Beiträge von Italienfreund

    Hallo Leitwege,

    Meine Einschätzung von den Leitwegen Lombardei/Italien nach Norden Mitte des 19.Jhdt war bisher folgende:

    -über den Gotthard nach Frankreich, Benelux, Westschweiz, Basel, Baden und nördlich
    -über den Splügen (nicht 100% beweisbar, könnte auch der Bernadino gewesen sein, weil ich den Splügen-Stempel erst 2x gesehen habe)
    nach Württemberg, Bayern.

    das würde ich nicht so absolut sehen. Neben dem "Zielgebiet" spielte u.a. das Herkunftsgebiet in Italien eine Rolle, daneben auch andere Kriterien.
    Der Stempel "Splügen" ist meiner Meinung nach ohne Relevanz, da beide Pass-Routen durch den Ort Splügen führten.

    Ich kann nur Aussagen für Briefe aus Italien nach Deutschland und in die (Nord-)Schweiz für den Zeitraum 1861 bis 1875 treffen. Dabei ergeben sich aus den Stempeln auf der Siegelseite der Briefe folgende Kriterien:
    1. Beförderung über den Splügen: italienische Stempel der Schiffspost auf dem Comer See und/oder Stempel von Chiavenna. Letzterer hat ein charakteristisches Zierstück, ist daher auch zu identifizieren, wenn der Ort unleserlich ist.
    2. Beförderung über den San Bernardino: Stempel von Bellinzona und Stempel von Chur - meist Bahnpost
    3. Beförderung über den St. Gotthard: Stempel Bellinzona und Stempel von Luzern, auch Schiffspost auf dem Vierwaldstätter See.

    Ich werde meine Belege demnächst im Detail auswerten. Das dauert aber noch etwas, da ich zwei weitere Briefe aus der Isler-Korrespondenz gestern erworden bzw. beboten habe. Und dann bin ich einige Tage mit Frau und Tochter im Erzgebirge.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Liebe Sammlerfreunde,
    heute zeige ich zwei weitere Briefe aus diesem Fang. Beide liefen in der Zeit kurz vor Ende des älteren Vertrages am 30 Juni 1862.
    Der erste Brief wurde am 04. Mai 1862 in Livorno aufgegeben. Er lief insbesondere in Italien auf einer anderen Route als die gestern gezeigten: nämlich über Genua (Stempel GENOVA 05.05.1862 - sicherlich auf dem Landweg), mit der Eisenbahn nach Arona, mit dem Schiff auf dem Lago Maggiore (Stempel VERBANO) bis Magadino, nach BELLINZONA (06.05.1862), über den St. Gotthard, mit dem Schiff über den Vierwaldstätter See (Stempel SCHIFFSBUREAU / LUZERN 07.05.1862) nach LUZERN (07.05.1862), nach AARAU (08.05.1862) und schließlich nach WOHLEN (08.05.1862)

    Bei dem zweiten Brief handelt es sich um eine Warenprobe ("Échantillons ... sans Valeur" - Muster ohne Wert), wobei sogar angegeben ist, woraus das Muster bestand, aus "paille" (Stroh), was bei dem Adressaten nicht verwundert. Die Gebühr entsprach derjenigen für Briefe (40 Cent. = 40 Rappen, unabhängig davon, ob frankiert oder unfrankiert), jedoch war die Gewichtsprogression ab 01. Dezember 1859 je 20 g. Der Laufweg war wieder ein anderer. Aufgegeben am 09. Juni 1862 in Florenz ging es zunächst über Bologna nach Mailand (Stempel MILANO 09.06.1862), dann nach Como und mit der Schiffspost über den Comer See (Stempel LARIO 10.06.1862) nach Cólico, dann nach CHIAVENNA (10.06.1862) und über den Splügen-Pass in die Schweiz. Dort erfolgte die Beförderung mit der Bahnpost CHUR-ZÜRICH / Z48 (11.06.1862). In WOHLEN kam er am 12.06.1862 an.

