre, nicht a la longue tragfähig ist.
Es gab schon zu Beginn des Eisenbahnbaus unter den Postverwaltungen bzw. deren Ministerien Diskussionen, wie man es verhindern könnte, dass Reisende Briefe über die Landesgrenzen hinweg zum Schaden der Postkasse "unterschleifen". Es gab mehrere Vorschläge, unter anderem eine Visitierung bei jedem Grenzübertritt und ähnliche Maßnahmen (Öffnen von Gepäckstücken), die aber letzten Endes alle verworfen wurden, weil sie die Leichtigkeit des Verkehrs gefährdet hätten, von den deutlich höheren Personalkosten ganz abgesehen.
Ich leite daher im Umkehrschluß ab, dass Forwarder, Transportgesellschaften im internationalen Bereich und ab und zu mal Private diese versiegelten Briefe zur Portoersparnis mitnahmen, oder sich in Paketen schicken ließen, wenn sich das vom Umfang her lohnte. Bei den damals vorherrschenden hohen Reisekosten dürfte das Feld aber viel eher von den "Profis" bestellt worden sein, als von den "Gütigen", die sich als Handlanger zur Verfügung stellten.
Zur Fixierung meiner Aussagen: Hätten wir alles, was postgeschichtlich relevant war und ist, jederzeit greifbar (via Internet, oder als Papier), wären unsere Bibliotheken 10 mal so umfangreich, wie sie es sind.
Dem Ansatz der von mir beschriebenen Praxis muss man nicht folgen - ich kann sie auch vermutlich in wochenlanger Recherche, deren Endergebnis ungewiß ist, nicht verifizieren; aber das Lesen der Inhalte von Hunderten dieser Briefe hat mir offenbart, wie die modi operandi seinerzeit waren. Im Internet steht dazu nichts.