Beiträge von Michael

    Liebe Freunde,

    vielleicht ist es interessant, die Umstände beim Reisen im 19. Jahrhundert zu beschreiben. Die Mühsal bei den Reisen zur Postkutschenzeit ist an verschiedenen Beispielen in der Literatur beschrieben, aber im beginnenden Zeitalter der Eisenbahnen gab es auch noch Restriktionen, die uns in der heutigen Zeit befremdlich erscheinen. Die folgende kurze Beschreibung fand ich in der Geschichte der Eisenbahn der Österreichisch-Ungarischen Monarchie von Prochaska.
    Die folgende Beschreibung betrifft eine Bahnfahrt innerhalb eines Landes, es waren also keinerlei Vorschriften hinsichtlich eines Grenzübertritts zu berücksichtigen.

    So war beispielsweise die Lösung einer Eisenbahnfahrkarte in den ersten Betriebsjahren der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn[1] durchaus keine leichte Sache. Vor allem musste eine Reisepass vorgewiesen werden und die Bestätigung der Polizei, dass von Seiten dieser Behörde gegen das Vorhaben der Reise kein Einspruch erfolge. Für eine Reise von Wien nach Brünn[2] bedurfte es sogar zweier Pässe, von denen der eine, der "Linienpass", für die Passirung des städtischen Steuerrayons nöthig war, während der andere als weitere Reiselegitimation zu dienen hatte. Nur mit diesen wichtigen Documenten ausgerüstet, konnte man hoffen, einen Fahrschein zu erlangen. Dies musste einen Tag vor der Abreise bewerkstelligt werden, da die Billetlösung am Abfahrtstage nur ausnahmsweise geübt wurde. Im Stadtbureau im "Bellegardehof" wurde der Fahrschein ausgefolgt. Vor der Bestimmungsstation kamen Gendarmen in den Wagen, die die Reisedocumente prüften. Das Gepäck musste mit der angesiegelten Adresse des Aufgebers versehen sein. Das Abwägen desselben, die Zollvisitation, Berechnung, Bescheinigung waren überaus langwierige Manipulationen. Gegen Fremde war man selbstverständlich noch misstrauischer.

    [1] die ersten fahrplanmäßigen Fahrten fanden 1838 statt
    [2] Entfernung ca. 130 km

    Anbei ein Reisepass, den ein Geistlicher aus Hussiatyn für seine Reise nach Lemberg (beides Kronland Galizien) benötigte.
    Man beachte die Gültigkeit von 8 Tagen!
    Der Reispass ist für meinen Scanner zu groß, daher ist er unten "abgeschnitten"

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    hier ein Brief, der über das österreichische Grenzpostamt Szczakowa lief.
    Dieser Leitweg nach Preußen ist nicht ungewöhnlich, nur die Stempelung erfolgte selten, da die weit überwiegende Zahl der Briefe direkt in Myslowitz an die preußische Bahn übergeben und hier von der preußischen Post während des Transports mit der Oberschlesischen Bahn Richtung Breslau bearbeitet wurde.
    Szczakowa, heute ein Stadtteil von Jaworzno, war ein wichtiger Schnittpunkt. Direkt benachbart war der Bahnhof Granice an der österreichisch-polnischen Grenze. Von Krakau führte eine Bahnlinie bis Myslowitz und verband so Österreich über die Warschau-Wien-Strecke mit Polen/Russland und via Myslowitz mit Preußen.

    5 Nkr.-Ganzsache (von 1861) für die Entfernungsstufe <10 Meilen, von Krakau nach Myslowitz.
    In Szczakowa durchgangsgestempelt und am gleichen Tag im preußischen Myslowitz ausgeliefert.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    danke für die freundlichen Kommentare.

    Zu dem gezeigten Brief kann man aber noch etwas mehr sagen:
    Der Brief ist mangels Inhalt leider nicht datierbar. Hier hilft dann aber die Adresse weiter. Diese lautet
    Dem Königl. Lieutenant im Regiment der Garde du Corps Herrn Grafen von Zeidlitz Trützschler
    Dank dem Internet ist eine Recherche heutzutage schnell und erstaunlich oft ergiebig. Das Geschlecht der von Zeidlitz ist gut zu finden, umfasst aber verschiedene Linien, so dass auch mangels eines Vornamens die Suche zunächst kompliziert scheint. Hier gibt dann aber die Nennung des Regiments die entscheidende Zusatzinformation. Das Regiment der Gardes du Corpes war DAS preußische Elite-Regiment, das immer dem preußischen König selbst unterstellt war. Der Dienst in diesem Regiment war eine Auszeichnung und so findet man dann auch hierzu, dass Robert Graf von Zedlitz und Trützschler, späterer deutscher Kultusminister, dort 1856-62 als Offizier diente.
    Wenn man diese Daten als verläßlich annimmt, kann der Brief nur aus dem Jahr 1862 stammen, da für die verwendete 1 Sgr.-Wappenmarke nach Handbuch der 1.12.1861 als früheste Verwendung belegt ist.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    bei diesem Beleg muss man ein oder mehrere Fragezeichen hinter das Wort "Postbetrug" setzen.
    Ein solches Übereinanderkleben von Marken ist bei preußen absolut ungewöhnlich, selbst bei markenfrankierten Fahrpostbelegen mit 10 oder mehr Marken war man stets bemüht, die Marken ordentlich nebeneinander (zur Not dann auf der Rückseite) zu verkleben.
    Und dann so etwas:

