Der Deutsche Krieg 1866

  • Hallo mikrokern,

    ich bin generell der Ansicht, dass man ein Thema, nicht nur in der PO und Philatelie, immer weitläufig sammeln sollte, weil man sonst nur im eigenen Kakao rührt und die Bohne nicht mehr sieht.

    Daher ist z. B. der Inhalt sehr aufschlußreich, denn die Post aus Bayern rechtsrheinisch lief in dieser Zeit nach Hamburg immer über Strasbourg - Paris und wenn es die Briefe taten, waren die Warenströme genauso zu leiten, denn alles sollte ja gut, schnell und sicher ankommen.

    Von daher ein feiner Brief, bei dem man sich die Markenqualität nicht aussuchen kann - man kann nur das Glück haben, so etwas sehen und kaufen zu dürfen. ;)

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    als Sammler, der den Aspekt der Social Philately und der Zeitgeschichte schätzt, sind auch für mich Briefe
    der Kriege des 19ten Jahrhunderts, besonders 1866 und 1870/71 natürlich von grossem Interesse.

    Den Brief, den ich euch zeigen möchte, konnte ich bereits letztes Jahr erwerben. Ich wollte Ihn euch aber hier
    nicht vorstellen, bevor er vom Prüfer, Herrn Stegmüller als echt geprüft wurde, was jetzt der Fall ist.
    (Auch hinsichtlich der fehlenden Marke und des originalen Federzuges)

    Ein 9Kr Brief vom 9.7.1866 nach Paris, vom Vortag der historischen und leider auch sehr blutigen
    Schlacht von Kissingen am 10.7.1866.
    Abgesehen davon, daß auch der zuständige Prüfer überrascht war, dass am Vortag der Schlacht überhaupt noch Post
    die Stadt verlassen hat, gibt es über die Zustände in der Stadt am 9.7.1866 interessante Berichte in der Literatur.(siehe Link)
    [Blockierte Grafik: http://s3.imgimg.de/uploads/1866Sc…9fa4a005jpg.jpg]

    Die Schlacht bei Kissingen fand während des Deutschen Krieges am 10. Juli 1866 zwischen Preußen und Teilen der deutschen Bundesarmee,
    hier vertreten durch bayerische Truppen, statt.Insgesamt werden die gefallenen Soldaten beider Seiten auf etwa 1000-2000 Mann geschätzt.
    Die preußische Mainarmee unter dem Kommando des Generals Vogel von Falckenstein, mit den Generalen Manteuffel, Göben und Beyer,
    zählte etwa 54.000 Mann und 96 Geschütze. Den Kern bildete das VII. Korps aus Westfalen.Die Schlacht endete mit einem preußischen Sieg.
    (Quelle u.a. Wikipedia)

    Sehr interessante Details zu der Schlacht von Kissingen sind auch unter anderem hier zu finden:

    http://books.google.de/books?id=LrI9A…epage&q&f=false (mit Augenzeugenberichten, auch zum 9.7)
    http://de.wikisource.org/wiki/Ein_Besuc…of_zu_Kissingen
    http://www.badkissingen.de/de/tourismus-k…gsgraeber_.html
    Und natürlich besonders auch die Beiträge in den Rundbriefen der Arge Bayern (klassisch) des Herrn Dr. Wilfried Frieauff zu dem Krieg von 1866.

    Zu der postalischen Behandlung des Briefes ist natürlich auch noch etwas zu sagen.
    Der Tarif nach Frankreich, für einen Brief der einfachen Gewichtsstufe lag 1866 bei 12Kr. Neben der verklebten 9Kr Marke ist aber keine 3Kr Marke sondern
    der Federzug des Postlers, der besagt, daß an der Stelle eine Marke gesessen hat und diese nach Absendung abgefallen ist. Wohl eine 3Kr nach dem Tarif von 1858.
    Dementsprechend hat die Annahmepost in Frankreich den Brief auch anstandslos, ohne Nachporto angenommen, "PD" gestempelt und in Paris zugestellt.

