Der Deutsche Krieg 1866

  • Hallo Sammlerfreunde,

    das sehe ich wie bayern-klassisch, es hätten 18 Kr. frankiert werden müssen, denn es bestand Frankozwang. Wäre ursprünglich eine Marke auf dem Brief gewesen, müsste sich auch ein PP- oder PD-Stempel auf dem Brief befinden. Wie ist jetzt Frankreich mit diesem Portobrief verfahren, die Franzosen transportierten doch sicherlich nicht umsonst?

    Gruß
    bayernjäger

  • Hallo bayernjäger,

    mit deiner Annahme, dass Frankreich sicher nicht der "Depp" des Krieges von 1866 war, hast du natürlich Recht - im Gegenteil, man kassierte ja für einige wenige Wochen Transitporto für Briefe, die sonst (= Friedensfall) nie über Frankreich geleitet worden wären (Hamburg, Oldenburg, Niederlande, Belgien, Dänemark usw.).

    Wenn wirklich keine Marke jemals auf dem Brief klebte, nehme ich an, dass Strasbourg Bayern intern belastet hat (mit 14 Kr. bzw. 5 Decimes). Das war unter kartierenden Poststellen nicht unüblich und einen Kartenschluss Nürnberg - Strasbourg gab es ja. An eine Barfrankatur glaube ich nicht. Jedenfalls ist der Brief wie ein teilfrankierter bis zur franz.-spanischen Grenze behandelt worden und dass beide Postverwaltungen schliefen, glaube ich weniger. Ich denke, das Geld ist hinter den Kulissen geflossen.

    Tolles Stück! So noch nicht gesehen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,
    ja, wie gesagt - interessanter Brief!
    Jetzt würde mich naturgemäss noch interessieren, ob der Brief einige Wochen früher bzw. später genauso behandelt worden wäre, oder ob man hier wirklich einen kriegsbedingten Einfluss auf den Leitweg annehmen kann.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo mikrokern,

    einen Brief nach Spanien über Frankreich zu leiten kostete 18 Kr. zzgl. 4 Reales ( = 8 Sgr. = 28 Kr. ) span. Taxe.
    Portobriefe waren über Frankreich gar nicht zugelassen.
    Der Weg über Preussen war mit 21 Kr. bis zum Bestimmungsort bezahlt.
    Im Portofalle (siehe Brief von bk) kostete der Brief dem Empfänger 32 Cuartos (= ca. 27 Kr.)

    Schon alleine diese Gegenüberstellung zeigt, dass der Weg über Frankreich sicher nicht frewillig genommen wurde.

    Der Absender (siehe auch Brief von bk) wusste über den Umstand der Taxe sehr wohl Bescheid, da er schon 1865 über Preussen leitete.

    Gruß
    bayernjäger

    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    im PV Preußen-Spanien von 1864 findet sich unter Art. VII

    Das in Spanien für die gewöhnlichen Briefe zu erhebende Porto wird wie folgt festgesetzt:
    ...
    2. Für jeden aus Preussen herrührenden unfrankierten Brief 32 Cuartos für jede 4 adarmes oder einen Bruchtheil von 4 ardames.
    ...

    D.h. es bestand kein Frankozwang.

    Unter Art. III findet sich

    ...
    In derselben Weise soll Alles dasjenige, was in Beziehung auf Preussen festgesetzt ist, anwendung finden für die deutschen Länder, in welchen die Preussische Postverwaltung den Postbetrieb ausübt, sowie für alle diejenigen Staaten des Deutschen Post-Vereins, welche sich für ihre Correspondenz mit Spanien der Vermittlung Preußens bedienen.
    ...
    Die Ausgleichung und Abrechnung mit den deutschen Postverwaltungen liegt lediglich der Preussischen Postverwaltung ob.
    ...

    Der 2. Satz könnte eine Zwangsleitung via Preußen andeuten, aber im Zusammenhang mit dem 1. ist klar, dass es durchaus noch eine Wahlfreiheit gab.

