• Liebe Freunde,

    es gibt, auch wenn man viele Mini-Sammlungen führt, wie ich, nicht viele Briefe, die gleichzeitig in 5 Mini-Sammlungen passen, aber es gibt sie, wie dieser hier beweist.

    Vorab: In welche Mini-Sammlungen passt er?

    1. Contraventionen durch bayer. Postbedienstete

    2. Korrespondenz GB - Bayern

    3. Weiterleitungen/Retoursendungen

    4. Korrespondenz Frankreich - Bayern

    5. Poste restante

    In Sheffield wurde am 27.9.1861 ein bis 7,5g leichter Brief korrekt mit 6 Pence frankiert (18 Kreuzer) "Via France" an "Mr John Fowler Poste restante Munich Bavaria" verschickt, der über London, Calais, Paris, Strasbourg, Kehl, Stuttgart nach München geleitet wurde, wo er am 1.10.1861 eintraf.

    Nach den Vorschriften für poste restante gestellte Briefe in Bayern war der Brief damit (der Abgabepost in München) ausgeliefert. Unter der Lagernummer 289 wurde er im Münchener Lagerbuch eingetragen und harrte seiner Abholung durch Mr Fowler.

    Aber der kam nicht - stattdessen wurde in München "Munich" gestrichen und durch "Paris" ersetzt.

    Da der Brief ausgeliefert worden war, wenn auch nicht an Herrn Fowler, war er nun zu einem gewöhnlichen Portobrief von Bayern nach Frankreich (Postvertrag 1.7.1858) geworden, der in Frankreich mit 6 Decimes = 18 Kreuzer dem Empfänger auszuhändigen gewesen wäre.

    Als er aber schon am 2.10.1861 in Paris über dieselbe Route, wie er gegangen war, auch wieder einlief, wurde er zwar immer noch als poste restante behandelt, aber bei seiner Abgabe nichts verlangt und daher auch nichts kassiert.

    Bayerns Forderung auf 40% des Portos von 18x, immerhin 7,2x, wurde ignoriert und auch Frankreichs theoretische Forderung von 10,8x war perdue - nur weil Bayern geschlafen hatte und den Brief nicht in der Briefkarte nach Strasbourg als Portobrief geführt hatte.

    Die 4x, die Mr Fowler bei seiner Abholung in München zu bezahlen gehabt hätte, konnten natürlich niemandem weiterbelastet werden, weil eine Auslieferung dort eben nicht stattfand.

    In Frankreich war der Postdienst poste restante kostenlos, denen war es also eh egal.

  • ... ich danke euch - endlich mal wieder ein "Engländer" vereinnahmt, da wars schon lange Zeit für. 8o

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Liebe Freunde,

    von einem lieben Sammlerfreund als Geschenk erhalten, freut es mich besonders, dieses kleine Rosinchen zeigen zu können:

    Postkarte 2 Kreuzer aus Augsburg vom 4.9.1874/75 "An die Expedition des Musikal. Wochenblattes in Leipzig Koenigstraße".

    Hinten lesen wir die Anweisung des Absenders: "Geehrtester Herr Fritzsch! Haben Sie die Güte mir das Musikal. Wochenblatt von nun an poste restante München zu senden. Es grüßt Sie und zeichnet achtungsvollst Wilh(elm) Schwendemann".

    Das könnte der hier gewesen sein: Komponist, Musiklehrer usw..

    Deutsche Biographie - Schwendemann, Wilhelm

    Schön zu sehen, dass er wohl von Augsburg nach München umziehen wollte, aber noch keine Adresse in München vorweisen konnte; daher erst einmal die für einen Musicus wichtige Post "poste restante" an den neuen Wohnort schicken lassen - der Rest fand sich dann.

  • Lieber Erwin,

    so ist es - man muss halt nicht nur immer vorne auf Marke, Stempel, Taxe oder Leitweg schauen, sondern auch mal lesen, was man sich damals geschrieben hat. Oft liest man dann vergeblich, weil es Banalitäten waren, die man sich zuschickte, aber ab und zu ist auch ein kleines Schmankerl dabei ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Passend zum Thema: bei Rauhut und Kruschel wurde gerade diese Oldenburger Bunt-Frankatur der 1. Ausgabe versteigert. Der Vermerk links unten scheint mir "Post Restando"(?) zu sein. Falls ja, ist dies der erste Poste Restante-Brief, den ich gesehen habe. Interessant ist auch, dass keine Adresse angegeben wurde - gab es um 1852 herum nur ein Postamt in München?

