Der Deutsche Krieg 1866

  • Hallo zusammen,

    im Hinblick auf die weite fassung des Themas erlaube ich mir, einen Beleg ohne bayrischen Bezug zu zeigen.

    Mit Verordnung vom 27.6.1865 wurden in Sachsen für den innersächsischen Gebrauch Postanweisungsumschläge als Ersatz des bareinzahlungsverfahrens eingeführt. Sie waren bestimmt für Geldsendungen bis zu 50 Thalern zur Wiederauszahlung an den Empfänger. Ihr Versand erfolgte mit der schnelleren Briefpost zu Gebühren von 1 Ngr. (bis 5 Meilen Entfernung) resp. 2 Ngr. für größere Entfernungen. Bei Gewichten oberhalb von 1 Loth verdoppelten sich diese Beträge. Als Briefpostsendungen mußten die Sendungen entweder mit Marken frankiert oder unfrankiert versandt werden. Die vom Empfänger zu quittierenden Umschläge verblieben bei der Postverwaltung und wurden von dort der Papiermühle zugeführt. Der Vernichtung entgingen wenige Exemplare, von den regulär verwendeten unfrankierten Exemplaren ist lediglich der nachfolgend gezeigte registriert.

    Anhand der großen Menge erhalten gebliebener Einlieferungsscheine läßt sich feststellen, daß die weit überwiegende Zahl der Postanweisungen frankiert versandt worden ist.

    Die unübliche Handhabung bei diesem Umschlag ist leicht zu erklären: Der Empfänger war Angehöriger der "dislocierten" Truppen. Die 3. Schwadron des 3. Reiterregiments war in den letzten Tagen des Mai 1866 als Bestandteil der Avantgarde in der Nähe von Dresden und Meissen stationiert. Die häufige Änderung des Bestimmungsortes auf der Adresse zeigt, daß die Post Schwierigkeiten mit dessen Ermittlung hatte. Zugestellt wurde der Umschlag letztlich in Gauernitz bei Meißen, was bei einer Entfernung Meißens zu Waldheim von 4 Meilen 1 Ngr. Porto zu Folge hatte. Bei Dresden wären es 2 Ngr. gewesen, was für den Absender nicht zu klären war.

    Portofreiheit für Geldsendungen an "dislozierte" Truppenangehörige wurde erst am 4. Juni 1866 verfügt.

    So bescherte mir der 1866er Krieg einen der interessantesten meiner Belege.

    Beste Grüße

    Altsax

  • Lieber Altsax,

    ein Beleg, der sich erst durch (d)eine hervorragende Beschreibung erschließt - kein Wunder, dass man keinen weiteren kennt.


    Lieber mikrokern,

    zu deinem Brief aus Belgien im Krieg nach Fürth:

    1) Warum kein Transitstempel von Lüttich? Keine Ahnung, vlt. war das nicht mehr Mode, aber das kennen wir ja auch von anderen Ländern, dass man immer weniger Transit stempelte. Mit 66 hat es aber nichts zu tun.

    2) Wo das Ende der preußischen Bahnlinie war? Üblicherweise in Bingerbrück wurde übergeben bzw. umspediert. Ob das hier auch so war, kann ich nicht sagen. Der Brief ist sicher ein Unikat. Möglich wäre auch ein Transport über Aachen Richtung Magdeburg und dann über Hof nach Bayern. Die Laufzeiten geben hier leider nicht viel her, weder in die eine, noch in die andere Richtung. Ich halte aber auch die Versendung über Mainz - Aschaffenburg für wahrscheinlicher.

    3) Wie er nach Fürth kam? Ich denke über Aschaffenburg mit der Bahn bis Nürnberg. Vlt. lief die relativ ungestört weiter. Leider habe ich keine Hinweise, wie dieser Verkehr beeinträchtigt war und die Quellenlage ist mal wieder denkbar dünn.

    4) Die 40 Centimes wurden wie normal aufgeteilt: 1/3 Belgien, 2/3 Preußen als Vereinsaufgabepost. Bayern erhielt sowieso nie etwas von belgischen Briefen nach dahin.

