MiNr. 8 II - 1 Kreuzer gelb mit runden/abgeschrägten Ecken

  • Hallo Jürgen,

    was bedeutet "elastische Druckstücke"?

    Selbst besitze ich Marken der Quadratausgabe, bei denen sind die farblosen Inschriften so stark geprägt, dass ich diese von der Rückseite mit Zinn ausgiessen könnte. Wie kommt diese Prägung genau zustande, wenn der Druck nur von oben erfolgt?

    Beste Grüße

    Markus

  • was bedeutet "elastische Druckstücke"?

    Selbst besitze ich Marken der Quadratausgabe, bei denen sind die farblosen Inschriften so stark geprägt, dass ich diese von der Rückseite mit Zinn ausgiessen könnte. Wie kommt diese Prägung genau zustande, wenn der Druck nur von oben erfolgt?

    Beim regulären Buchdruck, wie er bei den Quadratausgaben zur Anwendung kam, entsteht eine Tiefprägung, wenn das papier auf einer elastischen Unterlage befestigt ist ("weiche Zurichtung"). Dann drückt sich der Druckstock so tief in das Papier ein, daß es sich über seine Elastizitätsgrenze plastisch, also bleibend, verformt. Die nicht bedruckten Flächen dazwischen treten dann erhaben vor.

    Beim farblosen "Prägedruck", der im Prinzip nichts anderes ist als ein Buchdruck, wird Wert gelegt auf fein ausgearbeitete plastische Konturen. Grundsätzlich ließen sich die auf die gleiche Weise herstellen, indem der entsprechend fein ausgearbeitete Druckstock das Papier gegen eine elastische Matte drückt. Die feinen Konturen werden dabei je nach Papierstärke jedoch verrundet, treten also weniger scharf in Erscheinung.

    Deshalb dreht man den Prozeß um und drückt das Papier in eine entsprechend fein ausgearbeitete Matrize. Das kann durch eine gleich geformtes Gegenstück (Patrize) geschehen, aber auch durch auf der Druckplatte angebrachte elsatische einzelne konturlose Druckstücke, durch die jeweils die zu prägende Fläche in die Matrize gedrückt wird.

  • Hallo Will,

    die Diskussion gibt mir die Gelegenheit meinen schönen Brief von 237 Neustadt a. S. Uf vom September 1851 zu zeigen.

    Der frankierte Dreierstreifen von der ersten geprägten Platte 2a.

    Ich denke, dass hier im Thread der 8II auch blaue Marken gezeigt werden können, denn die Markenecken spielen bei der 8II die entscheidende Rolle, und bisher ist eigentlich nicht klar, wieso Mitte 1865 einige gelbe 1 Kreuzer mit ein bis vier abgeschrägten Ecken auftauchen.

    Sind das bearbeitete Stöckel mit denen schon vorher gedruckt wurde, oder sind es Reservestöckel die neu zum Einsatz kamen. Warum wurden diese Stöckel bearbeitet ? Sind die abgeschrägten Ecken durch Hammerschläge zu erklären, was die einfachste Erklärung wäre, nur ist es schwer vorstellbar, dass so gearbeitet wurde.

    Meiner Meinung nach passt es nicht, dass die Drucke mit ein bis drei abgeschrägten Ecken von bearbeiteten Stöckel stammen sollen, aber der Druck mit vier abgeschrägten Ecken als ein Druck von einem Austauschstöckel der 3I gesehen wird.

    Zurück zu dem Dreierstreifen.

    Gegen geprägte Markenecken wird argumentiert, dass die Markenecken sehr unterschiedlich ausfallen.

    Von sauber abgerundeten Ecken bis fast spitze Ecken ist alles vertreten.

    Bei den Drucken von der Platte 2a sind die Ecken noch recht gleichmässig, bei Platte 3 und Platte 4 tauchen ein bis vier abgeschrägte Ecken auf und die Drucke der Platte 5 und Platte 6 zeigen nur noch spitze Ecken.

    Und dann sind noch die nicht zentrischen Druckbilder bei der Platte 3, die auch bei der 1 Kreuzer gelb vorkommen, und bei einem Druck von auf Maß geprägten Stöckel eigentlich nicht möglich sind.

