Hallo Sammlerfreunde,
Reisen war während der Kriegswirren ein beschwerliches Unterfangen.
In der "Dayly Mail" schildert der Kriegsberichterstatter H. Fife die Abenteuer, die er auf seiner Rückreise aus Rumänien zu bestehen hatte.
In fünfundzwanzig Tagen von Rumänien nach England.
"In Friedenszeiten" schreibt er reist man in zwei Tagen von Bukarest nach London. Jetzt aber stehen die Dinge wesentlich anders. Da heißt es die Zeit nach Wochen rechnen. Bezieht man die unvermeidlichen Aufenthalte und Zwischenfälle mit ein, so lässt sich die Reise bestenfalls in 24 bis 25 Tagen vollenden.
Am Heiligen Abend reiste ich von Braila ab. Ein rumänisches Torpedoboot brachte mich die Donau hinunter nach Galatz. Dort hatte ich im Bahnhof einen ganzen Tag auf den Zug nach dem Hauptquartier zu warten. So etwas wie einen Fahrplan halten nur noch die für die Mitglieder des Hauptquartiers bestimmten Züge ein. Aber von einem dieser Züge als Fahrgast mitgenommen zu werden, wenn man sich nicht ganz besonderer Vorrechte erfreut, fällt außerordentlich schwer. Ich war überglücklich, als mir endlich ein bescheidenes Plätzchen bewilligt wurde. So fuhr ich Glückskind denn im Schnellzug, der für die zu durchmessenden 75 Meilen nur sieben Stunden brauchte. Wollt ihr aber wissen, wie lange ein anderer Zug dazu braucht, so kann ich auch darüber Auskunft geben: mindestens sieben Tage.
Zum Essen war auf der rumänischen Strecke nicht das Mindeste mehr zu bekommen.
Zum Glück hatte ich ein halbes Huhn und etwas Brot in der Reisetasche und meine Reisegefährten beneideten mich, als wäre ich ein König, der sich das erlesenste Essen leisten konnte.
Und tatsächlich speiste ich in jenen Zug fürstlicher als so mancher wirkliche Prinz, sah ich doch Tags darauf eine königliche Hoheit in einem Gasthof ein Mahl zu sich nehmen, das aus nichts weiter als einigen kalten Kartoffeln bestand, ein wenig reichhaltiges Menü, mit dem auch ich den nächsten Tag vorliebzunehmen hatte.
Die Bezeichnung Gasthof könnte geeignet sein, falsche Vorstellungen zu erwecken. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich schon gestehen, dass es mehr eine elende Bude war, die an die von Hafenarbeitern besuchten, Londoner Hafenspelunken erinnerte.
Der Schmutz, der dort herrscht, ist etwas Unbeschreibliches. Dabei ist der Gasthof voll von Menschen, die einen Höllenlärm verursachen und sich die elenden verdreckten Speisen gegenseitig aus der Hand reißen. Sowie die Kellner mit den Schüsseln auftauchen, werden sie von den Gästen umringt, die sich um das Essen schlagen, und bis in die Küche hinein setzen sich die Sturmszenen fort.
Ein Lazarettzug bracht mich aus der übervölkerten Stadt. Ich schlief auf meinem Koffer, bis wir an die Grenze kamen. Dort hieß es umsteigen und den Zug nach Kiew nehmen. Endlich waren wir in Russland. Da sieht es noch nicht ganz so schlimm aus. Auf den größeren Stationen kann man noch anständiges Essen zu angemessenen Preisen erhalten. Das sich unser russischer Zug übermäßig beeilte, kann ich ihm nun allerdings nicht vorwerfen. Für die dreihundert Meilen brauchte er ganze drei Tage und drei Nächte. Als wir endlich in Kiew anlangten, machte ich die betrübende Entdeckung, dass mir mein Koffer gestohlen war. Von Kiew nach Petersburg ging es ungefähr im selben Tempo weiter. Der Zug, der mich durch Finnland trug, blieb im Schnee stecken. Alle erwachsen Männer wurden zum nicht ganz freiwilligen freischaufeln der Gleise eingeladen. Zu weit würde es führen, alle die zahllosen Abenteuer zu erzählen, die mir auf meiner Fahrt von Finnland nach Schweden, von Schweden nach den norwegischen Bergen zustießen.
Es schien mir geradezu eine Erlösung mich von den sturmgepeitschten Wogen der Nordsee schaukeln zu lassen.
Genau fünfundzwanzig Tage, nachdem ich Rumänien verlassen hatte, setzte ich endlich in Newcastle den Fuß auf britischen Boden.
Liebe Grüße
Franz