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    Hier möchte ich noch einen Österreicher vom 3.7.1866 aus Wieden bei Wien nach Paris zeigen, der mit 25 Nkr. korrekt für der 1. Stufe bis 10g frankiert worden war. Er lief über München - Ulm und Kehl nach Strasbourg ("AUTR.(iche) AMB.(ulant) STRASBOURG G"). Das mit dem "G" kenne ich so nicht. Jedenfalls wurde er schon am 5.7.1866 in Paris zugestellt. Das war extrem schnell - hier hatte der Krieg keine Auswirkungen auf die Laufzeit.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,
    zunächst mal zu Deinen Repliken auf meine offenen Fragen zum Belgien-Fürth-Brief:
    Dass der fehlende Stempel aus Lüttich mit dem 66er Krieg zu tun haben könnte, hatte ich mitnichten vermutet. Ist mir nur so aufgefallen und hätte einen solchen erwartet.
    Für mich nicht klar: Wurde Post aus dem geschlossenen Transit durchs preuss. Rheinland (von Belgien nach Bayern) immer/inder Regel im linksrheinischen Bingerbrück mit TuT (fürs Grossherzogtum Hessen) ausgetauscht? Hätte für den Postkurs eher Frankfurt für die Übergabe von aus Köln kommender Briefbeutel erwartet. Oder Mainz, das offensichtlich auch als Zwischenstation von Post aus und nach Belgien fungierte, wie die posts #1 und #3 aus dem "Bayern-Belgien"-thread belegen:
    Bayern - Belgien
    Da sieht man den Mainzer Stempel, aber keinen aus Bingerbrück. Warum siehst Du Bingerbrück als Normalfall für eine Umspedierung, statt Mainz oder Frankfurt?

    Zur Bahnverbindung Frankfurt-Aschaffenburg-Würzburg haben wir uns ja ausgetauscht, und auch andere wie Postarchiv halten es zumindest für gut möglich, dass keine reguläre Bahnverbindung mehr mitten durchs heisse Kriegsgebiet bestand, obwohl ich dazu keine Aussagen habe.
    Last not least: war natürlich ein typo meinerseits, nach dem Anteil des Portos für Bayern zu fragen. Meinte Preussen, als "Abschöpfer" des Briefes in den Postverein.

    Und aller-lastest but not leastest: Dein prächtiger Brief von Wien nach Paris (über Strassburg) stellt das perfekte Pendant zu meinem aus post #1 dar. Her damit... :D:thumbup:
    Da ich's zur Zeit grad mit Leitwegen und speziell Eisenbahnverbindungen habe: wie wurde der Wien-Brief von Ulm nach Kehl spediert? Über Stuttgart/Karlsruhe? Wohl kaum via Friedrichshafen/Basel Bad. Bahnhof, oder?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    die süddeutschen Staaten kartierten um diese Zeit auf Bingerbrück, welches als preußisches Grenzeingangspostamt bzw. taxisches Grenzausgangspostamt fungierte. Die Stempel, da gebe ich dir Recht, sind eher auf Süd - Nord - Korrespondenzen zu finden, als anders herum.

    Er kann auch nach Mainz oder Frankfurt kartiert worden sein - aber Frankfurt hat praktisch immer bei eingehenden Kartierungen gestempelt und eben dieser Stempel fehlt ja. Mainz war ähnlich, wenngleich nicht so lückenlos wie FFM.

    Zitat

    Da ich's zur Zeit grad mit Leitwegen und speziell Eisenbahnverbindungen habe: wie wurde der Wien-Brief von Ulm nach Kehl spediert? Über Stuttgart/Karlsruhe? Wohl kaum via Friedrichshafen/Basel Bad. Bahnhof, oder?

    Da ich ja ein Freund von Laufzetteln bin (wie du hoffentlich nach dem letzten Rundbrief gesehen hast :D ), dokumentiere ich immer die Laufwege der Sendungen, die man bei Briefen nicht immer feststellen kann, da oftmals die Stempel fehlen. Die Leitung war München - Augsburg - Ulm - Stuttgart - Pforzheim - Baden Baden - Kehl - Strasbourg.

    Die Leitung via Friedrichshafen und den Badischen Bahnhof in Basel habe ich noch nie gesehen und halte sie auch nicht für machbar, weil die Übergabezeiten der Kartenschlüsse nicht für diese Leitungen abgestimmt worden waren.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber Ralph,
    vielen Dank für Deine Antwort!
    Nachdem wir hier jetzt schon 2 Briefe von Wien nach Paris via Strassburg (s. auch post #1, das Pendant zum letzten) gesehen haben, würde ich gerne mal einen von Wien nach Paris sehen, der den regulären Weg (also via Böhmen/Leipzig/Franfurt/Bingerbrück/Saarbrücken/Forbach) genommen hat, möglichst auch zeitnah aus 1866.
    Immerhin wurde der zuletzt gezeigte schon zwei Tage nach der Aufgabe in Wien am 3. Juli in Paris zugestellt, was den schnellen Transport über Bayern/Württemberg/Baden beweist. Da müsste die "Nordumfahrung" über Böhmen und Preussen schon noch was drauflegen, um das zu toppen...