    Der eingestellte Dreierstreifen von der Platte 2a zeigt die Ecken recht gleichmässig rund. Leicht unterschiedliche Rundungen im Markenbild sollten druckbedingt auch bei geprägten Ecken möglich sein.

    Anders bei der Platte 3 oder Platte 4, wo ein bis vier abgeschrägte Ecken vorkommen. Das kennen wir auch von Drucken der 1 Kreuzer gelb ab Mitte 1865.

    Hier Zusammenhänge zu finden könnte bei der Meinungsbildung zur 8II helfen.

    Gruss Kilian

  • ich ergänze hier noch mit dem bis vor Kurzem unbekannten 9er-Block der 6 Kreuzer braun Typ II, Platte 1. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass die Marken in diesem Block mit den schön und gleichmäßig abgerundeten Ecken durch den Prägeprozess oder durch unterschiedliches Material so schöne runde Ecken bekommen haben.

    Immer im Hinterkopf behaltend, dass der Prägestempel ja ganz spitze, rechtwinklige Ecken hatte. Übrigens scheinen mir bei manchen Marken (z.B. rechts unten und rechts Mitte jeweils die rechte obere) manche Ecken abgeschrägt, was nun wirklich auf eine mechanische Behandlung deutet...

    3 Mal editiert, zuletzt von FCargnel (4. Februar 2024 um 12:07)

  • Hallo,

    Frage: sehe ich es richtig, dass es sich bei den beiden nachstehenden Probedrucken, 12 Kreuzer Quadratausgabe und 3 Kreuzer Wappenausgabe, um einen kombinierten Buchprägedruck handelt und für den Druck eine Patrize und eine Matrize benötigt wird?

    Die jeweilige Rückseite ist m.E. vom Scanner (Canon 9000F Mark) suboptimal in Bezug der Tiefen dargestellt.

    Beste Grüße

    Markus

    eine ausführliche Behandlung dieser Post-Festum-Probedrucke findet sich auch in dem neuen Handbuch...

  • Hallo Jürgen (Altsax),

    vielen Dank, für Deine ausführliche Erklärung. Damit kann ich etwas anfangen.

    Mir kommen noch weitere Fragen in den Sinn.

    Wenn sich der Druck einer Auflage über mehrere Tage hinweg zieht, muß dann die Zurichtung je Drucktag neu vorgenommen werden oder wird das je Auflage nur 1x gemacht?

    Ist der Austausch von einem Stöckel auch damit verbunden, dass die Zurichtung neu vorgenommen werden muß?

    Beste Grüße

    Markus

  • von der 1 Kreuzer gelb bspw. wurden 17,6 Mio Exemplare gedruckt, das sind über 195.000 Bogen... das zog sich bei einer Auflage über mehrere Monate und insgesamt sogar Jahre! Nicht Tage... :D

    Einmal editiert, zuletzt von FCargnel (4. Februar 2024 um 15:30)

  • Wenn sich der Druck einer Auflage über mehrere Tage hinweg zieht, muß dann die Zurichtung je Drucktag neu vorgenommen werden oder wird das je Auflage nur 1x gemacht?

    Ist der Austausch von einem Stöckel auch damit verbunden, dass die Zurichtung neu vorgenommen werden muß?

    Wenn der Drucker nach den Regeln der Kunst arbeitet, öffnet er abends den Schließrahmen und reinigt die Klischees. Genau genommen ist anschließend eine neue Zurichtung erforderlich, die sich aber nicht unbedingt im Druckergebnis von der vorangegangenen unterscheiden muß.

  • Hallo zusammen,

    bei allen Überlegungen sollte die dritte Dimension sowohl bei der Druckstockprägung als auch beim Druckvorgang nicht außer Betracht bleiben.

    Bei der Druckstockprägung kann es vorkommen, daß der Werkstoff (Messing) nicht ganz bis in die Tiefe der Matrize geprägt wird. Das kann sich so auswirken, daß feine Ecken gar nicht erreicht werden, sich also rund darstellen. Da das für alle Zeichnungsteile gilt, wären in solchen Fällen nicht nur die Rahmenecken, sondern auch andere Bildteile runder als üblich. Das sollte sich also bei entsprechender Betrachtungsmenge feststellen lassen.

