Der Deutsche Krieg 1866

  • Lieber VorphilaBayern,

    interessanter Brief! Ich führe die dreitägige Verzögerung in der Beförderung auf die turbulenten Tage nach Abzug des VIII. Bundeskorps - das Hauptquartier hatte am 14. Juli Frankfurt/Bornheim in Richtung Babenhausen verlassen - und Einmarsch der Preussen in Frankfurt am 16. Juli zurück. Offensichtlich hatte die Besetzung von Frankfurt durch den Feind zur Folge, dass die etablierte Eisenbahnverbindung zwischen Wiesbaden und Frankfurt (via Hochheim) komplett ausfiel, weshalb der Brief Wiesbaden zunächst nicht verlassen hat. Erst drei Tage später, am 21.7., wurde die Post entsprechend abspediert.

    Ein Hinweis auf den Einfluss der Besetzung durch preuss. Truppen auf das Kommunikationswesen findet sich im "Frankfurter Journal" vom 18. Juli:

    "...Die bayerische und das Neckar-Telegraphenamt sind geschlossen; aber auch das preussische ist noch nicht wiedereröffnet, so dass wir augenblicklich ganz ausser aller telegraphischen Verbindung mit der Aussenwelt stehen. Auch der Post- und Eisenbahnverkehr ist wesentlich gestört, doch hofft man, dass der Dienst auf der Main-Weser-Bahn wenigstens bald wieder hergestellt sein wird..."

    Beste Grüsse vom
    µkern

    Einmal editiert, zuletzt von mikrokern (7. Oktober 2013 um 18:20)

  • Lieber mikrokern,

    herzlichen Dank für Ihre sehr interessante und umfangreiche Darstellung
    der Zeit im Juli in Frankfurt und Wiesbaden. Habe den Brief für Sie auf
    die Seite gelegt.

    Beste Grüße von VorphilaBayern

  • hallo zusammen, besonders liebe Preußen-Freunde,
    ich konnte vor ein paar Tagen beigefügten vorgedruckten Feldpostbrief erwerben. Es handelt sich um einen portofreien Brief (handschriftlich: frei laut Order), der aus Berlin von Frau von Schlieben an ihren Mann, den Hauptmann und Compagnie Chef Herrn von Schlieben gesandt wurde.
    Der blaue Rahmenstempel von Berlin wurde am 1.7.1866 abgeschlagen.
    Mir ist bisher noch kein solcher Vordruckumschlag zu Gesicht gekommen. Es handelt sich ja um einen Umschlag, der nicht von den Soldaten, sondern von den Angehörigen verwendet wurde. Weiterhin war mir zwar geläufig, dass die Briefe von den Truppen portofrei waren, nicht aber von den Angehörigen.
    Kennt jemand weitere Vordruckumschläge? Kann jemand etwas zur Portofreiheit der Angehörigenbriefe beitragen?
    viele Grüße
    preussen_fan

  • Hallo preussen-Fan,

    ein derartiger Umschlag ist mir aus dem Mainfeldzug im Westen nicht bekannt. Grundsätzlich war alle Korrespondenz von und an "dislocirte", also ausgerückte, Militärangehörige unter der Feldpost-Franchise portofrei, sodass die gezeigte Verwendung der Ehefrau an ihren Gatten, den im Felde stehenden Hauptmann, absolut korrekt war.

    Ich vermute, dass diese Art Vordruckumschlag an Truppenangehörige der Armeen im Böhmenfeldzug ausgegeben wurden und auf diesem (Um-)Weg auch den Angehörigen in der Heimat zugänglich waren. Aber vielleicht gab es die auch in Berlin auf dem Hauptpostamt, und ich habe halt noch keinen in Richtung Franken gesehen...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,

    der hier gezeigte Brief hat es m.E. fürwahr in sich! Addressiert an Freifrau von Bethmann, geb. Freiin von Bose, wurde er in Günzburg am 7. Sep. 1866 aufgegeben und nach Frankfurt, an die Residenz der Freifrau, Villa Ariadna, gesandt.

