Hallo bk,
leider kann ich auch nicht das Wort hinter nach prisonnier de guerre des ... entziffern, nach hartnäckigster "Rumgoogelei" pünktich zu Silvester aber das vorstehend angezündete Feuerwerk endgültig abgebrannt werden.
Ernst Rudorff war - wie man an der in post409 gezeigten "Feld"-Postkarte schon ein Stück weit erahnen konnte kein Soldat im deutsch-französischen Krieg. Im August 1870 hat der seinerzeit 31-jährige Musikprofessor für Orgel und Klavier es aber als Zivilist geschafft, dem Kriegsgeschehem so nahe wie möglich zu kommen und ist dabei erstaunlicherweise sogar über die Grenze bis Nancy gelangt. Dies im wesentlichen aus zwei Gründen:
Rudorff hatte die Absicht sich freiwillig zur Pflege von Kriegsverwundeten zu melden, was hingegen scheiterte. In einem Schreiben vom 05.08.1870 an seinen Freund, dem österreichisch-ungarischen Violist, Dirigist und Komponist Joseph Georg Maria Joachim (1831-1907) - dem Gründungsrektor der Königlich Akademischen Hochschule für ausübende Tonkunst, der späteren Musikhochschule Berlin - teilt er u.a. mit:
Sie vermuthen mich jetzt wahrscheinlich,
wenn Sie meinen letzten Brief bekommen haben,
in irgend einem Lazareth thätig, und so will ich auch nicht säumen,
Ihnen diese Meinung zu benehmen. Gestern bekam ich,
nachdem ich 3 Wochen auf festen Bescheid in jener Angelegenheit gewartet,
von Cöln ablehnende Antwort mit der Bemerkung,
daß man nur ausgebildete Pfleger, die über eine mindestens
14 tägige Beschäftigung in einer Krankenanstalt
Nachweis führen könnten, annähme. Natürlich ist zu einer solchen
Vorbereitung jetzt keine Zeit mehr für mich, und vor Allem geht aus dem Ablehnen
hervor, daß kein Bedürfniß mehr da ist;
so hat also der lange gehegte Plan ein klägliches Ende genommen (...)
In einem weiteren Brief vom 22.08.1870 an Joseph G.M. Joachim bemerkt Rudorff:
Für Ihren lieben Brief vielen Dank ! Sie werden seitdem den zweiten
erhalten haben, der Ihnen meldete, daß ich schließlich nach
allem Warten mit meinen Krankenpflegerplänen abschlägig beschieden worden bin. (...)
Ich habe, da ich am Rhein nicht thätig sein kann, den Plan aufgegeben,
überhaupt dorthin zu reisen, freilich
empfindet man die Entfernung von den
Ereignissen als einen beständigen Druck (...)
Dem hat er dann wohl auch ohne Krankenpflegdienst leisten zu dürfen letztendlich doch nachgegeben, denn in einem Schreiben von Joseph G.M. Joachim vom 02.09.1870 an die gemeinsame Freundin, die Komponistin und Pianistin Clara Schumann (1819-1896) findet sich schließlich folgende Bemerkung:
Von Ferdinand
(Anm.: der schon besagte zweitälteste Sohn von Clara Schumann, den Rudorff lt. seiner Postkarte schon in Neustadt a.d.Haardt am Bahnhof getroffen hatte) höre ich durch Ihre Mama; schon zweimal hat er geschrieben, und auch Rudorff ist auf der Reise und in Nanzig mit ihm zusammen gewesen. Er war frisch und kampfesmuthig, wie sich's für den Sohn so edler Eltern gehört.
So richtig hundertprozentig läßt sich damit zwar immer noch nicht darlegen, was und wie lange Rudorff dann so alles in der von den Preußen seit 12.08.1870 besetzten Stadt Nancy unternommen hat. Vielleicht hat er zumindest den Verwundeten in Lazaretten gut zugesprochen und so viel wie möglich an Zeit mit seinem guten Bekannten, dem dort im Militärdienst stehenden Ferdinand Schumann (1849-1891) verbracht.
Klar ist nun hingegen, dass es sich bei der auf dem Weg dahin in Landau i.d.Pfalz aufgegebenen Nachricht an seine Frau Betty weder um einen Feldpostsendung, noch um eine in Bayern verwendbar vorfrankierte Postkarte gehandelt hat, die zudem noch von Landau vorschriftswidrig entertet wurde...also drei Contraventionen zugleich...doch wie Du schon zuvor angemerkt hast: Wen hat`s letztendlich im Taumel dieser Zeit interessiert ?
siehe Redenummern 55, 58 und 62
https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Joachim
https://books.google.de/books?id=ofJhC…%201870&f=false