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    auch wenn du bald 2 Kriegsbriefe von Österreich nach Frankreich in Händen halten wirst, darf ich dir nach über 15 Jahren der Suche versichern, dass sie handverlesen sind - hin wie her. ;)

    Ich habe meine Bestände durchforstet, konnte aber keinen "normalen" mit diesem Laufweg finden, wenngleich sich das aus 1866 sicher finden lassen wird.

    Die größte Granate von 1866, neben der Dreifarbenfrankatur in die USA und einer weiteren Dreifarbenfrankatur von Bayern über Frankreich nach Hamburg, die ich je gesehen habe, zeige ich hier als meinen letzten Beleg zu dieser spannenden Thematik.

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    Der Brief wurde in Amsterdam am 26.7.1866 geschrieben und wäre normal für 12 Kr. über Preußen und Taxis nach Bayern gelaufen. Mit dem bayer. VO - und Anzeigeblatt vom 22.6.1866 hatte man aber die Leitung für Briefe nach GB, Belgien (sic!) und den NL über Frankreich vorgeschrieben, wofür Frankreich 6 Kr. je 7,5g Transitgebühren erhielt.

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    Dass es Contraventionen auch hier gab, war nicht anders zu erwarten - eine belgische nach Bayern hast du ja schon, weitere sind mir nicht bekannt.

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    Zurück zu unserem Brief aus Amsterdam. Dort wurde er am 26.7.1866 bar mit 25 Cents frankiert und über Valenciennes ausgetauscht (PAYS - BAS VALENCIENNES 3) und in Paris am 28.7.1866 eingangsgestempelt. Von dort lief er via Strasbourg (PARIS A STRASBOURG 28.7.1866) über Pasing und Weilheim (je am 30.7.1866) nach Mittenwald (31.7.1866).

    Gebührenteilung: 4 Kr. für die NL, 6 Kr. für Frankreich (Kriegsgewinner) und 8 Kr. für Bayern, welches auch zum Kriegsgewinner wurde, weil man Preußen als Vereinsaufgabepost ausgeschaltet hatte und mit Frankreich der geschlossene Transit durch Baden und Württemberg vereinbart worden war.

    Weitere Kriegsumleitungen nach Bayern kenne ich nicht.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

    "Der beste Platz für Politiker ist das Wahlplakat. Dort ist er tragbar, geräuschlos und leicht zu entfernen." Vicco von Bülow aka Loriot.


  • Lieber bayern klassisch,
    besten Dank für das posting der Verordnung zur Leitung von Korrespondenzen nach B/NL über Frankreich. Dies zeigt, dass "Ausreisser" wie mein Brief aus Belgien über Preussen wohl eher handverlesen sind, es sei denn, man hatte keine ähnliche Vorschrift in Belgien, was die Leitung nach Bayern betraf. Jetzt suche ich einen Brief NACH Belgien via Frankreich... ^^
    Dein Holland-Brief ist erste Sahne, noch so'n "haben will"... :D
    War die Barfrankatur in den Niederlanden noch Usus Mitte der 60er Jahre? Gab es da keine Vorschrift zur Markenverwendung in die deutschen Staaten?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    ein Bayernbrief nach Belgien über Frankreich aus 1866 ist nicht bekannt. Käme er als solches erkannt auf den Markt, wäre er immer 4stellig, bei entsprechender Frankatur auch höher anzusetzen.

    Die Vorschriften waren bilateral - sonst hätte man ja nicht in den NL gewußt, dass man über Frankreich zu versenden hatte. So etwas konnte nur in Absprache gehen, weil ja immer auch Frankreich zu involvieren war.

    Barfrankaturen der NL nach Bayern kenne ich noch aus 1869 - das war nichts besonderes an sich.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,
    meinen bis dato erklärten Lieblingsbeleg, den die meisten von euch wohl aus eben dieser Rubrik im letzten Rundbrief unserer ArGe kennen dürften, muss ich hier – da er zum Thema Deutscher Krieg 1866 gehört - einfach nochmals zeigen.

