Die "W"-Stempel von Stockach

  • Die Stadt Stockach muß schon zur vorderösterreichischen Zeit ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt gewesen sein, denn es kreuzten sich mehrere Postrouten in Stockach und die Liste der vorphilatelistischen Stempel ist lang.

    Nun gibt es ab 1837 bis 1851, bevorzugt auf Briefen aus Württemberg, Stempel mit dem Großbuchstaben W gefolgt von einer römischen Ziffer von I bis IV. Die große Mehrzahl der Briefe kommt aus dem südlichen Württemberg und lief nach Orten im südlichen Baden. Es wird vermutet, dass diese Stempel in Stockach verwendet wurden.

    In den Postakten ist von diesen Stempeln nichts zu finden, aber sie haben Eingang in die Literatur gefunden. James Van der Linden listet sie unter den Nummer 2964 bis 2967 als marque de rayon, also Rayonstempel, womit ich nichts anfangen kann. In Peter Feusers Katalog der Grenzübergangs- und Desinfektionsstempel sind sie unter den Nummern 623 bis 626 gelistet und - wie bei J.V.d. Linden auch - Stockach mit einem Fragezeichen versehen.

    Eine Theorie besagt nun, dass die unterschiedlichen Stempel der Post von 4 württembergischen Grenzpostanstalten zugeordnet werden kann.

    W.I. - Tuttlingen

    W.II. - Mengen

    W.III. - Ravensburg

    W.IV. - Friedrichshafen

    Die Stempel sind auch nicht gleich häufig. Feuser bewertet die Stempel mit 50.- 50.- 150.- und 800.- DM. J.V.d. Linden listet sie mit den Seltenheitsstufen 2 2 5 und 7.

    Ich habe mal die vermuteten Zuordnungen in ein Karte von 1769 eingetragen. Diese Karte unterstreicht nochmals die zentrale Lage Stockachs schon zur Reichspostzeit. Im Jahr 1837 sind natürlich noch einige Postverbindungen dazugekommen und Stockach war immer noch ein Knotenpunkt im Verkehrsnetz.

    Der Stempel W.I. wird hauptsächlich auf Briefen westlich der Linie Stockach - Stuttgart gefunden. Auch Briefe aus dem nördlichen Württemberg kommen mit dem W.I. Stempel vor.

    Brief aus Heilbronn vom 24. Mai 1838 nach Meersburg aus der umfangreichen Zimmermann-Korrespondenz. Der Brief lief wohl über Stuttgart und Tuttlingen nach Stockach.

    Taxiert sind 8 Kreuzer für Württemberg und 4 Kreuzer für Baden. Briefe aus dem nördlichen Württemberg mit diesem Stempel sind nicht häufig. Diesen konnte ich erst kürzlich für den Gegenwert einer Forumspizza erwerben.

  • Dieses Brieflot blieb erstaunlicherweise unverkauft. 2022 wurde dann der Lindau-Brief auf der 70. Rölli-Auktion 2022 für 380 Franken verkauft.

    Ein weiterer Brief mit diesem Stempel auf einem Dienstbrief von 1843 aus meinem Archiv.

    Grüße von liball

  • Das ist dann der dritte Beleg mit W.IV., der bekannt ist. Ein weiterer soll laut einer Aufstellung der Arge Baden aus Wurzach nach Freiburg im Jahre 1839 gelaufen sein.

    Diese Auflistung enthält 57 Belege mit W.I., 39 Belege mit W.II., 10 Belege mit W.III. und 2 Belege mit W.IV.

    Es ist jeweils nur Jahr, Aufgabeort und Zielort angegeben, aber leider keine Angaben ob Porto- oder Frankobrief und natürlich auch keine Taxierungen.

    Ich wende mich nochmals dem W.I. zu. Der folgende Brief ist schon erstaunlich.

