Landbriefträgerstempel

  • Hallo Peter,
    auch diese Möglichkeit kann man nicht ausschließen.
    Die Marke ist geprüft und der Stempel für echt befunden.
    Mir fällt für "S" nur Straubing als bekannter Entwerter von Fernbriefen mit alleiniger oder zusammen mit dem Mühlradstempel durch Landbriefträgerstempel ein.
    Was die These mit den Gefälligkeitsentwertungen etwas ins Wanken bringt ist nachfolgendes Stück. Ebenfalls zentrischer S 1 und darüber ein offener Mühlradstempel 356 aus Nürnberg. Ich schreibe darüber, da der Mühlradstempel eindeutig über dem S 1 angebracht ist. Auch diese Marke ist geprüft.
    Gruß
    Udo

  • Lieber Peter,

    es gibt diese Landpostbotenstempel selten auf Marken. Die Gründe liegen auf der Hand:

    1. Nur Briefpost war mit Quadratmarken frankierbar; es muss sich also bei den zugrunde liegenden Poststücken um Briefe, Briefe mit Muster ohne Wert, Drucksachen oder gar Zeitungen gehandelt haben.

    2. Während der Zeit der Verwendung von Quadratmarken (Okt. 1862 bis Dez. 1869) wäre die Zeit bis zum Juli 1865 interessant, als Orts- und Lokalbriefe (und nur um letztere kann es sich hier handeln) je Loth 1x kosteten, also bei der Limitierung von 15 Loth Briefe mit 15x Franko vorkommen konnten.

    Danach waren dergleichen Briefe auf ein Franko von 2x maximal limitiert.

    An den expressen Versand innerhalb eines Zustellbezirks einer Postexpedition brauchen wir auch nicht zu glauben, denn portopflichtige Expressbriefe am Ort einer Postexpedition waren nicht annehmbar und somit auch nicht zugelassen.

    Gehen wir zurück auf Punkt 2.: Angenommen, ein Absender hätte einen Lokalbrief im 9. Gewicht (ich habe mal einen im 12. Gewicht gesehen mit Echtheitsprüfung, solche Briefe gab es also schon) frankiert in den Landbriefkasten eingeworfen, so hätte der Landbriefträger die Marke entwerten können und ihn im Rahmen seiner Tour zustellen können.

    Auch führten die Landbriefträger ein Quantum an 1, 3 und 6 (später 7) Kreuzermarken mit sich, die "gangbar" waren, also üblicherweise von den Kunden nachgefragt wurden. 9x Marken waren eher unüblich und diese Portostufe war auch leicht mit einer 3x und 6x Marke darstellbar, ohne dass der Landbriefträger viele teure Marken tagaus, tagein mit sich herum schleppen musste.

    Insofern wären auch 12x Quadrate mit alleinigere Entwertung durch den Ruralstempel möglich, wenngleich äußerst ungewöhnlich.

    Aber es gibt auch tatsächlich 18x rot Marken mit diesen Stempeln und da wird es jetzt problematisch, weil eine solche Frankatur nicht mit diesen Stempeln vorkommen konnte, weder am Anfang, noch am Ende der Verwendungszeit dieser Marken.

    Wenn ein Absender z. B. einen Brief nach England mit einer 18x rot Marke frankiert hatte, wäre es theoretisch möglich gewesen, dass der Bote diese entwertet, auch wenn das nicht seine Aufgabe war. Korrekt wäre dieses Verhalten aber nicht gewesen und er war die kleinste Nummer bei der Post, man hätte ihm also sofort mitgeteilt, dass das so nicht statthaft war (denn die Nummer des Mühlradstempels war dadurch nicht leichter lesbar).

    Möglich wären noch folgende Varianten, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben:

    3. Nachentwertung durch den Landbriefträger bei eingehender Post. Hätte also sowohl die Aufgabepost, wie die Transitpost und die Abgabepost die Entwertung der Marken verschlafen, so hätte theoretisch der Landbriefträger die Marken mit seinen Ruralstempeln entwerten können. Auch das ist sehr unwahrscheinlich, weil die Briefträger nicht Entwertungen vorzunehmen hatten bei eingehender Post; dies oblag den o. g. Poststellen im Rahmen ihrer Pflichten bzw. ihren Kontrollfunktionen.

    4. Vorfinden eines Expressbriefes im Fernverkehr im Briefkasten mit, oder ohne Recommandation. Bei frankierte Expressgebühr (i. d. r. 9x bzw. 11x im DÖPV) hätte man eine 18x Marke auf dem Brief vorfinden können, die allerdings auch nicht zu entwerten war. Die genauen Abläufe zu schildern würde hier den Rahmen sprengen, aber theoretisch könnte es solche Briefe gegeben haben - erhalten hat sich aber bisher wohl keiner.