    Nun hoffe ich, daß der Brief euch ähnlich viel Freude bereitet, wie er es mir getan hat und insbesondere freue ich mich über Ergänzungen und Meinungen zu dem
    Brief von unseren geschätzten Forum-Spezialisten und besonders auch von unserem "1866 Kriegsspezialisten" Mikrokern.(Auch zu den Opferzahlen)
    Sehr interessant fände ich es auch, falls jemand Briefe von Kissingen 9. oder 10.7.1866 kennt, diese hier zu zeigen oder gerne auch Briefe mit der Federkreuzbehandlung.(Auch per PN)

    Sonnige Grüsse von :)
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    4 Mal editiert, zuletzt von Bayern Social (13. April 2012 um 17:43)

  • Hallo BayernSocial,

    na, dann will ich mal Stellung nehmen zu Deinem Brief.

    Zunächst meinen Glückwunsch - Brief vom Vortag des Gefechts von Kissingen, aus selbiger Stadt ins Ausland (Frankreich), und dann noch mit der auffälligen Frankatur - wer hat schon so etwas? Ich nicht...

    3 Bemerkungen seien mir gestattet:

    1. Bezüglich der Angabe über Verluste dürfte die Zahl von 5000 - selbst wenn man Bayern und Preussen zusammennimmt - deutlich zu hoch gegriffen sein. Im Werk des Generalquartiermeister-Stabs "Antheil der königlich bayerischen Armee am Kriege des Jahres 1866" (München, 1868) wird die Zahl der bayer. Gefallenen mit 101, und die der Verwundeten mit ca. 591 angegeben. Die gleichen Zahlen sind bei Th. Fontane's "Der deutsche Krieg von 1866" (Verlag Rockstuhl) zu finden; für die preuss. Verluste gibt er 143 Tote und ca. 700 Verwundete an. Zum Vergleich: in Mittler's Werk "Der Feldzug von 1866 in Deutschland (Berlin, 1867) werden die preuss. Verluste für die Schlacht von Königgrätz am 3. Juli mit fast 2000 Toten und ca. 7000 Verwundeten angegeben. Eine - traurige - aber auch andere Dimension...

    2. Herrn Stegmüllers Verwunderung ob der Tatsache, dass noch am Vortag des Gefechts von Kissingen (den Begriff einer "Schlacht" möchte in angesichts der zuvor genannten Zahlen vermeiden) Post abgegegangen war, vermag ich nicht zu teilen. Fakt ist, dass die preuss. Truppen bei der Verfolgung der Bayern am 9. Juli Brückenau erreicht hatten, etwa 20 km nordwestlich von Kissingen. An diesem Tag hielt sich weder ein preuss. Soldat in Kissingen auf, noch war die Stadt belagert oder eingeschlossen. Während die Vorbereitungen der bayerischen Truppen zur Verteidigung der Stadt liefen (es war klar, dass es zu einem Gefecht kommen würde), funktionierten die etablierten Prozesse zur Versorgung der Bevölkerung nach wie vor. Insbesondere nach Süden und Osten, wo überhaupt kein Feind war, gab es keine verkehrstechnischen Engpässe. Dein Brief nach Paris wurde sicher nach Würzburg geleitet, das im Süden lag und von den Kampfhandlungen erst zwei Wochen später eingeholt werden sollte. Also kein Grund, die Post dahin am 9. Juli aufzuhalten oder umzuleiten. Am 10. Juli, dem Tag, als die preussischen Soldaten der Division Goeben in Kissingen kämpften, dürften die Verhältnisse anders gewesen sein...