    Frankobrief aus Tuttlingen vom 18. November 1846 an das badische Bezirksamt in Villingen. Er trägt den Stempel " Nach Abgang d. Post" und ist wohl erst am Folgetag auf die Reise gegangen. Der Stempel W.I. von Stockach wurde angebracht, das allerdings in genau entgegengesetzter Richtung von Villingen liegt. Die Taxierung von 2 Kreuzer für Württemberg und 6 Kreuzer für Baden für die Beförderung von Stockach nach Villingen entspricht genau den Eintragungen in der Gebührentabelle von 1841.

  • Liebe Sammlerfreunde,

    sehr schöne Briefe zeigt ihr uns. Herzlichen Dank. Bei folgenden Brief dürfte es sich um einen Vorläufer des "W" Stempels handeln: Brief vom Bürgermeister aus Hechingen vom 28. März 1819 (Fürstentum Hohenzollern-Hechingen / bis 30.9.1819 württembergische Landespostanstalt / ab 1.10.1819 Thurn und Taxissche Lehenspostanstalt) nach Lausanne (Schweiz) mit Leitvermerk "per Schaffhausen". Auf dem Brief handschriftlich "W" in Rötel vermerkt, bedeutet nach meiner Meinung "aus Württemberg". Der Brief lief sicherlich über Stockach (Baden). Wahrscheinlich dürfte das "W" dort auf dem Brief gekommen sein, vielleicht auch in Schaffhausen. Vielleicht können noch weitere Briefe mit solch einen "W" gezeigt werden.

    Liebe Grüße,

    Hermann

  • Hallo Axel,

    vielen Dank fuer die Eroeffnung dieses threads, welcher ein sehr intressantes Thema anschneidet.

    Ich kann leider im Moment von hier aus (Libanon) nur einen Brief zeigen ( die anderen liegen in Deutschland und ich habe keine scans hier - bin mir aber ziemlich sicher alle 4 zu haben - werden dann spaeter gezeigt).

    Hier also aus der gleichen Korrespondenz wie Deiner, ein Brief der Mechanischen Spinnerei Berg bei Stuttgart vom 12. Maerz 1847 an Herrn Reinhardt Zimmermann in Meersburg am Bodensee ueber eine Rechnung von 53 fl 42 Kr. Recto: schwarzer Z2 "STUTTGART 12 MART 1847", roter "W.I." , Taxvermerk 6/4 (6 Kr WB, 4 Kr Baden), sowie blauer Ovalstempel "MECHANISCHE SPINNEREI IN BERG BEI STUTTGART", verso: Ankunftsvermerk.

    Liebe Gruesse,

    Bruno


    Einmal editiert, zuletzt von Altensteiger (18. März 2024 um 10:46) aus folgendem Grund: Schreibfehler

  • VorphilaBayern

    Lieber Hermann,

    es ist nicht unwahrscheinlich, dass sich eine langjährige Praxis irgendwann in eine in Messing gegossene Praxis verändert, und erst so unsere Aufmerksamkeit erlangt hat. Es ist auf jeden Fall ratsam, die Korrespondenzen aus dieser Region aufmerksam zu verfolgen.

    Altensteiger

    Hallo Bruno,

    vielen Dank für Deinen Beleg. Die Taxe von Stuttgart nach Stockach beträgt 6 Kreuzer und von Stockach nach Meersburg 4 Kreuzer.


    Ich habe noch einen Frankobrief aus Künzelsau nach Jestetten aus dem Jahr 1843.

    Die Taxierung auf der Rückseite wurde von 4/8 auf 8/4 korrigiert. Der Stempel W.I. ist sehr klar abgeschlagen.

  • Ich habe noch einen Beleg aus der gleichen Korrespondenz:

    Brief aus Künzelsau vom 5. April 1843 an das badische Bezirksamt in Jestetten. Es scheint ein schwerer Brief gewesen zu sein, denn auf der Rückseite ist die Taxe 16/8 angeschrieben worden. Ungewöhnlich ist, dass die Taxierung mit Tinte erfolgte, denn Württemberg hat eigentlich immer mit dem Rötelstift die Taxen angeschrieben. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie Canstadt, das auch mal rote Tinte verwendete.

    Briefe aus Nordwürttemberg mit dem W.I. Stempel sind selten. Eine Leitung über mehrheitlich badisches Gebiet suche ich noch.