    Entschuldigung für off-topic, aber es passt zu vorigen Beiträgen.

    Viele Grüße
    Michael

  • Da Preußen günstigere Tarife ausgehandelt hatte, weil der Transit über Belgien und Frankreich geschlossen verlief, waren die Briefe, wenn der Absender es nicht anders bestimmte, über Preußen zu leiten.

    Liebe Freunde,
    für mich noch unverständlich ist die Bezahlung Frankreichs, das ja in jedem Fall nur als Transitdienstleister auftritt, egal obvon Bayern über Strassburg oder via Preussen und Belgien und danach eben über Frankreich geleitet wurde.
    Hat Frankreich für den im Prinzip gleichwertigen geschlossenen Transit unterschiedliche Vergütungen erhalten, abhängig davon, ob von Strassburg oder Belgien kommend spediert wurde?
    Wie waren die genau, für die beiden Fälle?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    du musst beide Fälle völlig von einander trennen:

    Bayern - Frankreich PV 1.7.1858. 14 Kr. für Frankreichund 4 Kr. für Bayern bei der Leitung als Vertragsbrief bis 7,5g nach den 3 bekannten Grenzübergangsämtern Frankreichs.
    Also: Briefbeutel Nürnberg - Strasbourg. Strasbourg öffnet und machtje 14 Kr. einen Strich, also Individualabrechnung mit Bayern, niemandem sonst.

    Die PV mit Preußen sind anderer Natur: Hier schloß Preußen Verträge mit Spanien und Portugal ab, für die Frankreich als stiller Transitgeber abgefunden wurde. Preußen verschloß seine Briefpakete und Frankreich wurde nach Gewicht abgefunden. Aus dem Porto, welches Preußen als Vertragspartei zustand, waren Belgien und Frankreich abzufinden. Eine individuelle Berechnung an der Grenze, wie bei Bayern - Frankreich, fand nicht statt. Daher konnten die Tarife auch günstiger gestaltet werden, weil Frankreich keine "Manipulation", also keine Behandlung durchführen musste, sondern einfach nur ein Paket von ein paar Pfund von Nordfrankreich nach Südfrankreich per Bahn transportierte, während im anderen Fall jede Sendung gewogen, taxiert, aufgeschrieben, mit der Briefkarte in der Hand geprüft und evtl. korrigiert werden musste. Diese Vereinfachung sparte Zeit und Geld - bei jeder Partei.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,
    besten Dank für die Klarstellung.
    Ich war der Meinung, dass auch via Strassburg im geschlossenen Transit durch Frankreich geleitet wurde. Die individuelle Behandlung der Briefe war mir nicht klar... ;(

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo,
    ... und doch nochmal eine Frage zur Handhabung der Post (nach Spanien/Portugal) durch Frankreich als Transitdienstleister:
    Hätte Bayern mit Frankreich nicht einen ähnlichen Vertrag wie Preussen aushandeln können/sollen, um auf diese Art (geschlossenen Briefbeutel ohne "Einzelmanipulation") Vergünstigungen zu erzielen, die ans Publikum hätten weitergegeben werden können?
    Warum musste hier ein Sonderweg gegangen werden bzw. warum wurde 1864 nicht mit dem preuss. Vertrag geleichgezogen?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    der PV mit Bayern stammte ja aus dem Jahr 1858 - da war das Grenzfranko bis Spanien Usus. Ab 1.8.1852 konnte man ja schon über Preußen nach Spanien seine Post absenden, allerdings war dann sogar nur die Frankatur bis zur preußisch - französischen Grenze möglich! Also 3 Kr. bis 10 Meilen, 6 Kr. bis 20 Meilen und 9 Kr. für über 20 Meilen bis Forbach.

    Ab 1.7.1864 konnte man via Preußen für 21 Kr. bis zum Empfänger frankieren (7 Kr. = 2 Sgr. Inland und 14 Kr. = 4 Sgr. Weiterfranko). Das war schon moderner, aber der Altvertrag Bayerns mit Frankreich galt ja noch immer und die Gewichte, 1852 noch das volle Loth (!), waren mit 7,5g auch gleich geblieben.

