Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Hallo Ralph und Heribert,

    besten Dank und schon geht`s weiter. Diesmal mit etwas ganz was anderem, das wahrscheinlich eine halbe Ewigkeit unerkannt durch die Weltgeschichte getingelt ist. Aber einem Pälzer fällt halt schon auf, wenn aus der Westpfalz (hier Otterberg) Post an Personen des Adelstandes abgeht, das dann noch nach Sachsen und last-but-not-least mit einer Beförderungsdauer von schmalen 9 Tagen ! Das dürfte dann auch ob der Entfernung durchaus nicht (mehr) gewöhnlich gewesen sein. Angesichts der Adressatin Frau von Polenz geb. Freiin von Brockdorff dürfte es sich bei dem Absender um deren Gemahl Friedrich Leopold von Polenz (1838-1907) gehandelt haben,

    Friedrich Leopold von Polenz
    Genealogy profile for Friedrich Leopold von Polenz
    www.geni.com

    Er hatte im Jahre schon 1854 an der Cadetten- und Artillerieschule in Dresden seinen Militärdienst absolviert. Im Jahre 1865 ist er als Oberlieutenant beim Kgl. Sächsischen 3 Reiter-Regiment angegeben, im deutsch-französischen Krieg 1870/71 war er Rittmeister. Seine Einheit gehörte mit dem Kgl. Sächsischen Garde Reiter-Regiment, den 17er und 18er Ulanen der 12. Kavalleriedivision unter dem Kommando von General-Major Graf zur Lippe an und war dem XII. (Sächsischen) Armeecorps (Kronzprinz von Sachsen) der II. Armee (Prinz Friedrich Carl) unterstellt.

    Der Regimentsgeschichte der Garde-Reiter zu Folge sammelte sich die 12. Kavalleriedivision am 6. August 1870 - noch in Reserve gestellt - bei Otterberg in der Pfalz und war beim Weiterkommen durch Kreuzungen und Marschkolonnen anderer Einheiten in Stocken geraten. Am 8. war sie dann in Homburg, wo sie vor dem König defilierte und gelangte erst am 9 . August an die französischen Grenze bei Frauenberg. Warum sich der Herr Rittmeister der Zivilpost bedient hat, wird sein Geheimnis bleiben, wahrscheinlich meinte er, es ginge damit schneller. Aber das war wohl kein so guter Gedanke.

    Der Brief kam einen Tag später in Kaiserslautern an, ging aber erst zwei Tage später auf die Eisenbahn und benötigte dann noch weitere 6 Tage, bis er in Borna / Sachsen ankam, wo er von der schon ganz ungedudig gewordenen Gattin - wie man sieht - hastig eröffent worden ist. Man muss sich ob der enormen Verzögerung vergegenwärtigen, dass am 6. August die Schlacht von Spicheren (bei Saarbrücken) getobt hatte, die Bahnlinie über Kaiserslautern war die Transportroute einer Vielzahl von Verwundetentransporten, die natürlich absolute Vorfahrt vor ziviler Post gehabt haben.

    Die Pfälzer Zeitung teilt am 8. August mit, dass weder Post, Telegramme oder Zeitungen angekommen sind, noch am 10. Augsut wird von ihr vermeldet, dass Verwundeten- und Gefangenentransporte von der einen, dann Proviantzüge von der anderen Richtung fortwährend den Verkehr hemmen. Das scheint hier dann wohl alles zusammen zu passen. Der mit dem EK I ausgezeichnete Rittmeister von Borna hat nach dem Krieg im Jahre 1883 als Oberst und Regimentskommandeur die 17er Ulanen in Oschatz übernommen und wurde am 31. März 1883 pensioniert.

    Schönen Gruß

    Tim

  • Morsche Tim,

    ein ganz außergewöhnlicher Brief - 2 mal in Kaiserslautern gestempelt könnte darauf hindeuten, dass er schon weitergeleitet worden war, dann aber zurück kam, warum auch immer in den Kriegswirren. Habe ich so noch nicht gesehen.

    Warum er eine 3x Marke Bayerns gekauft hat? Vergelts Gott, wird man ihm gesagt haben, als er in Uniform in der kleinen Postexpediton seine Marke(n) kaufte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Guten Morgen Ralph,

    ich denke, da wird man zunächst routiniert Durchgang gestempelt, die Post auf den Bahnhof gebracht und dort vorerst nichts abgeliefert bekommen haben. Das war ja schon eine arge Ausnahmssituation, auch und gerade an den Bahnhöfen, an denen erst um dem 15. August wieder ziviler Personenverkehr aufgenommen wurde.

    Schönen Gruss

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Morsche Tim,

    die Frage wäre dann, warum kommt die Post vom Bahnhof, wenn es so war, wieder zur Post in KL zurück, nachdem sie ja abgestempelt worden war?

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Ralph,

    naja, wenn es dort kein Bahnpostamt gegeben hat, das für die in der Situation nicht vorhersehbar verspätete Weiterleitung abstempeln konnte, dann wird man den Postsack Richtung LU wohl wieder unverrichteter Dinge zurückgebracht haben müssen.

