Transitbrief Norwegen-Tunesien über Hamburg und Kirchenstaat 1822

  • Für meine Sammlung der Korrespondenz zwischen den Deutschen und Italienischen Staaten konnte ich kürzlich einen Transitbrief erwerben, der 1822 von Christiania in Norwegen nach Tunis in Nordafrika über Hamburg, den Kirchenstaat sowie das Königreich Neapel lief
    Absender ist das : Departement Royal de la Norwege pour les finances, le commerce et les douanes, Christiania le 30. septembre (1822)
    Der Empfänger, das Schwedisch-Norwegische Konsulat in Tunis hat ergänzt:
    Recu (erhalten am ) 27. Janvier (Januar gestrichen Februar) 1823
    Beantwortet am 20.März
    Den Ankunftsvermerk hat der antwortende Konsularbeamte möglicherweise von Januar auf Februar geändert, um die Verzögerung der Beantwortung zu vertuschen. Auch ohne die Richtigstellung ist eine Laufzeit von 4 Monaten trotz der entfernt liegenden Orte ungewöhnlich.
    Immerhin wird der wesentliche Teil des Laufwegs durch die Leitwegstempel auf der Vorderseite des Briefs belegt.
    DANEMARCK PAR HAMBOURG (Feuser 253) bei Übergabe der Dänischen Post an Thurn und Taxis in Hamburg
    T.T.R.4 dürfte ebenfalls in Hamburg gestempelt worden sein, der Brief ist demnach an die französischen Posten weitergeleitet worden.
    *ALTA* GERMANIA NORD wurde in Bologna bei Entgegennahme des Briefs von der Österreichischen Post gestempelt
    AGDP : Links oben findet sich noch ein blasser rosaroter Stempel aus Neapel. Es handelt sich um den Vorläufer des AGDP-Stempels , wie er 1822 als Kontroll- und Ankunftstempel in Neapel verwendet wurde.
    Zu den Taxen habe ich folgende Überlegungen angestellt:
    Die Bemerkung „K.T“. könnte Königliche Dienstsache bedeuten und den Brief für Norwegen und Schweden portofrei stellen.
    Der Brief war franco Sp(anische?) . Grenze (Bayonne ?) bezahlt, das würde zur Weiterleitung nach Frankreich passen.
    Kann Sp auch Sede pontifical (Kirchenstaat) bedeuten? Mit 12 Skillingen („franko 12“) wäre man soweit nicht gekommen.
    Wenn die 12 für preußische Silbergroschen stehen, entspräche das etwa 32 Dänischen Skillingen, was passen könnte.(Copenhagen-Augsburg = 23Sk, Copenhagen-Bayonne 19Sk im Jahr 1812)
    Die rückseitige Zahl 150.93 könnte bedeuten:
    150 ist wohl eine Registernummer- 93 Dänische Skillinge wären für den Teilfrankobrief gezahlt worden. Es steht aber auch noch eine 90 sowie ein 105 rückseitig.
    Außerdem eine rote 15 (Hamburg?)
    Zu einer regelmäßigen Postverbindung von Neapel oder Sizilien nach Tunis habe ich aus dieser Zeit nichts gefunden, Tunis gehörte damals zum Osmanischen Reich, Währung war der Piaster = 52 Aspers


    Folgende Fragen habe ich an die Sammlerkollegen:
    Was heißt in diesem Zusammenhang K.T. ?
    Welcher Taxpunkt ist mit Franco Sp. gemeint?
    Hat Thurn und Taxis in Hamburg auch TT R4 gestempelt, wenn die Briefe gar nicht an die französischen Posten, sondern z.B. nach Augsburg ausgeliefert wurden?
    Wer kann zu den Taxen erhellendes beisteuern?


    Herzliche Grüße Cameo

    • Offizieller Beitrag

    Hallo Cameo


    Hier gibt es viele Fragen die ich nicht beantworten kann. Leider.


    Etwas kann ich aber zu dieser Brief sagen, ausser dass es sehr interessant ist.


    Der KT Franchise heisst sicher "kongelig Tjenestebrev", also königliche Dienstbrief. Normalerweise liefen Briefe aus Norwegen franko Hamburg. Hier kann es sein dass der Brief Dienstweg nach Hamburg gelaufen war und dann von Hamburg aus weiter Frankiert geworden ist. IICh habe ähnlicher Briefe nie gesehen und bin deswegen sehr unsicher.


    150.93 sieht für mich wenig postalisch aus.
    Aber 105 sieht aus wie eine Kartierungsnummer, wie die Nummer 90. Denke aber dass Sollid ein besseren Experte hier als ich es bin.


    Auf jeden Fall, danke fürs Zeigen :)


    Viele Grüsse
    Nils

    Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist in der Praxis grösser als in der Theorie.