    Der Absender, Hauptmann von Bose, war Offizier in der Nassauischen Brigade der kombinierten Division im VIII. Bundeskorps. Nach dem Waffenstillstand vom 2. August hatte der Oberkommandierende des Bundeskorps, Prinz Alexander von Hessen, am 7. August den Befehl für die württembergische und grossherzoglich-hessische Division ausgegeben, den Rückmarsch in die Heimat anzutreten. Die badischen und österreichischen Truppen hatten schon Ende Juli den Rückweg in die Heimat angetreten, sodass der klägliche Rest des VIII. Korps am 8. August, als Prinz Alexander den Oberbefehl über das Bundeskorps abgab, nur noch aus der nassauischen Brigade sowie zwei Eskadrons kurhessischer Reiter bestand.

    Da die preussische Regierung darauf aus war, mit Baden, Württemberg, Hessen und Bayern „kulante“ Friedensverträge abzuschliessen, die neben kleinsten Staatsgebietsveränderungen lediglich Reparationszahlungen für die besiegten Staaten zur Folge haben sollten, die Einverleibung von Kurhessen sowie Nassau (neben dem Königreich Hannover und der Freien Stadt Frankfurt) ins preussische Königreich aber beschlossene Sache war – ein entsprechender Antrag an den preussischen Landtag wurde am 16. August, also einige Tage vor dem Prager Frieden, gestellt – musste eine Lösung für Verbleib und Zukunft der nassauischen Brigade gefunden werden, bis das politische Schicksal und Detailfragen zur militärischen Zukunft des Herzogtums Nassau geklärt worden waren.

    Deshalb sollte die nassauische Brigade mitsamt der beiden kurhessischen Eskadrons um Günzburg a.d. Donau Kantonierungen beziehen, bis ihr weiteres Schicksal entschieden war. Mit Tagesbefehl vom 10. August brach man am 11.8. dorthin auf. Die Zeit in und um Günzburg empfanden die einquartierten Truppen offensichtlich als angenehm, „… sie bewahrten in dieser Zeit eine mustergültige Haltung, die auch die volle Anerkennung der bayerischen Bevölkerung fand…“ (W. Rosenwald: Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866, S. 181).

    Die Situation der nassauischen Brigade wurde der Truppe nach Abschluss des Prager Friedens durch Tagesbefehl vom 24.8.1866 bekanntgemacht: „Seine Hoheit der Herzog haben in Berlin Verhandlungen angeknüpft, um die Rückkehr der Brigade in das Land bald zu ermöglichen…“ ([1] S. 184).

    Am 8. Sep. 1866 erliess der Herzog von Nassau seinen „Abschiedsbefehl“ in Günzburg: „…Meine Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten. Mit dem heutigen Tag verlasst Ihr die hiesige Gegend, um den Rückmarsch in die Heimat anzutreten…“ ([1] S. 200). Am selben Tag begann die Rückkehr der nassauischen Truppen in die Heimat, wo sie in den nächsten Tagen eintrafen.

    Nach diesem kleinen Exkurs in die Historie zurück zum gezeigten Brief. In der nassauischen Brigade dienten zwei „Freiherren von Bose“ im Hauptmannsrang: Friedrich von Bose (1822-1890), Theaterintendant und Flügeladjuntant bei Herzog Adolph, sowie sein Bruder Moritz von Bose, Kompaniechef der 3. Kompanie im 2. Regiment. Deren Schwester Maria (1819-1882), geb. Freiin von Bose, war verheiratet mit Philipp Heinrich Moritz von Bethmann (1811-1877), Bankier in Frankfurt http://de.wikipedia.org/wiki/Moritz_von_Bethmann

    Die reiche Familie von Bethmann bewohnte das „Bethmann’sche Gartenhaus“, in dessen angegliederten Museum die berühmte Skulptur „Ariadne“ von Dannecker stand, womit die die Adressangabe „Villa Ariadna“ in Frankfurt geklärt sein dürfte:

    (http://www.altfrankfurt.com/neuestadt/Frie…ndhausBethmann/) (alle Angaben aus wikipedia)

    Ob es sich beim Absender des Briefes an die Schwester Maria um den Hauptmann Friedrich oder Moritz von Bose handelte, kann aufgrund des fehlenden Briefinhaltes leider nicht geklärt werden. Ersterer erlangte noch eine zweifelhafte „Berühmtheit“, als er für die Teilnahme am Feldzug 1866 von Herzog Adolph mit dem Ritterkreuz des Adolphsordens ausgezeichnet wurde, ohne jedoch militärische Verdienste vorweisen zu können, was als Brüskierung aller Offiziere, die wirklich Felddienst geleistet hatten, verstanden wurde. Nach dem Krieg wurde er mit einigen wenigen anderen Offizieren von der preussischen Armee nicht als Offizier übernommen ([1]).