    Insbesondere diese unterschiedlichen Beförderungswege machen für mich den besonderen Reiz dieser auf den ersten Blick unscheinbaren Briefe aus.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Liebe Sammlerfreunde,

    in den letzten Wochen habe ich aus der belgischen Bucht einige Portobriefe gefischt, die im Jahr 1862 aus Italien in die Schweiz gelaufen sind. Auf den ersten Blick nichts Spektakluläres. Im Gegenteil, die Briefe sehen alle sehr ähnlich aus. Sie stammen alle aus der gleichen Gegend Italiens (Toskana) und sind alle an eine fast jedem Postgeschichtler bekannte Adresse in der SChweiz gerichtet, die Firma Isler in Wohlen.Alle wurden mit 40 Rappen taxiert. Aber in den Details gibt es interessante Unterschiede.
    Heute möchte ich zwei Briefe zeigen, die vom gleichen Absender in Prato unfrankiert abgeschickt wurden, einmal am 20. April 1862, zum Anderen am 18. August 1862. Der erste Unterschied ist die Größe des Aufgabestempels PRATO. Der Beförderungsweg war identisch. Beim ersten Brief ist er auf der Siegelseite besonders gut dokumentiert: Florenz (20.04.1862), Mailand (21.04.1862), Bahnpost UFF. AMB. MILANO - COMO (2) - auch wenn wir dank stampmix wissen, dass die Eisenbahn noch gar nicht bis Como fuhr, sondern in Camerlata Schluss war - Schiffspost auf dem Vierwaldstätter See (SCHIFFSBUREAU / LUZERN vom 22.04.1862, Luzern (22.04.1862), Aarau und schließlich Wohlen (23.04.1862). Nicht durch Stempel dokumentiert sind die Etappenorte Bologna, Grenzübergang bei Chiasso, Bellinzona, St. Gotthard. Auf der Siegelseite des zweiten Briefes befinden sich zwar weniger Stempel. Sie belegen aber den gleichen Beförderungsweg.
    Bedeutsam ist der Unterschied in der vertraglichen Grundlage für die Taxierung. Beim ersten Brief ist das der Postvertrag Sardinien - Schweiz von 1851 in der revidierten Fassung von 1859. Danach war es dem Absender freigestellt, ob er den Brief frankierte oder die Bezahlung dem Adressaten überließ. Die Gebühr betrug in beiden Fällen 40 Cent. = 40 Rappen je 10 g. Mit dem neuen Postvertrag Italien - Schweiz, der am 01. Juli 1862 in Kraft trat, wurde ein Paradigmenwechsel vollzogen. Die Verwendung von Briefmarken sollte gefördert werden. Die Gebühr für frankierte Briefe wurde auf 30 Cent. je 10 g gesenkt. Für Portobriefe blieb sie unverändert bei 40 Rappen (= 40 Cent.). Die beiden Briefe liegen kurz vor bzw. nach diesem Wechsel.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo Ralph,

    die Schweiz und der Kirchenstaat hatten ja keine gemeinsame Grenze (und auch nie einen direkten Postvertrag). Für den Transit gab es mehrere Möglichkeiten: durch Österreich (Lombardei), Sardinien - Italien, Frankreich. Dabei spielten die zwischen diesen Ländern und der Schweiz ausgehandelten Postverträge die entscheidende Rolle. Und da gab es unterschiedliche Gewichtsprogressionen, s. das Buch von Mathà und Mentaschi über die Briefpost ader altitalienischen Staaten. Die genannten Transitmöglichkeiten bestanden nicht alle gleichzeitig bzw. hatten nicht die gleiche Bedeutung.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo bayern klassisch,

    ein sehr schöner Brief, allerdings vor meiner Zeit. Daher kann ich nur einige Anmerkungen machen.

    Hallo Leitwege,

    Sardinien war nie Mitglied des Österreichisch-Italienischen Postvereins. Am 01.01.1854 trat ein neuer zwischen Österreich und Sardinien im Jahr 1853 abgeschlossener zweiseitiger Postvertrag in Kraft.

    Nun zu dem gezeigten Brief. Er fällt noch in die Gültigkeit des Postvertrages Österreich - Sardinien vom 01.06.1844. Die Gebühren galten in Sardinien je 7,5 g, in Österreich - wozu damals das Königreich Lombardei-Venetien mit der Hauptstadt Mailand gehörte - je 1/2 Wiener Loth (8,75 g). Genua lag in der 3. sardinischen Entfernungszone, Mailand in der 1. österreichischen. Die Gebühr für einen einfachen Brief aus Genua nach Mailand war 40 italienische Centsesimi (4 Decimi) = 50 österreichische Centesimi = 10 krCM. Ab Mailand war dann der Brief im DÖPV.

    Beste Grüße

    Jürgen

    Hallo Freunde,

    ich will den Blick zurück auf das eigentliche Thema lenken. Ich bin einer der Aussteller bei diesem Versuch. Mein neu gestaltetes Exponat "Die italienischen Postämter in Konstantinopel und Smyrna 1908 / 1923 - Die Postgebühren" ist in diesem Forum zwar reichlich exotisch, aber vielleicht wirft einer aus dem Forum mal einen Blick darauf.