    3. Womit wir bei einer speziellen Art der "Umleitung" wären: Dein Brief wurde nicht, wie in Friedenszeiten für Post aus dem nördlichen Franken nach Paris üblich, über Mainz-Bingerbrück-Forbach - also Kartierung über die preussische Post - gesandt, sondern wohl über Würzburg-München-Ulm nach Strassburg, wie der vorderseitige Durchgangsstempel verrät. Und das macht ihn zu einem echten "Kriegs-Umleitungsbrief", wie wir ja schon einige gesehen haben.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Mikrokern,

    Danke für die Blumen aus so prominentem Munde :)

    Auch schonmal besten Dank für Deine, wie immer sehr qualifizierten Rückmeldungen.
    Es ist schon beeindruckend, wie Du, mit der richtigen Litaratur ausgestattet, zu
    jedem Thema des 1866 Krieges so kompetent Stellung nimmst.

    Nun die Opferzahlen will ich dann mal auf 1000-2000 Mann auf beiden Seiten ändern,
    wobei im Netz Zahlen zwischen 3000-5000 gefallenen Soldaten die Runde machen.
    (Natürlich ist jeder einzelne Gefallene Soldat schon einer zuviel)

    Eine Schlacht ist es, wenngleich die von Königgrätz natürlich noch grösser war, für
    meine Begriffe jedoch sehr wohl gewesen.
    http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Kissingen
    Wenn die Preußen mit 50.000 Mann in Kissingen aufmaschiert sind ist das nach meiner
    Meinung kein Gefecht, sondern eine waschechte Schlacht,oder?
    Wir waren mit der Familie mal im Wellness in Bad Kissingen, welches ja eine ganz kleine
    Ortschaft ist,von daher kann ich mir die Menge an Soldaten und Kriegsgerät in dieser
    Kurstadt kaum vorstellen....

    Nun zu den Zuständen am Vortag der Schlacht gibt es ganz eindrückliche Meldungen über
    die Vorbereitungen auf die Schlacht, wie Du ja auch schon geschrieben hast....
    Da möchte ich auch nicht weiter spekulieren, denn allzu subjektive Interpretationen gehören
    nun mal nicht in unser Forum und zwei Bücher zu der Schlacht vom 10.7.1866 habe ich gestern
    schon bestellt, mal sehen was die noch an Erkenntnissen hergeben:)

    Zur Kriegsumleitung:
    Es macht den Brief natürlich nicht schlechter, daß er kriegsbedingt über Strassburg lief, wobei
    für mich das Datum vom Vortag der Schlacht im Vordergrund stand...(andererseits ist es in meiner
    Sammlung dann auch die erste Umleitung des 1866 Krieges, 1870/71 hatte ich schon 8) )

    In jedem Fall vielen Dank für Deine kompetenten Ergänzungen...!! :)

    Viele Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo BayernSocial,

    am Gefecht von Kissingen hat massgeblich die Division Goeben mit einer Stärke von 14'300 Mann teilgenommen. Die anderen Divisionen waren hier nicht involviert, und nicht alle Regimenter der Division waren am Kampf selbst beteiligt, sodass man sicher nicht von 50'000 in Kissingen aufmarschierten Preussen sprechen kann...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Hallo Mikrokern,

    Besten Dank für die Info zu der Beteiligung der preußischen Truppen, daß war mir so bisher nicht bekannt.

    Die Stärke ist zwar mit 50.000 Mann angegeben, doch wie Du schon sagst, sind dann auf preußischer Seite
    "nur" die Division von Goeben in die Kampfhandlungen involviert gewesen?
    Kannst Du zu der Truppenstärke auf Bayrischer Seite noch etwas sgen, daß wäre prima!?
    Es ist auch für mich nicht so unbedingt wichtig, ob es nun eine Schlacht oder ein Gefecht war, denn
    die Seltenheit der bei dem Brief zusammen fallenden Eigenschaften erfreut mich so oder so..... :)
    (Wobei in der mir zugänglichen Literatur/ Netz meist von der "Schlacht von Kissingen" gesprochen wird)

    Die äusserst kompetenten Bemerkungen hier im Forum helfen dann auch noch, die Beschreibungen in der Sammlung
    zu perfektionieren und die Belege sowie das Wissen auch anderen interessierten Sammlern zugänglich zu machen.

