Der deutsch-französische Krieg 1870/71

  • Lieber Rudolf,

    gerne. Diese Correspondenz-Karten hatten ja andere Zwecke zu erfüllen, als als "Fourage"-Quittungen zu dienen. Welcher Personenkreis kam in den Genuß der hinten notierten Lebens- und Genußmittel und für welchen Zweck wurden diese an wen überhaupt ausgegeben?

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


    Einmal editiert, zuletzt von bayern klassisch (18. Mai 2024 um 10:30) aus folgendem Grund: vertippt

  • Lieber Ralph,

    in den Genuß von Lebens- und Genußmitteln kamen den mir bekannten Feldpostkarten zufolge Postler, die vermutlich für die Feldpost-Relais tätig waren.

    Karten dienten den Proviantämtern, die den Intendanturen der Armeen unterstanden, als Nachweis für die Verteilung der Verpflegung.

    Beste Grüße

    Rudolf

  • Guten Morgen zusammen,

    dass auch die Karte aus Lagny für Angehörige der Feldpost quittiert worden ist, ist eigentlich klar, Zitat: Der Unterfertigte hat für sich und seinen Diener auf 4 Tage 5. bis 8ter März incl(usive) sowie für Herrn Postinspector Ott und dessen Diener auf 2 Tage im ganzen 12 Mundportionen erhalten. Um auf jene zurückzukommen: Die darin erwähnten Cigarren und Branntwein waren nicht originär, aber nach Verfügbarkeit von den Feldmagazinen verausgabt (s. Anhang 1+2). Das war im Wesentlichen Ware, die man von den die Truppe begleitenden Marketendern bezogen hat. Cigarren kamen, wie man ja oft liest, auch von den Angehörigen daheim mittels der Feldpost.

    Nun gab es aber die Fälle, dass derartige Genussmittel A) aus Requisitionen, die den Gegener schwächen sollten B) aus Beutemagazinen oder C) von Liebesgaben der zivilen Hilfsorganisationssammlungen entstammen. Letztere hatten z.T. auch auf gegnerischen Boden nahe der Etappen-Hauptorte (in der Regel jeweils am Endstrang einer vor dem Gegner gesicherten Eisenbahnlinie eingerichtet) eigene Depots. Was ich nicht bedacht habe ist, dass sie auch mit den Feldmagazinen zusammengearbeitet haben, wahrscheinlich aus rein logistischen Gründen, wohl aber auch der gerechten / geordneten Verteilung halber. A und B sollte man für Lagny weiterhin ausschließen können, vor den Toren von Paris gab es seinerzeit höchstwahrscheinlich nichts mehr zum requirieren / erbeuten.

    Auch wenn derartige Karten mit Sicherheit echt sind, lässt sich m.E. weiterhin nicht annehmen, dass diese Art der Quittierung auch für die Feldposttruppe etwa üblich gewesen sei ...was sie nicht schlechter macht. Dafür wird es von den Intendanturen für die Feldmagazine reguläre Formulare gegeben haben. Die Erbswurst ist übrigens aus der Not geboren worden, denn in Deutschland wütete im Jahre 1870 die Rinderpest, so dass man das eigentlich nur für die eiserne Reserve vorgesehene Produkt schon ab Ende August verstärkt zum Einsatz hat bringen müssen (s. Anhang 3).

    Schönen Gruß

    verwendete Quelle:

    von Wellenhof: Die Feld-Verpflegung im deutschen Heere, dargestellt nach den Erfahrungen im Feldzuge 1870/71, Wien 1878

  • Hallo Tim,

    danke für deine Ausführungen1

    Sicherlich verstehst du unter FELDPOSTTRUPPE die Postler der mobilen Feldpostanstalten, die engen Kontakt mit der Truppen hatten und (vermutlich) direkt von ihnen mit Lebensmitteln versorgt wurden.

    Beste Grüße

    Rudolf

  • Hallo Rudolf,

    ja, ich meinte damit die in der Karte angesprochenen Vertreter der mobilen Feldpostrelais.

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Lieber Tim,

    es gab keine mobilen Feldpostrelais, da sie stets an einem festen Standort standen.

    Deshalb unterscheiden wir mobile von stabilen Feldpost-Anstalten = Relais.

    besten Gruß

    Rudolf

  • Deshalb unterscheiden wir mobile von stabilen Feldpost-Anstalten = Relais.

    So war es schon anno dunnemals - fand Luitpold in einem Buch von 1870:

    Zur ununterbrochenen Postverbindung des Heeres mit der Heimat, sowie auch nach Möglichkeit der Truppenteile untereinander, wurden außerdem stabile Feldpostanstalten, Feldpostrelais, in den besezten französischen Gebietsteilen ins Leben gerufen. Diese Relais, deren Zahl sich im ganzen auf 132 belief, waren, mit den erforderlichen Betriebsmitteln ausgerüstet, an den Etappenstraßen verteilt, um die Weiterbeförderung der aus der Heimat oder von der Armee eintreffenden Posten zu bewirken.