    Bildquelle: Rauhut & Kuschel 213. Auktion - Los 150

  • ... nein, es gab die Stadtpost (Hauptbriefpostexpedition) und den Bahnhof, aber viele Gutsbesitzer mit Namen Hayessen wird es damals schon in München nicht gegeben haben.

    Da der Brief aber poste restante gestellt war und der Empfänger wohl aus dem Raum Oldenburg stammen dürfte, bekam er ihn eh nur auf der Stadtpost gegen Vorlage seines Passes unter Mitnahme eines ortsbekannten Menschen ausgehändigt.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • ... nein, es gab die Stadtpost (Hauptbriefpostexpedition) und den Bahnhof, aber viele Gutsbesitzer mit Namen Hayessen wird es damals schon in München nicht gegeben haben.

    Da der Brief aber poste restante gestellt war und der Empfänger wohl aus dem Raum Oldenburg stammen dürfte, bekam er ihn eh nur auf der Stadtpost gegen Vorlage seines Passes unter Mitnahme eines ortsbekannten Menschen ausgehändigt.

    Danke, Ralph!

    Ich habe mal Google eingesetzt und vermute nun, dass der Brief an den Grossvater von Egbert Hayessen (Widerstandskämpfer des 20. Juli) gerichtet war, der damals einen Gutshof in der Nähe von Oldenburg hatte (wie auch Egberts Eltern) und vermutlich auf Reise in München war. Das könnte zumindest das "poste restante" erklären.

  • ... das ist doch eine nette Geschichte um den Brief herum - klasse!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Drucksachenumschläglein vom 31.12.1901 von Konstanz an Wohlgeboren Iris 321 Postlagernd Neustadt / Schwarzwald - klingt fast wie heute im Internet. ;)

    Drucksachen, wahrscheinlich ein Neujahrskärtchen, per Poste Restante, finden sich auch nicht an jedem Hauseck.

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • ... ich glaube nicht mal, dass es 321 Irisse (schreibt man so den Plural von Iris?) in dem Örtchen gab - sonderbare Anschrift, aber deswegen allein schon gut. :):)

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Danke der Blumen, Heilbronn ist immer eine Reise wert :)

    Grüße aus Bempflingen
    Ulrich

    Das Leben ist zu kurz um sich darüber zu ärgern, was andere über dich denken oder sagen

    also hab Spaß und gib ihnen etwas worüber Sie reden können

    scheinbar ist ihnen ihr eigenes Leben zu langweilig

  • Liebe Freunde,

    manchmal hat es Briefe, bei denen kommt mehr zusammen, als man sich gemeinhin erträumen darf. Hier wäre so einer aus Leipzig vom 20.4.1874 mit einem Groschen frankiert und doppelt entwertet durch den Zweikreiser Leipzig-Hof an "Herrn Wilhelm Schirmer aus Leipzig, Bamberg, poste restante".

    Schon am Folgetag kam er dort an und wurde ins Lagerbuch für p. r. Sendungen eingetragen und harrte nun des Herrn Schirmer. Aber da harrte er lange, nämlich so lange, wie die Bamberger Post ihn liegen ließ, denn abholen wollte ihn keiner. Daher notierte man vorne "wurde nicht abgeholt", strich Bamberg und fügte "retour Leipzig" hinzu.

    Weil man ohne den Absenderstempel hinten nicht hätte genau wissen können, woher der Brief kam, vermerkte man noch "Abs(ender) im Stempel" wohl am 31.7.1874 und sandte ihn zurück nach Leipzig, wo er am 1.8.1874 auch ankam. Da sieht man wieder, was so ein Firmenstempel wert sein kann.

    Nach der Beschreibung des Auktionshauses soll die Marke einen Plattenfehler haben und auch der Einzeiler "Leipzig" soll nicht Massenware darstellen. Sogar der Bahnpost-Zweikreisstempel ist offenbar kein Standard-Stempel aus dieser Zeit.

    Nicht abgeforderte Poste restante - Briefe sind äußerst sammelnswert, auch wenn dieser Postsonderdienst damals keine Gebühr mehr nach sich zog.

  • Lieber Ralph,

    wieder mal ein Hammerbeleg, nachdem wohl nicht nur ich mir die Finger lecken würde.... Bayern-Dt. Kaiserreich in spannend!

    Meinen Glückwunsch und ich frage mich langsam, wo du deine Zeitmaschine versteckt hast ;)

    Grüße,

    beeindruckt

    Andreas

    Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser (Lenin nachgesagt)