    Schönen Gruß

    Tim

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  • Guten Tag zusammen,

    anbei wieder ein außergewöhnlicher Beleg, bei dem es diesmal reichlich auf den Inhalt ankommt. Man bekommt hier einen hervorragenden Eindruck, wie sich der Seekrieg im deutsch-französischen Krieg auf die wirtschaftlichen Verhältnisse in und außerhalb des deutschen Raumes ausgewirkt hatte. Von einem "Seekrieg" kann man eigentlich ja kaum sprechen, eher von der Seeblockade der weit überlegenenen französischen Flotte, welche jedoch kaum in Berührung mit der praktisch noch in den Kinderschuhen steckenden Kriegsmarine des Norddeutschen Bundes gekommen war. Nichts desto trotz, in der Drucksache anbei kommt im zweiten Absatz - sehr diplomatisch formuliert - heraus, dass es Blockadebrecher gegeben hat. Diese Blockade scheint für neutrale Schiffe zum 19. September 1870 aufgehoben worden zu sein, so dass der Handel zumindest für die Nichtkonfliktparteien teilweise wieder eröffnet war. Die Laufzeit der DS von 4 Tagen zeigt m.E. auch, dass es wegen den stellenweise überlasteten innerdeutschen Bahnstrecken noch zu Verzögerungen im zivilen Postverkehr gegeben haben muss.

    Schönen Gruß

    vom Pälzer

    verwendete Quelle:

  • Hallo,

    eine kleine Zusatzinformation:

    es gab anscheinend auch Blockaden von deutschen Postschiffen in nichtdeutschen bzw ausländischen Häfen. Aus dem Artikel der "Minnesota Staats-Zeitung" vom 13 Oktober 1870 kann man entnehmen, dass französische Schiffe deutsche Postdampfer in amerikanischen Häfen blockiert hätten:


    Schönes Wochenende

    Martin

  • Vielen Dank für die Info,

    anbei dann auch noch ein einschlägiger Auszug aus dem Tagebuch des Krieges vom 20. September 1870:

    Schönen Gruß

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  • Guten Morgen Sammlerfreunde,

    das Brieflein anbei hat einen nicht ganz getroffenen Aufgabeabschlag und ist rückseitig ohne Ankunfststempel verblieben, so dass man schwer auf den Monat seiner Aufgabe gehen kann. Von dem kleinen Fragment und dessen ausgerundeter Form im Feldpoststempel könnte es evtl. eine "9" sein. Das wäre dann 4 Tage nach der Entscheidung von Sedan, wo das vom Absender, dem Soldat Konrad Egner, angegebene Königlich Bayerische 2. Infantierie-Regiment "Kronzprinz" schwere Verluste erlitten hat.

    Es könnte aber auch eine "10" sein, dann wäre es kurz vor dem Gefecht bei Artenay vom 10. Oktober im Raum Orleans aufgegeben. Das ist aufgrund der Stellung des Fragments wohl am wahrscheinlichsten.

    Von der späteren Besatzungszeit könnte er sein, wenn es eine "3" wäre, da das Regiment "Kronprinz" bis zum 26. Mai 1871 im Belagerungsring von Paris stationiert und dann abgelöst worden war. Es hatte bis dahin auch in den Gefechten an der Loire schwerste Verluste zu verzeichnen, so dass sich die Adressatin, die Kleidermacherin Katharina Egner in Rhodt unter Rietburg bei Landau i.d.Pf. glücklich schätzen konnte, dass der Verfasser nicht unter den bayerischen Verlustlisten aufzufinden ist.

    Viele Grüße

    vom Pälzer

  • Morsche Tim,

    wenn das blaue Tinte ist, dann hat das sicher kein Soldat im Schützengraben oder an der Front geschrieben, sondern eher, wenn das Morden vorbei war, so dass für mich das späte Datum deiner Schätzungen richtig sein sollte.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,

    dann nehme ich das mal so in die Beschreibung auf. Blaue Tinte und das Damen-Couvert kommen für den einfachen Soldaten ja auch schon ganz schön edel daher. Es würde mich Deine Meinung interessieren: Um 1870 konnte etwa 75% der Bevölkerung lesen und schreiben. Könnte es u.U. sogar sein, dass der gute Soldat Konrad zu den 25% der dazu noch nicht Befährigten gehörte und er sich die Zeilen nach Hause bspw. von einem Vorgesetzten hat schreiben lassen ?

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • ... schwierig zu beantworten - wenn offensichtlich nicht im Felde geschrieben, sondern dann in einer Art Schreibstube, hätte der Schreiber auch für ihn den Inhalt auf einem Stück Papier abfassen müssen, sich die Adresse sagen lassen müssen und dann alles zusammentüten und der Feldpost überantworten müssen. Ich halte das eher für unwahrscheinlich.

    Die Schrift ist nicht sehr gelenk, was auf einem Menschen hindeutet, der wohl nur wenige Jahre mit ihrer Ausführung betraut worden war - vlt. hat er Feder und Tinte von einem höhergestellten Kameraden irgendwo zur Verfügung gestellt bekommen, um sein Briefchen zu schreiben? Es dürfte auch vom Duktus her eher nicht die Schrift eines Offiziers gewesen sein, der wohl eh nicht für einen gemeinen Soldaten Briefe verfasst hätte. Wir müssen also für Vermutungen offen bleiben ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Liebe Sammlerfreunde,

    anbei ein Brief aus Hamburg 21. September 1870 nach New York, der aufgrund der französischen Seeblockade über Belgien-London-Liverpool lief.

    Das Ostseegeschwader der französischen Kriegsmarine wurde letztmalig am 26. September 1870

    südlich von Helgoland gesichtet.

    Der Absender des Briefes - die Firma Soltau & Trautmann & Co. schreibt:

    Sept 21 = Unsere Schifffarth ist für neutrale Schiffe frei, da die Blockade aufgehobene deutsche Schiffe

    wagen sich natürlich noch nicht hinaus der in See kreuzende franz. Kriegsschiffe wegen.; indess man

    hofft, dass die Unterredung der H. Jul. Favre mit Graf Bismark in Meaux zu Friedenspräliminarien

    führen wird u. dass Paris es nicht zu einem Bombardement kommen lassen wird.

    Gruß

    Rudolf