    2 Marken auf einem sehr übersichtlich beschriebenen Umschlag, auf dem ausreichend Platz für ein großzügiges nebeneinander von Kopf- und Wappenausgabe gewesen wäre. Das "riecht" schon sehr nach einem versuchten/gelungenen Postbetrug. In der Durchsicht erkennt man, dass die Kopfausgabe vollständig und sogar gut gerandet ist - es entfällt also die Variante, dass nur ein Markenfragment verklebt wurde. Es bleibt die Möglichkeit, dass die 2 Sgr.-Kopfausgabe im oberen Bereich einen relativ schwachen Stempelabdruck von einer vorausgegangenen Entwertung zeigen würde.
    Aber auch bei längerem Suchen im Durchlicht, ist da nichts mit Sicherheit zu behaupten.
    Wie sollte man mit so einem Beleg umgehen? Vor einem Ablösen (ggf. durch einen Prüfer) scheue ich immer zurück, da man den Beleg nie wieder in einen "Original"-Zustand bekommt. Mindestens bleibt im Attest die Formulierung "Marken wurden zur Prüfung gelöst ..."
    Was meint ihr dazu?

    NB: Ich habe keine vergleichbare 1 Sgr.-Wappenmarke mit einem so satten Farbton.

    Gruß
    Michael

    Hallo zusammen,

    das Zuschlagsniveau war diesmal wieder ungewöhnlich, bin leider auch ausgereizt und überboten worden ...
    Der Auktiuonsmarkt zeigt in letzter Zeit in manchen Bereichen tatsächlich ungewöhnlich hohe Zuschläge.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    danke für eure Kommentare. Ich freue mich auch, einen solchen Beleg in dieser durchaus akzeptablen Optik gefunden zu haben.

    den Akt des Entwertens hat der Beamte auch handschriftlich vermerkt und mit seiner Unterschrift bestätigt.


    Diese Vorgehensweise entsprach genau den Expeditionsvorschriften. Da hat der Postbeamte Püschel seine Kenntnisse bewiesen (und uns erfreut :) ).

    "In Schlochau entwertet Püschel" - kann man den Namen des Expeditors in den Unterlagen finden?


    In den Amtsblättern wurden regelmäßig Personalnachrichten (Einstellungen, Beförderungen, usw.) veröffentlicht. Leider lassen sich die Dateien wegen der alten Schrift nicht nach Texten durchsuchen. Daher bleibt wohl nur ein Zufallsfund.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    hier eine schöne Ergänzung zu dem vorigen Beleg. Bei dem zuvor gezeigten Brief wurden Marke und Wertstempel entwertet, der Aufgabestempel vergessen.
    Bei diesem hier aus dem Jahr 1861 von Prechlau nach Märkisch Friedland wurde der Aufgabestempel auf dem Brief abgeschlagen, aber die Markenentwertung vergessen.

    Die nachträgliche Entwertung erfolgte bei der Umspedierung im vorgesetzten Postamt Schlochau.
    Die beiden Briefe passen gut zusammen, da bei beiden Stempel zur nachträglichen Entwertung / Kennzeichnung benutzt wurden.

    Gruß
    Michael

    Vielleicht ist es ja interessant, auch einmal die Briefe an David in Francomont zusammenzustellen.
    Etliche dieser Belege sind in den verschiedensten Themen verteilt. Ich stelle hier einmal Links zu diesen Belegen zusammen.