    Der Brief, am Tag vor der Abschiedsansprache von Herzog Adolph aufgegeben, dürfte den am Folgetag beginnenden Abzug aus Günzburg und die Rückkehr in die Heimat zum Thema gehabt haben, und stellt mit dem Datum 7.9. einen sehr späten Brief eines ausgerückten Bundessoldaten aus dem 66er Feldzug dar.

    Bleibt noch die Frage, warum man 9 Kr. Postvereinsporto frankierte, aber gleichzeitig „per Feldpost“ anschrieb. Eigentlich wäre der Brief portofrei zu befördern gewesen, da die ausgerückten nassauischen Soldaten als Verbündete Bayerns auch dort Portofreiheit genossen. Vielleicht war der Absender aber der Meinung, dass die Portofreiheit per Feldpost aufgrund der Eingliederung Nassaus ins Königreich Preussen und der Zukunft der meisten Offiziere im ehemals feindlichen preussischen Militär dadurch nicht mehr gegeben wäre und der bayerische Postexpeditor die portofreie Beförderung deshalb ablehnen könnte. Vielleicht hat jemand eine plausiblere Erklärung?

    Der rückseitige Kursstempel der württembergischen Bahnpost vom 8.9.1866 belegt den Leitweg Günzburg-Ulm-Stuttgart-Heidelberg-Frankfurt.

    Quellen:

    [1] W. Rosenwald: Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866. Schellenberg’sche Verlagsbuchhandlung 1983.

    [2] wikipedia, Zugriff 15.10.2013.

  • Lieber mikrokern,

    ein wie immer von dir ausgezeichnet recherchierter Beitrag, der einen optisch eher harmlosen Brief zu etwas besonderem macht. Vielen Dank dafür!

    Ich denke, dass der Absender, der in dem Monaten des Krieges sicher nicht nur diesen einen Brief geschrieben hat, aus Routine Feldpost notierte, obwohl er natürlich nur mit der Feldpost hätte befördert werden können, wenn es diese noch gegeben hätte. Das war anscheinend nicht der Fall.

    Wie man fragmentarisch unter der Marke erkennen kann, stand/steht da ein Franko - Vermerk. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn der Brief auch ohne Marke portofrei zu befördern gewesen wäre.

    Üblicherweise waren sog. dislocirte Truppen der Verbündeten auch auf bayerischem Gebiet portofrei, allerdings war diese Regelung auch irgendwann einmal ausgelaufen, nur wann weiß ich leider nicht.

    Ich teile daher deine Annahme, dass der gute Hauptmann lieber 9x ausgab, als einen 12x Portobrief zu riskieren, auch wenn die Empfängerin mit einem großen Vermögen gesegnet war. Wenn er schon im Krieg eher feige war, dann war er es am Postschalter wohl auch ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... Wenn er schon im Krieg eher feige war, dann war er es am Postschalter wohl auch ...

    Werde mich hüten, dem Herrn Hauptmann Feigheit vorzuwerfen. Er war wohl eher Günstling des Herzogs Adolph, daher die Auszeichnung, während andere "konservativere" Militärs, die - obwohl im Feld gestanden - leer ausgingen und ihm die Ordensverleihung deshalb neideten.


    Üblicherweise waren sog. dislocirte Truppen der Verbündeten auch auf bayerischem Gebiet portofrei, allerdings war diese Regelung auch irgendwann einmal ausgelaufen, nur wann weiß ich leider nicht.