  • 2011 habe ich den untenstehenen Brief schon einmal vorgestellt, ich bin seither nur ein kleines Stück weiter gekommen.


    1822 (SEP 30) CHRISTIANIA (today Oslo) to the Swedish - Norwegian consulate in TUNIS, AFRICA, then part of the OTTOMAN EMPIRE.


    The postmarks are evidence for the way through HAMBURG (TTR4), FERRARA (*ALTA GERMANIA NORD*) to NAPLES (red control mark left upper corner), 46Grana was the charge from the entry ofAustria to MESSINA. Since TUNIS had no post office (opened 1847) and no regular sailings in these times, the Swedish Consul in Messina paid the charge and forwarded the letter privately with merchant vessels to TUNIS probably via MALTA.


    As a letter from the Royal Service (K.T.) it entered the postal system without a postmark and it was free of charge in Norway and Sweden. The sender prepaid 105 Norsk skillinge from Danmark to the French—Spanish border (fr. Sp.Grentze). The Danish office inHamburg (DANEMARCK PAR HAMBOURG) offered the letter to Thurn und Taxis where the exchange postmark T.T.R.4 for letters to France was applied. There was a credit of 15 Hamburg. Schilling (in red on the back) to Thurn und Taxis, which was equivalent to 12 Silvergroschen. The 12 Sgr. paid the letter not only to thre Spanish but also to the Austrian border. Obviously the letter was not sent to France, but through Bavaria and Austria to the Papal border in Ferrara. The 46 Grana paid the charge from the Austrian entry to Messina inclusive the Papal States.


    The docketing on the rear side shows arrival in Tunis at Feb. 27. 1823 after a journey of 5 months !



    Das ist die aktuelle Beschreibung meines Briefs für ein Exponat.


    Fragen gibt es zu den Taxen. Ich habe noch einen Brief aus Dänemark nach Malta von 1820, der ebenfalls dieselben fr.12 und die 46 Grana drauf hat, letztere sind sicher aus Messina (Ankunftstempel)


    Rückseitig sind aufgrund der Farbe eindeutig 15 Hamburger Schillinge notiert, das ist m. E das Weiterfranko von Dänemark an Taxis.
    Vorderseitig steht fr.12. 15 Hsch waren damals etwa 12 Sgr, das könnte passen. Wenn das Franko in Sgr. und nicht in Kreuzer angegeben wird, läuft der Brief dann über Preußen und Wien in den Kirchenstaat?


    Und nun an den Norwegen - spezialisten unter uns:
    wenn der Königliche Dienstbrief wie anzunehmen in Norwegen und Schweden portofrei war, wiviele NSk zahlte der Absender wohl für Dänemark, plus 15 Hsch weiterfranko ab Hamburg? Das passt doch nicht zu den 105 ..., welche mir von den rückwärtigen Ziffern am ehesten wie ein Teilfranko aussehen, gab es 1822 noch eine andere Währungseinheit ? ?(


    Ich behaupte , dies ist der früheste erhaltene Brief aus Norwegen auf den Afrikanischen Kontinent, kennt jemand frühere Briefe als 1822 :?:


    Beste Grüße
    Cameo

  • Hallo cameo,


    der Brief ist tatsächlich ziemlich kompliziert, aber ein paar Informationen kann ich vielleicht dazu beitragen:


    war der Brief tatsächlich bis zur spanischen Grenze frankiert (hätte das überhaupt Sinn gemacht) oder vermutlich eher zur italienischen?
    War für die Gebühr ein deutlicher Unterschied: 26 dänische Skilling ab Hamburg bis Spanien oder 48 dänische Skilling bis Italien. Die 48 Skilling würden genau 15 Schilling Courant entsprechen.


    105 Nsk erscheint mir ziemlich viel, wenn damit nur die Beförderung über Dänemark und bis zur italienischen oder spanischen Grenze bezahlt wurde.


    Wenn der Brief in Norwegen portofrei war (Schweden dürfte keine Rolle spielen), war dann auch das Seeporto nicht zu bezahlen? (in der Annahme, dass der Brief mit dem Schiff nach Hamburg befördert wurde)


    Was ggf. auch noch relevant sein könnte: für die dänische Taxe muss vermutlich auch noch ein Inflationsfaktor berücksichtigt werden, der nach dem dänischen Staatsbankrott 1813 die Briefgebühren verteuerte: müsste für 1822 der Faktor 1,25 gewesen sein.


    Viele Grüße
    nordlicht


    PS: der Stempel "DANEMARCK PAR HAMBOURG" wurde wie der "T.T.R.4" vom TT-Postamt in Hamburg abgeschlagen.