rötliches-weisses papier

  • Bayern: Rötliches – Weißes Papier

    Seit den frühen Katalogisierungen der bayerischen Briefmarken in den 1920 er Jahren hat sich bei den Wappenmarken ab 1890 die Unterscheidung in rötliches und weißes Papier durchgesetzt. (Mi. Nr. 56, 57, 60 – 70) Nichtsdestoweniger ist auch schon damals eine eindeutige Definition schwer gefallen. Im Handbuch der bayrischen Briefmarken von Albert Künzl (1922) und im Spezialkatalog von Graf (1925) ist zu lesen:
    „Das rötliche Papier schwankt manchmal ganz erheblich in der Farbtönung. Gebraucht sind die Marken nur durch das Stempeldatum einwandfrei als rötlich nachweisbar, da das Papier vielfach durch Waschen in rötlich gefärbtem Wasser eine Tönung erhält.“
    Kommt heute die Sprache auf dieses Thema, herrscht weitgehend Ratlosigkeit. Kaum jemand, außer solchen, die immer alles (besser) wissen, kann eine befriedigende Zuordnung liefern. Das liegt nicht zuletzt daran, dass aus dem Bewusstsein geraten ist, worauf es bei dieser Katalogisierung eigentlich ankommt. Bereits die oben zitierten über 90 Jahre alte Sätze haben dazu nicht wenig beigetragen.
    Die Katalogisierung in rötlich und weißes Papier war von Anfang an ein fauler Kompromiss. Sachlich geboten wäre eine Einteilung in vier Papiersorten bzw Druckauflagen gewesen, die aber in der Praxis ebensowenig klar abgrenzbar gewesen wäre. Man stand vor dem Dilemma, dass zweifellos die Auflagen von 1890 – 1895 ungebraucht oft deutlich seltener sind als alle späteren Auflagen. Diese Marken sind aber auf einem gelblich, weißen Papier gedruckt, das weit von rötlich entfernt ist. Die Auflagen 1895 – 1899, die tatsächlich auf rötlich eingefärbtem Papier gedruckt wurden, wurden in denselben Topf geworfen wie die vorherigen Auflagen, obwohl sie teilweise ungebraucht häufiger sind. Sie wurden schließlich namengebend für die gesamte Gruppe der Auflagen 1890-1899, Auflagennummern 17 – 26, denn das bayerische Verkehrsministerium verkündete anlässlich der 27. Auflage, dass nun für den Druck dieser Marken weißes Papier verwendet werde.
    Die Kataloghersteller meinten nun aus dieser Äußerung, die Rechtfertigung ziehen zu können, die bekannten zwei Kategorien rötlich und weißes Papier festlegen zu sollen, obwohl die Marken der Jahre 1890 – 1895 damit nicht zutreffend beschrieben waren und Missverständnisse aufkamen.
    Nun möchte man meinen, dass die Forschung in den nahezu 100 Jahren in dieser Frage einige wichtige Schritte weiter gekommen wäre. Dem ist leider nicht so und dies liegt an mehreren Gründen.
    Um eine präzise Unterscheidung treffen zu können, müssten jeder Auflage unverwechselbare Merkmale zugeordnet werden. Mangels des dazu notwendigen Markenmaterials führt dahin bis heute kein Weg.
    Die Plattenfehler sind leider auch nur in wenigen Fällen hilfreich bei der Bestimmung der Auflagen, weil sie häufig sehr langlebig über mehrere Jahre durchlaufen. Die Farbe der Auflagen unterscheidet sich zwar manchmal zwischen den verschiedenen Auflagen deutlich. Sie kann aber nur bei der Wertstufe 3 Pf und 20 Pf einige Auflagen präzisieren. Bei der 5 und 10 Pf fehlen solche Möglichkeiten, ganz abgesehen davon, dass die Übergänge immer fließend sind.
    Die Stempel sind als Hilfsmittel gut brauchbar und liefern zusammen mit Farbreihen brauchbare Ansätze zur Bestimmung. Man kann daher allen an dieser Markenausgabe Interessierten nur empfehlen, diese Aspekte zu beachten. Der Nachteil liegt offensichtlich darin, dass fast nur Marken mit lesbarer Jahreszahl im Stempel dafür im strengen Sinne benutzt werden können.
    Aus all dem folgt, dass die jetzige Katalogisierung sinnvoll ist, wenn der Benutzer weiß, warum sie so formuliert ist. Für die Sammlerelite auf diesem Gebiet gibt es aber auch eine absolut unfehlbare Methode der Sicherheit und Klarheit: Wem es gelingt, von jeder der Auflagen von 1890 – 1899 Marken mit anhängender Auflagenzahl im Bogenrand zu erwerben, der kann von sich behaupten, dass er alle Varianten besitzt. Ob er dann im Einzelfall bei anderen Marken immer richtig entscheiden kann ist aber eher fraglich.
    Bei den weißen Papieren gibt es selbstverständlich ebenfalls deutliche Schwankungen. Sie sind zwar alle in erheblich höheren Auflagen gedruckt als die Markenauflagen vor 1900, dennoch sind auch hier kaum eindeutige Unterscheidungen der einzelnen Auflagen möglich, ja selbst die Methode mit den Auflagennummern im Bogenrand funktioniert hier nicht wesentlich leichter. Zwar kommen immer wieder Stücke der Auflagennummern 33, 36 und 37 vor, aber alle anderen sind durchwegs selten, weil die Marken stark verwendet und aufgebraucht wurden. Einzig die Auflagen 36 und 37 sind in großer Menge vorhanden.
    Und hier stoßen wir auf ein Problem, das die gesamte Suche nach dem rötlich und weißen Papier für viele erst so unerquicklich macht. Die letzte, die 37 Auflage ist auf gelblich leicht durchscheinendem Papier gedruckt und so verwundert es nicht, dass diese sehr häufig in den Sammlungen anzutreffende Auflage dem Wunsch entgegenkommt, sie als rötliches Papier anzusprechen. Daran entzünden sich dann regelmäßig Diskussionen, weil die enttäuschende Einordnung in y-Papiere nach der Prüfung ungern akzeptiert wird.
    Drei Marken ragen besonders heraus. Die beiden Markwerte 3und 5 Mark, Mi. Nr. 69 und 70 zeigen bei der Katalogbewertung ein umgekehrtes Verhältnis wie die Pfennigwerte, denn hier notieren die weißen Papiere erheblich höher als die rötlichen. Das liegt daran, dass die erste Auflage (Nr 26) sehr hoch ausfiel und viele Jahre den Bedarf deckte. Eine kleine Auflage wurde dann auf dem nahezu rein weißen Papier der 33. Auflage gedruckt, katalogisiert als z-Papier und eine größere Auflage auf dem gelblich durchscheinenden Papier der Auflage 37, katalogisiert als y-Papier.
    Drei Abbildungen der 3 Mark Art1-1 = Auflage 26 = rötliches Papier = x
    Art 1-2 = Auflage 33 = weißes Papier = z
    Art 1-3 = Auflage 37 = gelbliches Papier = y

