Lieber Kilian,
Deinem Adlerauge entgeht so leicht nichts und schön ist, dass Du die "Pünktchen" auch noch in den richtigen Kontext der Mi. 3II und 8 stellst.
Ich teile Deine Meinung, dass die Aussage (wie leider auch einige andere) von Vogel im Michel-Handbuch falsch ist, denn es ist schwerlich vorstellbar, dass für eine Kleinauflage der 1 Kreuzer rot eine neue Stöckelserie geprägt worden wäre, die nicht auch für die 1 Kreuzer gelb genutzt werden sollte.
Du zeigst mit Deiner 1 Kreuzer gelb, gMR 157, jetzt auch noch einen Beleg, der das erhärtet.
Die 3II und die 2II6 (Stöckelserie 6 der 3 Kreuzer blau) kann man im Zusammenhang sehen.
Beide Werte wurden in letzter Minute 1862 noch in Kleinauflagen nachgeschoben, weil die Bestände offenbar nicht bis zum 1. Oktober reichten.
Bei beiden Werte fallen die ausgesprochen vielen Randaufspaltungen auf, die in diesem Ausmaß bei den von denselben Stöckeln in der neuen Ausgabe gedruckten Marken nicht vorhanden sind.
Du kennst ja meinen Erklärungsversuch, den ich hier auch öffentlich zur Diskussion stellen will.
Wie wir beim einzigen noch existierenden Stöckel der 2II2b schon diskutiert haben, sind die Randlinien nicht völlig plan. Sie enthalten minimale Unebenheiten, die zu verschiedenen Druckzufälligkeiten führen können (unterschiedliche Randbreiten, Quetschränder, etc.). Abhängig von der Konsistenz der Farbe und evtl. auch von der angewendeten Druckkraft treten diese "Fehler" mehr oder weniger auf.
Für mich sind die Randaufspaltungen der 3II und 2II6 Quetschränder, bei denen der Farbfilm ganz abgerissen ist (an den Stellen der und bedingt durch die minimalen Unebenheiten der Randlinien im Stöckel).
Warum besonders bei der 3II und der 2II6?
Vermutlich seit Frühjahr 1862 wurden die Marken für die neue Ausgabe zum 1. Oktober 1862 gedruckt, wahrscheinlich auf mehreren Schnelldruckpressen. Als der Auftrag zum Nachdruck der 3 Kreuzer blau, bzw. später auch der 1 Kreuzer rot einging, wollte man für diese geringen Auflagen die Schnelldruckpressen nicht blockieren und wich evtl. auf die Handruckpresse aus.
Es ist bekannt, dass für die Handdruckpresse eine zähere Farbe als für die Schnelldruckpresse benötigt wurde.
Da der für die Farbmischungen zuständige Drucker zu der Zeit aber ständig Farben für die Schnelldruckpresse herstellte, mischte er wahrscheinlich das Blau, bzw. das Gelb in der gleichen (flüssigeren!) Konsistenz.
Beim Druck auf der Handdruckpresse führte diese zu flüssige Farbe dann vermutlich zu den bekannten vielen Randaufspaltungen, weil die Farbe an den minimalen Unebenheiten der Randlinie leicht abriss.
Der Druck der 3 Kreuzer rot von den Stöckeln der 2II6 und der 1 Kreuzer gelb von den Stöckeln der 3II mit Farben der richtigen Konsistenz zeigt diese Randaufspaltungen in wesentlich geringerem Maße. Da die Unebenheiten in den Stöckeln vorhanden sind, können diese Aufspaltungen natürlich druckbedingt auch auftreten, müssen aber nicht.
Wenn sie auftreten, freuen wir uns sogar, denn das gibt uns die Möglichkeit, Belege zu finden für die Weiterverwendung der Stöckel der alten Ausgabe (bis 1962) beim Druck der ersten Auflagen der neuen Ausgabe (ab 1. 10. 1862).
Die Definition all dieser meiner Meinung nach farbbedingten Randaufspaltungen als "Plattenfehler" hat J. Vogel möglicherweise in die Irre und zu seiner falschen Aussage im Michel-Handbuch geführt.
Meine vorgestellte Erklärung ist EINE Möglichkeit, die natürlich gänzlich falsch sein kann. Aber wenn wir nicht immer wieder neue Ideen entwickeln, können wir die Rätsel nie lösen.
Was meint ihr?
Beste Grüße
Will