Der Deutsche Krieg 1866

  • Lieber mikrokern,

    wie in dem Inhalt geschrieben: Crtrp (die ersten 3 Buchstaben auf Lateinisch, da Courant kein deutsches Wort war, durfte man es auch nicht in der deutschen Kurrentschrift schreiben) und der Rest ist ein altdeutsches kleines "r" und ein Abstrich wie beim "p".

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo,

    wie ausgeprägt die Spenden- und Hilfsbereitschaft der Hannoveraner nach dem Spendenaufruf vom 30. Juni 1866 in Folge der Schlacht von Langensalza und der Kapitulation (27./28. Juni) gewesen sein muss, zeigt dieser Brief aus Bodenteich "An das Comite für die verwundeten Hannoverschen Soldaten in Hannover" vom 4. Juli 1866.

    Offensichtlich waren in nur 4 Tagen so viele Verbands- und Hilfsmittel eingegangen, dass man von der Bereitstellung weiterer Gaben vorerst absah (wobei Geldspenden sicherlich weiterhin dankend angenommen wurden, wie dir früher vorgestellten Briefe zeigen).

    "An das Comite für die verwundeten Hannoverschen Soldaten in Hannover

    Eiligst veranstaltete Gaben an Leinen, Hemden, Charpie und Bandagen wären heute zur Absendung bereit, da steht in den Hannoverschen Anzeigen, daß Sendungen dieser Art mehr eingegangen seien, als erforderlich wären. Wir haben vorläufig daher die Absendung beanstandet und bitten erforderlichen Falles um weitere Ordre.

    Bodenteich, d. 4ten Juli 1866

    Notiz des Empfängers am Rande: "beantwortet 5/7 66 daß vorläufig nichts nöthig, eventuell weitere Nachricht. M."

  • Lieber mikrokern,

    ein entzückendes Stück, wenn auch im tragischen Ambiente.

    Der Absender hatte ja nicht "Franko" notiert, denn dies geschah erst von späterer Hand mit Graphitstift (?). So könnte man meinen, dass das Comité als portofrei angesehen wurde, dann aber die Ansicht sich durchsetzte, frankieren zu müssen. Trifft dies zu?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern klassisch,

    von einer Portofreiheit kann man so kurz nach der Kapitulation und dem sicherlich entstandenen "Ordnungsvakuum" nicht ausgehen. Wer hätte eine solche nach so wenigen Tagen auch verfügen sollen? Das Königreich und seine Verwaltung hatte sicherlich andere Sorgen als eine karitative Privatinitiative kurzfristig in den Genuß von Portofreiheit zu bringen; zumindest kenne ich keine entsprechende Vorschrift. Und da der Brief frankiert wurde, gab es so etwas wohl auch nicht. Wer den "fr"-Vermerk angebracht hat, kann ich nicht sagen.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    ich glaube, man darf die Schnelligkeit politischer (und damit auch postalischer) Entscheidungen dieser Zeit nicht unterschätzen. Wenn es der politische Wille war oder gewesen wäre, hätte man das in einer Stunde durchziehen können. Ein paar Dutzend Dienstdepeschen und Dienstexpressbriefe und am nächsten Tag hätte man im ganzen Königreich gewusst, wie zu verfahren gewesen wäre.

    Aber das ist natürlich fiktiv - interessant halte ich solche Gedankenspiele aber schon, zumindest so lange, wie wir nichts sicheres aus den Akten erfahren.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ... Ein paar Dutzend Dienstdepeschen und Dienstexpressbriefe und am nächsten Tag hätte man im ganzen Königreich gewusst, wie zu verfahren gewesen wäre.


    Lieber bayern klassisch,

    wenn es so gewesen wäre, dann hätte man den Brief wohl nicht frankiert. Denkbar ist m.E. auch, dass der Absender zunächst von Portofreiheit ausging, die so am Schalter aber nicht akzeptiert wurde - eben in Ermangelung einer entsprechenden Verfügung, weshalb der Brief nun frankiert werden musste. Der Absender hat dann selbst den "fr"-Vermerk mit Bleistift dazugeschrieben.

    BTW: musste ein "franco"-Vermerk bei einem frankierten Brief eigentlich in jedem altdeutschen Staat angebracht werden, oder war das evtl. nur in Bayern (und anderswo) Vorschrift?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    so hatte ich es ja geschrieben - vermutlich war man sich unsicher und weil die Angelegenheit wichtig war, frankierte man sicherheitshalber mit dem Groschen, weil man eine Nichtannahme um alles in der Welt verhindern wollte. Die Adresse sollte eigentlich nie mit Bleistift notiert werden und "franko" war ja als Teil der Adresse in ganz AD vorgeschrieben, allein von daher ist der Brief sehr interessant.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,

    mit diesen beiden Telegrammen möchte ich die kleine Serie von Belegen aus dem Umfeld der Schlacht von Langensalza und den Folgen für das Königreich Hannover vorerst beenden.