    Ungebraucht ist das y- Papier häufiger als gebraucht, weil die Frankaturmöglichkeiten mit diesen Marken recht begrenzt waren. Dadurch ist das Papier der Marken aber gerade oft verfärbt, so dass auch hier sehr häufig Schwierigkeiten bei der Unterscheidung auftreten. Und viele Sammler gehen angesichts der deutlichen Preisunterschiede lieber auf Nummer sicher und schicken generell alle 3 und 5 Mark Werte zum Prüfen, denn es könnte ja eine dabei sein.
    Die spannendste Marke in diesem ganzen Problemfeld ist die 20 auf 3 Pf, Mi. Nr. 177. Sie erzeugt einerseits durch ihre enormen Preisunterschiede hohen Erwartungsdruck bei den Sammlern aber zugleich verfügt sich auch über ein hohes Frustrationspotential, weil kaum jemand die guten Varianten in der Massenware findet.
    Die Marke wurde hergestellt 1920, weil ein Mangel an 20 Pfennig Werten entstanden war. Als Grundlage diente die 3 Pf. braun der Wappenserie, die bereits 1911 ausser Kurs gesetzt worden war. Von dieser 3 Pfennigmarke waren große Restbestände vorhanden, die mit 20 Pf in allen vier Ecken überdruckt wurden. Der technische Vorgang des Überdrucks interessiert in diesem Zusammenhang nicht, wichtig ist hier, dass es sich hauptsächlich um Marken aus der letzten Auflage von 1911 mit der Auflagennummer 37 handelte. Daneben müssen auch einige Bögen der Auflage 33 überdruckt worden sein, die wir bereits als weißes Papier kennengelernt haben.
    In dem Lagerbestand befanden sich, sozusagen als Bodensatz, auch Bögen früher Auflagen, nämlich von der ersten Auflage der Marke von 1890 mit Nummer 17 und von der späteren mit kräftigem rötlichen Papier aus der Auflage 23.
    Im Katalog sind diese beiden „rötlichen“ Auflagen als 177 xa und 177 xb gelistet. Die Auflagen 33 und 37 werden als y zusammengefasst. Alle Schwierigkeiten bei der Zuordnung, die oben erwähnt wurden, treffen hier zusammen.
    Zum einen haben wir das gelbliche Papier der Erstauflage (1), Zum andern das rötlich eingefärbte Papier (23). Dann das reinweiße Papier (33) und das gelblich durchscheinende (37), letzteres sprechen, wie nicht anders zu erwarten, die Sammler gerne als x Papier an, zumal dieses Papier im Alterungsprozess die gelbliche Färbung betont.

