Hallo,
ich möchte hier im Forum den folgenden Brief vorstellen bzw. zur Diskussion stellen - es handelt sich um
die Los-Nummer 765 der letzten Rauhut&Kruschel-Auktion Nr. 209 (15.1.2022) - Zuschlag übrigens 1.150 €::
Die Orignal-Losbeschreibung lautet:
1 Ggr. schw./graugrün, Kabinettstück auf Damencouvert (dieses rs. kleine Fehlstelle) mit Vorausentwertung durch schwarzen L1 von Buxtehude, Ra2 in blau nebengesetzt, nach Edelburg bei Iserlohn. Seltene Verwendung dieser Marke auf einem Brief in das Postvereins-Ausland, handschriftlich auf die Marke übergehend "reicht nicht" und mit "2 3/4" Sgr. nachtaxiert. Zusätzlich insofern ein bedeutendes Stück der Hannover-Philatelie, als damit bewiesen ist, dass sehr wohl vorausentwertete Marken am Postschalter an Kunden verkauft und nicht erst dort auf Briefe aufgeklebt wurden, da der Postbeamte sicherlich die Unterfrankatur erkannt hätte. In dieser Form ein Unikat. Attest Berger, Foto siehe Katalog-Rückseite
Ergänzend kann man zu dem Brief sagen:
- Der Brief ist echt gelaufen ist (auf der Rückseite finden sich diverse preußische Bahnpoststempel und ein Ankunftsstempel)
- Die Marke klebt original auf der Briefhülle (Attest von F. Berger liegt vor).
- Taxierung ist korrekt: Das Porto für einen unfrankierten Brief im Postverein (3. Entfernungszone) betrug 3 Sgr. plus 1 Sgr. Zuschlag. Abzüglich 1 Gutegroschen = 1 1/4 Sgr. - macht einen Fehlbetrag von 2 3/4 Sgr. (der auch einmal in Rötel und einem in blau ausgewiesen ist).
Aus meiner Sicht ist die Losbeschreibung vom Grundsatz korrekt. Zu diskutieren wäre der folgende Passus:
„… als damit bewiesen ist, dass sehr wohl vorausentwertete Marken am Postschalter an Kunden verkauft …“.
Kann dies sein, dass vorausentwertete Marken wirklich an Kunden verkauft worden sind und diese damit ihre Briefe frankierten und z.B. in den Briefkasten warfen? Aus meiner Sicht doch recht unwahrscheinlich, weil auf diesem Wege ein Postbetrug (Wiederverwendung der Marke) ja jederzeit möglich war. Doch was ist in diesem Fall passiert (ein paar Gedankenspiele):
- Hat der Postkunde evtl. nach einer Marke am Postschalter gefragt (erhielt diese vorausentwertete Marke), frankierte den Brief und warf diesen in den Briefkasten. Bei Leerung und Porto-Kontrolle ist dann das fehlende Porto aufgefallen (man hat aber die Marke akzeptiert und angerechnet)?
- Evtl. hat der Absender auch viele Briefe gleichzeitig aufgegeben. Die Briefe liefen alle in das Inland (mit dieser einen Ausnahme). Der Schalterbeamte frankierte alle Belege (mechanisch) mit einer vorausentwerteten Inlandsmarke und erst bei der spätere Bearbeitung und Stempelung der Briefe ist aufgefallen, dass dieser Brief in den Postverein unzureichend frankiert wurde?
Kennt Ihr solche Briefe (oder ähnliche Phänomene) aus anderen altdeutschen Staaten? Was wären plausible Erklärungen?
Dank und Gruß,
Björn Rosenau