    5. Peters These ist nicht von der Hand zu weisen - diese Ruralstempel konnten durchaus mal verloren gehen, oder waren obsolet geworden, weil die Routen geändert worden waren, weil die Stempel eingezogen wurden durch Verlegung einer Postanstalt usw.. Nach einem 10 Jahre alten Ruralstempel krähte sicher kein Hahn mehr, zumal er keine Außenwirkung auf die Geschäfte der Postverwaltung hatte, im Gegensatz zu Schalter- bzw. Fahrpoststempeln, deren Abschlägen eine rechtliche Kraft innewohnte.

    Fände man vlt. Jahrzehnte später solch einen obsolet gewordenen Stempel in einer Kiste oder Schublade, hätte ein gewiefter Mensch durchaus Marken mit ihm bedrucken (vlt. lag das passende Stempelkissen ja noch daneben?), und sich so einen Mehrwert verschaffen können.

    Allerdings wäre dabei zu bedenken, ob z. B. eine Bayern 13a ohne Gummi nicht mehr wert war, als eine mit Ruralstempel? Eine Nr. 11 mit oder ohne Gummi ware sicherlich weitaus günstiger einzuschätzen, als eine Marke mit Ruralstempel - hier ginge der Trick also auf.

    Auf die weitere Diskussion bin ich gespannt!

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Ich schreibe darüber, da der Mühlradstempel eindeutig über dem S 1 angebracht ist.

    Hallo Udo,

    das sehe ich eher andersherum. Und das spräche dann tatsächlich für Gefälligkeit.

    Für Gefälligkeit sprechen im übrigen auch die immer perfekten Abdrucke, wie sie am Briefkasten nur äußerst selten erzielt worden sind.

    Viele Grüße von maunzerle

    "Ein Leben ohne Philatelie (und Katzen) ist möglich, aber sinnlos!" (frei nach Loriot, bei dem es allerdings die Möpse waren - die mit vier Beinen wohlgemerkt)

  • Hallo Ralph,
    du hast so gut wie alles aufgezeigt, was möglich ist.
    Ich befürchte nur, dass wegen Mangels an vorhandenen Marken mit alleiniger Entwertung durch Landbriefträgerstempel nicht viel zusammenkommt. Gerne lasse ich mich aber eines besseren belehren, das Forum hat schon viele Erkenntnisse erbracht.
    Wichtig wäre, solche Entwertungen hier zu zeigen, damit zumindest eine Tendenz hinsichtlich Vorkommen ersichtlich ist.
    Leider habe ich es versäumt über solche Marken eine Datei anzulegen.
    Ich versuche es mal mit einer groben Übersicht, was ich so gesehen habe oder belegen kann. Ich beschränke mich aber auf Marken von 3-18 xr, da von 1xr Marken eine größere Anzahl bekannt ist. Wobei aber erwähnt werden muss, auf allen Marken sind die Stempel nicht häufig. Wichtig, es handelt sich nur um alleinige Entwertungen ohne Teile von Orts- oder Mühlradstempeln.
    Quadratausgabe 1850/58
    3xr ca. 10 Stück, davon 1 Brief (diverse Orte)
    6xr ca. 5 Stück (diverse Orte)
    9xr 1 Stück (schlecht lesbar, vermutlich V ?)
    12 xr --
    18 xr --
    Quadratausgabe 1862
    3xr --
    6xr 1 Stück
    9xr 2 Stück
    12 xr 1 Stück
    18 xr 1 Stück, vermutl. aber 2
    (Ausgabe 1862 alle Marken mit Stempel S 1)
    Hier ist schon zu sehen, wir bewegen uns in sehr überschaubarem Bereich. Ich erhebe aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
    Gruß
    Udo

    Hier der einzig mir bekannte Brief mit einem der höheren Werte (Bild aus Sem-Katalog)

  • Hallo Peter,
    das täuscht, der Außenkreis des Landbriefträgerstempels ist relativ stark in das Markenpapier eingedrückt, weshalb dort nur im Randereich Farbe des Mühlradstempels hängen geblieben ist. Andere Teile sind deutlich unter dem MR-Stempel liegend.
    Für deine These sprechen allerdings die vorkommenden Marken der Ausgabe 1862, nur mit S 1.
    Allerdings sind nicht alle S 1 zentrisch und deutlich.
    Gruß
    Udo

  • Hallo Udo,

    von der Nr. 2 gibt es 3 Briefe - der von dir gezeigte ist allerdings der Beste.

