Erneut ein portofreier Adelsbrief aus Darmstadt, diesmal aus dem Jahr 1865. Absender ist Prinz Alexander von Hessen-Darmstadt (1823-1888), der Begründer des Hauses Battenberg war und als solcher Urgroßvater mütterlicherseits von Prinz Philip, Duke of Edinburgh und Ururgroßvater von Prinz Charles. Er war eine morganatische (nicht standesgemäße) Ehe mit der Hofdame Gräfin Julia Hauke eingegangen. Alexanders Bruder, Großherzog Ludwig III., gab Alexanders Frau den Titel "Prinzessin (bzw. Fürstin) von Battenberg", ihre Kinder waren von der hessischen Erbfolge ausgeschlossen. Alexander selbst, obwohl er die Linie der Battenberger quasi begründet hat, behielt zeit Lebens seinen ursprünglichen Titel als Prinz von Hessen-Darmstadt, den er auch in diesem Brief führt.
Geschrieben wurde er am 16. Dezember 1865, gestempelt in Darmstadt am 17. Dezember, rückseitig Durchgangsstempel von Frankfurt ebenfalls vom 17., Bahnpost (von wo?) nach Hannover vom 18. und Ankunftsstempel von Hannover am gleichen Tag. Zur Taxziffer ("4") weiß ich (wie immer) nichts zu sagen. War so ein Brief nicht durchgehend portofrei? Auf der Vorderseite des Umschlags finden sich (in der linken unteren Ecke) auch die Initialen des Prinzen "Pr A de H", also Prince Alexandre de Hesse, auf der Rückseite ist sein rotes Wachssiegel.
Er ist jedenfalls adressiert an Gustave de Reiset (1821-1905), den französischen Gesandten am Hofe von König Georg V. von Hannover. Er war zuvor, im Jahr 1856, auch in Darmstadt als Gesandter Frankreichs, daher wohl die Verbindung zu Prinz Alexander. De Reiset war zudem Autor, Kunstsammler und - das verbindet ihn mit dem hessischen Prinzen besonders - Numismatiker (siehe Briefinhalt unten). Zudem komponierte er Opern, auch das geht aus dem Schreiben hervor.
Hier der Text des Briefes, übersetzt aus dem Französischen:
"Sehr geehrter Herr Graf
wenn ich so spät dazu komme, um Ihnen dafür zu danken, dass Sie mir "Donna Maria" [eine Oper, die der Graf von Reiset unter dem Pseudonym Gustave Teiset komponiert hat] geschickt haben, dann deshalb, weil ich zuerst eine intime Bekanntschaft mit diesem Jüngsten Ihrer musikalischen Werke machen wollte, bevor ich auf Ihren freundlichen Brief vom 18. November antwortete. Heute kann ich Ihnen in Kenntnis der Sachlage und nach bestem Wissen und Gewissen sagen, dass Ihre neue Partitur meine Zustimmung findet.
Soweit es möglich ist, eine Oper auf dem Klavier zu beurteilen, glaube ich, dass "Donna Maria" auf der Bühne eine große Wirkung erzielen muss. Sie hatten sehr glückliche Ideen, und dieses Mal haben Sie sich nichts versagt: Ballett, große Märsche, alles ist da.
Ich wäre entzückt, wenn unser Hoftheater bald dem guten Beispiel des Braunschweiger Theaters folgen würde. Im Moment absorbieren die Erfolge der "Afrikanerin" hier alles [Meyerbeers Oper, die im April 1865 post mortem uraufgeführt wurde], und Sie müssen dem großen Maestro, der nicht mehr da ist, den Vortritt lassen! - Man sagt mir, dass Herr Danger [Georg Banger, der Librettist von "Donna Maria"] sehr stolz darauf ist, seinen Namen neben Ihrem zu sehen: gekrönte Bescheidenheit (was ihm heutzutage nicht oft passiert).
Das Porträt Ihrer poetischen Reise nach Oberwesel [Stadt am Mittelrhein] hat mir große Freude bereitet: Ich bin entzückt zu erfahren, dass Sie einen Fuß an unseren Rheinufern behalten haben und nicht mit Waffen und Gepäck ins norddeutsche Lager übergelaufen sind.
Wenn es mir gelingt, den seit langem gehegten Plan auszuführen, Braunschweig und Hannover zu besuchen, werde ich es nicht versäumen, Sie im Voraus zu benachrichtigen. Ich wusste bereits, dass Sie mit dem König [Georg V. von Hannover] und mit meinem Cousin Wilhelm [Herzog von Braunschweig] im besten Einvernehmen stehen, aber was für mich neu ist, ist, dass ich in Ihnen, Herr Graf, einen Kollegen auf dem Gebiet der Numismatik begrüßen kann. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich diese wunderbare Entscheidung sehr stark befürworte.
Die Prinzessin [von Battenberg], die mich mit ihren Grüßen für Sie beauftragt, schließt sich mir an, wenn ich Sie bitte, Frau de Reiset zu grüßen.
Genehmigen Sie, Herr Graf, die Versicherung meiner vorzüglichsten Gefühle.
Prinz Alex. von Hessen"