    Von daher bin ich immer aufs neue froh, hier in so guter Gesellschaft zu sein :thumbup:

    Liebe Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    3 Mal editiert, zuletzt von Bayern Social (13. April 2012 um 18:41)

  • Ich hatte im Rundbrief 89 in 2004 schon einmal kurz zu diesem Brief Stellung genommen.

    "Der in Rundbrief Nr. 88 angesprochene Klebezettel „Kann in Folge höherer Anordnung von Frankfurt a.M. nicht weiter befördert werden, desshalb zurück an den Aufgabeort“ liest sich auf den ersten Blick wie eine Katastrophenmeldung. Was könnte der Grund für die höhere Anordnung gewesen sein ? Der Blick auf den Aufgabestempel liefert das Datum 13.07. (1866). Der Abschlag trägt die Uhrzeit 6-7 N. Also am frühen Abend wurde der Brief angenommen. Eine Weiterleitung von Offenbach in das nahegelegene Frankfurt noch am selben Abend ist wahrscheinlich. Die weitere Bearbeitung fand sicherlich erst am Morgen des 14.07. statt. Bei Aschaffenburg kämpfte bereits seit dem frühen Morgen eine österreichische Brigade gegen die Preußen. Der Brief ist an den „Herrn Major Kröll Unterchef im Generalstab der III ten Division im 8ten Deutschen Armeekorps dermalen in Aschaffenburg“ gerichtet. Am 12. und 13. Juli wurde die Großherzogliche Hessische Division (3. Division) nach Aschaffenburg zur Vereinigung mit den anderen Divisionen des VIII. Corps gebracht. Major Kröll diente in dieser Division. Da man bei Fronhofen schon starke preußische Verbände ausmachte entschloss man sich diese dort im Laufe des Tages (13.07.) anzugreifen. Die Eigenmächtigkeit dieser Entscheidung über das Ausrücken des I. Kontingents sollte verheerende Folgen haben. Man traf erstmalig auf Feuer aus Hinterladern und eine unsinnige Stoßtaktik brachten eine herbe Niederlage mit 582 Mann Verlusten, worunter 175 Tote waren, ein. Unter den Toten befanden sich 12 Offiziere unter anderem auch Major Kröll. Der Rückzug verlief alles andere als planmäßig. Dieser erfolgte nach Seligenstadt, anstatt zu den restlichen Verbänden nach Aschaffenburg zurück. Auch die I. Division (Königlich Württembergisches Kontingent) schaffte es nicht mehr rechtzeitig zur Unterstützung der Österreicher und den restlichen Hessen-Darmstädtern. Die II. Division (Großherzoglich Badisches Kontingent) machte kurz vor Aschaffenburg halt und hörte dort den Gefechtslärm, konnte sich jedoch nicht dazu durchringen ohne ausdrücklichen Befehl weiter vorzugehen. Die preußische Division Goeben errang einen vollständigen Sieg und nahm Aschaffenburg am 14.07.1866 ein. Aus historischen Gründen ist die Nichtzustellung (bzw. Weiterleitung) nun verständlich, da auch der Adressat bereits am 13.07. gefallen war. Offen bleibt hingegen die Frage nach den postgeschichtlichen Hintergründen. Wer verfügte die Anordnung und vor allem die Frage nach der Herkunft der Klebezettel, die sicherlich schon eine geraume Zeit vor den Ereignissen hergestellt werden mussten."

    Quelle:


    Walter Rosenwald, Die Herzoglich Nassauische Brigade im Feldzug 1866, 1983

  • Auf der 72. Rauhut-Auktion am 11.01.2003

    wurde die abgebildete Ganzsache aus Offenbach für EUR 2500,- angeboten und für EUR 2750,- zugeschlagen. Bei Köhler in der 345./346. Auktion vom 21.09.2011 - 24.09.2011 für EUR 1500,- ausgerufen und für EUR 1250,- zugeschlagen.