    Ich kenne auch keine Verordnung zur formalen Aufhebung der Portofreiheit, gehe aber davon aus, dass ganz entsprechend der Verordnung zur Gewährung der Portofreiheit für aus den Garnisonen ausgerückte Soldaten verfahren wurde: solange man nicht wieder daheim, also dislocirt, war, sollte die Post per Feldpost-Franchise kostenfrei sein. Warum sollten die letzten Heimkehrer durch eine voreilige Aufhebung benachteiligt werden? M.E. spricht vieles dafür, dass man die nassauischen Offiziere in Bayern im September bereits als Preussen betrachtete, und selbigen dies bewusst war, weswegen sie im "Gastland" Bayern keine Auseinandersetzung wegen ein paar Kreuzern anfangen wollten.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo mikrokern,

    meinen allerherzlichesten Glückwunsch zu diesem außerordentlich bewegenden Stück Postgeschichte ! Ein wahrer Genuss, die historischen Hintergründe so passend dazu aufgearbeitet vorzufinden. So wie ich es verstanden habe war die Frankfurter Hauptpost sogar noch bis kurz vor Einmarsch der Preussen am 16.07.1866 u.a. Feldposteinrichtung der Bundestruppen.

    Unmittelbar danach, d.h. schon am 18.07.1866 wurde der damals 36jährige Geheime Postrat Heinrich Stephan vom Berliner General-Postamt nach Frankfurt berufen und ihm am 21.07.1866 vom Oberbefehlshaber der preußischen Mainarmee, Freiherr von Manteuffel, die Leitung der Thurn und Taxisschen Postverwaltung übertragen, mit dem Auftrag: „In einem großen Wurf dem fürstlichen Lehensinstitut für alle Zeiten in Deutschland ein Ende zu machen !“ *

    Am 28.07.1866 setzte Preußen eine eigene Zivilverwaltung ein, mit dem Prager Frieden vom 21.08.1866 wurde die Freie Stadt Frankfurt dem preußischen Staat angegliedert, die Annexion vollzog sich schließlich am 08.10.1866. Einen Feldpostbrief eines von dort verdrängten Angehörigen der Bundestruppen in genau dieser Phase zu finden, das ist schon allerhand ! :thumbup:

    Ich denke auch, dass sich mit dem schon im August geschlossenen Friedenszustand die Postverhältnisse weitestgehend normalisiert hatten und man in Günzburg vorsichtshalber zur Freimachung übergegangen ist. Stellt sich im Prinzip "nur noch" die Frage, ab wann es eigentlich überhaupt zu einer portofreien Beförderung von Feldpost über Grenzen der altdeutschen Staaten hinweg gekommen ist.

    Schönen Gruß !

    vom Pälzer


    *vgl: http://www.badenphila.de/wallduern.php?Inhalt=4

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    ...Stellt sich im Prinzip "nur noch" die Frage, ab wann es eigentlich überhaupt zu einer portofreien Beförderung von Feldpost über Grenzen der altdeutschen Staaten hinweg gekommen ist.


    Die ersten Truppenbewegungen der süddeutschen Verbündeten über die Staatsgrenzen hinweg erfolgten bereits am 17. Juni, als die württembergische Brigade Hegelmaier mit 5000 Mann in Frankfurt zur Verstärkung und Verteidigung der Bundeshauptstadt eintrifft. Am 25. Juni rückt die badische Brigade LaRoche in Darmstadt ein (die Bayern konsolidierten sich in diesen Tagen im Raum Schweinfurt).

    Man muss sicher davon ausgehen, dass Feldpost der Soldaten in die Heimat bereits aus diesem Zeitraum existiert haben muss; in Bayern befreite die Verordnung Nr. 21,967 vom 21. Juni die ausmarschierten Truppen von der Portopflicht. Leider kann ich keinen Feldpostbrief der Verbündeten in die Heimat aus dem Juni 1866 zeigen; kann nur auf den Brief vom 26. Juni nach Friedberg verweisen, den ich in post #545 vorgestellt hatte.

    ... Einen Feldpostbrief eines von dort verdrängten Angehörigen der Bundestruppen in genau dieser Phase zu finden, das ist schon allerhand !