    Feldpostbrief vom 29. Juli1866 von Randersacker bei Würzburg nach Unterriexingen/Vaihingen in Württemberg, worin sich der Schreiber, offenbar Württemberger und dem VIII. - aus badischen und württembergischen Divisionen bestehenden - Bundeskorps zugehörig, in dem Schreiben nicht nur für übersandtes Geld bedankt, sondern auch über die jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen berichtet. So ist das erlebte Gefecht bei Tauberbischofsheim am 24. Juli 1866 zwischen der 13. preuss. Division und der 1. Königl. Württembergischen Division Gegenstand seines Schreibens. Nach der Niederlage von Einheiten des VIII. Bundeskorps bei Werbach am selben Tag hatte sich dieses über den Main gegen Würzburg zurückgezogen. Nach den vielen erlittenen Niederlagen der eigenen Einheiten, der Katastrophe auf den Schlachtfeldern im Osten (Königgrätz) und dem zur Gewissheit werdenden Eindruck eines verlorenen Krieges waren die Soldaten der badischen, württembergischen, hessischen und österreichischen Divisionen kriegsmüde geworden und die Moral war dementsprechend. Für sie war die letzte Schlacht geschlagen, nur die Bayern hatten noch das Gefecht von Seybothenreuth am gleichen Tag (29. Juli) – eine weitere Niederlage – zu durchstehen. Einen Tag später, in der Nacht vom 30. Zum 31. Juli, wurde in Gräfenberg der Waffenstillstand zwischen Preussen und den Bundestruppen geschlossen.

    Die württembergische Feldpost war offensichtlich unorganisiert bzw. Ende Juli nicht mehr existent, sodass der Brief als Feldpostbrief eines Angehörigen eines mit Bayern verbündeten Staates portobefreit von der regulären bayerischen Post (Postablage) in Randersacker – geschrieben Randesacker- südlich von Würzburg, wo württemberg. Einheiten der 1. Division lagen, abspediert wurde. Über die württembergische Bahnpost erreichte er am 31. Juli Stuttgart, von wo er wohl zum nahegelegenen Zielort transportiert worden sein dürfte.

    Die für mich offene Frage betrifft den Leitweg von Randersacker bis Stuttgart: möglich wäre der „Post-Omnibus“-Kurs von Würzburg über Osterburken/Mosbach bis Heilbronn, von wo die Post mit der Bahn nach Stuttgart spediert worden sein könnte. Passt hier der rückseitige Stempel „Württ. Fahrend. Postamt“ mit der Zug-Nr. 12?
    Oder käme die Strecke Würzburg/Ansbach/Gunzenhausen/Nördlingen mit anschliessender Übergabe an Württemberg und Bahnpost Aalen/Stuttgart auch in Frage? Glaube aber, dass man hier einen bayer. Bahnpostvermerk sehen sollte.

    Hier die Transkription des Briefes:

    Euer Wohlgeboren
    Herrn Schultheiss Brodbeck
    in Unterriexingen
    Vaihingen K. Württemberg

    Feldpostbrief höchst dringend


    K. Baiern Würtsburg den 29. Juli 66

    Euer Wohlgeboren!
    was mich veranlasst die Feder zu ergreifen um Ihnen einige Zeilen mitzutheilen dass ich das Geld von Ihnen bekommen habe 3 fl. 42 kr und mit Dank angenommen habe.
    Wir stehen in keiner guten Zeit den 24. Juli sind wir mit den Preussen im Gefächt gestanden in der Stadt Dauberbischofsheim in der badischen Gränze. Die Kanonen haben uns nicht viehl Schaden gethan. Aber wir mussten über einen sehr hohen Berg mit Sturm hinunter. Wir hatten ziemlich Offizier und Soldaten verlohren. Wenn die Preussen nicht so hoch geschossen hätten dann währe von uns bereits kein Mann mehr übergeblieben. Ich muss jetzt mein Schreiben schliessen denn es regnet und wird nacht.
    Ich mache meinen höflichsten dank gegen Sie. Es grüsst Sie freundlich
    Johann Rost
    Ich hätte noch eine Bitte an Sie möchten Sie so gütig sein ich will ein Brieflein hirein thun meiner Mutter oder Schwester zu übergeben

  • Lieber mikrokern,

    ich halte den Laufweg Osterburken, Mosbach, Jagstfeld, Heilbronn und Stuttgart für den wahrscheinlichsten. Der Zugstempel könnte von der Strecke Heilbronn - Stuttgart stammen, aber das müssen BP - Spezialisten von Württemberg verifizieren.