    Der preußische Vertrag von 1864 ist also gar nicht so weit von dem entfernt, was Bayern bereits seit 1858 zugestanden bekommen hatte.

    Allgemein: Man kann das politische / postalische Gewicht Bayerns mit Preußen nicht vergleichen. Preußen war eine Macht, Bayern ein Randstaat. Frankreich benötigte Preußen für viele Korrespondenzen (Dänemark, Hansestädte, Schweden, Norwegen, Polen, Russland, Finnland usw.), während Bayern als Transitland für Frankreich bedeutungsarm war (Österreich). Preußen sah sich mir Frankreich fast auf Augenhöhe, Bayern war ein besserer Bittsteller geblieben.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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    • Offizieller Beitrag

    Liebe Freunde,

    auch wenn der folgende Brief keinerlei Bayern-Bezug, passt er wohl ganz gut hier hinein:

    Geschrieben wurde der Brief am 21.6.1866 in Åbo, Finnland. Er gelangte unter Einschluß nach Lübeck und wurde dort von dem Forwarder (rs. blauer Ovalstempel) am 26.6.1866 als Portobrief bei der Post aufgegeben.
    Von dort lief er mit der Lübeck-Büchener-Eisenbahnlinie bis Lauenburg, rs. Kursstempel Lübeck-Lauenburg. Der Zug überquerte dort die Elbe mit Hilfe der Raddampferfähre Lauenburg und gelangte dort nach Hannover. (Diese Trajekt-Verbindung über die Elbe war ein Gemeinschaftsprojekt von Hannover, Lauenburg und Dänemark sowie verschiedener Eisenbahngesellschaften und seit 1864 in Betrieb.)
    Durch das Königreich Hannover gelangte der Brief dann in die preußische Rheinprovinz und wurde am 27.6.1866 in Köln zugestellt.
    Eine auch nur geringfügige Zeitverzögerung ist nicht festzustellen.

    Am 15.6.1866 war der Krieg zwischen Preußen und Hannover offiziell ausgebrochen. Am Tag der Zustellung in Köln fand die Schlacht bei Langensalza zwischen Preußen und Hannover statt ! Die Stadt Hannover selbst, wie auch weite Landesteile, waren zu dieser Zeit schon preußisch besetzt. Die nach Süden Richtung Kassel führende Bahnlinie war von hannoveraner Seite unterbrochen worden, andere Bahnlinien anscheinend nicht.

    Zum Forwarding: Der Portobrief kostete den Empfänger 4 Sgr. Bei Franko-Aufgabe in Åbo wären ebenfalls 4 Sgr. angefallen, bei Porto-Aufgabe 6 Sgr..

    Viele Grüße
    Michael

  • Lieber Michael,
    ein schöner und interessanter Brief aus einer spannenden Zeit!
    Wie Du richtig sagst, wurde der Brief am Tag der Schlacht von Langensalza in Köln zugestellt; Zetrstörungen von Bahnverbindungen vor diesem Tag sind mir auch nicht bekannt.
    Was den Leitweg von Hannover nach Köln betrifft, gehe ich vom Transport über Löhne-Hamm-Oberhausen nach Köln aus; hier gab es meines Wissens auch später keine Behinderungen.
    Wie das ganze einige Tage später - nach der Kapitulation und Besetzung von Hannover durch die Preussen - ausgesehen hätte, bleibt offen. Vermutlich wäre dann eine Verzögerung in der Zustellung des Briefes unvermeidlich gewesen.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Mikrokern, lieber Michael,lieber Bayern Klassisch,

    tolle Briefe, die Ihr uns zeigt, wenngleich ich selbst zu dem Bereich 1866 bisher
    wenig beitragen kann.