    Nun, der Hauptmann von Bose stammte aus Wiesbaden (geb. in Biebrich) und war wohl nicht aus Frankfurt verdrängt. Die "gute alte Zeit" war aber sicher mit der Neuaufteilung der Staatsgebiete, der Annexion von u.a. Kurhessen, Nassau und Frankfurt durch Preussen, zu Ende gegangen, und damit die alte Heimat einer Neuordnung unterworfen.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    Zitat

    M.E. spricht vieles dafür, dass man die nassauischen Offiziere in Bayern im September bereits als Preussen betrachtete, und selbigen dies bewusst war, weswegen sie im "Gastland" Bayern keine Auseinandersetzung wegen ein paar Kreuzern anfangen wollten.

    entgegen meiner sonstigen Gewohnheit, teile ich hier deine Ansicht nicht, nicht mal im Ansatz. Zwar habe ich nicht dein Spezialwissen hinsichtlich der Militärgeschichte zum 66er Krieg, aber die Meinung "des Mannes auf der Straße" und die der regierenden Personen glaube ich schon zu kennen, auch oder gerade, weil ich viele Inhalte gelesen und mich, soweit es ging, in die Gemütslage der seinerzeitigen Bevölkerung hinein versetzt habe.

    Die Kameraden alliierter Verbände, die, wenn nicht physisch, so doch im Geiste an der eigenen Seite gegen die verhassten Preußen mitgekämpft hatten, hat man sicher nicht ein paar Wochen nach dem Krieg für den neuen Gegner gehalten, sondern als alte Waffengefährten. Da spielte es auch keine Rolle, dass die Winkeladvokaten ihrer Zeit durch hessische "Eingemeindungen" ihr Staatsgebiet arrondierten. Das ubi bene, ibi patria galt auch ohne Staatserweiterung durch Preußen und man fühlte sich als Hesse, auch nach der Einverleibung durch Preußen und eben nicht als Preuße. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Bevölkerung des Rheinlandes, welche nach den napoleonischen Wirren im Rahmen des Wiener Kongresses Preußen zugeschlagen wurde und wo es Jahrzehnte (nicht Wochen!) dauerte, ehe man zueinander fand.

    Auch wenn sie sich in manchem nicht immer grün waren, so waren die süddeutschen doch ein anderes "Volk", als die kühlen, protestantischen, puritanischen Norddeutschen, als die sie empfunden wurden.

    Bei der routinemäßigen Durchsicht meiner Primärakten fiel mir noch folgendes in die Hände: 1866 relevante VO, die ich anhänge, da mein Scanner wieder dank eines Updates funktioniert.

  • Lieber Bayern klassisch,

    meinen allerbesten Dank für die gezeigten Verordnungen, von denen die Nr. 31,805 vom 12.9.1866 zur Aufhebung des Feldpostdienstes sicherlich die interessanteste ist; damit haben wir ein greifbares Datum, das das Ende der Feldpost für den 66er Krieg in Bayern festlegt!

    Kannst Du auch die dort referenzierte VO Nr. 23,083 (VBl. 34) vom 29. Juni zeigen? Würde mich in diesem Zusammenhang SEHR interessieren!

    Deine Einstellung zur "Preussenfeindlichkeit" und "Hessen- bzw. Verbündetensympathie" teile nicht nur ich, sondern dies ist in der Literatur auch gut belegt; die Bevölkerung stand ganz sicher auf Seiten der Süddeutschen und unterstützte die Truppen der anderen Staaten wie und wo immer es ging. Meine Hypothese (nota bene: ein Erklärungsversuch von vielen, keine Behauptung!) für eine Ablehnung der Portofreiheit für einen nassauischen Offizier bezog sich auch nur auf den Umstand, dass bekannt war, dass das Gros der Offiziere von der preussischen Armee übernommen werden würde. Dies KÖNNTE einen konservativen Postler dazu bewogen haben, den ex-Verbündeten als "Verräter" der Bundessache anzusehen und ihm hinsichtlich der erwarteten Portofreiheit Schwierigkeiten zu machen, was der Offizier vermeiden wollte.

    Im übrigen kenne ich keine "echte" Feldpost der nassauischen Truppen, weder vor dem 10. August, noch danach, als man im Raum Günzburg lag. Möglicherweise gab es gar keine bzw. diese hatte kurz vor dem Rückmarsch in die Heimat ab 8.9. aufgehört zu arbeiten, weswegen der Schreiber sicherheitshalber frankierte, um Verzögerungen zu vermeiden. Klären können wird man die Umstände vorerst nicht.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    dein Wunsch sei mir Befehl (ist ja auch ein Militär - Thread!).

    Nicht verwechseln - der Hinweis bezieht sich auf eine VO aus 1858!