    Beste Grüße

    Jürgen

    Hallo Pälzer,

    offensichtlich wurde in dem Brief gleich eine Artilleriegranate verschickt :D doch Spaß beiseite, etwas Schweres muss in dem Brief schon drin gewesen sein.
    Auslandsgebühren Italiens zwischen 01.1.01907 und 28.02.1919: Brief 25 Cent. je 15 g, Einschreiben 25 Cent.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo Leitwege,

    wie der P.D-Stempel auf diese Briefe gekommen ist, ist mir auch ein Rätsel. Ich tippe auf "blinden Diensteifer".

    Zum Abschluss dieser Serie möchte ich noch ein kleines Briefchen zeigen, das ich vor kurzem aus dem Internet (allerdings nicht aus der Bucht) gefischt habe. Es wurde am 31. März 1869 aus Florenz in den Kanton Graubünden geschickt. Die Frankatur besteht aus einer 10 Cent.-Marke, entwertet mit dem Punkt-Nummern-Stempel "174" des Bahnhofspostamtes. Am oberen Rand des Briefes wurde der Rahmenstempel FRANCOBOLLO / INSUFFICIENTE angebracht. Daneben ist zweimal handschriftlich der Fehlbetrag zum italienischen Portoanteil von 10 Cent. vermerkt. Entsprechend ist der Brief mit 30 Rapppen taxiert.

    Interessant ist weiterhin, dass der Absender auf dem kleinen Briefchen (11 x 7 cm) den Beförderungsweg detailliert vorgegeben hat, was auf der Siegelseite an Hand der Stempel zumindest bis zum Postamt Splügen in der Schweiz nachverfolgt werden kann.

    Kennt jemand den Ort Dalin in Graubünden? Ich habe dazu nichts gefunden.

    Auf diesem Brief befindet sich kein P.D.-Stempel!

    Beste Grüße
    Jürgen

    Liebe Sammlerfreunde,

    heute nun der bereits angekündigte, von mir sehnsüchtig erwartete Brief.
    Er wurde am 13. Dezember 1864 aus Biella in Piemont nach Magadino am schweizerischen Nordufer des Lago Maggiore gesandt. Bei den beiden bisher hier gezeigten Briefen entsprach der Wert der verklebten Marken entweder dem italienischen Gebührenanteil oder er war höher. Bei diesem Brief ist er geringer, auf ihm befindet sich nur eine 15 Cent.-Marke. Am italienischen Gebührenanteil fehlen somit 5 Cent., was am oberen Rand des Briefes mit dem Zeilenstempel "Complemento di tassa Ital." und handschriftlicher "5" vermerkt ist. Diese 5 Cent. = 5 Rappen musste der Empfägner - übrigens ein Käsehändler - zusätzlich zum schweizerischen Gebührenanteil bezahlen, die mit Rötel angeschriebenen 25 Rappen.

    Auch bei diesem Brief ist der zunächst abgeschlagenen P.D.-Stempel mit FRANCOBOLLO / INSUFFICIENTE überstempelt.

    Interessant ist auf der Siegelsseite der Zweikreisstempel VERBANO / (1) für die Schiffspost auf dem Lago Maggiore. Der Brief ist also zunächst mit der Bahnpost Mailand - Turin von Biella bis Arona befördert worden, dann mit dem Schiff von Arona nach Magadino.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Liebe Sammlerfreunde,

    der vorstehend avisierte Italien-Schweiz-Brief ist erst gestern bei mir angekommen. Der Einschreibbrief aus San Marino mit dem lang erwarteten Inhalt hat mehrere Wochen in Frankfurt/M. beim Zoll verbracht. Und ich musste erst 8,75 € Einfuhrumsatzsteuer bezahlen, bevor er mir ausgehändigt wurde.

    Bevor ich den Neueingang hier zeige, will ich erst einen anderen Brief vorstellen, der kürzlich bei mir angekommen ist. Die Briefe stehen in einem interessanten Kontext. Ich knüpfe an den im Beitrag Nr. 10 gezeigten Brief an. Es handelt sich heute um einen einfachen, mit 5 Cent. + 20 Cent. unzureivhend frankierten Brief aus Bergamo nach Mendrisio. Der Brief wurde zunächst als ausreichen frankiert angesehen, der P.D.-Stempel wurde dann aber mit FRANCOBOLLO / INSUFFICIENTE (Briefmarke unzureichend) ü´berstempelt. Bemerkenswert ist der Zeilenstempel Soprav.zo della tassa ital.. Er gibt an, wieviel die italienische Post von den eingenommenen 25 Cent. an die Schweiz weiterreichen musste, nämlich 5 Cent. (sopravanzo = Überschuss). Das ist unter dem Stempel als "05/100" handschriftlich notiert. Vom Adressaten wurden daher nur noch 15 Rappen eingehoben, was mit Rötel angegeben ist.
    Die Verwendung dieses Zeilenstempels ist in den "Istruzioni speciali per gli ufizi di cambio" (Spezialinstruktionen für die Austauschämter) zum Postvertrag Italien - Schweiz vom 18. August 1861 vorgesehen.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo bayern klassisch,

