Verehrte Sammlerfreunde,
bei der nachstehenden Beleg handelt es sich wohl nicht nur um eine der frühesten Feldpostkarten zu Anbeginn des deutsch-französischen Krieges. Es findet sich darin ein einfacher, aber m.E. sehr sehr eindrucksvoller Satz eines Angehörigen der dt. III. Armee (Kronprinz von Preussen) unter dem Kommando von General Karl Konstantin Albrecht Leonhard Graf von Blumenthal, welche sich zu diesem Zeitpunkt im Aufmarsch gegen die französische Streitkräfte in der Südpfalz befand.
Es war der Sohn des Weimarer Tuchmachermeisters Anton Friedrich Wilhelm Zünckel (1820-1867), welcher in der Kaufstraße ein - heute noch bestehendes - prächtiges Fachwerkgebäude bezogen hatte. Die Familie scheint in Weimar ein traditionsreiches Unternehmen geführt zu haben; siehe Bild vom Großvater Johann Georg Zünckel (1788-1823) im Anhang. Aufgrund des frühen Ablebens des Vaters hatte lt. Adressbuch Weimar 1879 die Witwe Friedericke Charlotte Auguste Zünckel (geb. Fölcker/1829-1909) die Geschäfte übernommen. Sie wird in den wenigen Zeilen dann auch direkt angesprochen:
Liebe Mutter ! Glücklich und wohlbehalten sind wir hier in Landau in der Pfalz
angekommen. Was uns für die nächsten Tage das Schicksal bestimmt, weiß der
Himmel. Unser aller Stolz ist groß. Bald sollt Ihr wieder Nachricht
erhalten, bis dahin grüßt Euch herzlich Euer Adolf Zünckel.
Der w.o. hervorgehobene Satz hat durchaus seine Berechtigung gehabt, denn man befand sich nur noch wenige Tage vor dem ersten Treffen mit Einheiten der französischen Elsassarmee am 04.08.1870 bei Weissenburg. Für die Tage zuvor muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Chef des Generalstabes General der Infanterie Freiherr von Moltke (noch) davon ausgehen musste, dass es von französischen Boden aus jederzeit zu einem Überschreiten der deutschen Grenze kommen würde. Aber nicht nur darauf war seine Strategie ausgerichtet:
„Die Versammlung aller Kräfte in der Pfalz schützt den unteren wie oberen Rhein und gestattet eine Offensive in Feindesland, welche rechtzeitig ergriffen, wahrscheinlich jedem Betreten deutschen Bodens durch die Franzosen zuvorkommen wird. Es fragt sich also nur noch, ob wir ohne Gefahr in unserer ersten Versammlung gestört zu werden, diese über den Rhein hinaus in die Pfalz und bis hart an die französische Grenze verlegen dürfen, und diese Frage ist meiner Ansicht nach mit Ja ! zu beantworten“.
Quelle: Scheibert, J., Der Krieg 1870-71, Berlin 1914, S.35
Der erfolgreiche Verlauf des Gefechts bei Weissenburg am 04.08.1870 und der Schlacht bei Woerth-Froeschwiller am 06.08.1870 haben dies dann bestätigt. Voraussetzung war eine bis ins Detail durchorganisierte Mobilmachung mit Unterstützung über die Einrichtung von insgesamt sechs - z.T. zweigleisig geführten - Eisenbahnlinien aus dem Gebiet des Norddeutschen Bundes und eine sorgfältige Recognoscirung der französischen Bewegungen durch sog. Detachements (Erkundungseinheiten).
Hier sei nur das Husarenstück des württemberigschen Hauptmanns Ferdinand Graf von Zeppelin (dem später berühmt gewordenen Luftschiffkonstukteur) erwähnt. Er überschritt mit seinen Dragonern am 24.07.1870 die Grenze bei Lauterbourg, galoppierte über 40 km tief in feindliches Gebiet hinein, dabei z.T. mehr als waghalsig mitten durch französische Dörfer bis nach Woerth an der Sauer, um die feindlichen Kräfte und deren Absichten zu erkunden.
Unter schweren Verlusten im ersten Scharmützel des Krieges am Schirlenhof bei Gundershoffen gelang dies. Von Zeppelin erstattete zwei Tage später bei seinem Kommandeur in Karlsruhe Rapport. Die auch von anderen Detachements eingehenden Meldungen ließen zuerst den Schluss zu, dass es zu einer Vereinigung des 1. franz. Corps (Marshall Mac Mahon / Strasbourg) mit dem 5. franz. Corps (General de Failly / Bitche) und in der Folge am Morgen des 26.07.1870 zu einer französischen Offensive an der unteren Lauter kommen könnte.
Daher wurden sämtliche mit der Bahn eingetroffenen Truppen des dt. XI. Armee-Korps umgehend bei Landau konzentriert. Nachdem sich die Offensiv-Befürchtungen nicht bestägten, konnte der vom Generalstab vom 16.07.1870 bis 04.08.1870 verfügte Aufmarsch - u.a. - der dt. III. Armee abgeschlossen werden. Sie war zusammengesetzt aus preußischen und süddeutschen Einheiten und damit der erste gesamtdeutsche Heeresverband in der deutschen Geschichte.
Das ihr angehörige XI. Armeekorps unter dem Kommando von General Friedrich Julius Wilhelm Graf von Bose bezog vor dem Gefecht bei Weissenburg Ausgangslager bei Rohrbach südlich von Landau. Auf dem Weg dahin wird der - sehr wahrscheinlich einem der thüringischen Regimenter - angehörige Tuchmachersohn Adolf Zünckel seine Feldpostkarte bei Godramstein westl. von Landau am 27.07.1870 in den Briefkasten geworfen haben
Da der Feldpoststempel augenscheinlich vom 28.07.1870 stammt, müsste es so gewesen sein, dass die bei den bayerischen Postexpeditionen eingegangene Feldpost bei den im Aufmarschgebiet dislozierten Feldpostdienststellen gesammelt und gesondert mit den rücklaufenden Militärzügen weitergeleitet wurden, für deren reibungslosen Durchlauf man auf sämtlichen der dafür von den zst. Eisenbahnkommissionen bestimmten Strecken den zivilen Güter- und Personentransportverkehr eingestellt hatte.
Aber ganz sicher bin ich mir mit dieser Beförderungssweise noch nicht, wer kann helfen ?
http://www.postkartendetektiv.de/militaer/graf-…m-24-juli-1870/
http://gedbas.genealogy.net/person/show/1048830284
Kaisers Paul, Merkwürdige un interessante originelle und komische Menschen im Weimar der Goethezeit, in: Weimarer Schriften, Hft. 21, S.14, Weimar 1986