    Das Gleiche gilt für die Zurichtung (hart oder weich) und den aufgewandten Druck. Eingefärbt wird ja nicht nur die vorgesehene Druckebene. Auch die Flanken der Drucklinien bekommen etwas Farbe ab, wenn mit einer weichen Rolle eingefärbt wird. Je nachdem, wie tief der Druckstock ins Papier eintauchen kann, verändern sich die Druckkonturen.

    Das sind natürlich keine neuen Erkenntnisse, gleichwohl bleibt dieser Effekt oft unbeachtet.

  • Hallo zusammen,

    bei allen Überlegungen sollte die dritte Dimension sowohl bei der Druckstockprägung als auch beim Druckvorgang nicht außer Betracht bleiben.

    Bei der Druckstockprägung kann es vorkommen, daß der Werkstoff (Messing) nicht ganz bis in die Tiefe der Matrize geprägt wird. Das kann sich so auswirken, daß feine Ecken gar nicht erreicht werden, sich also rund darstellen. Da das für alle Zeichnungsteile gilt, wären in solchen Fällen nicht nur die Rahmenecken, sondern auch andere Bildteile runder als üblich. Das sollte sich also bei entsprechender Betrachtungsmenge feststellen lassen.

    Das Gleiche gilt für die Zurichtung (hart oder weich) und den aufgewandten Druck. Eingefärbt wird ja nicht nur die vorgesehene Druckebene. Auch die Flanken der Drucklinien bekommen etwas Farbe ab, wenn mit einer weichen Rolle eingefärbt wird. Je nachdem, wie tief der Druckstock ins Papier eintauchen kann, verändern sich die Druckkonturen.

    Das sind natürlich keine neuen Erkenntnisse, gleichwohl bleibt dieser Effekt oft unbeachtet.

    Danke, ich sehe aber bei den oben gezeigten Marken von kilke und von mir jede Menge Bildteile mit ganz spitzen Ecken... Müsste das dann nicht anders sein? Müßten die dann nicht ebenfalls irgendwie abgerundet sein?

  • Danke, ich sehe aber bei den oben gezeigten Marken von kilke und von mir jede Menge Bildteile mit ganz spitzen Ecken... Müsste das dann nicht anders sein? Müßten die dann nicht ebenfalls irgendwie abgerundet sein?

    Das wäre die logische Folge.

    Es ist auch nicht gesagt, daß es bei allen dargestellten Möglichkeiten immer ein "entweder-oder" gibt. Effekte können sich abwechseln, überlagern etc. Man sollte nur alle denkbaren Varianten in Betracht ziehen, ehe man sich auf eine festlegt, mit der man sympathisiert, für die es aber gegenüber anderen keine zwingenden Gründe der Bevorzugung gibt.

    Gerade Thesen, die jahre- oder jahrzehntelang vertreten worden sind, weisen eine ausgeprägte Beharrungstendenz auf. das ist in der Wissenschaft nicht anders als in der Philatelie.

  • Das wäre die logische Folge.

    Gerade Thesen, die jahre- oder jahrzehntelang vertreten worden sind, weisen eine ausgeprägte Beharrungstendenz auf. das ist in der Wissenschaft nicht anders als in der Philatelie.

    Da stimme ich dir aber sowas von zu!!!

    Nur in diesem Fall sehe ich hier im Markenbild aller Marken immer nur die äußeren 4 Ecken abgerundet, und alle alle anderen Ecken innerhalb des Markenbildes sind, selbst die sehr dünn und fein ausgeprägten, absolut spitz...

    Damit müsste man doch die aktuell diskutierte Theorie verwerfen, denn dass die beschriebenen Effekte dann nur in den äußeren Ecken auftreten, ist nicht möglich - korrekt?

  • Hallo,

    bei dem von Kilian gezeigten Dreierstreifen fällt mir auf, dass ich selbst keine spitze, quasi rechtwinklige äußere Ecke sehe. Zusätzlich ist bei jeder der drei Marken das rechte untere kleine Ziffernquadrat unten rechts unvollständig.