    In jedem Fall ein erstklassiger Brief, um den dich jeder PO - Sammler beneidet.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,

    nachdem der Fokus bei den zuletzt gezeigten Belegen eher auf den kriegerischen Ereignissen im Zusammenhang mit dem Mainfeldzug der preuss. Mainarmee im Juli 1866 lag, möchte ich hier zwei Belege beschreiben, die nach Ende der Kampfhandlungen während der Besetzungszeit von Teilen Frankens durch die Preussen gelaufen sind.

    Am 3. Juli war (neben dem 1., der Besetzung von Prag dienenden) ein zweites preussisches Reserve-Korps gebildet worden, das aus zwei Divisionen – einer preussisch-anhaltinischen, und einer mecklenburgisch-braunschweig-altenburgischen bestand. Neben der Verfügbarkeit einer Eingreifreserve für den Notfall einer überraschenden Kriegswende hatte man bei der Bildung sicherlich auch für den westlichen Kriegsschauplatz an die Notwendigkeit von Besatzungstruppen in den eroberten feindlichen Gebieten gedacht.
    Unter dem Oberbefehl des Grossherzogs von Mecklenburg-Schwerin sammelte es sich im besetzten sächsischen Leipzig, um nach dem Korps-Befehl vom 19. Juli den Marsch nach Süden, Richtung Hof und Bayern, anzutreten.
    Nach der Besetzung von Hof am 23. Juli ging es gegen Bayreuth, das die deutlich unterzahligen bayerischen Einheiten am 28. Juli gar nicht erst zu verteidigen suchten,. Während sich Einheiten des 2. Reserve-Korps in und um Bayreuth einzuquartieren begannen, fand das letzte Gefecht mit bayerischen Verbänden bei Seybothenreuth am 29. Juli, einen Tag vor den Waffenstillstandsverhandlungen in Gräfenberg, statt, das die Bayern wiederum verloren. Damit war die bis Ende August dauernde Besetzung von Bayreuth besiegelt. Von da sollten mecklenburgische Verbände des 2. Reserve-Korps am 30. Juli zur Okkupation nach Nürnberg vorstossen.

    Der erste Brief sollte kostenfrei als Feldpostbrief am 4. August 1866 vom „Herzogl. Braunschweigischen Premier-Lieutenant Isendahl“ in die Heimat nach Braunschweig geschickt werden. Allerdings hat der Oberleutnant (oder sein Beauftragter) den Brief nicht der preuss. Feldpost übergeben, sondern ihn bei der lokalen Postexpedition Schnabelwaid, einige Kilometer südlich von Bayreuth, abgegeben. Der dortige Expeditor hat den Vermerk „Feldpost“ des preuss. Besatzers, der offenbar zu den braunschweigischen Verbänden (Husarenreiment Nr. 17 und Artillerie) im 2. preuss. Reserve-Korps im Raum Bayreuth gehörte, nicht im Sinne einer kostenfreien Briefbeförderung akzeptiert, sondern den Brief als Portobrief in den Postverein mit 12 Kr. (entspricht 4 Groschen) taxiert und vorderseitig „4“ in blau notiert. Vielleicht war das nächstgelegene Feldpostamt zu weit entfernt, oder der Absender des Briefes ist von einer kostenfreien Beförderung auch via Abspedierung über die reguläre bayerische Post ausgegangen, wer weiss...
    Über Hof und Leipzig erreichte der Brief Braunschweig am 7. August, wo die bayerische Taxierung mit einer weiteren (Rötel-)“4“ bestätigt wurde, worauf der Empfänger 4 Gr. zu zahlen hatte.

    Der zweite Brief belegt die Gegenrichtung. Abgesandt in Berlin am 17. Aug. 1866, ging er an den Premier-Lieutenant von Thümen, einen Angehörigen des 3. pommerschen Infanteriereg. Nr. 14 im 2. preuss. Reserve-Korps in Bayreuth, das dort immer noch Besatzungsaufgaben wahrnahm. Wiederum mit dem Vermerk „Feldpostbrief“ versehen, wurde er in Bayreuth von der dortigen Feldpoststelle übernommen und zugestellt, ohne jemals eine bayerische Posteinrichtung gesehen zu haben. Daher ist rückseitig auch keinerlei Vermerk oder Stempel zu sehen.
    Dass offenbar viel offizielle Post von der preussischen Heimat an das 2. Reserve-Korps in die besetzten Gebiete nach Franken gesandt wurde, zeigt die Tatsache, dass Briefe mit der Anschrift des Empfängers vorgedruckt wurden, unter Auslassung des Zielortsnamens, da die Besatzungstruppen mobil sein mussten.