    Liebe Grüße

    Harald

    Wein- und Sektstadt Hochheim am Main


  • Hallo guy69,

    danke für die Zuschläge - der Zustand ist halt Note 5, sonst wäre der Zuschlag auch bei Rauhut ein anderer gewesen (und Köhler hat das zweifelsohne internationalere Publikum, was auch bei einem innderdeutschen Brief nicht unterschätzen werden sollte).

    Lieber Bayern Social,

    ein ganz außergewöhnlicher Brief, den ich in der Art nicht gesehen habe. Das Tintenkreuz wurde sicher in Bayern angebracht, da Frankreich keine blaue Tinte kannte und der Brief, wie von mikrokern ganz richtig erwähnt, im geschlossenen Transit durch Baden lief (und die badische Bahnpost auch anderes Blau führte). Man hat wohl den Brief in aller Eile angenommen und schnell weiter spediert ("nix wie weg damit"). Man hätte ihn dem Absender zur Auffrankatur zurück geben müssen, aber ich glaube, die Leute hatten damals anderes zu tun, als ihren armen Stadtbriefträger wegen kümmerlicher 3 Kr. auf die Reise zu schicken.

    Frankreich erhielt 7,2 Kr. von jedem einfachen Brief aus Bayern kreditiert, so dass Bayern hier nur 1,8 Kr. blieben. Wegen des Transits durch Baden war das aber nur der bayer. Bruttolohn, denn damals rechnete man an inneren Transitkosten 2 Briefe auf ein Loth, so dass noch ca. 0,8 Kr. an Baden für die Transitgewährung abzuziehen waren.

    Schlacht verloren, Unterfrankatur verpennt, nur 1 Kr. in der Kasse geblieben - wenig glückliche Tage in Bad Kissingen!

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch,

    danke für die Aufklärung, es verdichtet mein Bild, unter welchen Umständen der Brief aufgegeben wure....
    Und danke für die Blumen :)
    Kannst Du an dem V in dem Aufgabestempel Kissingen die Tageszeit erkennen, wann der Brief am 9.7.1866
    aufgegeben wurde?
    Kennst Du weitere Briefe mit einem solchen Tintenkreuz Vermerk für eine fehlende Marke?

    Hallo Guy69,

    auch von mir ein Danke schön für die Unterschiedlichen Zuschläge, die zeigen, daß es auch bei Rauhut teuer werden kann.

    Beste Grüsse
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Lieber Bayern Social,

    die "V" stand eigentlich für 5 Uhr morgens. Ich bezweifle aber, ob man in Kissingen um diese Uhrzeit die Postexpedition geöffnet hatte. Nach den offiziellen Öffnungszeiten für Postexpeditionen jedenfalls nicht. Daher denke ich eher, dass man keine arabischen Ziffern für die Nachmittagsstunden in den Aufgabestempel einstellte und die römischen Ziffern, die eigneltich für die Morgenstundentunden vorgesehen waren, nicht nutzte (oder in der falschen Reihenfolge umsteckte!).

    Der Stempel von Strasbourg datiert vom 11. - da ist sicher eine leichte Kriegsverzögerung drin, denn üblicherweise war man innerhalb von 24 Stunden von jedem Ort im rechtsrheinischen Bayern mit der Bahn zur französischen Grenze gefahren (Ausnahme vlt. die Region um Passau und Zwiesel).