    Ich wende mich aus einem Kurzurlaub mit einer Frage an euch, die mich hier im Wellness
    beschäftigt (schon irgendwie bedenklich, oder :whistling:;(:) :(
    Ich habe einen Brief von Günzburg nach Augsburg, 3Kr rot mit alleiniger Ferderkreuz/Gitter
    Entwertung vom 2.8.1866.
    Der Absender, die <mechan. Baumwollfabrik Günzburg schreibt von einer defekten Telegraphen-
    station.Kann das in Günzburg einen Kriegsbezug gehabt haben!?

    Besten Dank für eure Hilfe! :thumbup:

    Viele Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo Bayern Social,
    mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit hat die defekte Telegraphenverbindung zwischen Günzburg und Augsburg nichts mit dem Krieg zu tun. Kriegerische Handlungen hatte es in dieser Gegend sowieso keine gegeben.
    Ganz verschont von Truppen - jedoch der Verbündeten des VIII. Bundeskorps - blieb aber auch Günzburg nicht:
    Am 10. August erging aus Nördlingen der Marschbefehl an die „Herzoglich Nassauische Feldbrigade in Wemding: Nachdem die K. Bayer. Regierung das Beziehen von Kantonierungen für die Herzoglich Nassauische Feldbrigade in der Umgebung von Günzburg gestattet hat, so erhält dieselbe die Weisung, Morgen den 11. D. M. aus ihren jetzigen Quartieren aufzubrechen…“ (aus W. Rosenwald: Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866. Schellenberg’sche Verlagsbuchhandlung, 1983, Ref. 488 ).
    Am 14. August wurde die Gegend von Günzburg durch die Nassauische Brigade, die zusammen mit der österreichischen Brigade Hahn der 4. kombinierten Division des VIII. Korps angehörte, erreicht, und Anfang September wieder verlassen.

    Und: bitte den Brief zeigen!

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    das nenne ich mal eine hochkompetente Antwort. Wow! Ich hätte nicht gedacht, dass es so weit nach Süden ging ...

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Mikrokern, lieber BK,

    Posteingang wird geleert und Brief wird eingestellt, sobald ich wieder am Scanner bin :thumbup::thumbup:
    Und: Danke für die hochkompetente Antwort!!! :P:P

    Viele Grüsse :)
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social (22. Februar 2012 um 23:26)

  • Liebe Freunde,

    man sollte auch keine Briefe in diesem Zusammenhang verschmähen, die kurz nach dem Krieg liefen, denn man kann dann sehen, wie und wann die Postleitungen wieder frei waren.

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    Ein Brief aus Berlin lief am 10.8.1866 unfrankiert nach Augsburg an einen Diener Carls von Stetten - ganz berühmte Familie mit riesiger Korrespondenz an und von. Berlin taxierte ihn korrekt mit 12 Kr..
    Die Laufzeit von 6-7 Uhr Nachts bis zur Ankunft am Bahnhof Augsburg am 12.8. 7 Uhr morgens deutet auf eine sehr schnelle Postbeförderung hin. Es wäre spannend zu sehen, wie ein paar Tage zuvor die Laufzeiten vergleichbarer Briefe war.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch,

    eine sehr spannende Idee von Dir!! :D

    Da ich glaube, dass mein o.g. Brief Günzburg-Augsburg per Bahn am 2.8.1866 gelaufen
    ist, stelle ich Ihn morgen ein, wenn ich aus dem Kuzurlaub zurück bin.

    Ich nehme an, dass Mirkokern die Idee auch gut findet!? :thumbup:

    Viele Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber bayern klassisch,
    ja, ein Brief, der gut geeignet ist, die (wiederhergestellten) postalischen Verhältnisse zu dokumentieren!
    Welchen Leitweg hältst Du für wahrscheinlicher:
    Berlin-Leipzig-Hof und dann via Schwandorf-Landshut-München-Augsburg oder via Bamberg-Nürnberg-Nördlingen?
    Kann man eine "Standardroute" von Berlin nach Augsburg spezifizieren?

    Beste Grüsse vom
    µkern