    Nr. 9 gibt es lose mit Ruralstempel,

    Nr. 10 auch, äußerst selten,

    Nr. 11 kenne ich nur deine,

    Nr. 12 habe ich vor langem einmal gesehen, die Echtheit war unklar,

    Nr. 13 gibt es mind. 2 Stück (ich sprach mal vor 20 Jahren mit Frau Brettl darüber, sie kannte auch mind. 2 Stück, evtl. noch mehr heute, bei Bayern taucht ja fast wöchentlich etwas Neues auf).

    Frage: Wie viele gibt es von den Nrn. 14-21? Zu der Zeit gab es noch die Ruralstempel und es gab immer mehr und mehr Postexpeditionen (ca. 1.000), aber aus dem Gedächtnis kenne ich keine Entwertungen auf den geschnittenen Wappenausgaben. Gründe?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,
    vielen Dank für deine Ausführungen, das bestätigt die wenigen bekannten Exemplare.
    Eine Nr. 9 habe ich bisher noch nicht gesehen, aber vielleicht wird hier ja noch eine gezeigt.
    Die Nr. 12 ist übrigens in einer Straubinger Sammlung.
    Die Wappenausgaben habe ich nicht unter Beobachtung, wird es aber sicher auch geben.
    Eine Nr. 23 hätte ich im Angebot, wobei die aber einen schwachen Ortsstempel trägt.
    Gruß
    Udo

  • ... danke - bei der Masse von Wappenmarken sind diese Entwertungen noch seltener, als bei den Quadraten (meine subjektive Meinung) und das ist auch die späte Form der Ruralstempel, ich hätte präzisieren sollen auf die einfachen Ruralstempel (Buchstabe und 1-2 Ziffern).

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Ralph,
    ich sage immer, suchst du etwas sieh in die Isargoldsammlungen von Deider. Aber auch da wird es zu diesem Stempeltyp sehr eng. Quadratausgaben ja, geschnittene Wappenausgabe nein, gezähnte Wappenausgabe 1 Exemplar.
    Auch Briefe der geschnittenen Wappenausgabe mit diesen Stempeln als Nebenstempeln sind nicht viele vorhanden, gezähnte Wappenausgabe dagegen wieder mehr.
    Gruß
    Udo

    Bild aus Deider Katalog 2003

  • ... ja, das entspricht auch meiner Beobachtung - 14-21 ist ganz, ganz dünn. Wenn schon Dr. Teichmann da nichts hatte, sagt das wohl alles.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ... der eine war mehrfach im Angebot, ich meine auch bei Peter Sem (Rauhut auch). Wurde damals als Unikat angeboten, ca. 5k DM Ausruf, wurde aber praktisch nie wirklich verkauft.

    Einen 3. Brief aus der Pfalz mit 2II Platte 5 bekam ich mal privat zu sehen - Erhaltung mies und in der Südpfalz (Germernsheim. Kandel?) verwendet. Vor 20-25 Jahren gesehen, seitdem nicht mehr aufgetaucht.

    Ich denke aber, es gibt noch mehr ... unsere BPP dürften da eine Statistik führen.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • ... der andere (weniger Attraktive) stammt glaube ich aus Ühlfeld. Aber bis ich meine Kataloge alle durchgeblättert hätte, wäre das Jahr vorbei. Er taucht aber immer mal wieder auf, den finden wir schon.

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Ralph,
    jetzt wo du es erwähnst, an den kann ich mich auch erinnern. Ich glaube aber, da war entweder ein Mühlradstempel oder ein Ortsaufgabestempel mit auf der Marke?
    Aber nicht nur der S 1 sondern auch der S 3 ist als alleinige Entwertung bekannt.
    Gruß
    bayernjäger

  • ... ja, super - den obigen hätte ich schon ein paar Mal kaufen können, aber "live" sieht er nicht wirklich gut aus.

    Zu dem unteren gibt es noch einen 3x blau Brief aus der Südpfalz (privat gesehen, nie auf dem Markt gewesen, aber auch eine häßliche Ente).

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo Sammlerfreunde,
    3xr blau mit drei Landbriefträgerstempeln I 11 und Mühlradstempel 29 aus Babenhausen.
    Den örtlichen Zusammenhang zwischen Babenhauisen und einem Landbriefträgerstempel mit einem Buchstaben I konnte ich noch nicht herstellen. Illertissen liegt ca. 14 km von Babenhausen entfernt und deren Landbestellbezirke lagen direkt nebeneinander. Es wäre also gut möglich, dass der Stempel zu einem Ort des Landbestellbezirks Illertissen gehört. Hat jemand nähere Erkenntnisse über die dortigen Zustellbezirke?
    Gruß
    bayernjäger