    Es gibt nur ganz wenige Briefe mit Tintenkreuz, statt Freimarke.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch,

    vielen Dank für Deine Informationen, wenn die Briefe mit Federstrich dieser Art schon sehr selten sind,
    dann darf ich bei dem Brief der Schlacht von Kissingen mit Kriegsumleitung wohl von einem Unikat ausgehen :)

    Das freut mich sehr, habe ich doch schon so lange und intensiv nach 1866 Briefen gesucht... das zeigt uns
    aber auch, daß Beständigkeit auch in der Philatelie zum Erfolg führen kann.

    nils und Mikrokern:

    Hallo guy69,

    der Brief wurde in diesem thread unter post #149 ff bereits diskutiert.

    wäre es dann nicht sinnvoll, den Beitrag von Guy69 hinter thread 149ff zu verschieben, dann blieben die Beiträge
    doch besser im Zusammenhang und die Struktur nachvollziehbarer, oder?

    Viele Grüsse
    Bayern Social :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

    Einmal editiert, zuletzt von Bayern Social (15. April 2012 um 20:03)

  • Hallo Bayern-Social,

    sehe gerade erst diesen Wahnsinns-Beleg aus Kissingen...die story dazu ist nicht weniger der Hit. Hat echt Freude gemacht das zu lesen. Zu dem Thema römische und arabische Ziffern als Stundennachweis in den Halbkreiserabstempelungen findet man unterschiedliche Aussagen: Nach Winkler (Handbuch der bayer. Poststempel, Nürnberg 1951, Seite 51) sollen die römischen Ziffen für die Vormittags-Dienststunden und die arabischen für die Nachmittags-Dienststunden stehen.

    Im Sem`schen Bayern-Spezialkatalog (Bd.I, Handbuch der Kreuzerausgaben, 8 Aufl. Gundelsheim 2000, Seite 274) ist es anders herum beschrieben. Mir ist jetzt nicht geläufig, von wann bis wann die Dienststunden in Kissingen üblicherweise gelaufen sind, aber wenn man bk`s Auffassung in post293 Folge leistet, dann hört sich die Winkler`sche Version wahrscheinlicher an.

    Aber egal: Nach den Ausführungen des von Dir zitierten J. Heinemann 1866, waren die Kissinger und deren Kurgäste spätestens ab 05.Juli.1866 in Aufregung wegen der heranrückenden Preussen. Da wird auch der örtlich zst. Postexpeditor ein Tag vor der Auseinandersetzung - ein bischen :rolleyes: - "geflattert" haben. Immerhin, während des Häuserkampfes am 10.Juli.1866 wurde sein Briefträger durch Gewehrkugeln verwundet (vgl. Fußnote S.11) und am Haus des Poststallhalters entstand der mit Abstand höchste Schaden in der Stadt mit ca. 12.000 Gulden (s. Nachtrag S. 28) .

    Nochmals herzlichen Glückwunsch für diesen sehr außergewöhnlichen Beleg :thumbup:


    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    also die Aussagen im zitierten Heinemann'schen Werk zur "Schlacht von Kissingen und Nüdlingen" sind z.T. mit Vorsicht zu geniessen, da sicherlich patriotisch und vom Zeitgeist verklärt/beeinflusst. So sind z.B. die angegebenen Verlustzahlen deutlich zu hoch gegriffen und stehen im Widerspruch zu allen anderen zeitgenössischen Quellen.

    Die Aussage " ...waren die Kissinger und deren Kurgäste spätestens ab 05.Juli.1866 in Aufregung wegen der heranrückenden Preussen" muss man sicher relativieren. Am 5. Juli waren die preussischen Truppen noch nicht mal in Fulda eingerückt; es war völlig offen, welche Wendung die für die bayerischen Truppen gerade erst begonnenen Kampfhandlungen nehmen würde, ob z.B. Frankfurt in unmittelbarer Gefahr stand. Der Rückzug der Bayern über die Rhön und die Verfolgung des VII. bayer, Korps durch die Preussen stand nach den Gefechten von Dermbach, Hünfeld und Gersfeld noch bevor, womit Kissingen als möglicher Brennpunkt unmöglich vorhersehbar war.