  • Lieber mikrokern,

    hier die gewünschte VO Nr. 23.083 vom 29.6.1866, veröffentlicht im 34. VO- und Anzeigeblatt am 30.6.1866.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

  • Hallo,

    im Rahmen der Diskussion um mögliche Gründe für die Frankierung (nicht wahrgenommene/gewährte Portofreiheit) des in post #666 gezeigten Briefes eines nassauischen Offiziers aus Günzburg nach Frankfurt möchte ich euch dieses Dokument, Abschrift eines Briefes eines nassauischen Soldaten (aus W. Rosenwald: Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866, S. 182) nicht vorenthalten. Wenn schon einfache Soldaten die "Preussifizierung" akzeptierten, wie sollte es dann bei (vielen) Offizieren, die ja aktiv vom preussischen Militär übernommen werden sollten und dort ihre Zukunft sahen, aussehen?

    Wie gesagt - alles hypothetisch; aber von der Hand zu weisen ist eine Frankierung aufgrund angenommener Beendigung des süddeutschen Militärbündnisses und in Folge davon erloschener Portobefreiung vielleicht nicht...

  • Hallo,

    eine kleine Ergänzung zum in post #660/661 gezeigten und besprochenen Brief, den mir der liebe VorphilaBayern vermacht hat (vielen Dank dafür!!), hätte ich noch:

    Preussische Landwehrtruppen sind am 18. Juni in Wiesbaden eingezogen, ohne auf nassauische Gegenwehr zu stossen. Bei der Okkupation einer feindlichen Stadt hat man sofort Bahnhof und Telegrafenamt besetzt, was auch hier der Fall gewesen ist. Wie man aus der hier gezeigten Abbildung aus dem Wiesbadener Tagblatt vom 24. Juli entnehmen kann (aus: W. Rosenwald: Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866, S. 130) , war die Verbindung Wiesbaden-Hochheim-Frankfurt (Taunus-Eisenbahn) in der Folge für den zivilen Verkehr unterbrochen, womit die dreitägige Verzögerung in der Beförderung des Briefes nach Hochheim plausibel erklärt sein dürfte.

  • Hallo,

    und auch diesen Brief vom 14. Aug. 1866 "Vom königl. exponirten Bezirksamts Assessor zu Orb, An die Gemeindeverwaltung zu Lettgenbrunn" hat mir der liebe VorphilaBayern vermacht; er hatte ihn in post #360 bereits gezeigt. Da noch die Transkription des Inhalts fehlte, hole ich das jetzt nach...

    Lettgenbrunn den 13. August 1866

    Bericht der gehorsamst unterfertigten Gemeindeverwaltung allda

    Königliches Bezirksamt!

    Den Krieg zwischen den deutschen Bundesstaaten und dem Königreich Preussen, - hier Vergütung für verabfolgte Speise u. Getränke für Preussische Patrouillen und retour fahrend Fuhrleute betr.

    Der Gastwirth Joh. Kleespies zu Villbach verlangt für verabfolgtes Bier an Preussische Patrouillen 6 Mass a 7 Kr = 42 Kr. - und für verabfolgte Speise und Getränke, sowie Logis zum Übernachten für Fuhrleute, welche von den preussischen Truppen requiriert waren und ohne Heller und Pfennig hierher kamen, sowie für Futter für Pferde 2 fl. 18 Kr, macht sonach in Summe 3 fl. 24 Kr., welcher Betrag von gehorsamst unterzeichneter Gemeinde-Verwaltung zur Zurückvergütung gehörig liquidiert wird. Verehrungsvollst..."

    Offensichtlich war man beim Bezirksamt in Orb mit diesem "informellen" Nachsuchen um Erstattung zunächst nicht ohne weiteres einverstanden, da mit Datum 24. August 1866 in Orb folgender Zusatz hinzugefügt wurde:

    "Br. m. eingehenden Beilagen ausgestellter Bescheinigungen oder Benennung von Zeugen zurück. Orb den 24. August 1866, Königliches Bezirksamt..."

    Nach dem Krieg gab es viele Personen, die noch "eine Rechnung offen" hatten und für im Zusammenhang mit dem Durchmarsch oder Aufenthalt preussischer Truppen entstandenen Kosten entschädigt werden wollten.