    "aber Preußen reicht nicht bis an Österreich heran"

    das stimmt so nicht, Preußen und Österreich hatten eine sehr lange gemeinsame Grenze - zwischen Schlesien und Böhmen. Und wenn ein Brief erst einmal in Berlin war, so war seine Beförderung über Oderberg - Wien zumindest theoretisch möglich.

    Mit besten Grüßen
    Jürgen

    Hallo VorphilaBayern,

    ein kleiner Hinweis: Der Brief ist nicht an eine Prinzessin adressiert, sondern der Obristlieutenant Boerger hat an an seine oberste Chefin geschrieben, an die regierende Fürstin zur Lippe.
    Nach Wikipedia hat das französische Wort "prince" in der Regel die Bedeutung "Fürst". "Prinz" und "Prinzessin" sind im deutschsprachigen Raum die Bezeichnungen für alle nicht regierenden und standesgemäßen Nachkommen souveräner Fürstenhäuser.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo Leitwege,

    ich nehme an, dass jemand den Brief etwas "aufpeppen" wollte. Wer das war und warum ????

    Ich zeige einmal einen ähnlichen Brief ohne eine derartige Zutat. Es ist ein Brief der 2. Gewichtsstufe - links oben "2", 10 - 20 g - der am 13.10.1872 aus Brescia nach Chur geschickt wurde. Mit 2 x 20 Cent. ist er unzureichend frankiert. Das ursprünglich angebrachte "P.D." ist mit FRANCOBOLLO INSUFFICIENTE überstempelt. Er wurde in Chur mit 40 Rappen taxiert - relativ schwacher Rötelvermerk. Die Stempel auf der Siegelseite sind zwar recht unsauber, aber zu entziffern. Der Brief lief über Mailand, Como und Chiavenna nach Chur, somit über den Splügen-Pass. Die verklebten 40 Cent. entsprachen wieder dem italienischen Portoanteil, so dass die schweizerische Post die gesamten 40 Rappen behalten konnte.
    Das war nicht immer so. Gestern habe ich einen Brief gekauft, bei dem die italienische Post noch einen Portoanteil von der Schweiz gefordert hat.

    Beste Grüße
    Jürgen

    Hallo Leitwege,

    der Brief "geistert" schon längere Zeit in der Bucht herum. Obwoh er eigentlich sehr gut in meine Sammlung passen würde, habe ich ihn nicht gekauft:
    - Der "P.P."-Stempel macht a priori keinen Sinn, da es zwischen Italien und der Schweiz zu keinem Zeitpunkt eine Grenzfrankatur bzw. Teilfrankatur gab,
    - das "P.P." sieht sehr eigenartig aus, wie aufgemalt.

    Der am 8. August 1861 abgeschlossene und am 1. Juli 1862 in Kraft getretene Postvertrag zwischen der schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Italien enthält folgende Festlegungen:
    "Art. 11: Die für die Frankirung jedes Briefes aus dem Königreich Italien nach der Schweiz oder aus der Schweiz nach dem Königreich Italien zu beziehende Taxe beträgt 30 Rappen für das einfache Porto von 10 Grammen oder Bruchtheil dieses Gewichts.
    Die Taxe jeden unfrankirten, von einem der beiden Staaten nach dem andern versandten Briefes beträgt 40 Rappen für das einfache Porto von 10 Grammen oder Bruchtheil dieses Gewichts.
    Art. 13: Die Frankirung kann mittels der Frankomarken der betreffenden Verwaltung geschehen.
    Wenn die auf einem Briefe nach einem der beiden Länder aufgeklebten Frankomarken den Betrag der Frankatur bis an den Bestimmungsort nicht ganz deken, so wird dieser Brief als nicht frankirt betrachtet und als solcher taxirt, unter Abzug des Werthes der betreffenden Frankomarken."

    Ich glaube, das erklärt alles. es handelt sich um einen unzureichend frankierten Brief. Die schweizerischen Rappen und die italienischen Centesimi waren gleichwertig. Die auf dem Brief verklebten 20 Cent. deckten den italienischen Gebührenanteil für einen unfrankierten Brief ab, die Schweiz konnte die kassierten 20 Rappen behalten.

    Beste Grüße
    Jürgen