    Sicher muss man den Menschen in den fränkischen Dörfern und Städten - und vermutlich den sich dort befindlichen Auswärtigen umso mehr - ein gewisses Mass an Unsicherheit und Angst ob dem kommenden Verlauf und Entwicklung des Krieges zugestehen, aber Kissingen war sicher nicht das Epizentum der Furcht vor nahenden preussischen Soldaten.

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber Pälzer,

    zuviel des lobes, aus Deinem Munde :):)
    Es freut mich sehr, wenn Dir der Beleg und die Augenzeugen Schilderungen Freude
    gemacht haben und Erkenntnisse bringen, dafür tauschen wir uns ja auch hier aus....

    Nun die Frage des Stempels wäre noch abschliessend zu klären....
    Aber nach den Schilderungen in dem von mir und Dir zitierten "J.heinemann", der sich ja
    hauptsächlich auf Augenzeugenberichte stützt, war es schon eine Schlacht mit einer
    Beteiligung von etwa 20-25000 Soldaten auf beiden Seiten und die opferzahlen variieren
    zwar aber sind wohl mit 4000-5000 in besagtem Werk benannt,
    Nun wie auch immer,der liebe Mikrokern hat ja niedriger Zahlen aus anderen Quellen, wenn sie möglicherweise
    auch in der Mitte liegt und wie gesagt, ich kenne Bad kissingen ganz gut-Da war schon " die Hölle" los.... ;(;(

    Der Beleg sieht jedenfalls für mich ganz danach aus, als wäre er in den "Wirren" der Kriegsvorbereitung
    in grosser Eile aufgegeben worden, wodurch eventuell auch die abgefallene 3Kr Marke zu erklären wäre...

    Die genauen Ereignisse diesbezüglich werden sich nach rund 150Jahren wohl nicht mehr klären lassen
    und laut Mikrokerns Schilderung war ja scheinbar zum Teil noch "Business as usual" am 9.7. möglich.....

    Vor den Hintergründen des 1866ger Krieges ist mir jedenfalls mal wieder klar geworden, wie unendlich
    wertvoll derFrieden in unserem Land seit fast 70Jahren ist-Auch daran kann bayrische Philatelie errinern :)

    Viele Grüsse
    Bayern Social

    Ups: mikrokern und @ Pälzer: Mikrokerns und mein Beitrag haben sich überschnitten, nur als Info und zum Verständnis :)

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"

  • Hallo mikrokern,

    die Intensität der Furcht vor kriegerischen Auseinandersetzungen dürfte durchaus individueller Natur sein, ich würde mich da auf nichts festlegen wollen.


    + Gruß

    vom Pälzer

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  • Lieber Bayern Social,

    ich glaube kaum, dass die Marke abgefallen ist - fielen Marken von Briefen ab, galten diese als un- bzw. unterfrankiert und waren nachzutaxieren. 2 Briefe (von 3 die ich gesehen habe) habe ich in meiner Contra - Sammlung und diese belegen auch die in der Dienstvorschrift angemahnte Vorgehensweise.

    Aber wie gesagt, es war Krieg und da musste man wohl nicht alles so bierernst nehmen, obwohl der Expeditor in Kissingen ein ganz hervorragender war, auf den ich nichts kommen lasse.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber Bayern Klassisch,

    Wie Du weisst wiederspreche ich Dir ganz ungern und besonders vor Deinem Urlaub.... 8o

    Nur ist auf dem Brief zu sehen, daß eine Marke an der Stelle des Tintenkreuzes gesessen hat,
    was Herr Stegmüller so auch attestiert hat.
    Ich bin mir sicher, wenn Du den Beleg siehst, wist Du zu dem gleichen Schluss kommen :):)

    Beste Grüsse und viel Spass beim packen für Deinen Urlaub :P
    Bayern Social

    Beste Grüsse von
    Bayern Social


    "Sammler sind glückliche Menschen"