    Nachstehend eine MiNr. 2 I a, mit spitzen Ecken und überhaupt vollständigem Druckbild.

    Zu der Marke gibt es einen Fotokurzbefund von Herrn Sem, auf einwandfrei lautend.

    Beste Grüße

    Markus

  • Hallo Sammlerfreunde,

    hier nochmal eine Marke/Brief aus der allerersten Auflage der 4II Platte 1 auf einem der frühesten bekannten Briefe vom 4.10.1850.

    Nur leicht gerundete Ecken und links unten deutlich abgeschrägt, als hätte jemand auf die Ecke geschlagen.

    Gruß

    bayernjäger

  • Hallo Jürgen (Altsax),

    nachstehend je eine von Herrn Sem geprüfte Marke MiNr. 2 Platte 2 und MiNr. 2 Platte 3

    Beide Marken wurden innerhalb von einem Scan aufgenommen, welchen ich in zwei Teile aufgeteilt habe (wegen dem Upload-Limit. Kann aber auch gerne den ganzen Scan verkleinert hochladen). Die Druckfarbe fallen sehr unterschiedlich bei beiden Marken aus.

    Auf dem von Dir gezeigten Teilfoto, als auch in dem Scan, von dem Druckstöckel 3 Kreuzer, sieht man im Hintergrund den "Sockel" oder das "Sockelplättchen" (wie auch immer die richtige Bezeichnung sein mag)

    Ist es möglich, dass bei abweichender Konsistenz der Druckfarbe und zugleich abweichender Zurichtung der Druckform (? was genau wird eigentlich weich oder hart zugerichtet?), das gleiche Stöckel einmal mit runden und einmal mit spitzen Ecken abdruckt bzw. der Sockel mit abdruckt und sich dadurch spitze Ecken ergeben?

    Beste Grüße

    Markus

    P.S. die Einbuchtung unter dem rechten unteren Ziffernquadrat fällt bei Marken der Platte 3 auch kleiner aus, was aber vielleicht auch durch die unterschiedliche Druckfarbe und unterschiedlichen Anpressdruck bedingt sein könnte?


  • Nur in diesem Fall sehe ich hier im Markenbild aller Marken immer nur die äußeren 4 Ecken abgerundet, und alle alle anderen Ecken innerhalb des Markenbildes sind, selbst die sehr dünn und fein ausgeprägten, absolut spitz...

    Damit müsste man doch die aktuell diskutierte Theorie verwerfen, denn dass die beschriebenen Effekte dann nur in den äußeren Ecken auftreten, ist nicht möglich - korrekt?

    Das sehe ich genauso.

    Man sollte nur nicht ausschließen, daß der geschilderte Effekt bei anderen Klischees aufgetreten sein kann. Die für die gerundeten/abgeflachten Ecken genannten (und auch ungenannte weitere) Ursachen können mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten durchaus eine Rolle gespielt haben. Über so lange Druckperioden sind technische Varationen nicht selten.

  • Hallo zusammen,

    zur Veranschaulichung des Aufbaus eines Druckstocks nachfolgend eine Abbildung aus wikipedia, die das Prinzip auch für Briefmarkenklischees zeigt:

    Das geprägte Druckplättchen wird auf einen Sockel geklebt, der das Verklemmen in einem Schließkasten ermöglicht. Beim Zurichten werden die Höhen noch durch Unterlegen so angeglichen, daß überall die Druckebene erreicht wird.

    Im abgebildeten Fall sind Druckplättchen und Sockel gleichzeitig bearbeitet und somit auf gleiche Abmessungen gebracht worden. So geht man beispielsweise vor, wenn Abbildungsklischees in Texte einzubauen sind. Bei Briefmarkenklischees, die gleiche Abstände zueinander haben müssen, werden entsprechend einheitliche, auf die Abstände abgestimmte Sockel verwendet. Solange die Druckplättchen diese Maße nicht überschreiten, kann auf deren Beschneiden verzichtet werden.

    Beste Grüße

    Altsax