  • ...dann kann mir ja sicher jemand erklären, was der Verfasser "Die Norddeutsche Feldpost während des Krieges mit Frankreich in den Jahren 1870-71, Berlin 1871, S.13 mit dem Begriff der "mobilen Festpost-Anstalten" gemeint hat.

    Da sitze ich noch mit auf dem Schlauch.

    Dankeschön :)

    PS: Die Feldpostrelais mussten nicht selten wegen eigenen oder feindlichen Truppenbewegungen aufgelöst, verlegt, teils am gleichen Platz wieder neu eingerichtet werden ...das meinte ich insoweit als "mobil"

  • Hallo Rudolf,

    ...dort steht aber mobile Fest-Postanstalten, ist das das was Du sagst ?

    Schönen Gruß

    Tim

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Vielen Dank Dir,

    an dieser Stelle auch einmal für die immer währende Unterstützung und die Richtigstellungen. Ich habe ja ebenso gesteigertes Interesse daran, mit den (künftigen) Beiträgen nicht nur spannend, sondern auch korrekt vorzutragen.

    Lieben Gruß

    Tim :thumbup:

    Wer um Postgeschichte einen Bogen macht, läuft am Schluss im Kreis

  • Guten Abend Sammlerfreunde,

    der Beleg anbei besteht wohl aus dem längsten Satz der Welt, in einer teils doch etwas arg befremdlich anmutenden Ausdrucksweise. Auch wenn der Verfasser gar nicht auf die Idee gekommen ist, auf dem Brief seine Einheit anzugeben, so hat er immerhin an einer Stelle seiner Zeilen eine derart klare Aussage getroffen, dass sie sich letztendlich doch unschwer ermitteln ließ. Zunächst zum Inhalt, der mit roter Tinte ja auch etwas außergewöhnlich daherkommt:


    Herrn Josua Kuhlens

    in Haina bei Römhild

    Feldpostbrief Compag N (?)

    Meiningen den 12. Januar 1871

    Liebe Eltern und Geschwister,

    mit tiefen Gedanken ergreife ich die Feder um euch nachrigt zu schreiben, dass ich nicht wieder auf Urlaub komme, es müssen bis am 28. wieder viele fort und da lassen sie keinen fort, ich habe ihn alles gesagt, das ich das Essen nicht vertrage könnte und hier in den kalten Zimmer nicht aushalten könnte, aber es half mich alles nichts zu letzt meinte er ich sollte aus der Me----rsche gehen und irgendwo in der Stadt essen ich sagte dass ich ja nicht weit Nachhause hätte, aber es half alles nichts ich mußte da bleiben das habe ich gleich gewußt, das ich nicht wieder Nachhause kann, wenn der Häffling noch ein zeugnis schrieb so hätte ich noch welchen bekommen, es kann gut sein wenn ich nicht so schnell wieder gut werde, den wenn ich einer halbweg ist so mus er wieder mit weg nach Frankreich, ich wäre auch wieder nach Hause gekommen, aber es giebt jetzt keinen Urlaub for den 28. nicht. Ich habe 8 Tage Schonung bekommen, wenn er mir 8 Tage zusetzte, so war es doch noch was, aber wenn sie einmahl einen wieder da haben, so lassen sie ein nicht wieder los. Machet euch keine Sorgen, der liebe Gott wird uns schon beistehen hat er uns bis daher nicht verlassen so wird er uns auch ferner nicht verlassen. Der Streck ist auch in Meiningen hat einen Schuß durch die linke Schulter gehabt ist aber schon wieder geheilt und Dieter als wie zu war, der Hofmann ist noch beim Regiment.

    Ich verbleibe Euer Sohn in voller Hochachtung

    Hieronymus


    Gegen Ende des Schreibens erwähnt der Verfasser also einen Kameraden Streck mit Schuß durch die linke Schulter. Damit ließ sich unschwer die Einheit ermitteln: In den preußischen Verlustlisten findet man dazu passend einen Musketier Johann Carl Streck I der 4. Compagnie des 2. Thüringischen Infanterie-Regiments Nr. 32, dessen Garnisonsstandort - eben - die Stadt Meiningen war.

    Er war am 11.10.1870 in der Schlacht von Orleans mit seinem Schulterschuss leicht verwundet worden, dem Tag also, als die Stadt zusammen mit bayerischen Truppen occupiert worden war. Der Brief selbst wurde am 12.01.1871 aufgegeben, jenem Tag, als u.a. mit eine andere Stadt, nämlich Le Mans occupiert wurde und sich die Loire-Armee des Generals Chanzy aufzulösen begann.

    Viele Grüße

    vom Pälzer...der selsbtverständlich keinen Anspruch drauf erhebt, vorstehend alles + richtig transcribiert zu haben

  • Lieber Tim,

    ich lese in der Anschrift „Josua Kuhles“ und am Ende des Schreibens „ dieker als wie zu vor“.

    Die rote Tinte ist wirklich ganz ungewöhnlich!

    Beste Grüße

    Rudolf