    1807
    aus Nürnberg

    aus Lübeck

    1808
    aus Prag
    aus Smyrna

    1810

    aus Bois le Duc

    1811
    aus Mailand
    aus Neapel

    aus Bois le Duc

    1814
    aus Bozen
    aus Bozen
    aus Triest
    aus Triest
    aus Triest
    aus Triest

    aus Wien (2 Briefe in diesem Thema)

    1815
    aus dem bayerischen Salzburg
    aus dem bayerischen Salzburg
    aus Bozen
    aus Bozen
    aus Bozen
    aus Bozen
    aus Mannheim
    aus Toulouse

    1817
    aus Bozen

    1818
    aus Aachen
    aus Luxemburg

    1819
    aus Smyrna

    aus Odessa (forwarded nach Brody)

    1820
    aus Smyrna

    aus Wien

    1821

    aus Odessa (forwarded nach Brody)

    1822
    aus Odessa

    1824
    aus Constantinopel
    aus Frankfurt

    1825
    aus Kempten

    1826
    aus Philadelphia
    aus Neapel

    1831
    aus Kempten
    aus Kempten (selber Brief wie vorher, Übersetzung des Inhalts)
    aus Triest

    1833
    aus Livorno

    1835

    aus Lima, Peru

    1837

    aus Odessa

    1838

    aus Odessa

    aus Odessa (geräuchert in Brody)

    1839

    aus Odessa

    aus Odessa

    1841

    aus Odessa

    1845
    aus Triest

    Diese Liste wird regelmäßig erweitert, wenn weitere Belege aus dieser Korrespondenz eingestellt werden.
    Sollten Belege hier nicht erfasst sein, bitte eine PN an mich.

    Bearbeitungsstand: 11.2.2021

    Gruß
    Michael

    Lieber Ralph,

    Zitat

    Post in Gutenberg

    Münzberg führt Gutenberg nicht auf, daher scheint es zu preußischer Zeit dort keine Post gegeben zu haben.
    In Ritters Geographisch-Statistischen Lexikon von 1898 wird Gutenberg noch mit "Postamt Kreuznach" erwähnt.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    hier ein Brief, der unter verschiedenen Gesichtspunkten interessant ist (Postvertrag Preußen-Belgien, Contravention durch eine unvollständige Adresse), den ich aber hier einstelle, weil seine Sophy-Aspekte meines Erachtens recht interessant sind.

    Aufgabe als Herrsch. Justiz-Dienstsache portofrei in Berlin, adressiert nach Enghien in Belgien.
    Nach der Aufgabestempelung beim Hofpostamt am 23.10.1852 stellte der preußische Postbeamte fest, dass er mit der alleinigen Zielangabe Enghien nichts anfangen konnte. (Wenn man die Schriften vergleicht, stand dort zunächst nur "Enghien", die darunter stehenden Angaben wurden von anderer Hand hinzugefügt.) Mit einem blauen Fragezeichen versehen ging es zurück an den Absender, der daraufhin ergänzte Belgien.
    Im Hofpostamt wurde der alte Aufgabestempel mit Rötel durchkreuzt und ein aktueller Stempel vom 25.10. danebengesetzt. Mit der Bahnpost ging es dann Richtung Westen, belegt durch die Kursstempel BERLIN 25 10 I HALBERST: (ein relativ seltener Kursstpl.) und MINDEN 26 10 I DEUTZ.
    Am 27.10. übernahm die belgische Bahnpost (ALLEMAGNE CHEMIN DE FER) und es ging über ?AL (27.10.) nach Enghien (28.10.) in der belgischen Provinz Hennegau. Dort war der Adressat nicht zugegen, aber man vermutete, dass er in Louvain wäre. Also entlastete sich die Post in Enghien mit dem Stempel DÉBOURSÉ ENGHIEN und sandte den Brief nach Louvain (29.10.), wo er dann auch zugestellt wurde. Gemäß Inhalt, war der Adressat auch nicht in Louvain, der Brief wurde ihm laut Präsentationsvermerk am 30.10. in Brüssel vorgelegt.

    In Preußen war der Brief portofrei gelaufen, in Belgien wurde dies allerdings nicht anerkannt. Laut dem frisch abgeschlossenen preußisch-belgischen Postvertrag war nach Art. 16 die Korrespondenz zwischen staatlichen Behörden portofrei zu befördern. Da der Adressat kein belgischer Beamter war, fiel dieser Brief nicht hierunter. Nun taxierte ihn die belgische Post als normalen Portobrief und setzte 6 Déc. an. Dies beinhaltete 40 C. preußischen Portoanteil (!) und 20 C. belgischen.