    Beide gingen vom Polizeirat Grote aus Göttingen an das Amt Alfeld. Im ersten (undatierten) wurde telegraphiert:

    "An das Amt Alfeld

    Hannoversche Truppen kommen laut veränderter Bestimmung von Osten ??? Alle Sachen nach Celle und Hildesheim senden.

    Grote Polizeirath in Göttingen"

    Das zweite Telegramm datiert vom 29. Juni (also einen Tag nach der Kapitulation):

    "Amt Alfeld

    Hannoverschen Truppen haben capitulirt. Nothwendig sofort Wein Brot Wurst anschaffen. Hiesiges Comite bittet dagleichen ???

    Grote Polizeirath"

    Leider fehlen mir einige Wörter zur kompletten Transkription. Wer hilft?

    Und: sind die Telegramme wirklich "echt", oder hat da jemand auf leeren Originalvordrucken etwas getürkt? Der Duktus der Schrift scheint mir nicht zeitgemäß, aber vielleicht täusche ich mich...

  • Lieber mikrokern,

    "hierherschicken" heißt das gesuchte Wort.

    Ich darf dich beruhigen - beide sind absolut echt. Graphitstift war Usus damals - die Beamten dort hatten i. d. R. in lateinischer Schrift zu schreiben, weil viele Ausländer telegraphierten bzw. Depeschen bezogen, daher die Bastardschrift, die ungewöhnlich wirkt.

    Ein Fälscher hätte nie das Wort "capitulirt" richtig geschrieben, weil man das 30 Jahre später schon mit "ie" schrieb, vorne noch mit "k" - das stammt schon aus den 1860er Jahren.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,

    nochmal zu den vorher gezeigten Telegrammen; die Datierung des einen hat mir keine Ruhe gelassen.

    Da es heisst "Hannoversche Truppen kommen laut veränderter Bestimmung von Osten ins Land...", gehe ich davon aus, dass dies nach der Kapitulation telegraphiert wurde, als die hannöverschen Soldaten auf ihrem Heimweg von Langensalza in nordwestliche Richtung zurückmarschierten, wo u.a. Göttingen auf dem Weg lag.

    Da im anderen Telegramm vom 29.6. explizit von der Kapitulation der Truppen die Rede war, kann man wohl davon ausgehen, dass das undatierte Telegramm vom 30.6. oder dem 1.7. stammt, wo Durchmarsch und Rückkehr vieler Soldaten eine entsprechende Rolle spielte. Den Passus "laut veränderter Bestimmung" kann ich in Ermangelung einer Vorlage konkreter Bestimmungen nicht deuten.

    Hat jemand eine andere Erklärung/Datierung?

    Beste Grüsse vom
    µkern

    Einmal editiert, zuletzt von mikrokern (30. November 2013 um 09:34)

  • Hallo,

    von @BayernSocial konnte ich diesen Brief im Tausch gegen einen anderen, für seine Sammlung geeigneteren, erwerben – vielen Dank! Er wurde zwar schon mal in diesem thread gezeigt, da der scan aber mittlerweile verschwunden ist und ich außerdem einige weitere historische Details hinzuzufügen habe, kommt hier die Komplettbeschreibung.

    Ganzsachenumschlag (Geschäftsbrief) von Berlin nach Frankfurt, abgesandt am 24. Juni 1866 und mit dem Vermerk „via Cöln“ versehen. Der reguläre Leitweg in Friedenszeiten wäre Berlin-Magdeburg-(Hannover)-Kreiensen-Kassel-Gießen-Frankfurt gewesen. So aber sollte der Brief ab Hannover über Dortmund und Köln nach Frankfurt spediert werden, mithin die Verbindung Kreiensen-Göttingen-Kassel-Gießen weiträumig umgehen und einen beträchtlichen Umweg machen.

    Der Grund dafür lag in der aktuellen Kriegssituation: am 17. Juni waren preußische Truppen (die Divisionen Manteuffel und Goeben) in Hannover einmarschiert, kurz nachdem die hannöversche Armee sich noch gerade hatte nach Süden (Göttingen) in Sicherheit bringen können. Dabei hatte man die hannoversche Südbahn, also die bedeutende Eisenbahnverbindung nach Göttingen (und weiter nach Kassel), teilweise zerstört, um eine Verfolgung durch die Preußen zu erschweren. Deshalb mussten Goebens Soldaten, die am 19. Juni zur Verfolgung der Hannoveraner aufgebrochen waren, in den folgenden Tagen nach Süden zu Fuß marschieren statt sich der komfortableren und schnelleren Eisenbahn zu bedienen. Diese wurde erst ab dem 20. Juni stückweise repariert, um die geplante nachrückende Verstärkung durch die Division Manteuffel (die erst am 21. Juni von Hannover aufgebrochen war) zu erleichtern. Am 22. Juni erfolgte die Vereinigung der Divisionen Goeben und Manteuffel bei Northeim, immer noch ca. 20 km nördlich von der hannoverschen Armee. „Den 23. befahl das Oberkommando für die Division Goeben in Göttingen und für das Korps Manteuffel in Northeim Ruhetag… Der Armeebefehl für den 24. bestimmte den Marsch der Division Goeben nach Münden (die Infanterie wurde mit der Bahn befördert), den Marsch des Korps Manteuffel nach Göttingen…“ (aus: Eduard von Jena: „General von Goeben im Feldzuge 1866 gegen Hannover und die süddeutschen Staaten“, Berlin 1904).

