Hallo Francesco,
um nicht aneinander vorbei zu diskutieren, sollten wir uns auf eine einheitliche Nomenklatur einigen.
Druckplatten gab es bei den Ziffernquadraten nicht. Gedruckt wurde von Druckformen mit (ab 1850) 90 einzelnen Klischees. Ein Klischee bestand aus einem Messingstöckel, das auf einem Körper montiert war (Holz, Schriftmetall, Messing), um die Pariser Höhe von 23,5 mm zu erreichen, auf die die Druckerpressen damals eingerichtet waren.
Zur Herstellung der Messingstöckel wurde vom Graveur das Markenbild negativ in Eisen gestochen. Dies ist der Urstempel (Patrize), mit dem auch Probedrucke durchgeführt werden konnten, die das seitenrichtige Markenbild zeigten.
Hätte man mit einem Urstempel einen ganzen Bogen drucken wollen, hätte der Graveur neunzig solcher Urstempel stechen müssen. Ein unsinniges Unterfangen. Daher wurde von der Patrize durch Prägung in Weicheisen eine Matrize hergestellt. Nach evtl. Korrekturen und Härtung wurden von dieser Matrize eine Stöckelserie von 90 (evtl. Incl. Reservestöckel 100) Stöckeln hergestellt. (Ich ziehe den Begriff Matrize dem Prägestempel vor, weil es dann gleichgültig ist, ob die Stöckel gegossen oder geprägt wurden.)
Bei Notwendigkeit konnten (im Abstand von mehreren Jahren) von derselben Matrize mehrere Stöckelserien geprägt werden, die i.d.R. unterschieden werden können.
Ich schlage vor, die Begriffe „Platte“, „Ur-Klischee“, „Ur-Stöckel“, „Ur-Matrize“, „Ur-Prägesstempel“ oder „Stöckelmaterial“ gänzlich zu vermeiden. (Stöckelmaterial kann Schriftmetall oder Messing sein.)
Diese Begriffe verwirren nicht nur, sie sind auch falsch.
Deine Kernfrage, ob für die verschiedenen Stöckelserien jeweils neue Patrizen (Deine Ur-Klischees?) oder Matrizen (Deine Ur-Klischees?) angefertigt wurden, ist trivial, wurde im Thread der 3 Kreuzer blau schon ausführlich diskutiert und ist aus den Erkenntnissen des Prozessablaufs bei der Herstellung der übrigen Werte der Ziffernquadrate leicht zu beantworten.
Bei keinem Wert wurden mehr als eine Patrize hergestellt (einschließlich der bei Weiß 1852/53 gedruckten Helvetia). Der Graveur hat die Ecken sauber im 90-Grad-Winkel gestochen.
Wäre die Abrundung der Ecken andererseits bereits in der Matrize erfolgt, sähen die Ecken der 4II1 alle sehr ähnlich aus und insbesondere gäbe es keine „geraden“ Ecken, die der 4II2 ähneln. (Bereits ab 1851/52 belegt.) Trotz deutlicher Ausprägung sind die „runden“ Ecken der 4II1 keineswegs identisch.
Daher kann man davon ausgehen, dass die von der Patrize geprägte Matrize spitze Ecken hatte und das Abfeilen der Ecken erst in den Stöckeln (individuell nach Notwendigkeit oder Sorgfalt des Bearbeiters) erfolgte.
Wir kennen dies auch von der 9 Kreuzer. Beim Prägen der Stöckel für die 9 Kreuzer grün hat die Matrize zweimal Schaden genommen. Sie lag am Ende nur noch in Typ III vor. Trotzdem wurden davon die 9 Kreuzer braun geprägt.
Alle 9 Kreuzer braun haben spitze Ecken, die 9 Kreuzer grün abgeschrägte Ecken.
Da sie beide eindeutig von derselben Matrize stammen, kann die Bearbeitung nur an den Stöckeln erfolgt sein!
Francesco, mit Deiner quantitativen Betrachtung, aus der sich für Dich ergibt, dass nur 2 Stöckelserien der 4II nötig gewesen wären, habe ich meine Probleme.
Du gründest dies auf Deine „groben Grundannahme“, dass mit einer Stöckelserie ca. 17-18 Millionen Marken gedruckt wurden.
Betrachte ich die 3 Kreuzer blau, von der ca. 76 Millionen Marken von 8 Stöckelserien gedruckt wurden, ergeben sich daraus grob 10 Millionen Marken pro Stöckelserie. Berücksichtigt man den unterschiedlichen Verbrauch in den Anfangs- und Endjahren, so sind das wohl zwischen 6 und 12 Millionen pro Stöckelserie.
Das deckt sich auch ganz gut mit den Angaben zum Münchner Druck der Helvetia, bei der etwa 60000 Abzüge pro Druckform zitiert werden. Für die Ziffernquadrate wären das 5,6 Millionen Marken. Da Weiß sicherlich konservativ gerechnet hat, wären die 6-12 Millionen also recht realistisch.
Damit wären aber bei einer Auflage von 34 Millionen Marken der 4II sehr wohl 3 Stöckelserien begründbar.
Dann musst Du auch nicht die weit hergeholte Theorie der Austauschstöckel bemühen.
Von der 1 Kreuzer schwarz wissen wir, dass statt der benötigten 360 Stöckel 400 hergestellt wurden (also ca. 10% Reservestöckel).
Für die Helvetia wurden an Weiß für Jeden Wert 100 +10 (Reserve) geliefert.
10% war also offenbar üblich.
Wenn das auch für die 6 Kreuzer braun gilt, dann lässt sich aber nicht erklären, wie durch Austauschstöckel der Übergang von 4II1 (1850-1856) zu 4II2 (1856-1860) bewerkstelligt hätte werden sollen.
Ich fände es nach wie vor interessanter, festzustellen, wieviele Briefe mit einer 4II2-ähnlichen Marke zwischen 1850 und 1856 belegt werden können (5%?, ich vermute weniger) und wieviele 4II1 noch auf Briefen zwischen 1856 und 1860 zu finden sind (sicherlich ein paar mehr, da sich ja einige aus den Vorjahren hinübergerettet haben können).
Das Thema Überarbeitung der 4II1 statt Neuprägung der 4II2 können wir sicher noch diskutieren.
Heute will ich dazu nur einen Brief von Oktober 1856 einstellen, der doch sehr deutlich die Merkmale von Erstdrucken zeigt: detaillierter Druck mit Struktur in den braunen Rauten der Wertziffernquadrate und vollständiger feiner Konturlinie in der 6. Und das ist nicht der einzige.
Für heute beste Grüße
Will