    Der Adressat war der Herzog von Arenberg, der Wohnsitze in Deutschland und Belgien hatte.
    Der ehemalige Regent des Herzogtums Arenberg-Meppen wurde 1785 in Enghien geboren und starb 1861 in Brüssel. Nach den politischen Veränderungen der napoleonischen Zeit war er zwar kein regierender Fürst mehr, aber immer noch Standesherr und mit umfangreichen Besitztümern in den deutschen Gebieten ausgestattet.
    Der Brief weist rückseitig das Siegel KÖNIGL: GEHEIME CANZLEY DES JUSTIZ-MINISTERS auf und wurde vom preußischen Justizminister Ludwig Simons unterzeichnet.
    Auszugsweise ein paar Passagen des Inhalts:

    Ew. Durchlaucht habe ich die Ehre in Gemäßheit Allerhöchster Bestimmung Seiner Majestät des Königs hierdurch ergebenst zu benachrichtigen, daß Seine Majestät die von Hochdenselben und Seiner Durchlaucht vom Herrn Fürsten Alexis zu Bentheim-Steinfurt unterm 20/23 September dJ überreichte Immediat-Vorstellung mir zuzufertigen und zugleich die darin vorgetragene Beschwerde über die Anordnung, welche Seitens der Gerichts-Behörden von der Bestimmung des Artikels 4 der Verfassungs-Urkunde vom 31. Januar 1850 auf die Funktionen und Befugnisse der den §§ 36 und 60 der Instruktion vom 30. Mai 1820 gemäß constituirten standesherrlichen Hausstaats- und Domanial-Verwaltungs-Behörden gemacht wird, meiner besonderen Aufmerksamkeit zu empfehlen geruht haben.
    ...
    Was den in der erwähnten Immediat-Eingabe dargelegten Wunsch einer baldigen Feststellung der Rechte der vormals reichsunmittelbaren Fürsten und Grafen anlangt, so werden Allerhöchstem Erlasse zufolge die hierbei in Betracht kommenden Fragen in einer allgemeineren Auslassung bei dem Königlichen Staats-Ministerium zur Erörterung gelangen.
    ...

    Der Graf hatte also zusammen mit dem Fürsten zu Bentheim-Steinfurt ein Immediat-Gesuch an den preußischen König gerichtet, auf dass der Justizminister hier antwortete. Neben der Beschwerde über die Anordnung eines Gerichts wurde hier wohl auch Lobbyarbeit für die reichsunmittelbaren Fürsten geleistet.

    Da in der Gerichtssache vom Justizminister Simon ein Schreiben an das Appellationsgericht in Westfalen ging, was laut weiteren Ausführungen in dem Brief ... wodurch dieser Gegenstand voraussichtlich seine Erledigung finden wird. wurde dieses Schreiben von dem Grafen auch an seinen Domänenverwalter Landschütz abschriftlich weitergeleitet, worüber dieser sich, laut einem weiteren Vermerk zu diesem Brief sehr erleichtert zeigte. Zu diesem Domainenrat Landschütz findet sich ebenfalls interessantes im Internet.

    Gruß
    Michael

    Liebe Freunde,

    auch wenn vermutlich nicht allzuviele Briefe hinzu kommen, möchte ich diesen Brief in einem eigenen Thema vorstellen.

    Das 1 Sgr-Franco-Couvert (U11A, ab 1855 erhältlich) wurde im ostpreußischen Neuhausen einem durchkommenden Postillion mitgegeben. Dieser notierte v. Neuhausen p Postillion und brachte den Brief nach Königsberg. Dort wurde der Brief gestempelt und noch am gleichen Tag nach Schreitlaken pr. Schugsten gebracht und dort gegen 1 Sgr. Bestellgeld (rs. notiert) zugestellt.

    Neuhausen (heute Gurjewsk) lag ca. 1 Meile nordöstlich von Königsberg. 1910 (!!) hatte der Ort 589 Einwohner (diese und die folgenden Angaben nach Wikipedia). Neuhausen erhielt 1863 eine Post-Expedition II.Klasse.
    Schreitlaken (heute Morschanskoje) war ein Gutsdorf und lag ca. 2 Meilen nördlich von Königsberg. 1910 gab es dort 143 Einwohner. 1858 erhielt Schugsten eine Post-Expedition II.Klasse.
    Das als Leitvermerk angegebene Schugsten (heute Berjosowka), ebenfalls ein Gutsdorf und dicht bei Schreitlaken befindlich, zählte 1910 ganze 82 Einwohner.

    Gruß
    Michael

    Lieber Ulf,

    da ich gerade meine Belege mit Zugaufgaben durcharbeite, kann ich hier einen passenden Brief von ca. 1854 beisteuern.

    Ein 2 Sgr. Francocouvert (Mi.-Nr. U9) in Dessau direkt am Zug Berlin-Leipzig aufgegeben.
    Adressiert ist er an die Frau von Carl von Salza und Lichtenau (1802-1865, Jurist, königlich sächsischer Oberappellationsrat), siehe auch hier
    Das Absendersiegel, mit 2 aufrechten Löwen und einer Krone dazwischen, sieht auch nicht ganz unbedeutend aus, konnte ich aber bisher noch nicht zuordnen.

    Gruß
    Michael