    Abbildungen Art 1-4 = 177 xa Auflage 17 klarer Druck
    Art 1-5 = 177 xb Auflage 23 dunkelbraune Farbe
    Art 1-6 = 177 y Auflage 37 gelbliches Papier verschwommener Druck
    Es ist aber nicht so schlimm, wie es sich zunächst anhört, denn mit etwas genauem Hinsehen, erkennt selbst der Laie, dass der Druck der 17. Auflage ungewöhnlich klar ist und alle Details der Zeichnung sehr genau wiedergibt. Die 23. Auflage zeichnet sich durch einen sehr kräftigen dunklen Braunton aus. Das Papier der 33 Auflage bereitet am wenigsten Probleme. Gleichwohl ist es erheblich seltener als das der 37. Auflage. Geht man nun mit dem Bewusstsein die Sache an, dass die Masse nun einmal zu dieser 37. Auflage gehört, die sich übrigens durch einen unklaren blassen Druck auszeichnet, und schon die beiden vorher genannten Kriterien des Druckes und der Farbe von dieser Masse sich deutlich abheben müssen, dann kann auch der weniger Geübte zu einem zutreffenden Urteil kommen.
    Bei der 177 helfen die Stempeldaten selbstverständlich gar nicht weiter, weil die Marke nur 1920 verwendet wurde.

  • Lieber Achim,

    Interessante Beobachtung, dass diese Thema keine Diskussion wert ist.

    ich fürchte, dass der Wissensstand des Forums hier deinem nicht annähernd das Wasser reichen kann und daher sich keiner traut, aus dem Winkel zu kommen.

    Du weißt doch, dass alles gerne gelesen wird - nur etwas dazu zu schreiben, liegt längst nicht jedem ...

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Hallo Herr Dr. Helbig,

    ich muss auch wie @bk konstatieren: Soviel geballtes Wissen haut einen einfach um. Aber selbstverständlich hat man auch Fragen und da gibt`s auch keinen Grund, mit den selbigen hinterm Berg zu bleiben. Man kann nur schlauer werden.

