Liebe Freunde,
vorweg ein paar Randdaten zu der Zeit des französischen Postamts in Hamburg (1):
Ab dem 4.8.1808 ging das Großherzoglich Bergische Oberpostamt in französische Verwaltung über.
Mit Dekret vom 18.12.1810 wurde die Eingliederung Hamburgs in das französische Kaiserreich vollzogen.
Ende der französischen Post mit der Besetzung Hamburgs durch russische Truppen am 18.3.1813
Nun der Brief, der bei mir einige Fragen aufwirft:
Geschrieben am 5.11. (24.10.) 1811 in St. Petersburg
frei-Vermerk "f Hb" (franco Hamburg)
Angekommen in Paris am 29.11.1811 (franz. Ankunftsstempel, Empfängerangabe)
Hamburger Herkunftsstempel RUSSIE..P / HAMBOURG
französische Gewichtsangabe "6" (links oben)
französische Taxe 11 Déc., doppelt gestrichen
französische Taxe 13 Déc.
rückseitig eine "8" (Manual-Nr.?, Taxe ??)
Soweit die dem Brief zu entnehmenden Daten.
Wie ist der Brief postalisch befördert worden?
Es fehlt der russische Aufgabestempel.
Eine Leitung über Preussen schliesse ich aus, da hier jegliche typischen Notierungen für fehlen (Grenzfrankozwang bis zur preuss. Ausgangsgrenze, franco Hamburg wohl nicht möglich)
Bei Mitnahme des Briefes durch einen Forwarder und Aufgabe weiter westlich wäre kaum der Herkunftsstempel RUSSIE ... verwendet worden.
Spekulativ kann man eine Schiffsaufgabe in Russland vermuten, die Jahreszeit ist zwar schon recht fortgeschritten, aber möglicherweise fuhren in diesem Jahr noch Schiffe von Russland Richtung Westen. Hier wäre dann die Frage, wo der Brief anlandete. Anbieten würde sich das (nunmehr ebenfalls französische) Lübeck, jedoch lief laut Literatur (2) in den Jahren 1811/1812 kein einziges Schiff den Lübecker Hafen an! Also doch mit dem Schiff direkt bis Hamburg?
Taxierung des Briefes
Auf dem Brief wurde franco Hamburg notiert, es findet sich auch nur eine gültige Portoangabe, so dass von einer rein französischen Porto-Taxierung ausgegangen werden kann.
Nach französischem Inlandstarif von 1806 wären für einen Brief Hamburg-Paris, ca. 900 km de bureau a bureau, 10 Déc. anzusetzen. Dazu käme ein Déc. Zuschlag für das Gewicht von > 6 Gramm = 11 Déc.
Diese Angabe findet sich auf dem Brief, wurde aber doppelt gestrichen, also als falsch eingestuft.
Die dann notierten 13 Déc. entsprächen dem alten Reichspost-Tarif von 12 Déc. für Hamburg-Paris plus 1 Déc. Gewichtszuschlag.
Welcher Tarif in der französischen Zeit Hamburgs angewendet wurde, scheint noch unklar zu sein.
so schreibt Brack (3):
Bis etwa 1810 erfolgt die Tarifberechnung nach dem gleichen Schema wie für die ehemalige Reichspost ...
Lediglich in der Zeit als das Postamt zu Frankreich gehörte erfolgte wahrscheinlich die Portoberechnung nach einem besonderen Schlüssel.
Vielleicht hat ja jemand Ideen zur Interpretation dieses Briefes !?
Viele Grüße
Michael
(1) Meyer-Margreth: Die Poststempel von Hamburg, Hamburg-Altonaer Verein für Briefmarkenkunde, 1965
(2) Graßmann: Handels- und Schiffahrts-Verträge der Hansestadt Lübeck, Schriftenreihe der Industrie- und Handelskammer Lübeck, 1978
(3) Brack: Leitwegestudium für Porto-Briefe aus/über Preussen nach Frankreich, Postgeschichte und Altbriefkunde Heft 132, 1998