    Unterdessen hatte die Division Beyer, die von Wetzlar aufgebrochen war, am 19. Juni Kassel besetzt und marschierte danach in nördlicher Richtung auf Göttingen, weshalb die Hannoveraner sich gezwungen sahen, nach Südosten auszuweichen, was letztendlich in der Schlacht von Langensalza am 27. Juni kulminierte. Um dem Feind die Verbindung nach Süden – das VIII. Bundeskorps begann sich in diesen Tagen im Raum Darmstadt/Frankfurt zu konsolidieren - zu erschweren, hatte die Beyer´sche Division auch die Eisenbahnverbindung Gießen-Frankfurt zerstört, sodass man zusammenfassend sagen kann, dass aufgrund mehrerer zerstörter Eisenbahnabschnitte sowie starker Truppenbewegungen entlang der Achse Hannover-Göttingen-Kassel-Gießen-Kassel in der Zeit ab dem 17. Juni für einige Tage sicherlich keine für den zivilen Postverkehr brauchbare und durchgängige Eisenbahnverbindung von Hannover über Kassel nach Frankfurt zur Verfügung stand.

    Dieser Zustand war wohl am 23./24. Juni in Berlin bekannt, weshalb der Absender durch die Leitwegvorgabe „via Köln“ Beförderungsblockaden vermeiden wollte. Offensichtlich hat das auch so funktioniert – der Brief kam ausweislich des rückseitigen Distributionsstempels bereits am 25. Juni in Frankfurt an.

    Interessant wäre jetzt empirisch herauszufinden, ab welchem Datum die Strecke Hannover-Kassel-Gießen-Frankfurt wieder für zivile Briefpost frei und nutzbar war (für Fahrpost galten die Einschränkungen bekanntlich deutlich länger).

  • Lieber Mikrokern,

    Dann möchte ich doch der erste sein, der Dir zu dem beindruckenden Beleg gratuliert :)
    Wie heisst es hier im Forum so schön: "Chapeau" :thumbup:

    Wenn ich Zeit finde, kann ich etwas später einen Brief zeigen, aus den gleichen Gründen umgeleitet,
    Pfalz-Hannover über Cöln, vom 27.6-28-6.1866, der mir "verblieben" ist...

    In unserem Tausch war es eine klare "Win/Win" Situation, so etwas ist immer gut für beide Sammlungen.

    Beste Grüße :)
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • zu 666

    Der rückseitige Kursstempel der württembergischen Bahnpost vom 8.9.1866 belegt den Leitweg Günzburg-Ulm-Stuttgart-Heidelberg-Frankfurt.

    Nach der Zusammenstellung von Ganzhorn ist Zug 6 auf der Strecke Ulm - Stuttgart gefahren, jedenfalls zwischen 1. 11. 1865 und 19. 8. 1866, aber auch noch 1867, 1868.

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • Hallo VorphilaBayern,

    ja, so etwas liebe ich, fällt genau in mein Beuteschema!

    Ein Brief aus der Besatzungszeit in Franken. Vor allem Einheiten des II. Preußischen Reserve-Armee-Korps befanden sich in der Gegend um Würzburg, Nürnberg und Bayreuth. Das kombinierte Garde-Reserve-Infanterie-Regiment unter Oberstleutnant Beyer von Karger gehörte zur kombinierten Garde-Infanterie-Brigade, welche wiederum Teil der preußischen Division innerhalb des II. Res-AC war.
    Der Feldpostbrief lief mit vielen aus Preußen an die in Franken stationierten Besatzungssoldaten gerichteten Briefen im geschlossenen Beutel nach Nürnberg bzw. Fürth, wo er direkt von der preußischen Feldpost übernommen wurde, die die Post dann über das Feldpostamt, die Feldpostexpedition und -relais den Regimentern zur Weiterverteilung zukommen ließ. Deshalb ist auch rückseitig kein bayerischer Ankunftsstempel aus Fürth zu sehen, da die Feldpost nicht durch die bayerische Post abgefertigt wurde.

    Beste Grüsse vom
    µkern

    Einmal editiert, zuletzt von mikrokern (17. Dezember 2013 um 16:57)