  • Lieber bayern klassisch,
    grad noch eine Frage zu Deinem Brief aus Wieden bei Wien nach Paris (post 62):
    Den rückseitigen Durchgangsstempel (3.7. 4.E.) kann ich nicht entziffern. Von wo stammt der?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    Westbahnhof Wien ist der Stempel. Leider nicht perfekt abgeschlagen.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,
    einen weiteren Brief - leider nur eine Vorderseite - aus der Zeit der Besatzung fränkischer Städte durch preussische Truppen möchte ich hier zeigen.
    Es handelt sich um einen Feldpostbrief einer braunschweigischen Einheit an das Feldpostamt in Nürnberg vom 15. Aug. 1866. Als solcher war er portofrei und hatte nichts mit einer Abfertigung durch die bayerische Post zu tun.
    Für mich stellt sich die Frage nach Absender, Aufgabe- und Zustellort.
    Fakt ist zunächst, dass der Brief vom "Herzogl. Braunschweig. Infanterie-Regiment" kam. Wo befand sich dieses im August 1866? Die Hypothese, dass der Brief aus Braunschweig selbst stammen könnte und via preuss. Feldpost nach Nürnberg spediert wurde, widerlegt der zweite Brief, der vom selben Regiment - auch wieder via Feldpost - diesmal aber nach Braunschweig geschickt wurde (Abb. mit freundl. Genehmigung der Fa. H. Köhler, Wiesbaden).
    Also lag das Regiment in Bayern, von wo der Köhler-Brief in die braunschweig. Heimat, und meiner nach Nürnberg ans Feldpostamt ging.
    Der Stempel "K. Pr. Feldpost-Amt II. Res. A.C." wurde vom preuss. Feldpostamt des II. preuss. Reserve-Armee-Corps benutzt, das ja als Verstärkung für die Mainarmee aufgebrochen war, lediglich das kleinere Gefecht von Seybothenreuth zu bestehen hatte und danach als Besatzungsarmee fungierte (s. post #71).
    Braunschweigische Truppen lagen in Bayreuth, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur 1. Division möglicherweise auch in Nürnberg, wo sich das Hauptquartier des 2. Reserve-Korps (vor allem mecklenburg. Einheiten) befand.
    Und dann ist da noch der Vermerk "Commando der Br(aunschweigisch) Altenburgischen Brigade" in der linken unteren Ecke. Diese Brigade bestand aus wenigstens 2 Regimentern, nämlich eben dem Herzogl. Braunschweig. Infanterie-Regiment (dem späteren Braunschweig. Infanterieregiment Nr. 92), sowie dem Altenburgischen Füsilier-Regiment aus dem Herzogtum Sachsen-Altenburg, s. hierzu auch:

    "...Das altenburgische Füsilier-Regiment sollte von seiten des Deutschen Bundes als Besatzung der Festung Mainz, später Rastatt eingesetzt werden. Doch war Herzog Ernst wenig geneigt, gegen Preußen ins Feld zu ziehen, so daß die Mobilisierung vorerst verzögert wurde. Schließlich erfolgte die Mobilisierung innerhalb weniger Tage und das Regiment war am 14. Juni marschbereit, jedoch nur, um sich den preußischen Truppen anzuschließen. Am 23. Juni erhielt es den Befehl nach Erfurt zu verlegen, wo es bereits am 25. Juni einrückte. Zwei Tage später, am 27. Juni, marschierte das Regiment nach Sömmerda, um dort die Gewehrfabrik zu sichern; es kehrte aber nach der Schlacht bei Langensalza am 30. Juni wieder nach Erfurt zurück. Hier nahmen die Altenburger am Garnisonsdienst teil und exerzierten eifrig. Außerdem stellten sie größere Arbeitskommandos für Schanzarbeiten, wofür es Extravergütung gab. Anfang Juli wurde das Regiment dem 2. Reserve-Korps zugeteilt und zurück nach Altenburg verlegt. Von dort rückte es Ende Juli nach Bayern ab. Ohne an Kampfhandlungen teilgenommen zu haben kehrte das Regiment bis zum 10. September nach Altenburg per Eisenbahn zurück und wurde anschließend demobilisiert." (aus http://www.historischer-service.de/preussen/sachsen/kap_5.html#Der Krieg von 1866)