    Die allererste - zu den unterschiedlichen Papiersorten eher allgemeine - Frage, die sich mir bei (potenziellen) Neuzugängen immer wieder stellt, ist die Bestimmung von Papiersorten auf Belegen, wenn man schon mehr oder weniger starke Altersspuren (Patina etc.) vorfindet.

    Wenn es selbst schon bei postfrischen bzw. ungebrauchten losen Marken zu starken Schwankungen in der Papierfarbtönung kommt, wie kommt man dann bei zusätzlich noch aufgetretenen Alterungen verwendeter Stücke (als Prüfer) überhaupt zurecht ?

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Hallo Pälzer,

    wobei gebrauchte Einzelmarken immer noch "Verfärbungen" vom "bunten" Briefpapier bekommen könnten. Eine "klare" Darstellung in Deinem Post Nummer 48 der Nummer 57 in den Wappenausgaben (20 Pfennig).

    Sicher, nicht jede Marke ist so eindeutig.

    Thema Plattenfehler - Ja anhand von Plattenfehlern lassen sich hier keine Papiersorten festmachen. Besonders wenn die Plattenfehler über verschiedene Ausgaben (inkl. Probedrucke) sich hinfort ziehen.

    @achim - Diskussionsgrundlagen hast du uns durch deine ausführliche und fachlich kompetente Darlegung "genommen". Wissenswertes konnte ich diesem Beitrag auf jeden Fall entnehmen. Danke nochmals.

    Grüße
    Plattenfehler

  • Hallo Plattenfehler,

    ...wobei gebrauchte Einzelmarken immer noch "Verfärbungen" vom "bunten" Briefpapier bekommen könnten. Eine "klare" Darstellung in Deinem Post Nummer 48 der Nummer 57 in den Wappenausgaben (20 Pfennig).

    Ja, das ist bei mir der aktuelle, optisch schon ziemlich krasse Fall, auch im Original... :P ...wobei es da um eine andere als hier andiskutierte Papiersorte geht.

    Hier nochmal der link ( > dort dann post 48 :(


    Mi. Nr. 57

    + Gruß !

    vom Pälzer

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Naja ich dachte, da schreib ich für die Wand. - Warten wir ab, vielleicht werden die damit verbundenen Fragen dann doch kommen.
    Berechtigt ist die Frage zwar, wie das dann im Einzelfall prüftechnisch geht, denn die höhere Über- und Durchsicht überlasse ich lieber
    dem Herrn aller Dings, obwohl der sich wohl kaum mit dieser Fragestellung beschäftigen mag. (Aber wer weiß)

    Also ich muss dann schon auch mal passen, vor allem wenn die Zeitläufte etwas ruppig mit einem Stück umgegangen sind.
    Zu der angesprochenen 57 auf Brief wäre ich auch ganz zuversichtlich, dass es in die bessere Farbe c tendiert. Die Zeitangaben im Michel sind zu den Farben gar nicht so unpassend.
    Sie gehen zurück auf einen Sammler (Schindowski) der einen großen Bestand an Briefen aus einer Korrespondenz zur Verfügung hatte und die zeitliche Verwendung der Farben darauf extrahierte.
    Es war aber eben kein Querschnitt durch die Lande, der notwendig wäre, um die Verteilung und Austeilung der Auflagen und Farben zu verfolen. Aber man kann nicht alles haben. Seine Daten sind jedenfalls im Rückblick recht brauchbar und hilfreich.
    Solche Arbeten wären auch heute immer noch wichtig -
    Danke für Euren guten Zuspruch, es war also nicht für die Katz
    LG Achim

  • Hallo Pälzer.

    ja blind gewesen. "Z" und "Y" sind nicht gleich "X" und "Y". Also kein Forum direkt nach der Arbeit. Keine anstehenden Großtauschtage die man noch ins kleinste Detail organisiert und kein Sifi im Kopf.

    Sorry. Aber toll. :D :P

    Grüße
    Plattenfehler