    Handelt es sich hier also um einen Absender- oder Empfängervermerk?
    Denkbar wäre, dass der Brief z.B. aus Bayreuth an das Brigadekommando in Nürnberg (hier also Empfängeradresse) gerichtet war, und das Feldpostamt als Adresse in Ermangelung eines genauen Standortes angegeben wurde. Denkbar wäre auch, dass der Brief von selbiger Brigade (aus welcher Stadt?) ans Feldpostamt geschickt wurde, da die Mitteilung dieses direkt betraf.
    Dass der Brief von der Brigade in Nürnberg ans FPA Nürnberg geschickt worden sein soll, kann ich mir nicht vorstellen, da hier der Dienstweg zu kurz gewesen wäre.
    Vielleicht kommt man mittels einer Analyse des Feldpoststempels weiter. Ich weiss nicht, wo sich - ausser in Nürnberg - weitere Feldpostämter des 2. Reserve-Korps befunden haben mögen. Wenn in Bayreuth, so wäre die Hypothese, dass der Brief dort via FPA abspediert und nach Nürnberg gesandt wurde, am plausibelsten.
    Möglicherweise wurde der Stempel auch als Nachweis über die Postbehandlung (nicht notwendigerweise nur Auflieferung, sondern auch Durchgang) abgeschlagen, so dass der Brief aus einer besetzten Stadt ohne FPA nach Nürnberg geschickt wurde und dort erst den Stempel erhielt.
    Vielleicht kann sich ein Kenner der preuss. Feldpost hierzu und zur Verwendung des Stempels (Aufgabestempel? Wie viele gab es?) äussern.

  • Lieber mikrokern,

    das Commando der Braunschweigisch - Altenburgischen Brigade war der Absender des Briefes.

    Weiteres muss ein preußischer Militärspezialist sagen, weil ich da nur raten könnte.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch,
    ja, das hab ich mir eben auch überlegt.
    Aber hätte ein Absender nicht "Vom Commando..." geschrieben, und dies oben und nicht unten auf dem Brief - in der Nähe der bzw. als Ergänzung zur Empfängeranschrift - plaziert?

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    bitte nicht DIENSTBRIEFE mit MILITÄRBRIEFEN verwechseln. Erstere sollten oben die Absendebehörde zeigen, aber die Franchisen wie "FELDPOSTBRIEF" usw. standen üblicherweise unten links.

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Lieber bayern klassisch,
    aber das ist es ja: die Franchise "Feldpost(brief)" ist hier OBEN angegeben.
    Links unten steht eben keine Franchise, sondern eine ADRESSE (Absender oder Empfänger...).

    Beste Grüsse vom
    µkern

  • Lieber mikrokern,

    wichtig war unten links - wer das las, brauchte nicht noch zu wissen, dass es ein Feldpostbrief war, denn was hätte es sonst auch sein sollen? Der Stempel oben links der Behörde, die Benennung unten links der absendenden Einheit, dazu das vorgeschriebene, aber hier entbehrliche Wort "Feldpostbrief".

    Liebe Grüsse von bayern klassisch

    Liebe Grüsse vom Ralph

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  • Hallo,
    einen weiteren Brief aus der Besatzungszeit Nürnbergs durch preuss. Truppen im August 1866 zeige ich hier.
    Nicht als Feldpostbrief, sondern mit der regulären Post befördert (Privatbrief!), verliess er Dresden am 4. Aug. 1866 und kam bereits einen Tag später, am 5. August, in Nürnberg an.
    Dresden, wie Sachsen als Kriegsgegner Preussens überhaupt, war schon länger von preussischen Truppen besetzt, und Nürnberg seit dem 31. Juli, sodass dieser Brief zeigt, dass nach Ende der Kriegshandlungen sehr schnell wieder privater Postverkehr reibungslos möglich war.
    Ob die Beförderung mittels der Eisenbahn via Leipzig/Hof oder Prag/Pilsen/Furth i.W. erfolgte, entzieht sich meiner Kenntnis.